Eine experimentelle Untersuchung der Evolution von W.H. Dallinger um 1887
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- Gertrud Blau
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1 Eine experimentelle Untersuchung der Evolution von W.H. Dallinger um 1887 Weil mich diese Arbeit von Dallinger schon immer fasziniert hat, möchte ich hier einmal davon berichten. Dallinger war Mikrobiologe, viel mehr weiß ich auch nicht über ihn. Er hat sich viel um die Verbesserung von Linsensystemen gekümmert, worüber er zu Beginn seines Aufsatzes berichtet. Über diesen Teil seiner Arbeit will ich hier aber nicht berichten. Seine Intention war zu prüfen, ob durch langsame Veränderung der Umwelteinflüsse eine Art dazu geführt werden kann, sich an sie anzupassen. Als Einflussparameter wählte er die Temperatur, weil man sie relativ leicht kontrollieren kann, wenn das damals auch noch viel schwieriger war als heute. D.h. er wollte diese Organismen langsam immer höheren Temperaturen aussetzen und sehen, wie weit er wohl kommen würde. Bevor er mit seinen eigentlichen Experimenten begann, suchte er eineinhalb Jahre nach den geeigneten Mikroorganismen, die er schließlich verwenden wollte. Er wählte schließlich drei Arten mit deren Lebenscyclen er bestens vertraut war, um sicher zu stellen, dass ihm auch jede Veränderung der Organismen auffallen würde. Diese Arten waren: Tetramitus rostratus, Monas Dallingeri (von ihm selbst entdeckt und nach ihm benannt) und D. Drysdali. Das Experiment und seine Ergebnisse Er konstruierte zunächst eine Apparatur, die in der Lage war, die Einzeller in einer konstanten Temperatur wachsen zu lassen. Diese stelle ich in Abb.1 dar. Abb.1 Experimenteller Aufbau von Dallingers Evolutionsexperiment AA Starkes Kupfergefäß, das das Wasser enthielt. Die Vorderseite ist in dem Schema entfernt, um das Innere zu zeigen. BBB Sind drei Gefäße, die die Nährflüssigkeiten und die untersuchten Organismen enthielten. CCC Korkplatten, die die Gefäße abdecken und in die Thermometer eingelassen sind. DD Zwei andere Thermometer, die in die äußere Flüssigkeit eintauchen. EEEEE Kupferröhren, auf denen die Glasröhren aufliegen, durch die das erwärmende Quecksilber strömt. FF und GG sind Glasröhren durch die Quecksilber strömt. P Bunsenbrenneranordnung. Der weitere Aufbau soll hier nicht weiter in den Einzelheiten besprochen werden. (Abb. aus der Veröffentlichung von Dallinger, s. Quellen)
2 Er begann seine Experimente bei einer Temperatur von 60 0 Fahrenheit (Die Umrechnungsformel in Celsius: C = (F - C) 5/9). Das entspricht also etwa 15 0 C. Er erhöhte die Temperatur nur langsam und vorsichtig, obwohl das im Anfangsstadium sicher nicht nötig gewesen wäre. Das stellte er auch selbst fest, denn er bemerkt, dass ganz zu Beginn des Experimentes die Temperaturerhöhung dazu führte, dass die Organismen schneller wuchsen. Den weiteren Verlauf des Experimentes stelle ich tabellarisch dar. Dabei sei bemerkt, dass Dallinger seine Zeitangaben z.t. in Monaten, dann wieder in Wochen angibt. Sie sind deshalb nicht eindeutig in Wochen oder Tage umrechenbar. Aber ich denke, auf kleinere Zeitdifferenzen oder Ungenauigkeiten dabei kommt es auch nicht an. Der Einheitlichkeit halber habe ich seine Angaben in Wochen umgerechnet. Wochen Temperatur in Fahrenheit Beobachtungen und Bemerkungen die Wachstumsgeschwindigkeit der Organismen ist erhöht keine besonderen Beobachtungen keine besonderen Beobachtungen immer noch erhöhte Wachstumsrate langsame Erhöhung langsame Erhöhung ein großes Absterben der Organismen setzt ein, so dass die Temperatur etwas zurückgenommen werden muss. die Temperatur muss konstant auf dieser Temperatur gehalten werden. jetzt ist die Vitalität der Organismen wieder erhöht, so dass die Temperatur wieder gesteigert werden kann. allmähliche Erhöhung der Temperatur, bis hier wieder ein kritischer Punkt erreicht ist. die Temperatur wird zwischen diesen Grenzen hin und her bewegt. Bei 78 Grad sind die Organismen sehr instabil. zunächst sind die Organismen sehr instabil (3 Monate), dann werden sie durch Temperaturerhöhungen immer weniger beeinträchtigt, nach 2-3 Monaten kann man eine Vakuolisierung in ihrem Cytoplasma erkennen, in der letzten Phase nimmt die Vakuolisierung immer weiter ab. bis zur 145. Woche konnten durch kleine Temperaturerhöhungen 93 Grad erreicht werden. Dann ging es nicht mehr weiter. Jede noch so kleine weitere Erhöhung der Temperatur führte zu großen Verlusten bei den Organismen. Es trat auch wieder eine Tendenz zur Vakuolisierung auf, wobei sich dieses Mal nur sehr kleine Vakuolen bildeten. bei 102 Grad musste eine kleine Pause eingelegt werden, es war dann schon bald möglich, die Temperatur wieder zu steigern hier war wiederum eine kleinere Pause nötig In diesen 7 Monaten zeigten die Organismen in den ersten 3 Monaten eine schwache Vakuolisierung, die dann zurück ging. Zwischen 137
3 ? und 138 Grad lag wieder ein äußerst kritischer Punkt. In 6 Monaten war nicht die geringste Erhöhung der Temperatur möglich. In den folgenden 6 Monaten war dann eine geringe Erhöhung möglich, die aber nur für kurze Zeit aufrecht erhalten werden konnte. nachdem diese Temperatur erreicht war, konnte sie plötzlich schneller und stärker noch weiter erhöht werden. Es waren sogar Schritte möglich, bei denen die Temperatur gleich um 2 Grad erhöht wurde. bei 158 Grad gab es wieder einen Stillstand. Wie weit die Temperatur noch hätte gesteigert werden können ist leider unklar. In Abwesenheit von Dallinger ist die Apparatur zusammen gebrochen. Die näheren Umstände und Gründe nennt er selbst nicht.
4 Abb. 2 Dallingers Zeichnungen von den untersuchten Organismen 1-3 So sehen sie im Normalzustand aus (keine nähere Angabe von Dallinger, welche Zeichnung welchen Organismus darstellt). 4-7, 8-11, repräsentative Zeichnungen der drei Arten im Verlaufe des Monats, in denen die Temperatur auf 78 Grad Fahrenheit gehalten wurde. 16, 18, 20 so sahen die Organismen im 4. Monat bei stabil gehaltenen 93 Grad aus. 17, 19, 21 zeigen sie unter den gleichen Umständen am Ende des 5. Monats (also bei 93 Grad). 22, 23, 24, 25 Vakuolisierung bei 138 Grad. Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse aus Dallingers Experimenten 1. Bei der niedrigsten Temperatur fördert eine geringe Temperaturerhöhung das Wachstum der Organismen. Das ist nichts Besonderes aus heutiger Sicht und ich gehe daher nicht weiter darauf ein. 2. Es gab mehrere kritische Punkte (73, 78, 93, 107 (gering), 137 (sehr kritisch) und 158), an denen die Temperatur zunächst nicht weiter erhöht werden konnte, ohne dass die Organismen
5 abstarben, bzw. schwer dezimiert wurden. An diesen Punkten ist also anzunehmen, dass die vorhandene genetische Variation nicht mehr ausreichte, eine Anpassung herbeizuführen. Ob an diesen Punkten jeweils Neumutationen erforderlich waren, läßt sich natürlich nicht sicher erschließen. 3. In den Stagnationsphasen bzw. an den kritischen Punkten traten Vakuolisierungen im Cytoplasma auf. Das scheint dafür zu sprechen, dass die Organismen ganz bestimmte Abwehrmaßnahmen durchführten. Da Dallinger aber nichts Näheres darüber berichten konnte, läßt sich heute auch nicht viel mehr dazu sagen, als das, dass es wahrscheinlich irgendein Anpassungsprozess war. Es wäre sicher äußerst interessant die Organismen mit den heutigen Möglichkeiten zu untersuchen. 4. Bis zum Zusammenbruch seiner Apparatur hatte Dallinger also die Temperatur von 60 auf F erhöhen können. Das entspricht 16 bis 79 0 C. Man kann wohl mit Recht von einer dramatischen Temperaturerhöhung sprechen. Es ist in meinen Augen erstaunlich, dass eine Anpassung an eine derartige starke Temperaturerhöhung innerhalb von etwa 5 Jahren erreicht werden konnte. Sicher wäre es heute äußerst interessant, ein solches Experiment zu wiederholen und die vakuolisierten Zustände der Organismen genauer zu analysieren. Wegen der Schnelllebigkeit unserer Zeit wird das wahrscheinlich kaum jemand machen. Wer würde heute Experimente über einen Zeitraum von so vielen Jahren planen? Schade! Quellen: Journal of the Royal Microscopical Society, April 1887 Transactions of the Society, by W. H. Dallinger Von:
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