2.3. HOMOMORPHISMEN 59
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- Rolf Schubert
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1 2.3. HOMOMORPHISMEN Homomorphismen Algebraische Strukturen werden mit Hilfe strukturverträglicher Abbildungen untersucht, die wie folgt definiert werden: Definition (Homomorphismus) (G, ) und (H, ) seien zwei Gruppoide, zwei Halbgruppen, zwei Monoide oder zwei Gruppen. Eine Abbildung f : G H heißt dann Homomorphismus, kurz: f : G H, oder f Hom(G, H), wenn sie die algebraische Struktur auf G respektiert, d.h. wenn f(g g ) = f(g) f(g ), und, falls neutrales Element oder Inverse vorhanden sind, f(e G ) = e H, f(g 1 ) = f(g) 1. Injektive (surjektive) Homomorphismen heißen Monomorphismen (Epimorphismen), bijektive heißen Isomorphismen. In diesen Fällen schreibt man entsprechend: f : G H (f : G H) bzw. f : G H. Man braucht dies jedoch meist nicht in allen Einzelheiten nachzuprüfen, denn es gilt Hilfssatz Sind G und H Gruppen, dann ist jede mit der Multiplikation verträgliche Abbildung f: G H ein Homomorphismus. Beweis: Ist f: G H eine Abbildung mit f(g g ) = f(g) f(g ), dann gilt f(g) = f(g e G ) = f(g) f(e G ), also f(e G ) = e H, da H ja eine Gruppe ist (so daß f(g) ein Inverses besitzt). Bild des neutralen Elements ist demnach das neutrale Element. Ganz entsprechend weist man nach, daß das Bild des Inversen das Inverse des Bildes ist Beispiele exp : (R, +) (R, ), x exp(x) ist Isomorphismus, ln : (R >0, ) (R, +), x ln(x). Diese Isomorphismen sie sind zueinander invers ermöglichten die Konstruktion des Rechenschiebers, der das Multiplizieren reeller Zahlen, etwa x und y, durch das Addieren der Strecken ln(x) und ln(y) ersetzt: exp(ln(x) + ln(y)) = x y.
2 60 Ist f Hom(G, H) ein Homomorphismus zwischen zwei multiplikativ geschriebenen Gruppoiden, Halbgruppen, Monoiden oder Gruppen, dann bilden die Klassen [g] Rf der induzierten Äquivalenzrelation R f mit der Multiplikation [g] Rf [g ] Rf := [gg ] Rf das Gruppoid G Rf, denn es ist leicht nachzuprüfen, daß diese Verknüpfung wohldefiniert ist. Die natürliche Abbildung von G hierauf bezeichnen wir mit ν f : G G Rf, g [g] Rf. Aus dem Abbildungssatz folgt die Existenz einer Abbildung f, die das Diagramm G ν f G Rf f H f kommutativ ergänzt, eindeutig bestimmt sowie injektiv ist und die folgende Form hat: f: G Rf H, [g] Rf f(g). Man prüft zudem leicht nach, daß es sich bei f um einen Homomorphismus handelt: f([g] Rf [g ] Rf ) = f([gg ] Rf ) = f(gg ) = f(g)f(g ) = f([g] Rf ) f([g ] Rf ). Wenn wir ihren Wertebereich auf das Bild von f, Bild(f) := {f(g) g G}, einschränken, erhalten wir demnach einen Isomorphismus zwischen den beiden Gruppoiden G Rf und Bild(f). Dieses wichtige Resultat heißt Der Homomorphiesatz für Gruppoide Sind G und H zwei Gruppoide, dann gilt für jeden Homomorphismus f: G H, die davon induzierte Äquivalenzrelation R f und das Gruppoid aus deren Äquivalenzklassen die folgende Isomorphie (zwischen Gruppoiden) G Rf Bild(f). Das Bild eines Homomorphismus f: G H ist also im wesentlichen dasselbe wie G Rf! Wir wollen deshalb dieses Gruppoid genauer beschreiben, insbesondere für den Fall, daß G und H Gruppen sind. (Eigentlich genügt sogar die Forderung, G sei eine Gruppe, weil man H ja durch Bild(f), d. h. durch Einschränkung
3 2.3. HOMOMORPHISMEN 61 des Blickwinkels auf das Bild von f, ersetzen kann, und dieses Bild ist leicht als Gruppe nachgewiesen, s.u..) Seien also G und H Gruppen, f Hom(G, H). Wir bezeichnen die folgende Teilmenge von G als den Kern von f : Kern(f) := {g f(g) = 1 H }. Kern(f) und Bild(f) sind leicht als Untergruppen erkannt. Darüberhinaus ist der Kern eine Untergruppe mit speziellen Eigenschaften. Solche Untergruppen wollen wir jetzt einführen: Definition Ist G eine Gruppe, dann heißt T G normale Teilmenge von G, wenn gilt: g G: gt = T g, oder, was dasselbe ist g G: gt g 1 = T. Normale Untergruppen U heißen Normalteiler, hierfür schreiben wir kurz: U G. Wichtige Beispiele normaler Teilmengen sind die bereits erwähnten Konjugiertenklassen von Elementen: C G (g ) = {gg g 1 g G}, es sind die kleinsten normalen Teilmengen von G, d. h. jede normale Teilmenge T G ist Vereinigung von Konjugiertenklassen C G (g ). Die Umkehrung gilt ebenfalls: Jede Vereinigung von Konjugiertenklassen ist eine normale Teilmenge. Betrachten wir die normalen Untergruppen etwas genauer, es wird sich nämlich gleich zeigen, daß diese genau die Kerne von Homomorphismen sind! Eine Untergruppe U G ist also genau dann ein Normalteiler, wenn die Linksnebenklassen auch Rechtsnebenklassen sind: g G: gu = Ug. Genau bei Normalteilern braucht man demnach Links- und Rechtsnebenklassen nicht zu unterscheiden, man spricht dann einfachheitshalber von Nebenklassen Beispiele Als triviale Normalteiler bezeichnet man {1} und G. Gruppen, die nur diese beiden Normalteiler besitzen, heißen einfach. Untergruppen vom Index 2 sind stets normal. In abelschen Gruppen sind sämtliche Untergruppen normal.
4 Satz Sind G und H Gruppen und f Hom(G, H), dann gilt: i) Der Kern von f ist Normalteiler: Kern(f) G. ii) Die von f auf G induzierte Äquivalenzrelation besteht gerade aus den Nebenklassen des Kerns: = G/Kern(f). G Rf iii) Die Nebenklassenmenge G/Kern(f) ist, zusammen mit der oben bereits eingeführten Multiplikation (gkern(f)) (g Kern(f)) := (gg )Kern(f), eine Gruppe, die sogenannte Faktorgruppe von G nach Kern(f). iv) Ist N ein Normalteiler in G, dann ist die Abbildung ν N : G G/N, g gn ein Epimorphismus von G auf G/N, die Faktorgruppe von G nach N. Insgesamt bedeutet das, daß genau die Normalteiler von G die Kerne von Homomorphismen auf G sind und die induzierten Äquivalenzrelationen gerade die jeweiligen Nebenklassenmengen. Beweis: Wir beweisen zunächst i) und ii) gemeinsam: [g] Rf = [g ] Rf f(g) = f(g ) f(gg 1 ) = 1 H gg 1 Kern(f) Kern(f)g = Kern(f)g. Da f auf der Nebenklassen Kern(f)g den Wert f(g) hat, folgt damit: Die Klassen von R f sind gerade die Rechtsnebenklassen von Kern(f). Aus Symmetriegründen sind diese Klassen aber auch die Linksnebenklassen des Kerns. Linksund Rechtsnebenklassenmengen sind also gleich, nach obigem Hilfssatz folgt daraus die Normalteilereigenschaft. Damit sind i) und ii) bewiesen. Zum Nachweis von iii) bemerken wir, daß die Nebenklassen des Kerns demnach das Gruppoid G Rf = G/Kern(f) bilden, wie bereits weiter oben festgestellt wurde; dieses ist ganz offensichtlich eine Gruppe. Ist schließlich umgekehrt N ein Normalteiler in G, dann ist ν N eine Abbildung auf die Menge der Nebenklassen von N, und diese bilden eine Gruppe wie man leicht nachrechnet. Die Multiplikation in G/N zeigt sofort, daß diese Abbildung darüberhinaus ein Homomorphismus ist, insgesamt ist es also ein Epimorphismus, und damit ist auch iv) verifiziert. Aus all diesen Überlegungen halten wir insbesondere folgendes fest, was aus dem letzten Satz und dem allgemeinen Homomorphiesatz für Gruppoide folgt:
5 2.3. HOMOMORPHISMEN Der Homomorphiesatz für Gruppen Sind G und H zwei Gruppen und ist f Hom(G, H), dann besteht folgender enge Zusammenhang zwischen Kern und Bild von f : G/Kern(f) Bild(f). Das Bild von G unter f ist also im wesentlichen dasselbe wie die Faktorgruppe von G nach dem Kern von f Beispiele Das Problem der Lösbarkeit des linearen Gleichungssystems n 1 a ik x k = b i, 0 i m 1, k=0 kann als Frage nach dem Urbild von b R m unter dem Homomorphismus k a 0kx k. f: R n R m, x k a ikx k. k a m 1,kx k angesehen werden. Das Gleichungssystem ist nämlich ganz offenbar genau dann lösbar, wenn die rechte Seite, der Vektor b, in Bild(f) liegt. Der Homomorphiesatz besagt, daß, bei Lösbarkeit, die Lösungsgesamtheit gerade eine Nebenklasse des Kerns des Homomorphismus ist: L I = x + Kern(f). Und der Kern dieses Homomorphismus ist gerade die Lösungsgesamtheit L H des homogenen Systems, insgesamt gilt also, falls b Bild(f) : mit irgendeinem x f 1 (b). L I = x + L H, Das bestätigt die obigen Vorüberlegungen und zeigt, daß sich diese Lösungsmenge (gegebenenfalls, d. h. wenn sie nicht leer ist) als Nebenklasse erweist. Ein nichttrivialer Homomorphismus ist die Abbildung von Permutationen auf das sogenannte Vorzeichen bzw. das Signum. Sie spielt später, bei der Einführung der Determinanten, eine sehr wichtige Rolle: i) für n N sei das Differenzenprodukt n wie folgt definiert: n := 0 i<j n 1 (j i) N
6 64 (beachten Sie, daß das leere Produkt gleich 1 gesetzt wird, so daß 0 = 1 = 1 gilt). ii) Für π S 0 sei π 0 := 1 und, für π S 1, π 1 := 1 gesetzt. Für n > 1 setzen wir π n := (π(j) π(i)) Z. 0 i<j n 1 Beispielsweise ist 2 = 1 0 = 1, und (01) 2 = 0 1 = 1. iii) Das Signum von π S n, n N, sei definiert als beispielsweise also sgn((01)) = 1. sgn(π) := π n n, iv) Die Abbildung sgn: π sgn(π) ist ein Homomorphismus von S n in die Gruppe ({1, 1}, ), und für n 2 ist dieser ein Epimorphismus. Beweis: Um die Homomorphie zu zeigen, bemerken wir sgn(πρ) = πρ(j) πρ(i) ρ(j) ρ(i) = πρ(j) πρ(i) sgn(ρ) ρ(j) ρ(i) j i ρ(j) ρ(i) i<j i<j Jetzt verwenden wir, daß die Anweisung i < j unter dem Produktzeichen bedeutet, daß das Produkt über alle i und j aus den verschiedenen Zweiermengen {i, j} n zu bilden ist. Wegen der Bijektivität von ρ können wir diese Laufanweisung also durch die Anweisung ρ(j) < ρ(i) ersetzen und wie folgt weiterfahren: = ρ(j)<ρ(i) πρ(j) πρ(i) ρ(j) ρ(i) sgn(ρ) = i<j = sgn(π) sgn(ρ). π(j) π(i) sgn(ρ) j i Ist π Transposition benachbarter Ziffern, dann gilt offenbar sgn(π) = 1. Weil die Transpositionen die symmetrische Gruppe erzeugen, beweist das die Behauptung, sgn sei ein Homomorphismus aus S n Definition Der Kern A n = {π S n sgn(π) = 1} dieses Homomorphismus heißt die alternierende Gruppe in S n. π S n heißt gerade Permutation, wenn π A n, andernfalls heißt π ungerade Folgerungen i) A 0 = S 0 = {1}, ebenso A 1 = S 1 = {1}, dagegen ist, für n 2, A n Normalteiler vom Index 2 in S n.
7 2.3. HOMOMORPHISMEN 65 ii) Ein r Zyklus ist genau dann gerade, wenn r ungerade ist. iii) π S n liegt genau dann in A n, wenn π (bezogen auf die Standardzyklenschreibweise oder jede andere Darstellung von π als Produkt von Zyklen) geradzahlig viele Zyklen gerader Länge enthält. Um dieses Signum auf symmetrische Gruppen beliebiger endlicher Mengen zu verallgemeinern, überlegen wir uns noch: Hilfssatz i) Für π S n bedeute wieder a i (π) die Anzahl der zyklischen Faktoren der Länge i. Die Folge a(π) = (a 1 (π),..., a n (π)) dieser Vielfachheiten heißt der Zykeltyp von π und bestimmt, genau wie die Zykelpartition, die Konjugiertenklasse von π. Aus ihm läßt sich wie folgt das Vorzeichen von π ermitteln, sgn(π) = ( 1) n z(π), z(π) := i a i (π). Es ist leicht einzusehen, daß jede Folge a = (a 1,..., a n ) natürlicher Zahlen a i mit i i a i = n als Zykeltyp von Elementen in S n vorkommt. ii) sgn ist, für n 2, der einzige Homomorphismus von S n in (C, ), der nicht trivial ist, d.h. verschieden von π 1. iii) Für endliche Mengen X, Y gilt S X S Y X = Y. Beweis: i) sgn(π) = ( 1) (i 1)a i(π) = ( 1) n z(π), das ergibt sich aus iii) in ii) Sei f Hom(S n, C ). Da die Transpositionen S n erzeugen, diese konjugiert sind, und ±1 die einzigen Quadratwurzeln von 1 in C sind, ist f genau dann nicht trivial, wenn für jede Transposition τ gilt f(τ) = 1. iii) X = Y heißt, daß es eine Bijektion f: X Y gibt. Für ein solches f sei ϕ: S X Y Y, π f π f 1. Man sieht leicht, daß ϕ(π) S Y und ϕ ein Isomorphismus ist. Umgekehrt gilt: S X S Y ergibt X! = Y!, also wegen der Endlichkeit auch X = Y.
8 Folgerung Ist X eine endliche Menge, dann ist, für X 2, sgn: π ( 1) X z(π) der einzige nicht triviale Homomorphismus von S n nach (C, ), sein Kern A X = {π S X sgn(π) = 1} also die einzige Untergruppe vom Index 2 in S X. Nachdem wir jetzt mit dem Signum einen nichttrivialen Homomorphismus auf einer ganzen Klasse nichttrivialer Gruppen den endlichen symmetrischen Gruppen kennengelernt haben, kehren wir nocheinmal zur allgemeinen Situtation zurück, also zur Untersuchung eines Homomorphismus f: G H. Es gilt nämlich noch sehr viel mehr als nur die Isomorphie zwischen dem Bild von f und der Faktorgruppe nach dem Kern. Der Homomorphismus überträgt nämlich die gesamte sogenannte Verbandsstruktur. Um dies zu beschreiben, benötigen wir den folgenden Begriff: Definition (geordnet, Verband) Eine Menge V, zusammen mit einer Relation, heißt geordnet, wenn reflexiv, antisymmetrisch und transitiv ist. Eine geordnete Menge (V, ) heißt Verband, wenn zu je zwei Elementen u, v V deren Supremum u v und deren Infimum u v (also eine kleinste obere und eine größte untere Schranke) existieren. Beispiele sind die Klasse aller Mengen, mit Infimum := und Supremumsbildung :=, natürlich auch die Potenzmenge einer Menge M. Am meisten interessiert uns im Moment der Untergruppenverband einer Gruppe, U(G) := {U U G}, zusammen mit als Ordnung. Hier ist das Infimum natürlich U V := U V, denn der Schnitt von Untergruppen ist wieder eine Untergruppe und offenbar die größte Untergruppe, die in beiden liegt, also deren untere Schranke bzgl.. Das Supremum ist das Erzeugnis der Vereinigung: U V := U V Satz Ein Homomorphismus f: G H induziert einen Ordnungsisomorphismus zwischen dem Verband der Untergruppen von G, die Kern(f) enthalten und dem Verband der Untergruppen von Bild(f). (Vgl. Übungsblatt) Übungen:
9 2.3. HOMOMORPHISMEN 67 Ü Zeigen Sie,daß eine Untergruppe U G genau dann ein Normalteiler ist, wenn jede Linksnebenklasse auch Rechtsnebenklasse ist: g G g G: gu = Ug. Ü Sei G eine Gruppe. Zeigen Sie: i) Für jedes g G ist die Abbildung κ g : G G, h ghg 1 ein Gruppenisomorphismus. ii) Bezeichnet man für jedes g G mit l g : G G, x gx, die Linkstranslation, dann ist φ: G S G, g l g, ein Gruppenmonomorphismus. iii) Ist G abelsch, dann ist ψ: G G, g g 1 ein Gruppenisomorphismus. Ü Betrachten Sie Z/3Z. Beschreiben Sie die Elemente von Z/3Z, und geben Sie die Multiplikationstafel des Gruppoids (Z/3Z, ) mit a b := ab an. Ü Es sei m 3 und a := (1, m) (2, m 1)..., b := (1... m) S m. Setze H :=< a >, N :=< b >, D 2m :=< a, b >. a) Zeigen Sie: H N = D 2m, und bestimmen Sie die Mächtigkeit von D 2m. b) Sei nun m := 4. Bestimmen Sie zwei Untergruppen U und V von D 2 4 mit U V, V D 2 4, aber U D 2 4.
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