DAS JAHRHUNDERT DER SALIER ( )

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1 STEFAN WEINFURTER DAS JAHRHUNDERT DER SALIER ( ) jan thorbecke verlag

2 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar by Jan Thorbecke Verlag der Schwabenverlag AG, Ostfildern Unveränderter Nachdruck der Erstausgabe aus dem Jahr 2004 Alle Rechte vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Werk unter Verwendung mechanischer, elektronischer und anderer Systeme in irgendeiner Weise zu verarbeiten und zu verbreiten. Insbesondere vorbehalten sind die Rechte der Vervielfältigung auch von Teilen des Werkes auf photomechanischem oder ähnlichem Wege, der tontechnischen Wiedergabe, des Vortrags, der Funk- und Fernsehsendung, der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, der Übersetzung und der literarischen oder anderweitigen Bearbeitung. Dieses Buch ist aus alterungsbeständigem Papier nach DIN-ISO 9706 hergestellt. Gestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart Gesamtherstellung: Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern Printed in Germany ISBN

3 INHALT Vorwort 9 Einleitung KAPITEL Herkunft, Haus und Adelsherrschaft der Salier KAPITEL Aufbruch und Dynamik der neuen Kaiserdynastie KAPITEL Reichsrechte und Königsautorität unter Konrad II KAPITEL Verfassung und Gesellschaft im Wandel KAPITEL Friedenskaiser und Herrscherkritik um die Jahrhundertmitte 89

4 6. KAPITEL»Staatsstreich«der Fürsten aus Sorge um das Reich KAPITEL Heinrich IV. König oder Tyrann? KAPITEL Heinrichs IV. Kampf mit dem Papst KAPITEL Der»ungeheuerliche Verrat«Heinrichs V KAPITEL Fürsten als die»häupter des Staatswesens«175 Schlußbemerkung 187 Stammtafel der Salier 190 Quellen und Literatur 193 Orts- und Personenregister 211

5 Vorwort Von 1024 bis 1125 herrschten die Salier im Reich. Dieses Jahrhundert darf als eine Zeit besonderer Umwälzungen gelten, ja als»schwellenzeit«unserer Geschichte. Stärker als zuvor zeigt sich eine gesellschaftliche Mobilität, im Zuge derer die neuen Gruppen der Bürger und Ministerialen aufzusteigen begannen. Die Stände definierten sich zunehmend von ihrer Funktion her. Das brachte für den Klerus, der das Seelenheil zu vermitteln hatte, einen mächtigen Autoritäts-Schub. Auch der Adel fing damit an, seine Herrschaft effizienter zu organisieren und sie in einer Burg zu verankern. Zu Beginn des 11. Jahrhunderts war der König die unbestrittene Autorität. Aber am Ende der Salierzeit zeigt sich ein Autoritäten-Pluralismus. Neben, ja über den Herrscher trat der Papst. Auch die Bischöfe hatten sich als Schutzautoritäten etabliert. Ihnen und nicht mehr dem König vertrauten die Adligen nun ihre Klöster an. Papst und Bischöfe schienen nun die bessere Garantie für die Sicherheit und den Bestand der Klöster zu bieten. In der Königsherrschaft, im Ordnungssystem des Reiches und auf den verschiedenen Ebenen des Denkens und Handelns wurden tiefgreifende Veränderungen eingeleitet und wirksam. Der Oxforder Mittelalter-Forscher Karl Leyser erblickte in diesen Vorgängen einen stärkeren Umbruch als in der Französischen Revolution. Die Dynamik und Spannung, von denen die salische Epoche geprägt ist, in einigen Grundlinien einzufangen, ist der Versuch dieses Buches. Es fußt in weiten Teilen auf meiner 1991 erschienenen Veröffentlichung»Herrschaft und Reich der Salier«. Der Text wurde dem Forschungsstand entsprechend überarbeitet. Heidelberg, Mai

6 Der thronende Kaiser Konrad II. mit dem Stammbaum seiner Dynastie. 10

7 Einleitung Ein Herrscher sitzt majestätisch auf seinem Thron. Die darüber angebrachte Schrift nennt seinen Namen: Kaiser Konrad (II.) ( ). Er hält in seiner linken Hand den Reichsapfel. In seiner rechten Hand befindet sich ein Medaillon, in welches das Brustbild eines weiteren Herrschers eingetragen ist: dasjenige Kaiser Heinrichs (III.) ( ). Darunter, mit Verbindungsstrichen gleichsam angehängt, folgt das Medaillon mit dem Bild Kaiser Heinrichs (IV.) ( ), mit dem wiederum die Darstellungen seiner Kinder verbunden sind: zu seiner Rechten die Tochter Agnes hier aus ungeklärten Gründen Adelheit genannt und darunter die Söhne, König Konrad (gest. 1101) und König Heinrich (V.) ( ). Die ganze Komposition ist eingerahmt von Mauerzügen und Zinnen, die einen Palast oder ein befestigtes Haus andeuten. Es ist ein bemerkenswertes Bild, das in einer um 1130 angefertigten Abschrift der Chronik des Ekkehard von Aura überliefert ist (Staatsbibliothek Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz). Die Vorlage für diese Federzeichnung, das nicht mehr erhaltene Original, dürfte 1106 oder 1107 entstanden sein. In eindrucksvoller Art führt es uns das Herrscherhaus vor Augen, das über ein Jahrhundert regiert hat: die Dynastie der Salier. Das Bild signalisiert eine besondere Geschlossenheit. Eine enge innere Verbindung kommt zum Ausdruck, mit der die dargestellte Dynastie zusammengehalten wird. Der Rahmen in Form eines Hauses unterstreicht diese Zusammengehörigkeit noch. Die feste Verankerung, den»halt«, verleiht der Dynastie aber vor allem der thronende Kaiser Konrad II., der Begründer des salischen Herrscherhauses. Seine Kraft, so scheint das Bild mitteilen zu wollen, strömt auch auf die nachfolgenden Generationen über und gibt der Herrscherdynastie dauerhafte Stabilität. Das Überraschende dabei ist, daß die politischen Ereignisse im Reich in diesen Jahren einen ganz anderen Eindruck vermitteln. Heinrich V., der letzte in der Folge der Medaillons, der junge Sohn Kaiser Heinrichs IV., hatte sich im Winter 1104/1105 einer Fürstenverschwörung angeschlossen. In der Folgezeit, in den Jahren 1105 und 1106, setzte er alles daran, um unter geradezu entwürdigender Demütigung des Vaters die Herrschaft an sich zu reißen. Wie sind diese Vorgänge mit der beschriebenen Darstellung zu vereinbaren? Das Bild, dies muß man beachten, gehört in das Umfeld der Partei des jungen Königs, der sich gegen seinen Vater erhoben hatte. Von Beginn der Kämpfe an, so lehrt uns das Bildprogramm des»salierhauses«fein zu unterscheiden, hat sich der Sohn nicht so sehr von persönlicher Machtgier leiten lassen, sondern sich in der höheren Einheit der Dynastie mit dem Vater verbunden gesehen. Doch Heinrich V. mußte befürchten, daß für ihn die Weiterführung des 11

8 dynastischen Auftrags bedroht war. Die Fürsten wollten dem exkommunizierten Vater nicht mehr folgen, und damit schien auch die Nachfolge des Sohnes gefährdet. Im Interesse der Dynastie sah sich der Sohn zur Entmachtung des Vaters gezwungen eine Konzeption, die noch ausführlicher zu erörtern sein wird. Die Kraft und auch die Verpflichtung der dynastischen Idee hatten sich gleichsam über das Recht des Einzelherrschers gesetzt. Dieses Programm der transpersonal-dynastischen Verankerung der Königsherrschaft war, jedenfalls in dieser Ausprägung, vor den Saliern im ostfränkisch-deutschen Reich noch unbekannt. Es signalisiert uns eine neue Stufe von Herrschaftslegitimation und Königsidee. Von hier aus, so kann man hinzufügen, zieht sich eine direkte Linie zur staufischen Herrscheridee, nach der sich das Stauferhaus schließlich als letztes Glied eines von Anfang an bestehenden, allein zur Herrschaft legitimierten Kaisergeschlechts verstanden hat. Doch die neuen Kräfte des Jahrhunderts sind mit dieser Herrscherautorität zunehmend in Konflikt getreten, an ihrer Spitze das Papsttum. Dies führte zu einem»bürgerkrieg«größten Ausmaßes, wie es bei Bernold von Reichenau, einem Chronisten dieser Zeit, heißt (civile bellum). Ein halbes Jahrhundert lang, von etwa 1070 bis 1122, wurde das Reich von Kämpfen und Auseinandersetzungen erschüttert. Der deutsche Herrscher, dem seit Otto dem Großen das Kaisertum zustand, mußte am Ende erkennen, daß ihm die Schutzherrschaft über Kirche und Papst streitig gemacht wurde. Das Oberhaupt der Kirche vertrat die neue Weltordnung, in welcher ihm der Herrscher zu Gehorsam verpflichtet war.»kaiser oder Papst?«, diese Frage wurde am Ende gegen den Salier entschieden. 12