Orakel im Vorderen Orient, in Palästina und in Ägypten Der Ruf des Phoebus Das Orakel von Delphi und die Weissagungen der Pythia...
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- Cornelia Amsel
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2 Inhalt Einleitung Oneiromantik, Omina und Opferschau Orakel im Vorderen Orient, in Palästina und in Ägypten Griechische Orakel Der Ruf des Phoebus Das Orakel von Delphi und die Weissagungen der Pythia Heilige Wasser Die prophetischen Apollonorakel von Ptoion, Didyma und Klaros.. 34 Der Baum der Weisheit Das Zeusorakel von Dodona Dem Tod ins Auge sehen Totenorakel und plutonia in Griechenland und Kleinasien Im Schlaf geheilt Traumorakel des Asklepios und des Amphiaraios von Oropos Alltagstauglich Von Losen, Würfel- und Buchstabenorakeln Römische Orakel Etrusca disciplina Etruskische Haruspices und römische Auguren Das Wissen von den Zukünftigen Ereignissen Ciceros de divinatione
3 Von Fälschern und falschen Propheten Lukian und das Glykonorakel von Abonuteichos Vom Wahnsinn getrieben Sibyllinische Orakel in der Antike und im frühen Christentum Das Ende der Weisheit? Der Untergang der Orakel in der christlichen Spätantike Pagane Riten in neuem Gewand? Christliche Orakel in der Spätantike Epilog Bibliographie Abbildungsnachweis
4 Griechische Orakel Im 2. Jt. v. Chr., zu einer Zeit also, als viele Menschen im Zweistromland und in Ägypten bereits in großen Städte lebten, ihren Göttern und Herrschern riesige Tempel und Paläste errichteten und der Kult wie auch das Orakelwesen bereits eng an das Staatswesen gekoppelt waren, herrschte in Griechenland eine kriegerische aristokratisch organisierte Kultur die Mykener. Dank ihrer waffentechnischen Überlegenheit war es ihnen gelungen, die eingesessene Bevölkerung Griechenlands zu unterjochen und als Leibeigene zu verdingen. Durch Fernhandel, aber auch Piraterie und Sklavenhandel kamen sie bald zu unübersehbarem Reichtum, den sie in stark befestigten Palastanlagen zum Ausdruck brachten. Ihre Architektur wie ihre gesamte Kultur scheint stark von den kretischen Minoern, aber auch den Ägyptern beeinflusst zu sein. Dennoch ob es bereits zu mykenischer Zeit eine Orakelkultur in Griechenland gegeben hat, ist umstritten. Zwar wurde im so genannten mykenischen Tempel II von Kition auf Zypern eine Bronzeleber mit Orakelinschriften aus dem 12. Jh. v. Chr. entdeckt. Ähnliche Beispiele stammen aus dem Haus eines Priesters auf der Akropolis von Ras Shamra, wo sie im Kontext mit ugaritischen Texten und mykenischen Rhyta aus dem 14/13. Jh. v. Chr. gefunden wurden. Beide Städte waren jedoch bedeutende mykenische Handelsniederlassungen im Ausland und auch wenn die Orakelgegenstände beweisen, dass die Mykener zumindest mit der östlichen Tradition der Eingeweideschau vertraut waren, können wir ohne weitere Funde vom griechischen Festland nicht davon ausgehen, dass die Mykener sie auch in ihrem Heimatland etabliert hatten. Dasselbe gilt für das vielgerühmte Orakel von Delphi. Zwar sind die frühesten Funde, die bei den Ausgrabungen ans Licht gebracht wurden, in mykenische Zeit zu datieren bis man aber mit Sicherheit von einem florierenden Orakelkult an diesem Ort sprechen kann, sollten noch viele Jahrhunderte vergehen. 20 Der Ruf des Phoebus Das Orakel von Delphi und die Weissagungen der Pythia Der Herr, dem das Orakel von Delphi gehört, sagt nicht und verbirgt nicht, er deutet an (Plut. 21,404b), erklärte der Apollonpriester und Schriftsteller Plutarch im Jahre 95 n. Chr. einem Freund bei einem Rundgang durch das delphische Heiligtum. Erst kurz zuvor war er über das Parnassgebirge aus dem etwa 45 km westlich gelegenen Charoneia angereist,
5 wo er 50 Jahren zuvor geboren worden war und wo er immer noch mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen lebte. Für die kommenden 30 Jahre sollte er nun als einer der beiden Hauptpriester seinen Dienst in einem der berühmtesten Orakel der Welt verrichten. Der Blick, der sich dem Schriftsteller dabei von seiner Wirkungsstätte, dem Tempel des Apollon, aus bot, war sicherlich nicht weniger beeindruckend als heute. Über mehrere Terrassen schmiegt sich das Heiligtum auf etwa 550 m Höhe an den steilen Hang über der Pleistosebene mit ihren weiten Olivenhainen und fruchtbaren Weiden (Abb. 3). In der Ferne sieht man auch heute noch den Hafen von Itea und dahinter die spiegelnde Weite des Golfs von Korinth. Wie aber können wir uns Plutarchs priesterliche Wirkungsstätte zu seiner Zeit vorstellen? Das Heiligtum Obwohl die ersten Siedlungsspuren bereits aus mykenischer Zeit stammen, ist der Tempel des Apollon mit seiner schön fließenden Quelle erst in den homerischen Hymnen aus dem 7. Jh. v. Chr. erwähnt (Hom. h. 287). Ob der Kult damals bereits ein Orakel enthielt und wie es aussah, ist nicht bekannt. Bis in die römische Zeit lassen uns die schriftlichen Quellen hierüber weitgehend im Unklaren. Herodot stellte im 5. Jh. v. Chr. die Weissagungen der Pythia in ihrer Bedeutung zwar bereits über alle anderen griechischen Orakelheiligtümer (Hdt. 1,51), über das Aussehen des Heiligtums selbst aber berichtet er nur wenig (Hdt. 2,180 und 5,62). Euripides erwähnt kurze Zeit später immerhin einen heiligen Hain und die Kastaliaquelle sowie das Tempeladyton als Ort der Weissagung (Eur. Ion ). Pindar schließlich überliefert einen recht phantastischen Mythos über die vier ersten Tempel Delphis, von denen der erste aus Lorbeerzweigen, der zweite von Vögeln und Bienen aus Wachs und Federn, der dritte von den Göttern aus Bronze und der vierte schließlich von Menschenhand aus Stein gearbeitet war (Pind. P 8,58). Aber erst in nachchristlicher Zeit erschließt sich mit den römischen Reiseschriftstellern Strabo und Pausanias ein heute rekonstruierbares Erscheinungsbild der delphischen Kultstätte (Strab. 8,6,14 und Paus. 10,5). Ihre Beschreibungen waren es auch, die seit dem 15. Jh. immer wieder Abenteuerlustige aus aller Welt in die unwirtliche Gegend um den Parnass trieben. Doch was sie dort sahen, enttäuschte die meisten: Neben dem Stadion, der Kastaliaquelle und einigen zerstreuten Trümmern hatte sich von Delphis einstigem Glanz nichts erhalten. Die meisten der antiken Quadersteine waren in den Häusern des kleinen Dorfes Kastri (griech. Festung) verbaut, das sich über den Ruinen des Heiligtums erhob. In den Resten des Stadions weideten die Bewohner ihre Schafe. Nur die Mönche des kleinen 21
6 Abb. 3: Delphi. Blick auf den Tempel. Klosters über dem ehemaligen Gymnasion wussten noch, was sich unter ihrem Dorf verbarg. Erst 1840 begannen französische und deutsche Archäologen das Gelände systematisch zu untersuchen. Und schnell wurden sich die Forscher der Ausmaße ihres Fundes bewusst. Um jedoch an das antike Delphi heranzukommen, musste man unter den Häusern des Dorfes graben. Was aber sollte dann mit den etwa 300 Familien geschehen, die über der Ausgrabungsstätte lebten? Erst 1892 nach jahrelangen zähen 22
7 Verhandlungen erreichte die französische Ausgrabungsbehörde École Française schließlich, dass die Bewohner in ein 2 km westlich errichtetes Dorf umgesiedelt wurden und Frankreich eine zehnjährige Grabungserlaubnis für Delphi übertragen wurde. Das französische Parlament stellte hierfür Franc zur Verfügung auch heute noch eine ansehnlich hohe Summe für eine archäologische Grabung. In den kommenden Jahren wurde Delphi zu einer der größten Ausgrabungsstätten der damaligen Zeit: Zwischen April und August 1895 arbeiteten ca. 200 Griechen, Italiener und Ottomanen zehn Stunden täglich auf über 2 ha Grabungsfläche. 75 von neun bis zehn Pferden gezogene Wagen liefen auf 4 km Schienen, um bis zu 400 cbm Schutt pro Tag abzutransportieren. Es gab eine Schmiedewerkstatt, eine Schreinerei und einen eigenen Mechaniker. Und dennoch war man Anfang des 20. Jhs. an vielen Stellen nicht einmal über die römische Schicht hinaus gekommen. Erst 1990 wurde das Innere des Apollontempels aufgrund neuer Untersuchungen rekonstruiert. Bis heute dauern die Grabungen und Restaurierungsarbeiten an und fördern mit jeder Kampagne neue Erkenntnisse zutage. Es wird viel Verschiedenes über Delphi selbst erzählt und mehr noch über das Orakel des Apollon (Paus. 10,5,5), so beginnt Pausanias seine seitenlange Beschreibung Delphis, als er wenige Jahre nach Plutarch das Heiligtum besichtigt. Der Schriftsteller begann seinen Rundgang am Gymnasion, vorbei an der Kastaliaquelle, durch die Stadt Delphi bis zum heiligen Bezirk des Gottes, der groß an Ausdehnung, zuoberst in der Stadt lag (Abb. 4). Bevor er durch das eher unscheinbare Tor in den heiligen Bezirk trat, musste er einen kleinen Platz mit Marktständen und fliegenden Händlern passieren. Hier gab es alles Mögliche und Unmögliche, was ein Pilger brauchen konnte: Weihgeschenke für den Gott, Souvenirs für zu Hause und Alltagsgegenstände für den täglichen Gebrauch. Doch auch innerhalb der Heiligtumsmauern herrschte alles andere als andächtige Zurückhaltung. Links und rechts der heiligen Straße, die sich zwischen den einzelnen Terrassen den Hang hinauf schlängelte, drängten sich bunt bemalte und aufwendig dekorierte thesauroi (Schatzhäuser), deren Beschreibung sich Pausanias eingehend widmet. Jede griechische polis (Stadstaat), die etwas auf sich hielt und die es sich leisten konnte, errichtete eines dieser tempelartigen Häuschen in Delphi. Das älteste der mehr als 30 ausgegrabenen Gebäude ist vermutlich das Schatzhaus des Kypselos aus der zweiten Hälfte des 7. Jhs. v. Chr. direkt unterhalb der Tempelterrasse. Besonders reich und prunkvoll ausgestattet waren die Schatzhäuser der Sikyonier (570 v. Chr./Nr. 121) und der Siphnier (525 v. Chr./Nr. 122). Wie wichtig den Stiftern dabei allein der äußere Schein war, zeigt die Tatsache, dass die aufwendige Dekoration in der Regel allein auf die zur Straße gerichtete Fassade beschränkt war. Die Seitenwände und auch das Innere der Häuser 23
8 Abb. 4: Delphi. Übersicht Heiligtum. waren dagegen auffällig schlicht gehalten. Neben und vor den Häusern drängten sich zudem weitere besonders eindrucksvolle und wertvolle Weihgaben und Statuen, zu denen der Führer, der Pausanias begleitete, jeweils eine eigene Geschichte erzählen konnte. Nach einer ersten Biegung traf die heilige Straße auf die so genannte hálos (Heilige Tenne), einen runden Platz unterhalb des Tempels, wo in frühester Zeit vermutlich Rundtänze vorgeführt wurden, die sich seit klassischer Zeit im delphischen Fest der Septerien weiterführten. Hier versammelten sich auch die Festzüge zu den verschiedenen Kultplätzen im Heiligtum. Besonders wichtige Zuschauer nahmen zu diesen Veranstaltungen in der so genannten Halle der Athener (Nr. 313) Platz, die direkt an die Terrassenmauer des Tempels gebaut war. Seit hellenistischer Zeit 24
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