Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung Perspektive und Erfahrungen aus der Hamburger Aufsicht

Transkript

1 Foto : / Jörg Modrow sbeurteilung psychische Belastung Perspektive und Erfahrungen aus der Hamburger Aufsicht Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz Amt für Arbeitsschutz Heike Klamroth

2 Was erwartet Sie? Psychische Belastung als Aufsichtsthema Rollenverständnis in der GDA-Leitlinie Orientierungspunkte für die Aufsicht Phasen der sbeurteilung (psychischer Belastung) Häufige Probleme Exkurs: Auswahl geeigneter Instrumente Fazit: Was ist anders bei der sbeurteilung psychischer Belastung? 2

3 Psychische Belastung als Aufsichtsthema Aus der GDA-Leitlinie Der Ausgangspunkt ist die erkennbare grundlegende Veränderung des Belastungsspektrums in der Arbeitswelt. Mit diesem Wandel gehen für die Beschäftigten Veränderungen der Anforderungen an den Arbeitsplätzen einher. In der Konsequenz haben die Bedeutung und der Einfluss psychischer Faktoren in der Arbeitswelt zugenommen. 3

4 Psychische Belastung als Aufsichtsthema Zahlen zu psychischen Erkrankungen Bei insgesamt rückläufigen Krankenständen steigender relativer Anteil psychischer Erkrankungen in den vergangenen 39 Jahren von zwei Prozent auf 14,7 Prozent. (BKK Gesundheitsreport 2015, S. 247) Die durchschnittliche Dauer psychisch bedingter Krankheitsfälle ist mit 39,1 Tagen dreimal so hoch wie bei anderen Erkrankungen mit 13,3 Tagen. (BKK Gesundheitsreport 2015, S. 39) 4

5 Rollenverständnis in der GDA Leitlinie Das Thema Psychische Belastung ist gleichwertig neben den technischen, chemischen, biologischen und ergonomischen Fragestellungen im täglichen Routinehandeln des Aufsichtspersonals zu etablieren. Das Aufsichtspersonal greift im Rahmen seiner Betriebsbesuche das Thema der Psychischen Belastung angemessen auf. 5

6 Rollenverständnis in der GDA-Leitlinie Typische Probleme und Fragen: Anders als in anderen Bereichen (z.b. Gefahrstoffe, Arbeitsstätten, Arbeitsmittel) fehlen bislang das Gesetz konkretisierende Verordnungen. Was heißt das Thema angemessen aufgreifen? Was schaue ich mir an? Wie tief steige ich ein? Wann lasse ich los? (Wann bin ich zufrieden?) 6

7 Orientierungspunkte für die Aufsicht Orientierung erfolgt am Aufsichtskonzept und an der GDA Leitlinie. Ein gewisses Mindestverständnis für die branchentypischen Vorgänge und die grundlegende Organisation im Betrieb notwendig. Ebenfalls wichtig: Abgleich von Erfahrungen, regelmäßiger Austausch bezüglich der Einschätzung von Sachlagen. 7

8 Orientierungspunkte für die Aufsicht Gemäß der Leitlinie wesentliche Bereiche: Arbeitsinhalt / Arbeitsaufgabe Arbeitsorganisation Soziale Beziehungen Arbeitsumgebung Neue Arbeitsformen Wesentlich: nicht allein die Inhalte zählen, sondern auch der Prozess! 8

9 Konsequenzen Das Thema erfordert abgesprochene Termine mit Vorbereitung der Aufsicht und des Unternehmens. Die Entscheider müssen mit am Tisch sitzen. Ein Termin ist in der Regel nicht ausreichend, wesentliche Verbesserungen können oft nur über längere Zeiträume erreicht werden. Häufig ist fachkundige Hilfe von außen erforderlich. Genau wie z.b. beim Thema Gefahrstoffe, bestimmten Arbeitsmitteln 9

10 Rollenverständnis in der GDA-Leitlinie Aus der GDA-Leitlinie Auch in diesem Themenfeld handeln die Aufsichtspersonen und Aufsichtsbeamtinnen und -beamten als Generalisten und nehmen dabei eine Lotsenfunktion wahr, das heißt, sie stellen den Unternehmen ihre fachbezogenen Kenntnisse als Wegweiser und Berater zum Thema psychische Belastung zur Verfügung, ohne jedoch die betriebliche Bearbeitung des Themas in den einzelnen Phasen zu begleiten. 10

11 Phasen der sbeurteilung Graphik aus: Psychische Belastungen, Handlungskonzept zur sbeurteilung (Publikation M41), Amt für Arbeitsschutz, Hamburg Planen Ergebnis dokumentieren ermitteln Prozess fortschreiben beurteilen Wirksamkeit prüfen planen durchführen 11

12 Häufige Probleme in der Planungsphase Ergebnis dokumentieren Prozess fortschreiben Wirksamkeit prüfen Planen ermitteln durchführen beurteilen planen - Der Unternehmer steht nicht hinter dem Prozess, will ihn wegdelegieren. - Die Kompetenzen der Mitarbeiter werden vergessen. - Vorhandene Daten werden vergessen. - Es werden fieberhaft Instrumente gesucht, die Frage nach den Zielen wird vernachlässigt. 12

13 Häufige Probleme in der Planungsphase Planen Ergebnis dokumentieren Prozess fortschreiben ermitteln beurteilen - Die Überprüfung und Weiterentwicklung wird nicht mitgedacht. Ziele werden nicht geschärft. Wirksamkeit prüfen durchführen planen - Die Dokumentation wird vergessen, damit fehlen in den folgenden Phasen die Bezugspunkte. - Die Finanzierung wird nicht oder nicht dauerhaft sichergestellt. 13

14 Häufige Probleme: ermitteln und beurteilen Planen Ergebnis dokumentieren Prozess fortschreiben ermitteln beurteilen - Mitarbeiter werden über den geplanten Prozess nicht ausreichend informiert. (Ziele, Ablauf, Zeitplan, Grenzen) Wirksamkeit prüfen durchführen planen - Mitarbeiter werden nicht beteiligt. Unternehmer und/oder Fachkraft ermitteln. - Bereiche werden vergessen. Typisch: Außendienst, Führungskräfte, neue Arbeit, Auswertung nach Alter, Teilzeit 14

15 Häufige Probleme: ermitteln und beurteilen Ergebnis dokumentieren Prozess fortschreiben Wirksamkeit prüfen Planen ermitteln durchführen beurteilen planen - Ungeeignete Instrumente kommen zum Einsatz. (selbst gestrickt, zu allgemein, nicht zum Ziel passend) - Datenerhebung erfolgt auf ungeeignetem Weg. (Beispiele: Chef sitzt mit im Workshop, Fragebögen werden nicht erklärt) - Alle sind enttäuscht, weil nur herausgekommen ist, was man schon wusste. 15

16 Exkurs: Auswahl geeigneter Instrumente Aus: Anlage 2 GDA-Broschüre Empfehlungen zur Umsetzung der sbeurteilung psychischer Belastungen Eingangsfragen: Auf welche Erfahrungen, Kompetenzen und Strukturen kann der Betrieb zurück greifen? Beispiele: Arbeitszeitvereinbarungen, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Schulungen zu gesundem Führen, Lärmschutzmaßnahmen Welche Daten gibt es schon? Beispiele: AU-Tage, Fluktuation, Altersstruktur, Befragungen Welche Methodenkombination scheint für das Ziel geeignet? 16

17 Exkurs: Auswahl geeigneter Instrumente Aus: Anlage 2 der GDA-Broschüre Empfehlungen zur Umsetzung der sbeurteilung psychischer Belastungen Analyseworkshops Stärken: Einbezug von Erfahrungen, Beschreibung der Belastung, Entwicklung von Empfehlungen Voraussetzung/Grenzen: vertrauensvolle Atmosphäre, Gruppendynamik möglich, fachkundige Moderation Alles kann thematisiert werden (Arbeitsinhalte, Arbeitsorganisation, Arbeitsumgebung, soziale Beziehungen) Welche Prioritäten gibt es? Wer soll mit wem im Workshop sitzen? Wie soll mit den Ergebnissen umgegangen werden? 17

18 Exkurs: Auswahl geeigneter Instrumente Aus: Anlage 2 der GDA-Broschüre Empfehlungen zur Umsetzung der sbeurteilung psychischer Belastungen Beobachtungsinterview Stärken: unabhängige Erfassung der Belastung, Beschreibung der Belastungssituation, Objektivierung von Ergebnissen durch Analyseteams Voraussetzung: Schulung der Beobachter notwendig, Belastung muss beobachtbar sein, hoher zeitlicher Aufwand, weitere Analysen zur planung Schwierig oder unmöglich: Arbeitsinhalte beobachten, soziale Beziehungen beobachten, Arbeitsorgansition beobachten. Vor allem in gewerblichen Bereichen interessant. 18

19 Exkurs: Auswahl geeigneter Instrumente Aus: Anlage 2 der GDA-Broschüre Empfehlungen zur Umsetzung der sbeurteilung psychischer Belastungen Mitarbeiterbefragung Stärken: Einbezug aller Beschäftigten, Erfassung eines breiten Spektrums, bei standardisierten Verfahren Referenzwerte vorhanden, Überblick und Bestimmung von Problemschwerpunkten Voraussetzung/Grenzen: Mindestgröße pro Auswertungseinheit, Hinweise auf en müssen oft konkretisiert werden (z.b. in Workshops), hinreichende Beteiligung Generell kann alles thematisiert werden. Aber: bei standardisierter Befragung muss der Frager wissen, wonach er fragen will. Oft sind die Ergebnisse wenig konkret und eignen sich nicht direkt dafür, abzuleiten. Eine planung muss in den allermeisten Fällen gesondert erfolgen. 19

20 Häufige Probleme: planen und durchführen Ergebnis dokumentieren Prozess fortschreiben Wirksamkeit prüfen Planen ermitteln durchführen beurteilen planen - Mitarbeiter werden nicht beteiligt. Externe überschauen die Strukturen im Betrieb zu wenig. - Arbeitgeber arbeitet nicht mit oder sogar dagegen. - Daten sind unüberschaubar. - Daten sind nicht konkret genug. 20

21 Häufige Probleme: planen und durchführen Ergebnis dokumentieren Prozess fortschreiben Wirksamkeit prüfen Planen ermitteln beurteilen planen - Ziele waren nicht festgesetzt, daher kann Zielerreichung nicht überprüft werden. - Arbeitgeber hält den Prozess für abgeschlossen. durchführen - Dokumentation wird vergessen oder nicht mitbezahlt. Damit fehlt die wesentliche Grundlage für den nächsten Zyklus. 21

22 Fazit: Was ist anders bei der sbeurteilung Psychischer Belastung? - Kernprozesse des Unternehmens stehen im Fokus: Der Arbeitgeber und sein Engagement spielen eine besonders wichtige Rolle. - Die Prozessqualität hat einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis. - Für ein gutes Ergebnis muss die Planung den ganzen Zyklus zu Ende denken. - Die Dokumentation stellt eine Herausforderung dar. Die Nachvollziehbarkeit ist aber eine wesentliche Grundlage für die weitere Arbeit. 22