8.1.5 Hygienemaßnahmen bei Vorliegen Carbapenemase-bildender Enterobakterien
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- Felix Keller
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1 8.1.5 Hygienemaßnahmen bei Vorliegen Carbapenemase-bildender Enterobakterien Gemeinsames Merkmal dieser Erreger ist ihre Unempfindlichkeit gegenüber den Carbapenem- Antibiotika Imipenem/Cilastatin (Zienam ), Meropenem (Meronem ) und Ertapenem. Da sie neben der Carbapenemase häufig auch eine Extended-Spectrum-Betalactamase bilden können, besteht eine ausgeprägte Multiresistenz. Anwendbar sind häufig nur noch Tigecyclin (Tygacil ) und Colistin. Am häufigsten werden diese Resistenzgene derzeit bei Klebsiella pneumoniae nachgewiesen, sie können aber grundsätzlich bei allen Enterobakterien (z. B. E. coli, Enterobacter cloacae) auftreten. In Deutschland waren diese Erreger bisher nur vereinzelt nachzuweisen, kleinere Epidemien auf Intensivtherapiestationen wurden aber schon beschrieben. Deutlich häufiger werden Enterobakterien mit diesen Resistenzmerkmalen in Europa zur Zeit in Griechenland und Israel isoliert, auch im Nordosten der USA kommen sie häufiger vor. Steckbrief Quelle: Enterobakterien wie Klebsiella pneumoniae und E.coli sind Bestandteil der menschlichen Dickdarmflora, sie verursachen nur dann Probleme, wenn sie in normalerweise sterile Körperbereiche eingebracht werden (z.b. beim Legen eines Harnkatheters). Enterobakterien werden nicht zum dauernden Bestandteil der Mund- Rachen- oder Hautflora. Unter den Bedingungen der Intensivtherapie können sie allerdings auch vorübergehend den Mund-Rachen-Bereich besiedeln. Bei Infektionen der Harnwege, der Atemwege oder einer Wunde sind die Ausscheidungen bzw. Sekrete ebenfalls stark keimbelastet. Übertragung: Über die Hände bzw. die Arbeitskleidung des Personals von Patient zu Patient. Über nicht ordnungsgemäß desinfizierte Steckbecken, Urinflaschen, Betten, Matratzen oder andere mit Stuhlflora belastete Oberflächen. Grundsätzlich möglich auch über nicht einwandfrei aufbereitete Endoskope. Eigenschaften: Es handelt sich um gramnegative Stäbchenbakterien. Sie sind deutlich empfindlicher gegenüber Austrocknung als Staphylokokken oder Enterokokken. Auf unbelebten Oberflächen können sie nur wenige Stunden bis Tage überleben. Klebsiella-Arten sind innerhalb dieser Gruppe vergleichsweise widerstandsfähig gegen ungünstige Umwelteinflüsse, sie neigen verstärkt zu epidemischer Ausbreitung Gegenüber Desinfektionsmitteln und Antiseptika sind sie voll empfindlich. Infektionen: Die Enterobakterien sind die häufigsten Erreger von Harnwegsinfektionen und Mitursache der Peritonitis, häufige Ursache von Beatmungspneumonien, seltener von Wundinfektionen; gefürchtete Erreger einer sekundären (von einer anderen Infektion ausgehenden) Sepsis. Diese Keime besitzen außerhalb des Krankenhauses zurzeit kaum Bedeutung, alle nachfolgend genannten Maßnahmen sollen lediglich die Ausbreitung im Krankenhaus verhindern. Bei Vorliegen einer Infektion mit einem solchen Erreger sollte unbedingt der infektiologische Konsiliardienst hinzugezogen werden. Hygienemaßnahmen bei Vorliegen Carbapenemase-bildender Enterobakterien Fassung 09/2010 1/6
2 Isolierung von Patienten mit Nachweis Carbapenemresistenter Enterobakterien Die Maßnahmen sind auch bei Vorliegen einer bloßen Besiedlung notwendig Obligate Unterbringung in Einzelzimmer mit eigener Nasszelle oder Toilettenstuhl. Betreuung nur mit angelegtem Einwegschutzkittel und frisch entnommenen Schutzhandschuhen. Um einer Belastung der Arbeitskleidung mit diesem Keim vorzubeugen, wäre diese Schutzkleidung von jedem anzulegen, der das Zimmer betritt. Besucher können von dieser Regelung ausgenommen werden, eine Händedesinfektion vor Verlassen des Zimmers wäre aber jedenfalls durchzuführen. Ist bei der Durchführung von Maßnahmen mit einer starken Erregerfreisetzung zu rechnen (z.b. Absaugen, Versorgung infizierter Wunden) sind zusätzlich Haube und Gesichtsmaske anzulegen. Falls möglich ein geschlossenes Absaugsystem verwenden. Nach Ablegen der Schutzkleidung ist zwingend eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen. Bei der Entsorgung bzw. Aufbereitung von Steckbecken, Urinflaschen und Waschschüsseln ist deren hohe Erregerbelastung zu berücksichtigen. Da Türen geöffnet und Armaturen angefasst werden müssen, besteht ein erhebliches Kreuzkontaminationsrisiko. Am günstigsten erscheint eine Übergabe des Steckbeckens im Türbereich an eine zweite Kraft, die selbstverständlich Handschuhe tragen sollte. Steht diese Person nicht zur Verfügung, kann zur Not auch folgender Weg eingeschlagen werden: Bei der Durchführung der unterstützenden Maßnahmen am Patienten über eine Hand zwei Handschuhe ziehen. Der äußere Handschuh wird vor Verlassen des Zimmers abgestreift, mit dem nicht kontaminierten inneren Handschuh werden die notwendigen Handgriffe erledigt: Öffnen der Türen, Bedienen des Desinfektionsautomaten. Anschließend auch diesen Handschuh und den Einwegschutzkittel abstreifen und erst jetzt, im Nassarbeitsraum, die notwendige Händehygiene durchführen. Auch bei der Aufbereitung möglicherweise kontaminierter Instrumente oder Pflegeutensilien besteht ein höheres Kontaminationsrisiko: die eingangs genannten Schutzmaßnahmen beachten. Die üblichen laufenden Desinfektionsmaßnahmen sind als ausreichend einzustufen, der Erreger besitzt keine ungewöhnliche Hygienemaßnahmen bei Vorliegen Carbapenemase-bildender Enterobakterien Fassung 09/2010 2/6
3 Resistenz gegenüber Desinfektionsmitteln und Antiseptika. Nach Entlassung/Verlegung ist eine Besondere Desinfektionsmaßnahme der Stufe 1 durchzuführen (siehe unten) Sichtbar belastete Oberflächen sind umgehend mit einem in den UKK zugelassenen Flächendesinfektionsmittel zu säubern, die saubere Fläche muss erneut mit Lösung behandelt werden. Bei Einhaltung einer adäquaten Toilettenhygiene können Patienten, die mitarbeitswillig und fähig sind, das Zimmer verlassen. Vorher hygienische Händedesinfektion durchführen, einen frischen Schutzkittel anlegen, direkte (Körper-) Kontakte zu anderen Patienten meiden. Wäsche wird wie üblich entsorgt, eine Kennzeichnung als Infektionswäsche ist nicht erforderlich. Die Wäsche ist im Zimmer des Patienten in einen geeigneten Sack zu geben, dessen Außenseite wäre vor Ausbringen aus dem Zimmer zu desinfizieren. Alternativ kann man den gefüllten Wäschesack bei der Herausgabe auch in einen zweiten, sauberen Wäschesack gleiten lassen (Sack-in-Sack-Methode). Der Abfall bedarf keiner besonderen Behandlung oder Kennzeichnung. Er ist wie üblich in schwarzen Säcken oder Eimern zu sammeln, die Behältnisse sind vor Ausbringen aus dem Zimmer außen zu desinfizieren. Bei Säcken Anwendung der Sack-in Sack-Methode. Bei der Speisenversorgung sind ebenfalls keine besonderen Aspekte zu beachten. Das Zimmer sollte am Ende aufgesucht werden, die beschriebenen Personalschutzmaßnahmen wären einzuhalten. Das Speisentablett kann ohne weiteres in den Transportwagen eingestellt werden, eine besondere Kennzeichnung ist nicht erforderlich. Abschließend Durchführung einer hygienischen Händedesinfektion. Nach Entlassung des Patienten ist eine sorgfältige Desinfektion aller möglicherweise belasteten Oberflächen durchzuführen: Besondere Desinfektionsmaßnahme der Stufe 1. Insbesondere Bett mit Matratze, Sanitäreinrichtungen und Utensilien, die am nächsten Patienten wieder Verwendung finden, wären gewissenhaft zu behandeln. Die übliche Konzentration des Flächendesinfektionsmittels (0.5 %) ist ausreichend. Das Reinigungspersonal trägt Handschuhe und Schutzkittel und führt nach Ablegen der Schutzkleidung eine hygienische Händedesinfektion durch. Nach Antrocknen des Mittels kann das Zimmer wieder betreten und für den nächsten Patienten vorbereitet werden. Hygienemaßnahmen bei Vorliegen Carbapenemase-bildender Enterobakterien Fassung 09/2010 3/6
4 Sanierung, Beenden der Isolierungsmaßnahmen Bisher gibt es kein Verfahren, um den Patienten wieder sicher von diesem Keim zu befreien, die genannten Maßnahmen sind deshalb während des gesamten stationären Aufenthaltes einzuhalten. Personalgefährdung Ein gesundheitliches Risiko für das Personal geht von diesem Erreger nicht aus, die Barrieremaßnahmen sollen lediglich eine Weitergabe an andere Patienten verhindern. Es ist nicht auszuschließen, dass auch Personal wenigstens vorübergehend diesen Keim im Dickdarm beherbergt. Bei Einhaltung der üblichen Hygienemaßnahmen (hygienische Händedesinfektion nach Aufsuchen der Toilette) sollte es aber immer gelingen, die eigene Darmflora vom Patienten fernzuhalten. Die alleinige Besiedlung hat keinerlei Krankheitswert und führt zu keiner Einschränkung der beruflichen Tätigkeit. Maßnahmen im OP Im OP ist, über die üblichen hygienischen Maßnahmen hinaus, folgendes zu beachten: Bei direktem Patientenkontakt sind Handschuhe und Schutzkittel zu tragen, nach deren Ablegen muss eine hygienische Händedesinfektion erfolgen. Hat eine Kontamination der Bereichskleidung stattgefunden, so ist diese umgehend zu wechseln. Flächen, mit denen der Patient direkten Kontakt hatte, sind einer Wischdesinfektion zu unterziehen (übliche Konzentration des Flächendesinfektionsmittels). Im Aufwachraum möglichst nicht unmittelbar neben anderen Patienten platzieren; bei der Betreuung die oben genannten Barriere- und Desinfektionsmaßnahmen beachten. Bei der Ein- und Ausschleusung Kontaktflächen gewissenhaft desinfizieren. Kam es dabei zu einer erheblichen Keimbelastung ist die Einwirkzeit beachten, sonst kann nach Antrocknen des Mittels von einem ausreichenden Effekt ausgegangen werden. Ob bei viszeralchirurgischen Eingriffen mit Eröffnung des Dickdarms eine Ergänzung der perioperativen Antibiotika-Prophylaxe sinnvoll, möglicherweise sogar erforderlich ist, kann zurzeit nicht beantwortet werden. Die üblicherweise eingesetzten Betalaktam-Antibiotika sind unwirksam, es ist im Gegenteil mit einem Selektionsvorteil zu rechnen. Hygienemaßnahmen bei Vorliegen Carbapenemase-bildender Enterobakterien Fassung 09/2010 4/6
5 Untersuchungen Sind medizinische Untersuchungen notwendig, wären ähnliche Maßnahmen einzuhalten (Handschuhe, Schutzkittel, Händedesinfektion, Desinfektion aller Patientenkontaktflächen). Muss der Transport im Patientenbett stattfinden, sind die Griffleisten und sonstige exponierte Flächen einer vorherigen Wischdesinfektion zu unterziehen. Eine Untersuchung am Ende des Tagesprogramms wäre dann erforderlich, wenn sich sonst hygienisch problematische Konstellationen ergeben. Bei stuhlinkontinenten Patienten kann hiervon regelmäßig ausgegangen werden. Entlassung oder Verlegung Für das häusliche Umfeld geht von diesem Keim keine Gefährdung aus, der Patient kann problemlos nach Hause entlassen werden. Für den Transport sind die üblichen Hygienemaßnahmen als ausreichend einzustufen. Wenn nach Toilettengang von dem Patienten zuverlässig eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt wird, bestehen auch gegen eine anschließende Heilbehandlung oder Rehabilitationsmaßnahme von hygienischer Seite keine Einwände. Weiterbetreuende Einrichtungen müssen aber über den Befund rechtzeitig und angemessen in Kenntnis gesetzt werden. Wiederaufnahme Wird ein Keim mit diesen Resistenzmerkmalen nachgewiesen, erfolgt bei dem Patienten eine Eintragung in ORBIS unter dem Cave-Merkmal (kleines Ausrufezeichen!). Diese Eintragung wird von der Krankenhaushygiene vorgenommen. Da auch andere multiresistente Erreger hier vermerkt werden, bitte unbedingt bei Wiederaufnahme eines Patienten kontrollieren, ob eine entsprechende Eintragung vorliegt. Bis zum Vorliegen aussagekräftiger mikrobiologischer Untersuchungen (mindestens zweimaliger Rektalabstrich) die das Gegenteil beweisen, ist der Patient als mutmaßlicher Keimträger wie oben beschrieben zu isolieren. Bei unauffälligen Patienten wird normalerweise keine Untersuchung durchgeführt, der Trägerstatus bleibt unbekannt. Diese Lücke wird angesichts der noch relativ kleinen Zahl der dadurch verursachten Infektionsfälle hingenommen. Screeninguntersuchungen beim Patienten würden nur in folgenden Fällen durchgeführt: o Bei exponierten Mitpatienten, um eine Übertragung auszuschließen, o im Zusammenhang mit einer epidemisch auffälligen Konstellation, o bei medizinischer Erstversorgung in einem Land mit bekannt hohem Vorkommen (s.u.). Hygienemaßnahmen bei Vorliegen Carbapenemase-bildender Enterobakterien Fassung 09/2010 5/6
6 Ist der Trägerstatus bei Aufnahme bekannt (z.b. aufgrund eines Hinweises von der verlegenden bzw. einweisenden Stelle) wäre der Patient wie oben beschrieben zu isolieren. Verlegung aus Hochrisikoländern Patienten zu, die in einem Hochrisikoland (z. Z. Griechenland, Naher Osten, Nordosten der USA) medizinisch vorbehandelt wurden, wären bis zum Beweis des Gegenteils (Rektalabstrich mit dieser Fragestellung) als besiedelt einzustufen. Achtung: In den genannten Ländern kommen auch andere multiresistente Erreger häufig vor, bitte bei den Screeninguntersuchungen berücksichtigen: o zusätzlich empfohlen Nasenabstrich auf MRSA, o beim entnommenen Rektalabstrich zusätzliche Untersuchung auf ESBL-Bildner, VRE und MRSA anfordern Hygienemaßnahmen bei Vorliegen Carbapenemase-bildender Enterobakterien Fassung 09/2010 6/6
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