Deutschlands europapolitische Handlungsfähigkeit
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- Harry Junge
- vor 7 Jahren
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1 Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung Arbeitsunterlage 0093 Zur internen Verwendung Dr. Angelica Schwall-Düren, MdB Rainder Steenblock, MdB Rainer Funke, MdB Eckpunktepapier Deutschlands europapolitische Handlungsfähigkeit
2 Eckpunktepapier - Deutschlands europapolitische Handlungsfähigkeit vorgelegt von: Dr. Angelica Schwall-Düren MdB Rainder Steenblock MdB Rainer Funke MdB
3 Vorbemerkung Deutschlands europapolitische Handlungsfähigkeit, auf EU-Ebene und innerstaatlich, ist substanziell zu stärken. Dieses Ziel lässt sich nur durch eine nachhaltige Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in allen Phasen des europäischen Gesetzgebungs- und Entscheidungsprozesses erreichen. Die Rahmenbedingungen europäischer Politik haben sich verändert. In einer Gemeinschaft von 25 Mitgliedstaaten und Verhandlungsprozessen, die sich unter den Vorzeichen von Mehrheitsentscheidungen und Paketbildung vollziehen, kommt es für den Bund mehr denn je auf Kompromissfähigkeit, Flexibilität und Schnelligkeit bei der europäischen Politikgestaltung an. Nur so können im komplexen Gefüge der europäischen Politik die Interessen des Gesamtstaates (d.h. von Bund und Ländern) erfolgreich zur Geltung kommen. In der Perspektive einer modernisierten bundesstaatlichen Ordnung, bei der es zu einer Übertragung von Gesetzgebungszuständigkeiten in nennenswertem Umfang vom Bund auf die Länder kommen könnte, sind erhöhte Reibungsverluste und Konfliktpotenziale im Zusammenwirken von Bund und Ländern in Fragen der europäischen Politik unbedingt zu vermeiden. Im Kern der Reformbemühungen muss daher die nachhaltige Verbesserung der Abstimmung zwischen Bund und Ländern in den verschiedenen Phasen der europäischen Politikgestaltung stehen. Erklärtes Ziel einer grundlegend verbesserten Abstimmung zwischen Bund und Ländern muss es sein, möglichst Einvernehmen über ein konkrete Vorhaben im Rahmen der EU zu erzielen. Durch eine intensivere Abstimmung vom Vorfeld bis zur Endphase der Verhandlungen können die Voraussetzungen für die Sprechfähigkeit Deutschlands in jeder Phase der Politikgestaltung, v.a. bei sich rasch ändernden Verhandlungssituationen in der Endphase, geschaffen werden. Sprechfähigkeit setzt voraus, dass auch sehr kurzfristig auf neue Verhandlungslagen reagiert und die eigene Position ggf. angepasst werden kann. Sollte es trotz allem nicht gelingen, ein Einvernehmen zwischen Bund und Ländern zu erzielen, muss der Bund eine Entscheidung treffen können. Zur Verwirklichung des Ziels einer verbesserten europapolitischen Handlungsfähigkeit Deutschlands wird nachfolgend ein Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen, dessen einzelne Elemente in einem engen sachlichen Gesamtzusammenhang stehen. Erforderlich sind dabei sowohl eine Änderung von Art. 23 GG, Anpassungen und Ergänzungen des 2
4 Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union, der Bund-Länder Vereinbarung sowie begleitende politische Absprachen. I. Vorfeldphase Gegenseitige, regelmäßige, umfassende und frühzeitige Unterrichtung von Ländern / Bundesrat und Bundesregierung (in Brüssel erfolgt Unterrichtung durch Bundesregierung über die Ständige Vertretung, AStV I) zur Identifizierung relevanter EU-Vorhaben (Orientierung an der innerstaatlichen Zuständigkeit.). Bund und Länder erhalten die Möglichkeit, bereits in der Vorfeldphase der EU- Politikgestaltung, also noch bevor ein offizieller Vorschlag der EU-Kommission auf dem Tisch liegt, ihre Bewertung von EU-Vorhaben abzugleichen, um zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine Identifizierung deutscher Interessen zu ermöglichen. Abhängig von den innerstaatlichen Zuständigkeiten umfasst die Mitwirkung der Länder alle Phasen eines EU-Vorhabens, dazu gehören auch Aktionsprogramme, Mehrjahresprogramme, Grün- und Weißbücher sowie Maßnahmen im Rahmen der OMK (je nach Regelungsinhalt und innerstaatlicher Zuständigkeit / Klarstellung des Angelegenheiten- bzw. Vorhaben-Begriffs: Begriffe Angelegenheiten und Vorhaben (i.s.v. Art. 23 GG & EUZBLG) beschränken sich nicht allein auf rechtsverbindliche Handlungsinstrumente (Verordnungen, Richtlinien bzw. künftig Gesetze, Rahmengesetze). Bei potenziellen und tatsächlichen EU-Vorhaben, in denen die Länder über innerstaatliche Zuständigkeiten verfügen, sind Bund und Länder grundsätzlich gehalten, in allen Phasen der EU-Politikgestaltung nachdrücklich dafür eintreten, dass es zu einem gegenseitigen Einvernehmen kommt. Voraussetzung einer umfassenderen und intensiveren Abstimmung zwischen Bund und Länder muss die Verabschiedung eines Verhaltenskodex sein. Darin ist festzulegen, dass sich beide Seiten an das Ergebnis der Abstimmung halten und sich gegenüber der EU nicht in Widerspruch zu abgestimmten Positionen setzen. 3
5 II. Verhandlungs-/Beratungsphase Sicherstellung der Beschlussfähigkeit der Länder (bei Eilbedürftigkeit) durch Einberufung der Europakammer (Möglichkeit der schriftlichen Beschlussfassung ist vorzusehen). Mehrfachstellungnahme des Bundesrates (Aktualisierung der ursprünglichen Stellungnahme bei wesentlicher Änderung der Beschlussgrundlage) zu Vorhaben der EU. Der Bund weißt den Bundesrat auf eine Änderungen der Beschlussgrundlage hin und bittet ihn, ggf. eine überarbeitete bzw. neue Stellungnahme vorzulegen. III. Entscheidungsphase Verbesserung der Abstimmung zwischen Bund und Ländern / Bundesrat in der Entscheidungsphase von EU-Vorhaben durch die Benennung handlungsfähiger Ansprechpartner auf Länderseite (z.b. Vorsitzender der Fachministerkonferenzen, Vorsitzender der Europakammer). Diese haben im Bedarfsfall die Interessen und die Beschlusslage der Länder zu interpretieren und stehen für Verfahrensfragen zur Verfügung. Die Bundesregierung zieht die Vertreter zu den Verhandlungen im Rat in angemessener Form hinzu, soweit ihr dies möglich ist. Die Verhandlungsführung liegt bei der Bundesregierung; der Vertreter der Länder kann im Einvernehmen mit der Bundesregierung Erklärungen abgeben. Im Anschluss an die Entscheidung im Rahmen der EU bei der innerstaatliche Zuständigkeiten der Länder betroffen sind: Verankerung einer angemessenen Rechenschaftspflicht der Bundesregierung. IV. Umsetzungsphase / Haftungsfragen (Vorbehaltlich der Beratungsergebnisse im Rahmen der Projektgruppen 1 und 6.) Weitere Elemente: Einbeziehung von Länderbeamten in das Delegationsbüro im AA für die Europäischen Räte. Verstärkung der Länderbeamten in der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU. Einsatz vorzugsweise in denjenigen Gebieten, in denen die Länder aufgrund ihrer innerstaatlichen Zuständigkeiten über besondere Fachkompetenz verfügen. Die Beamten 4
6 unterliegen der Weisungs- und Organisationshoheit des Bundes (des Ständigen Vertreters). Grundsätzlich Beteiligung von Ländervertretern an informellen Treffen auf Ministerebene (abhängig von der Tagesordnung, der Beteiligung an den formellen Sitzungen der Ratsformationen sowie der innerstaatlichen Zuständigkeit der Länder). Einfachgesetzliche Änderungen Verankerung eines Einigungsgebots zwischen Bund und Ländern im Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG) bei Vorhaben, bei denen im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder betroffen sind: Beide Seiten wirken unter Beachtung des Grundsatzes der Bundestreue auf ein Einvernehmen hin. Lässt sich, trotz aller Bemühungen, bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über ein Vorhaben im Rahmen der EU (i.d.r. Verabschiedung eines Rechtsaktes) kein Einvernehmen zwischen Bund und Ländern herstellen, steht dem Bund die Möglichkeit offen, eine Entscheidung zu treffen. Die Nutzung dieser Option ist, gegenüber dem Bundesrat, an eine umfassende Rechenschaftspflicht gekoppelt. Zur Ausübung der Rechte und Wahrung der Interessen des Deutschen Bundestages in Fragen der europäischen Politik und mit Blick auf die Anwendung der Bestimmungen des Vertrages über eine Verfassung für Europa sind darüber hinaus Änderungen bzw. Klarstellungen im Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschen Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union sowie in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Bundestag und Bundesregierung zu verankern. Diese beziehen sich in erster Linie auf eine deutliche Verbesserung der Information und Unterrichtung des Bundestages durch die Bundesregierung sowie, zum Zeitpunkt der Ratifizierung, die Klarstellung der durch den Vertrag über eine Verfassung für Europa veränderten Terminologie. Änderungen des Grundgesetzes Neuformulierung Art. 23 GG: (1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäische Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch 5
7 Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen. Für die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbaren Regelungen, durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, gilt Artikel 79 Abs. 2 und 3. (2) In Angelegenheiten der Europäischen Union wirken der Bundestag und durch den Bundesrat die Länder an der innerstaatlichen Willensbildung mit. Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend, fortlaufend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten. Sie gibt ihnen Gelegenheit, zu Angelegenheiten der Europäischen Union Stellung zu nehmen, berücksichtigt ihre Stellungnahmen bei den Verhandlungen und legt Rechenschaft ab über deren Verlauf und Ergebnis. Das Nähere wird durch Gesetz geregelt. 6
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