Religion in der Psychiatrie

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2 V&R unipress

3 Peter Kaiser Religion in der Psychiatrie Eine (un)bewusste Verdrängung? V&R unipress

4 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN , V&R unipress in Göttingen / Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier

5 VORWORT: ZIEL DIESER ARBEIT...15 Literatur AUFBAU DER ARBEIT...19 Teil Teil I. EINFÜHRUNG: RELIGION ALS FAKTUM UND FORSCHUNGSGEGENSTAND Thema Religion...29 Religion in der Postmoderne...30 Definition Religionswissenschaft...30 Religion als religionswissenschaftlicher Gegenstand...31 Definition von Religiosität Thema: Religion und Medizin...44 Die psychische Dimension von Religion/Religiosität...44 Die Medizin und Psychiatrie und ihr Verhältnis zur Religion...45 Wahrnehmung und Bewusstwerden...47 Zusammenfassung...52 Literatur II. KULTURELLE UND SOZIALE RAHMENBEDINGUNGEN Kultur (Makroebene)...59 Kultur...59 Einfluss von Kultur auf psychiatrisches Handeln...61 Transkulturelle Psychiatrie...63 Kulturelles Gehirn

6 2. Individuum (Mikroebene) Arzt und Heiler: die Mikroebene Zeitgeist Von der Moderne zur Postmoderne Normative Konflikte Die Postmoderne und die Gesellschaft Pluralismus und der Zwang zur Simplifizierung Psychiatrie und die Postmoderne Zusammenfassung Literatur III. EVOLUTIONÄRE PSYCHIATRIE UND SOZIOBIOLOGIE DER RELIGION Einleitung »Sinn«psychischer Erkrankungen »Sinn«altruistischen, religiösen Verhaltens Religion als Ressource Zusammenfassung Literatur IV. DIE PSYCHIATRIE UND IHR VERHÄLTNIS ZUR RELIGION Die Entwicklung der naturwissenschaftlichen Medizin Die Wechselwirkung zwischen Religion und Medizin (Psychiatrie) Von der Antike bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Die Psychiatrie im 19. Jahrhundert Johann C. Heinroth und Johann C. Reil Wilhelm Griesinger und Ernst Albert Zeller Die Psychiatrie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Emil Kraepelin Sigmund Freud und die Psychoanalyse Eugen Bleuler Karl Jaspers Kurt Schneider Hans Jörg Weitbrecht

7 Die Psychiatrie der Gegenwart Sozial-, Gemeinde- und Antipsychiatrie Überleitung: Die biologische Psychiatrie Das menschliche Gehirn und die Neurophysiologie religionsassoziierter Zustände Geschichte der Erforschung des Gehirns Bildgebung in der Neurowissenschaft Neurophysiologie religionsassoziierter Zustände und Neurotheologie Michael A. Persinger Eugene d Aquili und Andrew B. Newberg Zusammenfassung Bewusstsein und Seele Willensfreiheit Die Seele in der Psychiatrie Zusammenfassung Literatur V. PSYCHIATRIE: GESCHICHTE UND KLASSIFIKATION VOM ORAKEL ZUR ICD Kurzer Abriss der (vorwiegend) westlichen Psychiatriegeschichte Frühe medizinische Klassifikationen Die Neuzeit Das 19. Jahrhundert Das 20. Jahrhundert bis Gegenwart Zusammenfassung Entwicklung westlicher Klassifikationssysteme psychischer Störungen Einleitung Allgemeiner Aufbau und Theorie von ICD und DSM Entwicklung spezifischer psychiatrischer Klassifikationen mit religiösem Bezug Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) Exkurs: Wahn und religiöser Wahn

8 Die USA und das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM IV) Zusammenfassung Literatur VI. DER PSYCHIATER Definitionen und formale Ausbildung Wer wird Psychiater? Wer darf Psychiater werden? Die intrapsychischen Voraussetzungen an die Person des Psychiaters: Die Religiosität des Psychiaters Subjektivität: Der klinische Alltag Die Subjektivität am Beispiel der sogenannten Nahtod-Erfahrungen Zusammenfassung Religiöse Thematik in der Weiterbildung und Fortbildung des Psychiaters Wie bildet sich der Mediziner weiter? Exkurs: Psychiaterbefragung Publikationen mit religiöser Thematik in (deutschen) medizinischen Fachzeitschriften Religiöse Thematik in deutschsprachigen nervenheilkundlichen Fachbüchern Gegenwärtig aktuelle Lehrbücher und Arbeitsanleitungen: Nachschlagewerke: Werke von richtungsweisenden Autoren (»Koryphäen«) Zusammenfassung Literatur ANSTELLE EINER ZUSAMMENFASSUNG: 20 GRÜNDE, SICH ALS PSYCHIATER NICHT MIT RELIGION ZU BESCHÄFTIGEN VII. WISSENSCHAFTLICHE ERFORSCHUNG VON RELIGION Religionspsychologie Einleitung Gegenstände aktueller religionspsychologischer Forschung:

9 Von der Persönlichkeit zur Religiosität als Teil der Persönlichkeit Intrinsische, extrinsische und Quest-Religiosität Fünf-Faktoren-Modell Drei-Ebenen-Modell Religiöse Entwicklungsstufen Forschungsmethoden Quantitative Verfahren Narrative Analyse Sonstige Verfahren Messung von Religiosität Zusammenfassung Literatur VIII. PSYCHISCHE GESUNDHEIT UND RELIGION: WECHSELWIRKUNG UND MECHANISMEN Einleitung Die Wechselwirkung zwischen Religion und Medizin unter dem naturwissenschaftlichen Aspekt Historisches und Überblick Allgemeine Untersuchung zur Wirkung von Glaube auf den Gesundheitszustand Exkurs: Placebo Definition von Religiosität in Verbindung mit der Definition von Seelischer Gesundheit Art der Religiosität und psychische Gesundheit Wie»wirkt«Religion? Die psychologisch-soziologische Ebene Positive Beziehung zwischen Religion und psychischer Gesundheit Erklärungsmodelle Negative Beziehung zwischen Religion und psychischer Gesundheit Erklärungsmodelle Multidimensionale Modelle der Wechselwirkung zwischen Religion und psychischer Gesundheit Erklärungsmodelle Religion und Coping Einführung

10 Religiöses Coping Wem und wann»nützt«religiöses Coping? Zusammenfassung der psychologischen und soziologischen Wirkungsmechanismen Das Konzept der Salutogenese Wie»wirkt«Religion? Die physiologische Ebene und Psychoneuroimmunologie Psychoneuroimmunologie Stress Von der Unio mystica über religiöses Gefühl zum Hormon? Zusammenfassung der physiologischen Wirkungsmechanismen Zusammenfassende Betrachtung Literatur IX. SPEZIFISCHE PSYCHISCHE ZUSTÄNDE, ERKRANKUNGEN UND RELIGION/RELIGIOSITÄT Spezifische Erkrankungen Einleitung Schizophrenie und Religion/Religiosität Religionsassoziierte Symptome bei Schizophrenie Religiosität bei Schizophrenie Depression und Religion/Religiosität Depression durch Religion Positive Wirkung von Religion auf die Depression Substanz-gebundene Abhängigkeit und Religion/Religiosität Allgemeine Religiosität und Substanzabhängigkeit Religion in der Behandlung des Substanz-Missbrauchs Sogenannte neurotische Störungen und Religiosität Angststörungen Zwangsstörungen PTSD, Trauer und Religiosität Spezifische psychische Zustände Kinder- und Jugendpsychiatrische Störungen und Religion/Religiosität Religion/Religiosität bei älteren Menschen und in der Gerontopsychiatrie

11 Zusammenfassung Literatur X. SPEZIFISCHE RELIGIÖSE GEMEINSCHAFTEN UND PSYCHISCHE ERKRANKUNGEN Einleitung USA: der religiöse Hintergrund Deutschland: der religiöse Hintergrund Psychische Abhängigkeit der Mitglieder»neuer religiöser Bewegungen«...525»Ekklesiogene Neurose« Christentum Spezifische abendländische Religiosität und psychische Gesundheit Protestantismus Pietismus Übersicht über die US-amerikanischen Protestantischen Kirchen Psychische Gesundheit und protestantische Denominationen in Deutschland Katholizismus Allgemeine Bemerkungen Beichte Nichtchristliche Minderheiten Zusammenfassung Literatur XI. INTEGRATION DES RELIGIÖSEN IN DIE DIAGNOSTIK Einleitung Religion innerhalb der Arzt-Patienten-Beziehung Therapeutenvariablen Religion in der Diagnostik von psychischen Störungen Die religiöse Anamnese / das religiöse Assessment Von der Diagnose zur Therapie Differenzierung von Religiosität und Spiritualität Spezifische religiöse Interventionen in der Psychotherapie

12 Was hat man sich unter Religions-orientierter Psychotherapie vorzustellen? Spezifische religiöse Interventionen Psychotherapie und Seelsorge, Gemeinsamkeiten und Unterschiede Psychotherapie mit Berücksichtigung der religiöser / spirituellen Dimension Humanistische Psychologie Transpersonale Psychologie Systemische Familientherapie Familienstellen nach Hellinger Existenzanalyse und Logotherapie Ökologische Psychotherapie Spirituelles Heilen Modifizierte integrative Psychotherapie Zusammenfassung Literatur XII. FORSCHUNG UND LEHRE Forschung Aktuelle Forschungs-Situation in Deutschland Mögliche Forschungsgebiete Lehre Situation in Deutschland Situation in den USA Zusammenfassung Literatur

13 ZUSAMMENFASSUNG: GRÜNDE, SICH ALS PSYCHIATER MIT RELIGION ZU BESCHÄFTIGEN ALS SCHLUSSWORTE REGISTER Namensregister Sachregister

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15 Vorwort: Ziel dieser Arbeit In einer psychiatrischen Klinik hat man es als Arzt bei der täglichen Arbeit deutlich häufiger als bei einer Tätigkeit in der sogenannten somatischen Medizin mit Menschen zu tun, welche sich selbst nicht als krank erleben. Um der größeren Subjektivität von psychischem Wohl- oder Krankheitsempfinden Rechnung zu tragen, wurde deshalb der Begriff psychische Krankheit durch psychische Störung ersetzt. Trotz aller über die letzten Jahrzehnte immer differenzierter gewordenen diagnostischen Kriterienkataloge, welche dem Arzt zu diagnostizieren helfen, was krank/gestört und was (noch) normal ist, ist ein individueller Spielraum übrig geblieben. Das heißt, die Trennschärfe zwischen psychisch gesund und psychisch krank beziehungsweise gestört ist noch immer ungenau, im Vergleich zu klar definierten pathologischen Zuständen wie zum Beispiel in der Chirurgie: ein (durch)-gebrochenes Bein ist eben nicht ein bisschen gebrochen. Besonders schwierig scheint die Abgrenzung zum Pathologischen im Bereich der religiösen Vorstellungen und Erfahrungen, beispielsweise im Sinne von Beeinflussungserlebnissen. Ein Umstand auf welchen in der psychiatrischen Literatur verschiedentlich hingewiesen wurde. Dies spiegelt sich auch in der zurückhaltenden Kategorisierung psychischer Auffälligkeiten und Normabweichungen mit religiösem Inhalt in den heute maßgeblichen diagnostischen Handbüchern psychischer Störungen International Classification of Mental and Behavioural Disorders (ICD, Dilling et al. 2000) und Diagnostic and statistical manual of mental disorders (DSM, American Psychiatric Association 1994) wider. Neben der größeren individuellen Ausprägung religiösen Erlebens und der hiermit verbundenen erschwerten Vergleichbarkeit, sowie dem weitgehenden Fehlen normativer Begriffe zur Beschreibung dieser Erfahrungen, gesellt sich zur Subjektivität des Patienten die diesbezügliche Subjektivität des sich in diesem Bereich meist vergeblich um Objektivität bemühenden Psychiaters. Es könnte deshalb nahe liegen, sich als Diagnostiker (und aus anderen Gründen auch als Therapeut, wobei diese Differenzierung durch die meist vorhandene Personalunion nur diskursiv von Bedeutung ist), bezüglich der Einordnung religiöser Phänomene insofern zurückzuhalten, als dass nur akzessorische Zeichen der Krankheit wie Eigen- oder Fremdgefährdung des Betroffenen als psychopathologisch relevant betrachtet werden. Mit anderen Worten: Der Psychiater geht auf den Inhalt der ihm seitens des Patienten vorgetragenen religiösen Wahrnehmungen nicht näher ein, sondern beurteilt lediglich deren Einfluss auf das Verhalten des Patienten: Ist dieser selbst akut oder auf 15

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