texte zur mathematischen forschung und lehre

Transkript

1 texte zur mathematischen forschung und lehre 40

2 texte zur mathematischen forschung und lehre 40 Christiane Benz Erfolgsquoten, Rechenmethoden, Lösungswege und Fehler von Schülerinnen und Schülern bei Aufgaben zur Addition und Subtraktion im Zahlenraum bis 100 Verlag Franzbecker

3 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < abrufbar. Bibliographic information published by Die Deutsche Bibliothek Die Deutsche Bibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data is available in the Internet at < ISBN Christiane Benz Erfolgsquoten,Rechenmethoden, Lösungswege und Fehler von Schülerinnen und Schülern bei Aufgaben zur Addition und Subtraktion im Zahlenraum bis 100 Von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Erziehungswissenschaft (Dr. paed.) genehmigte Dissertation von Christiane Benz. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung und Übertragung auch einzelner Textabschnitte, Bilder oder Zeichnungen vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Zustimmung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert werden (Ausnahmen gem. 53, 54 URG). Das gilt sowohl für die Vervielfältigung durch Fotokopie oder irgendein anderes Verfahren als auch für die Übertragung auf Filme, Bänder, Platten, Transparente, Disketten und andere Medien by Verlag Franzbecker, Hildesheim, Berlin

4 Vorwort Die Entstehung dieser Arbeit wurde von vielen Personen unterstützt. Ihnen möchte ich an dieser Stelle sehr herzlich danken. Herr Prof. Dr. Christoph Selter hat die Entwicklung der Arbeit von Anfang an begleitet. Er ließ mir Freiheiten, um eigene Pfade zu beschreiten. Für seine inhaltlichen Anregungen und Beratungen möchte ich mich bei ihm ganz besonders bedanken. Auch Herrn Prof. Dr. Jens Holger Lorenz danke ich für sein Interesse an der Arbeit und seine förderlichen Hinweise. Den Kolleginnen und Kollegen des Fachbereichs Mathematik an der PH Heidelberg sei ebenfalls gedankt. In ihnen habe ich stets Ansprechpartner gefunden und viel Aufmunterung erfahren. Ebenso hat mir Herr Dr. Joseph Geider sehr geholfen, der sich immer wieder die Zeit nahm, um mir bei den statistischen Hürden zur Seite zu stehen. Herr Rektor Dieter Klöpfer und Frau Gisela Adelmann, mein ehemaliges Schulleitungsteam der Herzog-Ulrich-Schule, haben meinen beruflichen Werdegang stets wohlwollend begleitet und mir den Weg geebnet, um diese wissenschaftliche Arbeit anzugehen. Sie haben auch die mühevolle Arbeit des Korrekturlesens übernommen. Ein großes Dankeschön gilt auch meiner Familie und meinen Freunden, sie haben einen großen Teil der Unterstützung geleistet, indem sie mir mit viel Geduld und Hilfe in allen Durststrecken beistanden. Die Tutorinnen und Tutoren, die die Interviews durchgeführt und mir bei der Auswertung geholfen haben, waren mir ebenfalls eine große Hilfe. Zuletzt möchte ich ganz besonders den Kindern danken, die sich immer wieder mit großer Ausdauer der schwierigen Aufgabe stellten, ihre Lösungswege zu erklären. Christiane Benz

5 I Inhaltsverzeichnis Einleitung 1 1 Denkweisen von Kindern verstehen und nutzen Die empirisch-theoretische Bezugsbasis Konstruktivistische Sichtweise des Wissenserwerbs Genetische Sichtweise Neurowissenschaftliche Sichtweise Fachdidaktische Leitideen bei der Gestaltung des Lehr-Lern-Prozesses Bisherige Untersuchungsschwerpunkte Zusammenfassung 21 I Zum aktuellen Forschungsstand 23 2 Aktueller Forschungsstand: Erfolgsquoten Untersuchungen zu verschiedenen Zeitpunkten Beeinflussende Faktoren für Erfolgsquoten Zusammenfassung 34 3 Aktueller Forschungsstand: Rechenmethoden Begriffsklärung Zum Einsatz von Material Zum Einsatz der Finger Zusammenfassung 45 4 Aktueller Forschungsstand: Lösungswege Zählen-Rechnen-Wissen Konzeptuelles und prozedurales Wissen Empirische Ergebnisse zum Einsatz von Lösungswegen Zusammenfassung 52

6 II Inhaltsverzeichnis 4.2 Zählstrategien Bedeutung der Zahlwortreihe Bedeutung von Zählstrategien Entwicklung von Zählstrategien Zusammenfassung Rechenstrategien Begriffsklärung Rechenstrategie Einteilung verschiedener Strategien Didaktische Bewertung der verschiedenen Strategien Strategieauswahl als Kennzeichen für Flexibilität Empirische Ergebnisse Unterschiedlicher Einsatz bei Addition und Subtraktion Erfolg verschiedener Rechenstrategien Flexibler Einsatz von Rechenstrategien Bestimmende Faktoren für flexiblen und erfolgreichen Strategieeinsatz Entwicklungen beim Einsatz von Rechenstrategien Zusammenfassung 84 5 Aktueller Forschungsstand: Fehler Fehlermuster Klassifizierung von Fehlertypen Untersuchungen zu Fehlern bei der Addition und Subtraktion im Hunderterraum Zusammenfassung 94 II Zur durchgeführten Untersuchung 95 6 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign Forschungsfragen Untersuchungsdesign Rahmenbedingungen Aufgaben Material 104

7 Inhaltsverzeichnis III Aufgabenpräsentation Untersuchungsmethoden Datenerhebung Datenauswertung Erfolgsquoten Erfolgsquoten zu verschiedenen Untersuchungszeitpunkten Vergleich verschiedener Aufgabengruppen Aufgaben verschiedener Darstellungsformen und Operationen Aufgaben verschiedener Bauart Zwillingsaufgaben Umkehraufgaben Vergleich nach eingeschätzten Leistungsgruppen Zusammenfassung Rechenmethoden Rechenmethoden zu verschiedenen Untersuchungszeitpunkten Hoher Anteil und Zunahme an Lösungen im Kopf Relativ geringer und abnehmender sowie unkonventioneller Materialeinsatz Recht konstante Anzahl der Fingerlösungen Kaum ikonische Lösungen Kaum halbschriftliche und schriftliche Lösungen Vergleich nach eingeschätzten Leistungsgruppen Zusammenhang zwischen korrekten Resultaten und eingesetzten Rechenmethoden Zusammenfassung Lösungswege Zählen-Rechnen-Wissen Zählen-Rechnen-Wissen zu verschiedenen Untersuchungszeitpunkten Vergleich verschiedener Aufgabengruppen Aufgaben verschiedener Darstellungsformen und Operationen 167

8 IV Inhaltsverzeichnis Aufgaben verschiedener Bauart Umkehraufgaben Vergleich nach eingeschätzten Leistungsgruppen Zusammenhang zwischen korrekten Resultaten und Lösungswegen Rechenmethode und Lösungsweg Zusammenfassung Zählstrategien Zählstrategien zu verschiedenen Untersuchungszeitpunkten Vergleich verschiedener Aufgabengruppen Zählstrategien einzelner Kinder Vergleich nach eingeschätzten Leistungsgruppen Zusammenhang zwischen korrekten Resultaten und eingesetzten Zählstrategien Zusammenfassung Rechenstrategien Rechenstrategien zu verschiedenen Untersuchungszeitpunkten Rechenstrategieeinsatz bei allen Aufgaben Rechenstrategien bei einzelnen Kindern Vergleich verschiedener Aufgabengruppen Aufgaben verschiedener Darstellungsformen und Operationen Aufgaben mit zweistelligen Zahlen Zwillingsaufgaben Umkehraufgaben Vergleich verschiedener Kindergruppen Eingeschätzte Leistungsgruppen Vergleich nach bevorzugten Strategien Korrekte Resultate und Rechenstrategien bei den ZEZE Aufgaben Zusammenfassung Fehler Fehler zu verschiedenen Untersuchungszeitpunkten Vergleich verschiedener Aufgabengruppen Aufgaben verschiedener Darstellungsformen und 229

9 Inhaltsverzeichnis V Operationen Aufgaben verschiedener Bauart Umkehraufgaben Vergleich nach eingeschätzten Leistungsgruppen Zusammenhang zwischen Fehlermuster und Rechenstrategien Zusammenfassung Aufgabenportrait Zwillingsaufgabe Erfolgsquoten Wahl der Lösungsstrategie Wahl der syntaktischen Struktur Rechenmethoden Lösungswege Zählen-Rechnen-Wissen Zählen-Rechnen-Wissen zu verschiedenen Untersuchungszeitpunkten Vergleich nach Leistungsgruppen Zähl- und Rechenstrategien Zähl- und Rechenstrategien zu verschiedenen Untersuchungszeitpunkten Vergleich nach Leistungsgruppen Korrekte Zähl- und Rechenstrategien Fehler Zusammenfassung Kinderportraits Helge ein leistungsstark eingestufter Schüler Hintergrundinformationen Rechenmethoden Rechenstrategien Fehler Ausgewählte Aufgaben Zusammenfassung Pauline ein durchschnittlich eingeschätztes Kind mit großem Leistungszuwachs Hintergrundinformationen 287

10 VI Inhaltsverzeichnis Rechenmethoden Rechenstrategien Fehler Ausgewählte Aufgaben Zusammenfassung Detlev ein leistungsschwach eingeschätztes Kind Hintergrundinformationen Rechenmethoden Zählstrategien Fehler Ausgewählte Aufgaben Zusammenfassung Ausblick Literatur 322 Anlagen 342 Kontextinterviews 342 Fragebogen 343 Codierung 344 Vergleich nach Aufgabenpräsentation 348 Erfolgsquoten nach Klassen 351 Erfolgsquoten nach Geschlecht 352 Erfolgsquoten einzelne Aufgaben 353 Erfolgsquoten bei ermittelten Leistungsgruppen 354 Zählen-Rechnen-Wissen einzelne Aufgaben 357 Rechenstrategien einzelne Aufgaben 358 Anzahl gewusster Lösungen 359

11 1 Einleitung Wer sich in der Werkstatt eines Lernenden umsieht, kann Zeuge einmaliger Ereignisse werden. Altbekannte Tatsachen erscheinen oft sogar für Fachleute in einem neuen Licht, wenn sie bei der Geburt der Erkenntnis dabei sind. (Gallin & Ruf 1995, 43) In den letzten 25 Jahren ist in der Mathematikdidaktik die Erforschung des arithmetischen Denkens von Schülerinnen und Schülern in den Mittelpunkt gerückt (vgl. Becker & Selter 1996, 514ff., de Corte & Verschaffel 1997). Das geschah, um mehr über die Denkweise der Kinder zu erfahren. So kann im Unterricht besser an die tatsächlich vorhandenen Lernvoraussetzungen und Denkstrukturen angeknüpft werden, statt an bloße Annahmen darüber (vgl. z. B. Hengartner 1999, Labinowicz 1985, Selter & Spiegel 1997, Fuson 1988, Geary 1994, Wittmann 1982). Viele empirische Untersuchungen wurden aus diesem Grund zu den arithmetischen Vorkenntnissen von Schulanfängern (i. d. R. in der zweiten oder dritten Schulwoche) durchgeführt (vgl. Grassmann et al. 1995, Ginsburg 1977, Hengartner & Röthlisberger 1995, Hughes 1986, Schmidt & Weiser 1982, Schmidt 1982, van den Heuvel-Panhuizen 1995). Die Erkenntnisse dieser Untersuchungen untermauerten z.b. die Forderung nach einer ganzheitlicheren Behandlung des Zahlenraums und führten zu einschneidenden Umgestaltungen des mathematischen Anfangsunterrichts. Betrachtet man den Themenbereich Addition und Subtraktion im Zahlenraum bis 100 so fällt auf, dass analoge Erhebungen (vgl. Jones et al. 1996, Beishuizen 1993, Klein et al. 1998, Fuson 1990, Grassmann et al. 1996, Padberg 1994) nicht gerade zahlreich vorhanden sind. Aussagen darüber, wie sich die Rechenfähigkeiten und -fertigkeiten über längere Zeit hinweg entwickeln, fehlen nahezu ganz und dies nicht nur in Deutschland (vgl. jedoch Cooper et al. 1996b). Die vorliegende Untersuchung wurde durchgeführt, um Aussagen zu Vorgehensweisen von Schülerinnen und Schülern beim Lösen von Aufgaben zur Addition und Subtraktion im Zahlenraum bis 100 machen zu können. Am Anfang, in der Mitte und am Ende des zweiten Schuljahres wurden 100 Kinder in Form klinischer Interviews befragt. Anhand der Kategorien Erfolgsquoten, Rechenmethoden, Lösungswege und Fehler werden die Vorgehensweisen sowohl qualitativ als auch quantitativ ausgewertet. So können nicht nur Aussagen über die Gesamtheit aller Kinder getroffen werden, sondern auch Entwicklungsverläufe einzelner Schülerinnen und Schüler detailliert beschrieben werden.

12 2 Einleitung Die vorliegende Arbeit ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil stellt den Forschungsstand und bereits gewonnene empirische Ergebnisse zu den einzelnen Untersuchungsaspekten dar. Im zweiten Teil der Arbeit werden das Untersuchungsdesign der vorliegenden Untersuchung beschrieben und deren Ergebnisse vorgestellt und eingeordnet. Im ersten Kapitel wird zunächst begründet, warum man Denkweisen und Denkwege von Kindern verstehen und nutzen sollte. In den folgenden Kapiteln wird der gegenwärtige Forschungsstand zusammengefasst. Empirische Ergebnisse über Erfolgsquoten werden in Kapitel 2 vorgestellt. Da wenige Ergebnisse von Schülerinnen und Schülern des zweiten Schuljahres vorliegen, werden hier auch Erfolgsquoten von jüngeren und älteren Kindern zu additiven und subtraktiven Rechenanforderungen aufgeführt. Eine Klärung des Begriffs Rechenmethoden findet in Kapitel 3 statt. Hier wird der Einsatz von Material und Fingern als mögliche Rechenmethode berücksichtigt. Kapitel 4 beinhaltet empirische Ergebnisse über die Verwendung von Lösungswegen. Dabei wird zuerst betrachtet, welche Untersuchungen zum Einsatz von Zählen, Rechnen und Wissen vorliegen, um in den beiden folgenden Unterkapiteln differenziert darzustellen, wie die Kinder Zähl- und Rechenstrategien nutzten. Im 5. Kapitel steht die allgemeine didaktische Sicht von Fehlern, die dieser Arbeit zugrunde liegt, im Zentrum. Einzelne werden Untersuchungen vorgestellt, deren Ergebnisse eine Grundlage für die Fehleranalyse der vorliegenden Untersuchung bilden. Eingeleitet wird der zweite Teil mit dem 6. Kapitel, in dem die Hauptaussagen der Kapitel 2-5 kurz zusammengefasst und die daraus resultierenden Forschungsfragen für die vorliegende empirische Untersuchung und die Beschreibung des Untersuchungsdesigns angeführt werden. Anschließend folgt die Darstellung der Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung zu Erfolgsquoten in Kapitel 7 und zum Einsatz von Rechenmethoden in Kapitel 8 anhand verschiedener Aufgabengruppen und Kindergruppen. In Kapitel 9 werden die Lösungswege und in Kapitel 10 die Fehlerarten bzw. Fehlermuster der Kinder analysiert. Die vier Kapitel enthalten hauptsächlich quantitative Daten für alle Kinder, die jedoch anhand qualitativer Daten illustriert und ergänzt werden. Das Aufgabenportrait in Kapitel 11 zeigt unterschiedliche Tendenzen bei zwei Aufgaben mit gleichen Zahlenwerten (71-69), aber unterschiedlicher Darbietungsform (Zahlen- bzw. Textaufgabe) auf. In Kapitel 12 stehen nun keine Aussagen über die Gesamtheit aller Kinder im Mittelpunkt, sondern detailliert beschriebene Entwicklungsverläufe von drei Kindern. Die Kinderportraits sollen zum Teil die gewonnenen Einsichten der quantitativen Analyse verdeutlichen, an manchen Stellen aber auch Gegenbeispiele darstellen. Kapitel 13 stellt eine abschließende Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse dar. Bezüge zur Unterrichtsgestaltung werden aufgezeigt und Fragen aufgeworfen, die sich aus der Untersuchung ergeben haben.