II. Gegenstand der Kirchengeschichte
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- Elisabeth Bader
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2 22 II. Gegenstand der Kirchengeschichte Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Nach dem Zweiten Weltkrieg Ökumenische Kirchengeschichte Zeitschriften (5 Bde. Tübingen ), Albert Haucks Kirchengeschichte Deutschlands im Mittelalter (5 Bde. Berlin Leipzig ) sowie das unvollendete Lehrbuch der Kirchengeschichte von Ernst Wilhelm Möller (2 von 3 Bdn ). Im 20. Jahrhundert konzentrierte sich das evangelische kirchengeschichtliche Interesse noch mehr auf die Reformation, dazu wurden von Hans Lietzmann mit der Geschichte der alten Kirche (4 Bde. Berlin Leipzig ) auch die Anfänge in den Blick genommen, die auf katholischer Seite Louis Marie Oliver Duchesne mit der Histoire ancienne de l Eglise (3 Bde. Paris ) beleuchtete. Wie auf katholischer Seite das weiterbearbeitete Werk von Funk wurde für evangelische Theologen Karl Heussis Kompendium der Kirchengeschichte (Tübingen 1908) zum Standardwerk des kirchengeschichtlichen Studiums. Die aufkommende Dialektische Theologie Karl Barths sah in der Kirchengeschichte allerdings nur eine Hilfswissenschaft, was sich in der Theologie jedoch nicht durchsetzte. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg boten noch Albert Joseph Maria Ehrhard und Wilhelm Neuß mit Die katholische Kirche im Wandel der Zeiten und Völker (4 Bde. Bonn 1959) eine Gesamtdarstellung. Auch der katholische Theologe Franz Xaver Seppelt (Geschichte des Papsttums, 6 Bde., Leipzig München ) und der evangelische Pfarrersohn und Profanhistoriker Johannes Haller (Das Papsttum. Idee und Wirklichkeit, 3 in 5 Bdn., Stuttgart , unvollendet) griffen klassische Themen auf. Umfassende Gesamtdarstellungen wie Hubert Jedins Handbuch der Kirchengeschichte (7 Bde. Freiburg ) und zuletzt die mehrsprachige, von Frankreich ausgehende und in internationaler Zusammenarbeit entstandene Geschichte des Christentums (14 Bde., deutsch Freiburg ) wurden jedoch seltener. Von einer Hand scheinen Gesamtdarstellungen nicht mehr möglich, erst recht, wenn sie den Blick über Europa hinaus wenden. Die Kirchengeschichte wurde einerseits mehr durch internationalen und interkonfessionellen Austausch geprägt, andererseits wandte sie sich noch mehr als früher speziellen und regionalen Themen zu. Die Fülle der seit dem 20. Jahrhundert berücksichtigten Aspekte spiegelt sich z.b. in der primär thematisch statt chronologisch angelegten Einführung in die Geschichte des Christentums, hrsg. von den katholischen Theologen Franz Xaver Bischof, Thomas Bremer, Giancarlo Collet und Alfons Fürst (Darmstadt 2012). Profanhistorische Fragestellungen wirkten auch in der Kirchengeschichte, in die etwa Sozial- und Kulturgeschichte Einzug hielten. Eine Besonderheit in der Reihe der Teil- und Gesamtdarstellungen dieser Art stellt die Ökumenische Kirchengeschichte dar. Dieses Werk betrachtet Ereignisse und Strukturen wie die klassischen Darstellungen. Neu ist aber, dass Streitfragen aus der Sichtweise beider Konfessionen in einem Werk dargestellt und nicht geglättet oder ausgeklammert werden. Die Ökumenische Kirchengeschichte wurde erstmals 1970 bis 1974 von Bernd Moeller und Raymund Kottje in Mainz, eine überarbeitete Neuauflage in Darmstadt 2006 bis 2008 von Bernd Moeller/Raymund Kottje/Thomas Kaufmann/Hubert Wolf in drei Bänden herausgegeben. Neben mehrbändigen Werken und Monographien etablierten sich kirchengeschichtliche Fachzeitschriften, in denen kleinere Untersuchungen auch zu speziellen Themen erscheinen. Die bedeutendsten noch existieren-
3 den sind auf evangelischer Seite die 1876 gegründete Zeitschrift für Kirchengeschichte (Stuttgart), auf katholischer Seite das Historische Jahrbuch (der Görres-Gesellschaft, seit 1880), die Römische Quartalsschrift für christliche Archäologie und Kirchengeschichte (seit 1887), die Revue d histoire eccløsiastique in Löwen (seit 1900, bedeutend vor allem wegen ihrer Bibliographie). Bald nach diesen Periodika entstanden die Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte (Fribourg, seit 1907, seit 2004 Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte ) und die Revue d histoire de l Eglise de France (Paris, seit 1910). Wie die genannten Zeitschriften bieten auch die folgenden Periodika zur regionalen Kirchengeschichte nur eine kleine Auswahl: Freiburger Diözesanarchiv (seit 1865), Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte (seit 1850), Zeitschrift für Bayerische Kirchengeschichte (seit 1926), Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte (seit 1896) wurde das Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte gegründet, das sich mit der Geschichte der Bistümer Fulda, Limburg, Trier, Mainz und Speyer befasst. Die gleichnamige Gesellschaft gibt in der Reihe Quellen und Abhandlungen zur Mittelrheinischen Kirchengeschichte auch Einzeluntersuchungen heraus. Die Spannung, der die Kirchengeschichte als theologische Disziplin und als historisch-kritische Wissenschaft ausgesetzt ist, ist bis heute nicht gelöst. 3. Geschichte der Kirchengeschichtsschreibung 23
4 III. Periodisierung 1. Prinzipien der Gliederung Periode und Epoche Das Fach Kirchengeschichte gliedert sich chronologisch in vier Bereiche, die gewöhnlich nach den großen historischen Epochen oder Perioden bezeichnet werden: (1) Kirchengeschichte der christlichen Antike oder der Alten Kirche; (2) Kirchengeschichte des europäischen Mittelalters; (3) Kirchengeschichte der Reformation und der frühen Neuzeit; (4) Kirchengeschichte der Neuesten Zeit und kirchliche Zeitgeschichte. Die Teilbereiche des Fachs umfassen unterschiedlich lange Zeiträume. Jene haben in den letzten Jahrzehnten unterschiedliche Forschungsschwerpunkte hervorgebracht. Zwischen Periode und Epoche wird unterschieden: Unter Periode versteht man den Verlauf einer Zeitspanne, die einen Anfang und ein Ende besitzt; unter Epoche ist ein Haltepunkt in der Zeit zu verstehen, beispielsweise ein Zeitabschnitt innerhalb eines Jahres. Periode verhält sich also zu Epoche wie Zeitraum zu Zeitpunkt, bestenfalls Zeitabschnitt. Epochen eröffnen, strukturieren und beenden in der Regel eine Periode (20, 77). Periodisierungen der Geschichte sind möglichst allgemein gehalten. Die chronologische Einteilung der Geschichte in die großen Zeiträume Altertum, Mittelalter und Neuzeit geht auf die Humanisten des 15. und 16. Jahrhunderts zurück. Im späten 17. Jahrhundert wurde diese chronologische Unterteilung von den Lehrbüchern der Weltgeschichte übernommen; in der Kirchengeschichte wurde sie erst seit dem frühen 19. Jahrhundert üblich. Doch wurden seitens der kirchengeschichtlichen Forschung verschiedene Periodisierungsvorschläge unter problemorientierten Gesichtspunkten gemacht. Bei jedem Versuch der Periodisierung ergibt sich allerdings das Problem der exakten Abgrenzung der jeweiligen Perioden. Dabei ist bei diesem Schema zu fragen: Wann beginnt das Mittelalter, wann die Neuzeit? Auch bei Unterscheidungen in mehrteiligen Konzepten ergeben sich ähnliche Fragen: Wann hört die Spätantike auf, und wann beginnt das Frühmittelalter? Heute bestehen kaum mehr Unterschiede zwischen der allgemeinen Geschichtswissenschaft und der Kirchengeschichte bei Antworten auf diese schwierigen Fragen. In ihrem Buch Übersichten zur Kirchengeschichte schlagen die evangelischen Kirchenhistoriker Manfred Sitzmann und Christian Weber die folgende Periodisierung vor (250, [9]):
5 2. Vorschläge zur Grenzziehung 25 Anfangsjahr (etwa) Abschnitt Großabschnitt 50 Alte Kirche vor Konstantin 300 Alte Kirche seit Konstantin Alte Kirche 450 Frühmittelalter 900 Hochmittelalter Mittelalter 1300 Spätmittelalter 1500 Reformation 1550 Konfessionelles Zeitalter 1650 Pietismus und Aufklärung Jahrhundert Reformationszeit Neuzeit Jahrhundert Neueste Zeit 2. Vorschläge zur Grenzziehung Die Grenzen der drei Zeiträume sind fließend. So stellt sich die Frage, wie der Zeitraum von 1500 bis 2013, den wir heute als Frühe Neuzeit, Neuzeit, Neueste Zeit bzw. Zeitgeschichte beschreiben, in späterer Zeit bezeichnet wird. Obgleich vielfach diskutiert, wird die Gliederung in Altertum, Mittelalter, Neuzeit und Neueste Zeit bzw. Zeitgeschichte auch in der Kirchengeschichtsschreibung zugrunde gelegt. Periodisierungen der Geschichte sollten möglichst allgemein gehalten sein. Grenze zwischen Antike und Mittelalter Zeit, Ereignis Begründung der Wahl 313 Toleranzedikt zu Mailand Ende der Christenverfolgungen im Römischen Reich; Wandel der Gemeinde 380 Christentum Staatsreligion Grundlegend neue Rolle des Christentums im größten Reich der Antike 476 Abdankung des Romulus Augustulus Ende der weströmischen Reichshälfte, Kirche unter dem Einfluss germanischer Fürsten 496 Taufe Chlodwigs durch Remigius Beginn der Durchsetzung des Katholizismus bei den germanischen Völkern 529 Gründung des Klosters Monte Cassino und Schließung der Akademie in Athen (die von Platon, d.h. in vorchristlicher Zeit, gegründet worden war) Ursprung des Kloster- und Ordenswesens in mittelalterlicher Ausprägung und symbolische Beendigung der heidnischen antiken Schultradition
6 26 III. Periodisierung Grenze zwischen Antike und Mittelalter Zeit, Ereignis 590 Gregor d. Gr. wird Bischof von Rom 622 Hedschra Mohammeds; Beginn der islamischen Zeitrechnung 641 Eroberung ¾gyptens durch islamische Truppen 800 Erneuerung der weströmischen Kaiserwürde durch Karl d. Gr. Begründung der Wahl Entscheidende Schritte zur Vormachtstellung des Papsttums in der westlichen Kirche Entstehung des Islam als bedeutendste konkurrierende Missionsreligion zum Christentum Ende der christlichen Einheit des Mittelmeerraums Manifestation des fränkischen Königtums als Schutzmacht der Päpste Grenze zwischen Mittelalter und Neuzeit Zeit, Ereignis 1453 Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen Begründung der Wahl Verlust des Zentrums der Ostkirche, Auswanderung griechischer Gelehrter nach Westen, Horizonterweiterung der westlichen Theologie 1492 Entdeckung Amerikas Beginn einer weltweiten Missionsoffensive der christlichen Kirchen 1517 Veröffentlichung der Thesen Luthers Ende der Einheit der westlichen Kirche
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