Predigt: 1. Petrus 1,3-9 von Pastor Mathis Burfien. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus

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1 Predigt: 1. Petrus 1,3-9 von Pastor Mathis Burfien Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus. AMEN Was?, fragte Momo. Was? Es war ein bisschen ein neugieriges, ein verwundertes, ein fremdes, ungläubiges Was? Es hatte weniger Farbe als die anderen Fragen in ihrem Leben Deine Lebenszeit!, wiederholte der graue Herr. Wann bist du geboren?, sagte er und zückte seinen Bleistift. Er wollte Momo ihre Lebenszeit vorrechnen. 70 Jahre? Zwei-Milliarden- Zweihundertmillionen-Sekunden Hm, antwortete Momo dem grauen Herrn, soweit ich mich erinnern kann, war ich schon immer hier. Zeit!, sagte der graue Herr und tippte auf sein Notizbüchlein. Ob ihn denn jemand lieb habe, fragte Momo ihn zurück? Es schien ihr das wichtigste am Faktor Zeit zu sein. Zeit physikalisch t, von lateinisch tempus. t hat im Gegensatz zu anderen physikalischen Größen eine unumkehrbare Richtung. 1

2 Seit dem kürzlich erfolgten Nachweis von Gravitationswellen ist es bewiesen: Zeit ist relativ. Hatte sich ja immer schon so angefühlt: Fünfzehn Minuten in den Armen der geliebten Prinzessin sind andere als fünfzehn Minuten beim Zahnarzt. 70 Jahre, sagte der graue Herr in dem Buch Momo von Michael Ende und wurde immer unruhiger. Wie viel Lebenszeit haben wir? 70, 80 Jahre? 100? So alt können auch Kolkraben ungefähr werden. 200 Jahre manche Wale und auch Schildkröten. Mammutbäume erreichen ein Alter von Jahren In kalten Wasser der Antarktis lebt ein Riesenschwamm: Jahre kann der alt werden. Alles endlich Die Zeit erschafft alles. Sie vernichtet alles. Aus ihr entspringt das Leben, aber auch der Tod. Ich lese: Fragmente aus dem heutigen Predigttext: Bibel [1. Petrus 1,3-9] Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus! In seinem grenzenlosen Erbarmen hat er uns neues Leben geschenkt. 2

3 Weil Jesus Christus von den Toten auferstanden ist, haben wir die Hoffnung auf ein neues, ewiges Leben. [ ] ein unzerstörbares Erbe, das Gott im Himmel für euch bereit hält [ ] Und dann am Ende werdet ihr selbst sehen, wie herrlich das unvergängliche Leben ist, das Gott schon jetzt für euch bereit hält. Ewigkeit? Himmel? Unvergängliches Leben? Paradies? Haben wir eine Vorstellung davon? Versuchen wir es einmal Drei Betrachtungen von der Ewigkeit. 1. So schön kann s nicht sein! So schön wie hier kann s im Himmel gar nicht sein! Christoph SCHLINGENSIEF, der deutsche Film- und Theaterregisseur, hat dieses Buch ein Jahr vor seinem Tod verfasst. Es ist das Tagebuch seiner Krebserkrankung. Es ist ein Ringen mit sich selbst und mit Gott mal wütend, mal verzweifelt, trotzig, traurig, kein Blatt vor den Mund nehmend, ein tosender Überlebenskampf Was ist das eigentlich, schreibt SCHLINGENSIEF, warum man so am Leben hängt? 3

4 Wahrscheinlich liegt es daran, dass man tief in sich drinnen weiß: Wenn du hier die Augen zumachst, ist diese Welt wirklich weg. [Und] die Vorstellung, dass diese Welt gelöscht sein wird, dass die geliebten Menschen weg sein werden, dass man all die Schönheit dieser Erde nicht mehr sehen wird, ist einfach nicht zu ertragen. Die Hoffnung ist noch da, als SCHLINGENSIEF beginnt, seine Gedanken in ein Diktiergerät zu sprechen, aber die Angst auch. Und die Gedanken wiegen schwer, wie er schreibt, wenn man ahnt, dass man bald los muss, allein, irgendwohin Irgendwohin. Es ist interessant, dass das Wort Himmel eine sprachliche Verwandtschaft mit dem alten deutschen Wort Heime für Heimat hat. Und vielleicht haben wir schon einmal geahnt, dass die Erde letztlich nicht unser wirkliches Zuhause ist. Aber wenn der Himmel wirklich so etwas wie Heimat sein will, dann muss es ein Ort sein, an dem ich gerne bin. Heimat ist da, wo wir lieben, sagt man. Weniger nicht! 2. Löwenherz Löwenherz heißt das Kinderhospiz in Syke. 4

5 Dorthin kommen sterbenskranke Kinder, die nach dem Stand der heutigen Medizin nicht mehr geheilt werden können. Benannt ist das Kinderhospiz nach dem Roman Die Brüder Löwenherz von Astrid LINDGREN. Der Roman handelt von zwei Brüdern. Der Jüngere, Carl, ist krank und hört in einem Gespräch, dass er bald sterben wird. Da erzählt sein Bruder Jonathan ihm von seinem Paradies Weißt du, dass ich bald sterben muss? [, fragte Carl ] Wie kann es nur so etwas Schreckliches geben, dass manche sterben müssen, wenn sie noch nicht mal zehn Jahre alt sind? Weißt du Krümel, ich glaube nicht, dass es so schrecklich ist, sagte Jonathan. Ich glaube es wird herrlich für dich. Herrlich?, sagte ich. Tot in der Erde liegen, das soll herrlich sein?! Aber geh, sagte Jonathan. Was da liegt, ist doch nur so etwas wie eine Schale von dir. Du selber fliegst ganz woandershin. Und der ältere Jonathan fängt an, seinem kleinen Bruder in schillernden Bildern von Nagijala zu erzählen. Einem Ort, an dem man sich wiedersieht, einem Land der Lagerfeuer, ohne Krankheit und ohne Husten und ohne krank im Bett liegen zu müssen. Bilder brauchen wir und starke Träume, um der Angst unserer Zeit, wenn es ans Sterben geht, eine Vision entgegenzusetzen. 5

6 Und Worte brauchen wir wie aus dem 1. Petrusbrief, die von der Herrlichkeit am Ende der Zeit erzählen. Als Carl stirbt und nach Nagijala kommt, entdeckt er dort seinen Bruder Jonathan, der durch einen Unfall vor ihm verstorben war. Jonathan lachte und, so schreibt Astrid LINDGREN: wir standen dort auf der Uferböschung und hielten uns umschlungen Wie ich mir die Ewigkeit vorstelle? Ja, vielleicht auch so 3. Wir brauchen Bilder Ich bin heute gestorben zu meiner großen Verblüffung. Ich hatte mich allen Ernstes für unsterblich gehalten. So beginnt der Roman Die zehn besten Tage meines Lebens von Aldene HALPERN. [Und dass], schreibt die amerikanische Autorin weiter, obwohl ich immerhin dreimal die Woche ins Fitnessstudio gepilgert bin. [ ] okay, zweimal die Woche Also gut, oft auch nur einmal die Woche oder gar nicht. HALPERN beschäftigt sich mit der Frage: Was passiert, wenn ich gestorben bin? Gibt es einen Himmel? Und wie sieht es da aus? Als Alex, die Hauptperson, bei einem Autounfall stirbt, gelangt sie in den siebten (!) Himmel. In aller Ausführlichkeit beschreibt die Autorin diesen Ort: Jeder bekommt das, was er sich wünscht. 6

7 Für Alex ist das ein großes Farmhaus im Kolonialstil, in jedem Zimmer ein Plasmafernseher, die Küche putzt sich selbst, der Kleiderschrank ist voller Designer-Kleider, und man kann essen, ohne ein Gramm zuzunehmen Spätestens hier schlagen wir die Hände über den Kopf zusammen über so viele naive Träume wünschen uns alles weniger kitschig und legen das Buch zur Seite Aber, liebe Gemeinde, der Autorin gelingt, woran der Theologe verzweifelt: Sie zeichnet den Himmel für sich als einen Ort, auf den sie sich von Herzen freuen kann. Der Himmel wird zu einem Ort des Verliebens, der Entwicklung, wo Menschen sich unbändig freuen und Herzen zu klopfen beginnen Im 126. Psalm heißt es: Und wir sahen diese neue Welt, die so anders war, wie ein Traum und doch war sie Wirklichkeit. Wir weinten vor Freude, waren außer uns über diese Veränderung, denn nie hätten wir so viel Schönheit geahnt und unser Mund war voll Lachens... (Übersetzung nach Ulrich Schaffer) Ein strahlendes Lachen, übermütig und zärtlich zugleich, lauthals, befreiend, überbordend vor Glück und furchtlos. Ein leichtes Lachen, das uns die Schwere des Lebens nimmt So! Unsere Zeit ist noch hier. Sie ist dazwischen. 7

8 Es ist die Zeit zum Suchen und Finden, Zeit zum Zuhören, würde Momo sagen, zum Gestalten, zum Schweigen und Reden und zum Aufschreien, da wo die Welt aus den Fugen gerät sie ist zum Lieben und Lachen und Trösten! Und dann? Am Ende der Zeit? [ ] Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, dass ich voller Staunen aufwachen werde. Ach so, Herr, so ist es? So ganz anders? Ja, so ist es gut. Und eure Freude, so schreibt es der 1. Petrusbrief, wird grenzenlos sein AMEN Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. AMEN 8