Kindliche Grundbedürfnisse und gesunde. Erkenntnisse aus der Bindungsforschung. Staatsinstitut für Frühpädagogik
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- Pamela Egger
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1 Kindliche Grundbedürfnisse und gesunde Entwicklung in den ersten Lebensjahren Erkenntnisse aus der Bindungsforschung Dr. Julia Berkic Staatsinstitut für Frühpädagogik
2 Übersicht Grundbedürfnisse von Kindern Entstehung von Bindungssicherheit Auswirkungen von Bindungssicherheit über den Lebenslauf Bindung als Voraussetzung für Bildung Eine sichere Bindung als Schutzfaktor
3 Übersicht Grundbedürfnisse von Kindern Entstehung von Bindungssicherheit Auswirkungen von Bindungssicherheit über den Lebenslauf Bindung als Voraussetzung für Bildung Eine sichere Bindung als Schutzfaktor
4 Grundbedürfnisse von Kindern Unterscheidung: Physische Grundbedürfnisse Psychische Grundbedürfnisse Gemeinsame Merkmale: Neugeborene, Säuglinge g und Kleinkinder sind auf Befriedigung der Grundbedürfnisse durch ihre Umwelt angewiesen. Angemessene Befriedigung der Grundbedürfnisse dü ist Voraussetzung für gesunde Entwicklung ABER: Die Befriedigung der körperlichen Grundbedürfnisse reicht nicht aus! John Bowlby
5 Grundzüge der Bindungstheorie John Bowlby(1969/73/88) Ein Säugling ist genetisch vorprogrammiert, im ersten Jahr eine Bindung an wenige Personen zu entwickeln, die stärker und erfahrener sind und die ihn schützen und versorgen können. Bindungsverhalten zielt darauf ab, die Nähe einer bevorzugten Person zu suchen, um dort Sicherheit zu finden. Komplementär zum Bindungsverhaltenssystem ist das Explorationsverhaltenssystem. Exploration erkunden der Umwelt ist Lernen!
6 Bindung und Exploration/Autonomie bei Wohlbefinden bei Missbehagen/Stress Bindung Exploration/ Autonomie Bindung Exploration/ Autonomie D ki dli h Bi d h lt t t ht d lt li h Dem kindlichen Bindungsverhaltenssystem steht das elterliche Pflegeverhaltenssystem gegenüber.
7 Übersicht Grundbedürfnisse von Kindern Entstehung von Bindungssicherheit Auswirkungen von Bindungssicherheit über den Lebenslauf Bindung als Voraussetzung für Bildung Eine sichere Bindung als Schutzfaktor
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9 Das Konzept der Feinfühligkeit (Ainsworth, 1977,1978) Die Fähigkeit und Bereitwilligkeit der Betreuungsperson, die Mitteilungen und das Verhalten des Säuglings wahrzunehmen und richtig zu deuten, und darauf prompt und angemessen zu reagieren. Die Feinfühligkeit der Eltern wirkt sich neben den Temperamentseigenschaften des Kindes auf die Bindungsqualität zwischen Kind und Elternteil aus.
10 Voraussetzung für Bindungssicherheit Elterliche Feinfühligkeit sichere Bindung als Grundlage für Autonomie und Lernen
11 Fazit 1: In den ersten 18 Monaten werden grundlegende Strategien zur Emotionsregulation gelernt. Bindung und Exploration bedingen sich gegenseitig. Exploration ist nur bei beruhigtem Bindungssystem möglich.
12 Übersicht Grundbedürfnisse von Kindern Entstehung von Bindungssicherheit Auswirkungen von Bindungssicherheit über den Lebenslauf Bindung als Voraussetzung für Bildung Eine sichere Bindung als Schutzfaktor
13 Auswirkungen früher Bindungserfahrungen Im Kindergarten: weniger aggressives bzw. feindseliges Verhalten gegenüber anderen Kindern, weniger emotionale Isolation und Abhängigkeit von den Erzieherinnen, mehr Kompetenz im Umgang mit anderen Kindern Im Schulalter: positive soziale Wahrnehmung, hohe soziale Kompetenz, hohes Selbstwertgefühl, bessere Freundschaftsbeziehungen Im Jugendalter: gelungener Umgang mit Problemen, gute Balance von Autonomie und Verbundenheit in der Beziehung zu den Eltern positivere Erfahrungen in ersten Partnerschaften transgenerationale Effekte, Weitergabe von Bindungs(un)sicherheit an die eigenen Kinder vgl. Grossmann & Grossmann, 2012, Grossmann, Grossmann & Waters, 2005, Sroufe, Egeland, Carlson & Collins, 2005, Suess, Grossmann, & Sroufe, 1992, Scheuerer-Englisch, 1989, Zimmermann, 1995, Zimmermann & Spangler,2001, Zimmermann & Becker-Stoll, 2001, 2002; Grossmann & Becker-Stoll, 2002, Fonagy, Steele & Steele, 1991
14 Zusammengenommen bedeutet das: Eine sichere Bindung schafft Vorteile im Sinne einer gelungenen Anpassung auch in anderen Kontexten als der Herkunftsfamilie.
15 Entwicklungspfade statt Prägung Die Bindungstheorie ist keine Theorie früher Prägung, sondern ein entwicklungspsychologisches ikl hl i h Denkmodell dllvon Entwicklungsverläufen, die offen sind für Veränderungen. Bindungssicherheit kann insbesondere im Kontext enger emotionaler Beziehungen (z.b. Erzieher/Lehrer, Partnerschaften, Therapie, Freundschaften) auch im weiteren Verlauf des Lebens erreicht werden. Die Reflexion und Integration negativer Erlebnisse und die (späte) Erfahrung einer sicheren Basis stehen hier im Vordergrund.
16 Entwicklungspfade statt Prägung Alter pathologischer Bereich Normbereich pathologischer Bereich
17 Stabilität und Veränderung von Bindungssicherheit Laut Bowlby ist das Bindungssystem vor allem in frühen Entwicklungsstufen sensitiv gegenüber Veränderungen in der Umwelt und wird erst im Laufe des Lebens stabiler und resistenter gegenüber äußeren Einflüssen. (Bowlby, 1973, zitiert nach Fraley &Brumbaugh, 2004).
18 Fazit 2: Die Erfahrungen die Kinder in den ersten Lebensjahren in (un)feinfühliger Umgebung machen, sind noch sehr lange spürbar und sichtbar
19 Übersicht Grundbedürfnisse von Kindern Entstehung von Bindungssicherheit Auswirkungen von Bindungssicherheit über den Lebenslauf Bindung als Voraussetzung für Bildung Eine sichere Bindung als Schutzfaktor
20 Frühkindliche emotionale Erfahrungen beeinflussen die funktionelle Entwicklung des Gehirns Verdichtung der Neuronalen Netzwerke im Gehirn des Kindes - Gewicht des Gehirns bei Geburt 400g, mit zwei Jahren 1000g Abbildung 1: Medianansicht des menschlichen Gehirns mit den wichtigsten limbischen Zentren. (Aus Roth, 2001, nach Spektrum/Scientific American, 1994, verändert).
21 Auswirkung feinfühliger Zuwendung auf das kindliche Gehirn Während bestimmter sensibler Entwicklungsphasen ist das Gehirn besonders plastisch, d.h. besonders lernfähig. Durch die feinfühlige Interaktion mit dem Kind trainiert die Mutter das Gehirn des Kindes. Sie stimuliert im Gehirn des Kindes primäre und sekundäre Sinnes- und Bewegungszentren, das Limbische System, und Regionen im präfrontalen Cortex. Die Stimulation dieser drei Hirnregionen führt zu neuen Vernetzungen. D l i h iti Akti i hi d N ll füh t Das gleichzeitige Aktivieren von verschiedenen Nervenzellen führt zu bleibenden Strukturveränderungen.
22 Neurobiologische Grundlagen von Bindung An Strauchratten (Octodon degus) haben Prof. Braun und ihre Mitarbeiter untersucht, wie Elternkontakt die Hirnentwicklung der Kinder/ der Jungtiere beeinflusst.
23 Stoffwechselaktivität im Vorderhirn von acht Tage alten Jungtieren im Sozialverband (links) und während der Separation von den Eltern (rechts). Die separierten Tiere zeigen eine deutlich verminderte Aktivität im Vergleich zu den sozialen Tieren. Während der Trennung setzt das juvenile Gehirn seine Aktivität auf Sparflamme. Diese Prozesse führen zu längerfristigen synaptischen Veränderungen im präfrontalen Kortex.
24 Neurobiologische Grundlagen von Bindung Schlussfolgerungen die Anpassungsfähigkeit des neugeborenen bzw. frühkindlichen Gehirns ermöglicht es Eltern und Erziehern auch in den ersten Lebensjahren die Entwicklung der limbischen Schaltkreise über eine emotionale und intellektuelle Förderung zu optimieren. Gerade diese frühe Phase muss dazu genutzt werden, die hirnbiologische Basis für spätere Lernleistungen und sozio-emotionlae Kompetenz zu bilden.
25 Fazit 3: Durch stabile und feinfühlige Interaktionen in den ersten Lebensjahren - innerhalb und außerhalb der Familie - werden die wichtigsten Grundlagen für (die Freude am) Lernen gelegt.
26 Übersicht Grundbedürfnisse von Kindern Entstehung von Bindungssicherheit Auswirkungen von Bindungssicherheit über den Lebenslauf Bindung als Voraussetzung für Bildung Eine sichere Bindung als Schutzfaktor
27 Verinnerlichung von Bindungserfahrungen Nach der Bindungstheorie baut sich ein Kind auf der Basis der Fürsorgeerfahrungen bereits ab dem ersten Lebensjahr internale Arbeitsmodelle von sich und den Bindungspersonen auf, die sein Verhalten gegenüber den Bindungspersonen und später auch in anderen emotional bedeutsamen Situationen steuern. Zu diesen Beziehungserfahrungen gehören Trost, Ermutigung, Unterstützung durch die Bezugsperson und Kooperation der Bezugspersonen, wenn das Kind diese benötigt. Dies fördert den Aufbau eines Arbeitsmodells von sich selbst als liebenswert und die Entstehung von Arbeitsmodellen von anderen Personen als prinzipiell hilfsbereit (Bowlby, 1973).
28 Bindung und Emotionsregulation Die Unterstützung und emotionale Verfügbarkeit der Bindungsperson ist Voraussetzung für die Entwicklung einer adaptiven Emotionsregulation. Eine adaptive Emotionsregulation ist ein zentrales Merkmal einer resilienten Persönlichkeit. Im Säuglingsalter und in der frühen Kindheit wirken die Bindungsfiguren als externe Organisatoren für ihre Kinder, indem sie ihnen helfen, ihre Gefühle zu regulieren. In ihrer Entwicklung zeigen Kinder eine zunehmende autonome Anpassung und wenden dabei die Emotionsregulationsmuster an, die sie in der Interaktion mit ihren Bindungsfiguren gelernt haben. Zimmermann, 2000
29 Bindung, Emotionsregulation und Umgang mit Risiken Die Entwicklung innerer Ab Arbeitsmodelle von Bindung erklärt die Transition von der extrernalen zur internalen Selbstregulation Bindungs- erfahrungen Internale Arbeits- modelle Regulation negativer Gefühle Selbstbild Selbstwert t Qualität der nahen Beziehungen Umgang mit Risikofaktoren (Coping) Bowlby, 1980; Sroufe, 1989; Grossmann & Grossmann, 1995; Zimmermann, 2000
30 Sichere Bindung als Schutzfaktor Spangler und Zimmermann (1999) schlagen drei Mechanismen vor, nach denen eine sichere Bindungsorganisation als Schutzfaktor wirksam werden kann. 1. Kompetenzerwerb auf Intervention 2. Risikopuffer 3. Einflussfaktor sichere sichere Bindung sichere Bindung Bindung höhere Flexibilität in der positive Bewältigungs- fähigkeit it Kompetenz/ angepasstes Verhalten Situationsbewertung und Auswahl der Handlungsstrategie g Effektiveres Coping bessere Bewältigung Vertrauen in Beziehung Annehmen von Hilfsangeboten (Therapie/ Intervention)
31 Was brauchen Kinder um lebensstark zu werden? Die Lebensgeschichten der widerstandsfähigen Kinder lehren uns, dass sich Kompetenz, Vertrauen und Fürsorge auch unter sehr ungünstigen Lebensbedingungen entwickeln können, wenn sie Erwachsene treffen, die ihnen eine sichere Basis bieten, auf der sich Vertrauen, Autonomie und Initiative entwickeln können (Werner, 1997, S. 202).
32 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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34 Entwicklungsaufgaben nach Altersstufen Jugendalter 6-10 Jahre Körperliche, 3-6 Jahre Identität, enge emotionale Bindungen Leistungs- und soziale Kompetenz Impulskontrolle Beziehung zu Peers 1-3 Jahre Sprache, Exploration Autonomie 6-12 Monate Bindung 0-6 Monate Grundlegende Regulierung Entwicklungsmodell nach Sroufe (1989) und Spangler & Zimmermann (1999)
35 Väterliche Feinfühligkeit it In westlichen Gesellschaften zeichnen sich die Vater-Kind-Beziehungen durch einen hohen Anteil spielerischer Interaktion aus, also durch größere Nähe zur Exploration. Viele Väter neigen dazu, die Neugier und die Fähigkeiten des Kindes eher herauszufordern, als sein nach körperlicher Nähe strebende Verhalten zu unterstützen (Kindler, 2002). Zusammenhänge zwischen der feinfühligen Ermutigung des Vaters zur Exploration und dem weiteren Verlauf der Bindungs- und Sozialentwicklung sowie der emotionalen Sicherheit des Kindes in neuartigen Situationen (Grossmann, 2002).
36 Autostadt Wolfsburg Der entwicklungspsychopathologische h l i h Ansatz Die Entwicklungspsychopathologie untersucht die Entstehung von psychischen Störungen oder abweichendem Verhalten über den Lebenslauf (Rutter, 1990, 1997; Sroufe, 1989, 1997) Dazu werden die Häufung und das Zusammenwirken verschiedener Schutz- und Risikofaktoren über den Lebenslauf untersucht (Werner & Smith, 1992, Zimmermann, 2000). Annahme: Mangelhafte Bewältigung von Entwicklungsaufgaben in frühen Entwicklungsphasen führt zu Fehlanpassungen im späteren Entwicklungsverlauf l (Sroufe, 1989, 1997).
37 Autostadt Wolfsburg Beispiel: i Emotionsregulation i und Sucht Überforderung durch Entwicklungsaufgaben Verletzung der Autonomie negative Einschätzung eigener Kompetenz eingeschränkte Autonomie- entwicklung soziale Isolation belastende Bindungs- erfahrungen unsichere Bindungs- repräsentation Rückzug statt aktiver Auseinandersetzung mit der Umwelt Substanz- missbrauch als Versuch der Emotionsregulation eingeschränkte Kompetenz gestörte Selbstregulation
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