Rechtsextreme Jugendliche - Was Eltern tun können

Transkript

1 Rechtsextreme Jugendliche - Was Eltern tun können Landesamt für Soziales Jugend und Versorgung in Rheinland- Pfalz Abteilung Landesjugendamt Elterninitiative gegen Rechts Hilfen für Eltern von rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen

2 Inhaltsverzeichnis S. 3 Vorwort S. 4 das war nicht mehr mein Sohn! S. 5 Elterliche Kompetenz: Es sich eingestehen und Hilfe holen S. 6 Die Elterninitiative gegen Rechts Wer wir sind / Was wir tun S. 7 / 8 Interview mit dem Elternberater und der Elternberaterin S. 9 Fachkraftberatung und Veranstaltungen S. 10 / 11 Ansprechpartner in Rheinland-Pfalz / bundesweit Impressum Herausgeber: Redaktion: Druck Copyright: Arbeitsstelle Frieden & Umwelt der Evangelischen Kirche in Speyer, Tel / Ministerium der Justiz Broschüre: Recht gegen Extremisten, Tel.: / 1410, Ansprechpartner bundesweit: BPJM Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Medien Tel / , Jugendschutz.net, Tel.: / Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage Tel.: 030 / , BPB Bundeszentrale für politische Bildung Tel.: / 515 0, Turn it down mail@turnitdown.de Kein Bock auf Nazis info@keinbockaufnazis.de

3 Ansprechpartner in Rheinland-Pfalz: Das rheinland-pfälzische Aussteigerprogramm (R)AUSwege Tel / Landeskriminalamt: Prävention im Team (PIT) Tel / , www2.polizei.rlp.de Ministerium des Innern und für Sport Abt. Verfassungsschutz, Tel.: 06131/ , Verfassungsschutz@ism.rlp.de, DGB Bezirkswerk Mainz: Netzwerk für Demokratie und Courage ; Tel / , Pädagogisches Zentrum: Seminar für Freiheit ohne Rechtsextremismus Tel / , Rat für Kriminalitätsverhütung der Stadt Ludwigshafen Argumentations- und Deeskalationstraining Tel / Landeszentrale für politische Bildung Tel / oder Tel / (Außenstelle Pfalz), Vorwort Wenn Kinder in die Fänge von Rechtsextremisten oder in rechtsextreme Kreise geraten, sind Eltern oft die ersten Betroffenen. Es entstehen schwierige Situationen verbunden mit einem Gefühl von Überforderung und Hilflosigkeit. Eltern geraten hierbei an persönliche und erzieherische Grenzen. Es ist schwer, sich und anderen einzugestehen, dass das eigene Kind zu einem Nazi geworden ist. Aus Scham wendet man sich mit dem Problem nicht gerne an Personen aus dem näheren sozialen Umfeld. Deshalb hat das Land Rheinland-Pfalz Ende des Jahres 2003 die Elterninitiative gegen Rechts als spezielles Beratungsangebot für betroffene Eltern ins Leben gerufen. Auch sonstige Personen, die mit rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen in Kontakt sind, können sich an die Elterninitiative gegen Rechts wenden. Ziel der Beratung ist, mit Eltern Lösungen bzw. Verhaltensstrategien zu entwickeln, welche ihnen helfen durchzuhalten und die bewirken, dass das Kind aus der rechten Szene herausgelöst werden kann. Die vorliegende Broschüre soll Eltern ermutigen, sich offensiv mit der rechten Orientierung ihrer Kinder auseinander zu setzen und das Beratungsangebot der Elterninitiative gegen Rechts in Anspruch zu nehmen. Letztlich geht es um unsere Kinder und Jugendlichen, die wir nicht der Einflussnahme der Rechtsextremen überlassen dürfen.

4 das war nicht mehr mein Sohn! unser Sohn war immer ein ruhiger und eigentlich unproblematischer Junge. Seitdem er in diese rechte Clique geraten ist, ist alles anders! Wir erkennen ihn fast nicht wieder. Das lief wohl schon ca. ein halbes Jahr so, bevor wir gemerkt haben, in welche Richtung er abdriftet Wir machen uns große Sorgen, dass unsere Tochter sich durch ihre rechte Orientierung ihre Zukunft verbaut! Wir sind völlig verzweifelt, - die Polizei hat gestern Marks Zimmer durchsucht und dabei verbotene rechte CDs gefunden! Wenn er mit seinen rechten Freunden zusammen war, ist er anschließend so aggressiv und feindselig. Er haut uns dann seine Parolen und Sprüche um die Ohren, gegen die wir gar nicht richtig ankommen. Ich versuche dauernd, an sie ranzukommen und mit ihr zu diskutieren, aber sie blockt mich total ab oder es gibt dann einen schrecklichen Streit. Wir machen dass mit dem Rechtssein unseres 17jährigen Sohnes nun schon zwei Jahre mit. Ich kann nachts kaum schlafen und es kriselt auch schon in unserer Ehe. Ich hab Angst, dass er seinen jüngeren Bruder mit herein zieht. Was echt an mir nagt, ist die Frage, wie das passieren konnte. Was haben wir als Eltern falsch gemacht? Fachkraftberatung und Veranstaltungen Neben dem Beratungsangebot an Eltern steht die Elterninitiative gegen Rechts auch gerne Fachkräften wie z.b. Jugendarbeitern, Lehrern, Polizisten oder auch Initiativen zur Verfügung, wenn diese mit rechtsextremistischen Phänomenen unter Jugendlichen konfrontiert werden. Fallberatung Wir unterstützen Sie, wenn sie im beruflichen oder ehrenamtlichen Zusammenhang mit rechtsextremistischen Jugendlichen in Berührung kommen, sei es im örtlichen Jugendtreff, in der Schule oder als Verantwortlicher in einer Kommune. Unsere Beratung kann die Gestaltung von konkreten Begegnungssituationen mit rechten Jugendlichen bis hin zum Umgang mit rechtsextremistischen Phänomenen als Einrichtung oder Kommune insgesamt beinhalten. Informationsvermittlung / Informationsveranstaltungen Gerne führen wir Informationsveranstaltungen, Workshops oder Fachtagungen zu Themen, wie z.b. Jugendliche, Adoleszenz, Rechtsextremismus und rechte Jugendkulturen (Musik, Kleidung, Symbole, Codes, Rechtsextremismus im Internet) durch. Ein wesentliches Element hierbei sind immer auch Überlegungen, was wer konkret gegen rechtsextreme Tendenzen tun kann. Durch den Einsatz verschiedener Medien (Powerpoint, Audio, Film, etc.) und unser Bemühen um Dialog mit den Teilnehmern erzielen wir eine wünschenswerte Lebendigkeit im Ablauf der Veranstaltungen. Das Angebot ist innerhalb von Rheinland-Pfalz kostenlos.

5 Wie läuft die Beratung ab? Die Beratung kann sowohl telefonisch als auch persönlich an einem neutralen Platz in der Nähe des Wohnortes der Eltern erfolgen. Hierbei können wir sehr flexibel und zeitnah auf mögliche Bedürfnisse reagieren. Die Beratung ist absolut vertraulich, - falls gewünscht kann sie auch anonym erfolgen. Das Angebot ist kostenlos Was wollen Sie bei den Eltern erreichen? Wir wollen, dass es den Vätern und Müttern besser geht, dass sie auch auf sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse achten. Wir finden es wichtig, dass Eltern aus dem Stadium des Gefühls der Hilflosigkeit herauskommen und wieder handlungsfähig werden. Dazu gehört, dass sie mit gestärkter persönlicher Autorität in die Auseinandersetzung mit Ihrem Kind gehen. Wir machen den Eltern gegenüber keine Schuldzuweisungen, wir hören ihnen unvoreingenommen zu. Können Sie den Eltern Patentrezepte an die Hand geben? Nein, die gibt es leider nicht. Wir wollen Eltern aber darin unterstützen, ihre Situation zu reflektieren und für sie und ihre Kinder passende Lösungsansätze zu finden. Dazu gehört manchmal auch, eigene persönliche und elterliche Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren. Wie lange dauern in der Regel die Beratungen? Das ist ganz unterschiedlich. In einigen Fällen bleibt es bei einem einzigen telefonischen Beratungsgespräch, häufig dauern sie mehrere Monate. Manche Eltern sind auch sehr an der Teilnahme an einer Elterngruppe interessiert, in der sie andere betroffene Eltern treffen können. Elterliche Kompetenz: Es sich eingestehen und Hilfe holen Für Sie als Eltern brach vielleicht eine Welt zusammen, als Sie bemerkten, dass Ihr Kind sich rechten Kreisen bzw. rechten Gedanken zugewendet hat. Sich einzugestehen, dass die Tochter oder der Sohn rechtsextrem oder ein Nazi ist, fällt schwer. Dabei ist es vermutlich so, dass Sie als betroffene Eltern nicht mehr Fehler bei der Erziehung gemacht haben, als nicht betroffene Eltern. Ein Vertuschen oder eine Verharmlosung der Situation hilft nicht weiter, zumal damit zu rechnen ist, dass es in aller Regel zu Problemen in der Schule, am Arbeitsplatz, am Wohnort oder mit Polizei und Justiz kommt. Leider müssen Sie auch damit rechnen, dass sich die rechtsextremistische Orientierung Ihres Kindes nicht innerhalb kurzer Zeit von selbst erledigt, sondern über Jahre andauern kann. Gestehen Sie sich das Problem ein, gehen Sie es offensiv und mutig an. Sich dabei Hilfe holen ist in jedem Falle ein Zeichen elterlicher Kompetenz!!! Rufen Sie unser Beratungstelefon an. Wir wollen Sie dabei unterstützen, Strategien zu entwickeln, die Ihnen selbst und auch Ihrem Kind helfen, diese schwierige Zeit einigermaßen unbeschadet zu überstehen. Machen Sie sich fit gegen rechtsextreme Orientierungen, -und somit fit für Ihr Kind!

6 Die Elterninitiative gegen Rechts hilft Wer wir sind: Die Elterninitiative gegen Rechts ist ein Projekt der rheinlandpfälzischen Landesregierung gegen den Rechtsextremismus. Sie ist beim Landesjugendamtangesiedelt. Als Berater sind erfahrene Pädagoginnen und Sozialarbeiter tätig. Sie verfügen neben dem Wissen bzgl. allgemeiner Erziehungsfragen auch über dezidierte Kenntnisse in Sachen Rechtsextremismus und Jugendliche. Was wir tun: Beratung von Eltern (und Angehörigen), deren Kinder und Jugendliche sich rechtsextremistisch orientieren bzw. in Kontakt mit rechten Cliquen / Gruppierungen geraten sind. Klärung der Situation; Interpretation dessen, was sie als Eltern wahrnehmen (wie weit ist er/sie bereits drin, lokale Situation, etc.); dabei auch Vermittlung von Infos über Adoleszenz, Rechtsextremismus und rechte Jugendkulturen (Musik, Kleidung Symbole, Codes, etc.). Organisation und Begleitung von Elternselbsthilfegruppen. Moderation von Gesprächen zwischen Ihnen und ihrem Sohn / Ihrer Tochter. (!) Schnelle und unkomplizierte Hilfe (!) Vor allem in akuten Krisensituationen ist eine schnelle und unkomplizierte Hilfe für Sie wichtig. Deshalb sind sehr kurzfristige Beratungsgespräche vor Ort kein Problem. Interview mit dem Elternberater und der Elternberaterin: Wie kam es zur Elterninitiative gegen Rechts? Sie entstand aufgrund der Erfahrungen des rheinlandpfälzischen Aussteigerprogramms (R)AUSwege, bei dem sich immer wieder auch hilfesuchende Eltern meldeten Mit welcher Motivation wenden sich Eltern an Sie? Bei allen Eltern herrscht ein großer Leidensdruck, der einem unentrinnbaren Strudel zu gleichen scheint. Oft haben sie Angst, ihr Kind zu verlieren oder in der akuten Situation entscheidende Fehler zu machen. Der familiäre Alltag ist unerträglich, die Kommunikation mit den Jugendlichen gelingt einfach nicht mehr. Hinzu kommen häufig Probleme des Jugendlichen, z.b. mit der Polizei, in der Schule oder auch übermäßiger Alkoholkonsum. Was brauchen betroffene Eltern, was hilft ihnen? Der Kontakt zur Elterninitiative gegen Rechts ist für viele Eltern die erste Gelegenheit, mit jemandem zu sprechen, der ihnen zuhört und ihre Probleme einschätzen kann. Das Erleben, dass sie nicht alleine sind, ist häufig schon sehr entlastend. Durch eine gemeinsame, lösungsorientierte Betrachtung der Situation und durch unser Angebot, in dieser schwierigen Zeit an ihrer Seite zu bleiben, können Eltern neue Energie aufnehmen, um wieder mutig um ihr Kind zu kämpfen.