Ist der Spracherwerb beeinträchtigt, können auch Austausch von Informationen, Gedanken und Gefühlen und damit die soziale Teilhabe beeinträchtigt sein

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1 Sprache Voraussetzung für soziale Teilhabe und Bildung Wolfenbüttel, den 30. September 2014 Sprache und Kommunikation sind wesentliche Voraussetzung der Persönlichkeitsentwicklung, der Menschwerdung und des sozialen Glücks Seite 2 1

2 Ist der Spracherwerb beeinträchtigt, können auch Austausch von Informationen, Gedanken und Gefühlen und damit die soziale Teilhabe beeinträchtigt sein. Krankhafte Spracherwerbsstörungen können sich auch bis ins Jugend und Erwachsenenalter auswirken und somit den schulischen und beruflichen Werdegang negativ beeinflussen. Spracherwerbsstörungen haben zumeist negativen Einfluss auf den Lese und Rechtschreiblernprozess in den ersten Grundschulklassen. Seite 3 Sprachförderung Sprachheilbehandlung Seite 4 2

3 Sprachförderung Sprachfördermaßnahmen richten sich an Kinder, die über keine oder nur sehr unzureichende Deutschsprachkenntnisse verfügen. In Niedersachsen nahm ca. jedes 8. Kind am Sprachförderunterricht teil. In Niedersachsen zeigten 37% aller Lernanfänger Sprachauffälligkeiten Seite 5 Sprachheilbehandlung Bei Kindern, deren Sprachentwicklung um mehr als 6 Monate abweicht spricht man von einer Spracherwerbsstörung (SES). (bei Kindern unter 3 Jahren spricht man von einer Sprachentwicklungsverzögerung) Bei Spracherwerbsstörungen (SES) sind Artikulation, Grammatik, Wortschatz, Sprachverständnis, Erzählfähigkeit und/oder Kommunikative Pragmatik auffällig und behandlungsbedürftig. Weiterhin gehören Redeflussstörungen sowie Mutismus zu den behandlungsbedürftigen Störungsbildern. Zunächst erfolgt zumeist eine ambulante Sprachheilbehandlung durch Logopäden/Sprachtherapeuten. Seite 6 3

4 Ziel einer frühen Sprachheilbehandlung ist es, dass sich Sprachstörungen nicht manifestieren! Seite 7 Sprachheilbehandlung Zeigt sich die ambulante Sprachheilbehandlung als nicht ausreichend erfolgt in der Regel eine Vorstellung bei der Fachberatung Hören und Sprache im zuständigen Gesundheitsamt zur Abklärung, inwieweit eine teilstationäre Sprachheilbehandlung in einem Sprachheilkindergarten angezeigt sei. Die teilstationäre Sprachheilbehandlung im Sprachheilkindergarten ist eine interdisziplinäre Komplexleistung ( Sprachtherapie, Pädagogik, Bewegungstherapie, Psychologie). Es erfolgt eine Finanzierung in Kostenteilung durch Sozialhilfeträger, Krankenkasse und Eltern. Seite 8 4

5 Fachberater in Aktion Seite 9 Sprachheilbehandlung Wann ist ambulante Therapie nicht mehr ausreichend? Fortbestand einer gravierenden Spracherwerbsstörung (z.b. Phonetischphonologische Aussprachestörung multiplen/ universellen Ausmaßes, multipler/universeller Dysgrammatismus, Redeunflüssigkeiten) mit nur geringfügigen Therapiefortschritten nach mehr als 30 ambulanten Therapiesitzungen. Die Sprachstörung hat Auswirkungen auf die soziale Integration und auf die sozialemotionale Befindlichkeit des Kindes (Rückzug, Störungsbewusstsein, Sprechvermeidung,.) Seite 10 5

6 Sozialemotionale Auswirkung von Sprachstörungen Bei vielen Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen liegt bei nicht erfolgreicher ambulanter Behandlung ein ausgeprägtes Störungsbewusstsein vor. Es kommt zu Rückzug im Kindergarten, im Elternhaus sowie in alltäglichen Situationen und/oder zu aggressivem Verhalten in Kommukationssituationen im Alltag, da sich das Kind nicht seinen intellektuellen Fähigkeiten und Wünschen ausdrücken kann. Teilhabe ist gefährdet bzw. nicht vorhanden. Zur Stärkung des Selbstwertgefühles, des Selbstbewusstseins und der Sprech und Lebensfreude ist eine intensive, interdisziplinäre Komplexleistung in Form einer Kleingruppenförderung mit psychologischen Anteilen notwendig und sehr förderlich. Seite 11 Sprachheilbehandlung im Sprachheilkindergarten Komplexleistung Teilstationäre Sprachheilbehandlung Vereinbarung 2006: Heilpädagogische Förderung und medizinische Therapie als Komplexleistung (gem. 30 SGB IX (Früherkennung und Frühförderung), 26 SGB IX (Leistungen zur medizinischen Rehabilitation), 32 SGB V (Heilmittel)) Leistungen: 5 Tage (30 h) direkte Betreuung/Förderung Heilpädagogische Leistungen in Kleingruppen (8 Kinder) Logopädie / Sprachtherapie inklusive und variabel Psychologische Beratung und Unterstützung inklusive Leistungsvereinbarungen: Förderung im motorischen, sensorischen, kognitiven, sozialen, emotionalen, musisch/kreativen, lebenspraktischen Bereich Seite 12 6

7 Sprachheilkindergärten in Niedersachsen 1951 BurgwedelCraney 1955 Hildesheim 1964 Osnabrück: IKHaus 1969 Bremerhaven 1980 Cuxhaven 1980 Papenburg 1981 Bad Salzdetfurth 1982 Stade 1982 Göttingen 1982 Meppen 1983 Leer 1983 Aurich 1983 Celle 1984 Bersenbrück 1984 Cloppenburg 1984 Sulingen 1985 Buchholz 1985 Nienburg 1986 Lingen 1987 Holzminden 1987 Melle 1988 Soltau 1989 Peine 2000 Schwagstorf 2000 Stolzenau 2001 Syke 2001 Hemmoor 2001 Ganderkesee 1971 Edewecht 1973 Wilhelmshaven 1974 Delmenhorst 1974 Braunschweig 1975 Oldenburg 1975 Salzgitter 1976 Bückeburg 1977 KramelheideBeverstedt 1977 Hannover 1978 Wolfsburg 1978 WennigsenDegersen 1978 Langenhagen 1979 Nordhorn 1979 Lüneburg 1990 Aerzen 1990 Bissendorf 1990 Zeven 1990 Uelzen 1991 Bad Harzburg 1991 Bakum 1991 Herzberg 1991 Nordenham 1991 OS St.Raphael 1992 Diepholz 1992 GMHütte 1993 Walsrode 1993 Helmstedt 1993 Einbeck 1993 Winsen 1994 Emlichheim 1994 Seesen 1994 Verden 1995 Wolfenbüttel 1996 LüchowDann Gifhorn 2003 Freiburg 2003 Friesoythe 2003 WinsenPattensen 2005 Pewsum 2005 Quakenbrück Dauer der teilstationären Sprachheilbehandlung Die teilstationäre Sprachheilbehandlung im Sprachheilkindergarten wird zunächst für 12 Monate vom Fachberater für Hören und Sprache befürwortet und von den Kostenträgern für diesen Zeitraum bewilligt. Bei gravierenden SES ist eine weitere Verlängerung der teilstationären Sprachheilbehandlung um jeweils 6 Monate mögliche. Dazu ist eine Wiedervorstellung beim Fachberater für Hören und Sprache notwendig. Die mittlere Verweildauer von Kindern in den niedersächsischen Sprachheilkindergärten betrug 2009: 17,4 Monate, 2010: 17,3 Monate. Seite 14 7

8 Schullaufbahn von Sprachheilkindergartenkindern Einrichtung Wolfsburg 1996 (N=49) Meppen 2007 (N=101) Wilhelmshaven (N=206) Aurich (N = 100) Region Hannover 2009/2010 (NN = 76) Cloppenburg (N = 246) Bad Salzdetfurth 2010 (N = 10) Niedersachsen 2009 (N = 1007) Niedersachsen 2010 (N = 675) Niedersachsen 2011 (N = 936) Niedersachsen 2012 (N = 1068) Niedersachsen 2013 (N = 1122) Schulkindergarten Regelschule/ kindergarten 33 % 90 % 55 % 65 % 50 % 50 % 72 % 46 % 46 % 51 % 51 % 45 % Förderschule Sprache 20 % 9 % 22 % 4 % 32 % 42 % 17 % 29 % 35 % 32 % 31 % 31 % Förderschule Lernen 33 % 1 % 8 % 17 % 18 % 4 % 3 % 3 % 2 % 4 % Seite 15 9 % 7 % 5 % 5 % 5 % 5 % Sonstige Maßnahmen 14 % 6 % 14 % 4% 11 % 15 % 11 % 10 % 9 % 19 % Quellen: Wolfsburg (Kaschade u. a. 1996), Meppen (Dierkes & Jost 2007), Wilhelmshaven (Bruns 2010 / AWOMeldungen an LS, unveröffentlicht), Aurich (de Boer 2011), Region Hannover (Ullrich u. a. 2009; Marten u. a. 2010), LS Niedersachsen (Statistische Auswertungen ); Cloppenburg (Füchsel 2011); Bad Salzdetfurth (Sprachheilkindergarten 2010) Schullaufbahn von Kindern mit SES Ca. 50% der Kinder mit Spracherwerbsstörung besuchen nach Beendigung der teilstationären Sprachheilbehandlung im Sprachheilkindergarten die Regelschule Ca. 30% besuchen im Anschluss an den Sprachheilkindergarten eine Sprachheilklasse Ca. 5% den Schulkindergarten Regelschule Sprachheilklas se Schulkindergar ten andere Einrichtungen Seite 16 8

9 Schullaufbahn von Kindern mit SES Bei ungefähr 70% der Kinder liegt nach Abschluss des Sprachheilkindergartens keine oder nur noch eine geringe Sprachstörung vor. Bei ungefähr 30% der Kinder besteht jedoch noch ein weiterer Behandlungs und Förderbedarf der Sprache. Diese Kinder besuchen bisher zumeist die Sprachheilklasse bzw. Sprachheilschule. Es besteht bei vielen dieser Kinder häufig weiterhin eine gravierende Sprachstörung und/oder ein großes Störungsbewusstsein. Seite 17 Sozialemotionale Auswirkung von Sprachstörungen Bei vielen Kindern liegt eine so gravierende Spracherwerbsstörung vor, dass sie für andere spontansprachlich noch nicht verständlich sprechen. Eine Kommunikation mit anderen ist dadurch häufig nicht oder nur sehr begrenzt möglich. Zumeist wird ein ausgeprägtes Störungsbewusstsein entwickelt und es kommt zu Rückzug in der Schule, im Elternhaus sowie in alltäglichen Situationen und/oder zu aggressivem Verhalten in Kommukationssituationen im Alltag, da sich das Kind nicht gemäß seiner intellektuellen Fähigkeiten und Wünsche ausdrücken kann. Teilhabe ist gefährdet bzw. nicht vorhanden. Bei Verbleib dieser Kinder in Regeleinrichtungen ist zu beobachten, dass sich die Verhaltensauffälligkeiten verstärken und sogar eine Manifestierung und Ausweitung der Sprachstörung zu verzeichnen ist. Manchmal kommt es auch zu Ausgrenzungen durch Mitschüler/Innen. Zur Stärkung des Selbstwertgefühles, des Selbstbewusstseins und der Sprech und Lebensfreude ist eine intensive Kleingruppenförderung möglichst mit psychologischen Anteilen notwendig und sehr förderlich. Seite 18 9

10 Sprachheilschulen bzw. Sprachheilklassen Ziel: Integration/Inklusion und Teilhabe Kleine Lerngruppen Innere Differenzierung Berücksichtigung der Sprachstörung beim Lese und Schriftspracherwerb Zeitliche Begrenzung auf max. 4 Schuljahre Hohe Durchlässigkeit Ungefähr 80% der Schüler/Innen wechseln auf Regelschulen ohne weiteren sonderpädagogischen Förderbedarf Seite 19 Zusammenfassung : Spracherwerbsstörungen sind bei früher Intervention (Sprachheilbehandlung) gut behandelbar und für die meisten Kinder nur vorübergehend (im Gegensatz zu Sinnesstörungen oder Körperbeeinträchtigungen) Seite 20 10

11 Zusammenfassung : Auf Grund der Sprach und Kommunikationsstörungen mit daraus folgenden sozialemotionalen Beeinträchtigungen benötigen viele dieser Kinder vorübergehend die Förderung in Kleingruppen zur Stärkung ihres Selbstwertgefühls, ihrer Persönlichkeit und ihrer Sprech und Lebensfreude Seite 21 Zusammenfassung : Bei Kindern mit Spracherwerbsstörungen bestehen in Niedersachsen durch gute Förderung und Behandlung in spezifischen Einrichtungen gute Aussichten auf eine erfolgreiche Teilhabe und eine gute, ihren Fähigkeiten entsprechende inklusive Bildung. Seite 22 11

12 Sprache und Kommunikation sind wesentliche Voraussetzung der Persönlichkeitsentwicklung, der Menschwerdung und des sozialen Glücks Seite 23 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Seite 24 12