Internationale Makroökonomik
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- Ursula Dieter
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1 Internationale Makroökonomik Wintersemester 2016/17 Kapitel 2: Auswirkungen von Wechselkursänderungen
2 Begriffe: Kapitel 2 WK-änderungen Nominaler Wechselkurs (Tauschrelation zwischen zwei Währungen) Mengennotierung: e $/ Welche Menge an ausländischer Währung bekomme ich für einen Euro (allg.: für eine Einheit inländische Währung)? Beispiel: 1,40 Dollar pro Euro Anstieg des WK = Aufwertung der inländischen Währung (Euro) = Abwertung der ausländischen Währung (Dollar) Preisnotierung: e /$ Welchen Preis hat eine Einheit ausländische Währung (wie viel Euro kostet ein US-Dollar)? Beispiel: 0,80 Euro pro Dollar oder 2,50 D-Mark pro Dollar Anstieg des WK = Abwertung der inländischen Währung = Aufwertung der ausländischen Währung 2
3 Wenn man Euros gegen US-Dollars umtauscht, dann ist noch unklar, wie viel Güter man mit den Dollars kaufen kann! Realer Wechselkurs: (2.1) q = e /$P P mit dem nominalen Wechselkurs e /$ (Euro pro Dollar)in Preisnotierung P = Preis von US Gütern in Dollar e /$ P = Preis von US Gütern in Euro P = Preis von inländischen Gütern in Euro 3
4 2.1 Preiseffekte Wie wirken sich Wechselkursänderungen auf die inländische Inflationsrate aus? 1. Direkter Preiseffekt über importierte Konsumgüter Konsumentenpreisindex: (2.2) P c = P 1 α e /$ P α mit α = Importquote in Veränderungsraten: (2.3) P c = 1 α P + α e /$ + P => P c e /$ = α Bei einer Abwertung (e /$ > 0) verteuern sich die importierten Konsumgüter gemessen in inländischer Währung, die inländische Inflationsrate gemessen als Veränderung des Konsumentenpreisindexes steigt gemäß Importquote. Für kleinere Länder ist dieser Effekt wegen der hohen Importquote sehr bedeutsam. 4
5 2. Indirekter Preiseffekt über importierte Vorleistungen Gehen in die inländische Produktion neben Arbeit mit dem Lohnsatz W importierte Vorleistungen ein, so steigt infolge einer Abwertung auch der Produzentenpreisindex: (2.4) P = W 1 β eq β β = Quote importierter Vorleistungen Q = Dollarpreis der Vorleistungen (2.4) in Veränderungsraten: P = 1 β W + β(e + Q ) 5
6 Einsetzen in (2.3): (2.5) P c = α + β 1 α e + 1 α 1 β W + β 1 α Q + αp Verteuerung der importierten Vorleistungen erhöht Produzentenpreisindex um den Faktor β, der Produzentenpreisindex geht mit dem Gewicht 1 α in den Konsumentenpreisindex ein, folglich ist der indirekte Preiseffekt β 1 α. Beispiel: α = 0,2 β = 0,2 e = 10% => P c = 3,6% 6
7 3. Indirekter Preiseffekt über inländische Produktionsfaktoren inländische Vorleistung = inländischer Faktor Arbeit mit dem Lohn W Annahme: Gewerkschaft verfolgt Politik des konstanten Konsumentenreallohns, also W P c = const. => W = P c Einsetzen in (2.5): P c = α + β 1 α e + 1 α 1 β P c + β 1 α Q + αp (2.6) P c = e + β 1 α α+β 1 α Q + α α+β 1 α P Neues Gleichgewicht: P c ist proportional zum Wechselkurs gestiegen! Über die ersten beiden Preiseffekte sinkt der Reallohn. Wird dies zum Anlass genommen, die Nominallöhne W zu erhöhen, so steigt der Produzentenpreisindex und folglich abermals der Konsumentenpreisindex. EZB warnt stets eindringlich vor diesen Zweitrundeneffekt! 7
8 2.2 Leistungsbilanz und realer Wechselkurs (Marshall-Lerner-Bedingung) Literatur: Harms (2008), S. 272 ff.; Harms (2016), S. 293 ff. Krugman/Obstfeld/Melitz, S. 457ff. Wie reagiert die Leistungsbilanz LB auf Änderungen des realen WK? Verbessert sich die LB bei einer Abwertung der inländischen Währung? Vereinfachung: Fokussierung auf Ex- und Import von Gütern und Dienstleistungen, Ausblendung von laufenden Erwerbs- und Vermögenseinkommen und Übertragungen. Der reale WK wird meist als Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit einer VW genommen. Steigt q = e /$P P (reale Abwertung der inländischen Währung), so werden ausländische Güter teurer im Vergleich zu inländischen Gütern. Folge: die Exporte steigen, die Importe sinken. 8
9 Export- und Importfunktion: (2.7) EX = EX(q) IM = IM(q) Aber: Neben den Mengeneffekten gibt es auch einen Bewertungseffekt, d.h. im Fall einer realen Abwertung werden die Importe teurer gemessen in Inlandswährung. Mengeneffekt verbessert LB, Bewertungseffekt verschlechtert LB. Jetzt: Bestimmung des Nettoeffekts und damit der Reaktion von LB auf eine reale Abwertung. LB (in Euro) = Exporte minus Importe (jeweils in Euro) (2.8) LB = P EX q e /$ P IM(q) 9
10 Betrachtung der LB in realen Größen, hier in Einheiten inländischer Güter: (2.9) LB P = LB real = EX q q IM(q) Ableitung von (2.9) nach dem realen WK: (2.10) dlb real dq = dex dq dim IM q dq Definition: Preiselastizität der Exporte ε = dex dq Definition: Preiselastizität der Importe θ = dim q EX 0 dq q IM 0 10
11 Damit formt sich (2.10) um zu: dlb real dq = dex dq q EX EX q q dim IM 1 + IM dq dlb real dq = ε EX q IM 1 θ Die reale Abwertung verbessert die LB, wenn gilt ε EX q (2.11) ε EX 1 θ > 0 q IM IM 1 θ > 0 bzw. Annahme: in der Ausgangssituation gelte LB = 0, also EX = q IM Marshall-Lerner-Bedingung: (2.12) ε + θ > 1 11
12 Ist die Summe der Preiselastizitäten größer eins, so verbessert sich die LB infolge einer realen Abwertung. Ist die Summe kleiner eins, verschlechtert sich die LB. Bewertungseffekt: Steigt der reale WK q, so steigt der Wert der Importe gemessen in Inlandswährung, die LB verschlechtert sich. Effekt wirkt sofort ohne zeitliche Verzögerung. Mengeneffekte: Exportmenge steigt und Importmenge sinkt; Mengenreaktionen häufig eher zeitverzögert Ist die Marshall-Lerner-Bedingung in der Praxis erfüllt? sehr kurzfristig (on impact) nein kurzfristig eher ja mittel- bis langfristig ja 12
13 Estimated Price Elasticities for International Trade in Manufactured Goods η η* Country Impact Short-run Long-run Impact Short-run Long-run Austria 0,39 0,71 1,37 0,03 0,36 0,80 Belgium 0,18 0,59 1, ,70 Britain ,31 0,60 0,75 0,75 Canada 0,08 0,40 0,71 0,72 0,72 0,72 Denmark 0,82 1,13 1,13 0,55 0,93 1,14 France 0,10 0,48 1, ,49 0,60 Germany ,41 0,57 0,77 0,77 Italy -- 0,56 0,64 0,94 0,94 0,94 Japan 0,59 1,01 1,61 0,16 0,72 0,97 Netherlands 0,24 0,49 0,89 0,71 1,22 1,22 Norway 0,40 0,74 1, ,01 0,71 Sweden 0,27 0,73 1, ,94 Switzerland 0,28 0,42 0,73 0,25 0,25 0,25 United States 0,18 0,48 1, ,06 1,06 13
14 J-Kurve Elastizitäten sehr kurzfristig gering, sie werden im Zeitablauf größer infolge von Substitutionsprozessen. Konsequenz für Leistungsbilanz: kurzfristig gilt Marshall-Lerner-Bedingung nicht, LB verschlechtert sich mittel- bis langfristig reagieren auch die Mengen, ε und θ nehmen zu, sobald ε + θ > 1, dann LB-Überschuss NX t Zeitpunkt der Bewegung t 14
15 Die Pricing to market-hypothese Campa, Jose Manuel und Linda Goldberg (2006): Pass Through of Exchange Rates to Consumption Prices: What Has Changed and Why?, NBER WP Empirie: Kein vollständiges exchange rate pass through, WK-änderungen werden nicht 1:1 in Veränderungen der Exportpreise bzw. Importpreise weitergegeben. Beispiel: Bei einer Abwertung des Euro erhält ein Exporteur pro Dollar mehr Euro. Dies nutzt er im Elastizitätsansatz à la Marshall-Lerner - annahmegemäß - dazu, den Dollarpreis seines Produkts zu senken, um den Absatz zu erhöhen. Analog wurde angenommen, dass bei einer Abwertung des Euro die Importpreise gemessen in Euro steigen. Empirie: WK-elastizitäten der Importpreise kurz- und langfristig signifikant kleiner als eins (vgl. Table 1 in Campa/Goldberg 2006) 15
16 16
17 Pricing to market (PTM) Exporteure lassen den Preis in der Währung des Bestimmungslandes stabil kurzfristig passt sich Gewinn an (windfall profits bzw. kurzfristige Verluste) bei Abwertung des Euro ist Erlös aus Exporten jetzt größer als Erlös aus Inlandsverkäufen, Verletzung des Law of One Price d.h. ein Gut ist - ausgedrückt in derselben Währung - unterschiedlich teuer in beiden Ländern. Normalerweise stellt Güterarbitrage das LOP sicher, aber bei PTM wird unterstellt, dass Güterarbitrage infolge von Transport- und Transaktionskosten nur imperfekt funktioniert. vollständiges PTM: exchange rate pass through gleich null bei vollständigem PTM keine Mengeneffekte, also keine Änderungen der Handelsvolumina! in der LB bleibt einzig der Bewertungseffekt 17
18 Begründungen für PTM 1. Preisänderungskosten 2. Sunk costs Aufbau eines Exportmarkts mit einmaligen Kosten verbunden (Distributionsnetz, Marketing) Kosten sind versunken, wenn man den Markt wieder verlässt (diese Assets können nicht verkauft werden), sie entstehen neu bei Wiedereintritt in den Markt irreversible Kosten Kosten des Wiedereintritts sind zu berücksichtigen bei Entscheidung über eventuellen Ausstieg aus Exportmarkt geringe Wechselkursfluktuationen reichen nicht aus, um Marktaustritt zu induzieren und reichen nicht aus, um Markteintritt zu induzieren Handelsströme reagieren wenig sensitiv auf Wechselkursfluktuationen 18
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