Fachtagung Recht und Qualität im Heim Fachhochschule Puch. Medikamentöse Freiheitsbeschränkungen Leitfaden und Rechtsentwicklung
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- Bernhard Ludo Weiß
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1 Fachtagung Recht und Qualität im Heim Fachhochschule Puch Medikamentöse Freiheitsbeschränkungen Leitfaden und Rechtsentwicklung Freiheitsbeschränkung durch Medikation Quelle: Der Standard vom 6./7. April 2013; 11 1
2 Was ist eine medikamentöse Freiheitsbeschränkung? 3 Abs 1 HeimAufG In den Gesetzesmaterialien wird zur Freiheitsbeschränkung durch medikamentöse Mittel ausgeführt, von einer solchen könne nur dann gesprochen werden, wenn die Behandlung unmittelbar die Unterbindung des Bewegungsdrangs bezweckt, nicht jedoch bei unvermeidlichen bewegungsdämpfenden Nebenwirkungen, die sich bei Verfolgung anderer therapeutischer Ziele mitunter ergeben können. In Betracht kommt hier insbesondere: Die Verabreichung beruhigender und dämpfender Medikamente (Tranquilizer, Sedativa) für die rein symptomatische Behandlung von Unruhezuständen oder Verhaltensstörungen (etwa um zu verhindern, dass andere Personen gefährdet werden) 2
3 Rechtsentwicklung Literatur Strickmann, Heimaufenthaltsrecht2 (2012) 109 ff. BMJ (Hrsg), Erläuterungen zur medikamentösen Freiheitsbeschränkung. Manual (Stand 2011). Barth, Freiheitsbeschränkung durch Medikamente, Zum Tatbestand der Freiheitsbeschränkung durch medikamentöse Maßnahmen nach HeimAufG, ifamz 2011, 80. Ganner, Medikamentöse Freiheitsbeschränkungen nach dem HeimAufG Besonderheiten und Zulässigkeitsvoraussetzungen, in Barth (Hrsg), Die Unterbringungs- und Heimaufenthaltsnovelle 2010, ifamz- Spezial 2010, 46. Janoch, Freiheitsbeschränkung durch Medikation: Wann liegt eine medizinische Indikation vor und welche Medikamente eignen sich zur Durchführung von Freiheitsbeschränkungen?, Barth (Hrsg), Die Unterbringungs- und Heimaufenthaltsnovelle 2010, ifamz- Spezial 2010, Richtungsweisende Entscheidungen zu Freiheitsbeschränkungen durch Medikamente 1/2 OGH vom , 2 Ob 77/88z: Um abklären zu können ob eine Freiheitsbeschränkung im Sinne des HeimAufG vorliegt, sind folgende entscheidungswesentliche Fragen zu klären: welchen therapeutischen Zweck die Anwendung jedes einzelnen der zu überprüfenden Medikamente (zu Dominal forte liegt im Übrigen überhaupt keine Feststellung vor) verfolgt, ob die Medikamente- insbesondere in der dem Bewohner verabreichten Dosierung und Kombination ( bunter Mix") - dieser Zweckbestimmung entsprechend eingesetzt wurden bzw werden und welche konkrete Wirkung für den Bewohner mit dem Einsatz der Medikamente verbunden war und ist. Zu Recht verweist die Bewohnervertreterin in ihrem Rechtsmittel auf die auch hier einschlägige Rechtsprechung zum Unterbringungsgesetz, wonach selbst die therapeutisch indizierte medikamentöse Behandlung als Freiheitsbeschränkung zu beurteilen ist, wenn sie primär der Unterbindung von Unruhezuständen und der Beruhigung, also zur Ruhigstellung" des Krankendient(hier: des Bewohners) dient (7 Ob 2423/96s = SZ 70/16 mwn; 1 Ob 251/00v = SZ 74/32; vgl Barth/Engel aao 3 HeimAufG Anm 7). 3
4 Richtungsweisende Entscheidungen zu Freiheitsbeschränkungen durch Medikamente 2/2 OGH 7 Ob 62/12m Therapiezweck Sachverhalt: Der Bewohner leidet an einer schweren senilen Demenz und einem multifaktoriellen Delir. Er erhielt neben anderen Maßnahmen zur Unterbindung seines Bewegungsüberschusses - Temesta, Dominal, Haldol und Psychopax. Aus der Entscheidung: Auch bei Dämpfung des Bewegungsdranges auf ein Normalmaß ist der Therapiezweck auf die Einschränkung des Bewegungsdranges gerichtet und stellt eine Freiheitsbeschränkung isd 3 Abs 1 HeimAufG dar. Ergebnis: FB -> formell und materiell unzulässig. Voraussetzungen der Heilbehandlung Die Verabreichung von Medikamenten ist immer eine medizinische Behandlung isd 110 StGB Zustimmung zur Heilbehandlung erforderlich Voraussetzung für Zulässigkeit Informed consent (= informierte Einwilligung/Zustimmung) der betroffenen, einsichts- und urteilsfähigen Person zur HB oder falls der Betroffene nicht einsichts- und urteilsfähig ist informed consent durch seinen Vertreter (Sachwalter + Wirkungskreis, Vorsorgebevollmächtigen, Angehörigen isd 284 b ff ABGB) Liegt Zustimmung zur Heilbehandlung nicht vor eigenmächtige Heilbehandlung, uu Strafbarkeit nach 110 StGB Ausnahme: Gefahr im Verzug uu Zwangsbehandlung 4
5 Auszüge aus der S3-Leitlinie "Demenzen [ ] Medikamente mit sedierender Wirkung sind möglichst zu vermeiden, da die Sedierung die kognitive Leistung negativ beeinflussen und die Sturzgefahr der Erkrankten erhöhen kann. 8.5 Schlafstörungen [ ] Störungen des Nachtschlafes und des Tag-Nacht-Rhythmus sind häufig bei Patienten mit Demenz und führen insbesondere bei Pflegenden im häuslichen Umfeld zu einer erheblichen Belastung. Aufgrund von Sedierung, Sturzgefahr und Verschlechterung der Kognition sollten Hypnotika nur in Situationen angewendet werden, die durch Verhaltensempfehlungen und Interventionen nicht ausreichend verbessert werden können und die zu einer erheblichen Belastung des Betroffenen und der Pflegenden führen. Störungen von Arbeitsabläufen und Organisationsstrukturen in Heimen durch gestörten Schlaf von Betroffenen stellen keine Indikation für den Einsatz von Hypnotika dar. Es liegen keine RCTs zum Einsatz von Hypnotika bei Demenzkranken vor. Für eine medikamentöse Therapie von Schlafstörungen bei Demenz kann keine evidenzbasierte Empfehlung ausgesprochen werden. EmpfehlungsgradB, Evidenzebene IV [1] Quelle: S3-Leitlinie "Demenzen" Herausgebende Fachgesellschaften, Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), 61 und 73 ff 5
6 Mögliche Nebenwirkungen bei Diazepam (Gewacalm (A), Paceum (CH), Psychopax (A, CH) sind: Müdigkeit, starke Tagessedierung, Benommenheit, Schläfrigkeit, Mattigkeit, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, Ataxie, verlängerte Reaktionszeit, Verwirrtheit, anterograde Amnesie. Überhangeffekte (Konzentrationsstörungen, Restmüdigkeit), Beeinträchtigung der Reaktionsfähigkeit. Bei hohen Dosen und besonders bei Langzeitbehandlung mit Diazepam: Artikulationsstörungen, Bewegungsunsicherheit und Gangunsicherheit, Doppelbilder, Nystagmus, Erregungszustände, Angst (Wirkungsumkehr), vermehrte Muskelkrämpfe, Einschlafstörungen und Durchschlafstörungen, Wutanfälle, Halluzinationen, Suizidalität. Derealisations- und Depersonalisationserleben sowie Gefühlskälte und Kritikschwäche sind typisch für eine Langzeitanwendung mit Diazepam. Bei Überdosierung können Schwindelgefühle und kurzzeitige Amnesie auftreten sowie starke Koordinationsstörungen und Lispeln. Dazu kann Diazepam in hoher Überdosierung eine Atemdepression bis hin zum Atemstillstand hervorrufen. Dabei kommt es unter anderem zum Blutdruckabfall bis hin zum Herzkreislaufstillstand. Bei Überdosierung sollte der Notarzt verständigt werden. Wichtig ist auch der Hinweis zur Halbwertszeit von Diazepam: Die Halbwertszeit beträgt zwischen 48 und 60 Stunden, d. h., nach dieser Zeit wirkt noch die Hälfte der ursprünglichen Dosis im Körper. Bei wiederholter Einnahme an mehreren darauffolgenden Tagen kommt es zu einer Anreicherung der Substanz im Körper. Quelle: 6
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8 Wenn jemand unruhig wird weil es ihm nicht gutgeht, und wer sagt, der ist unruhig, und ich komme her als Arzt und hau ihm ein Beruhigungsmittel hinein, dann ist das Gewalt, weil ich mich keine Bohne dafür interessiere, warum ist er unruhig, warum ist er unglücklich. Anstatt ich also die Ursache seiner Unruhe beseitige, beseitige ich das Symptom, und das ist gewalttätige Medizin gegenüber Alten, die leider häufigst angewendet wird. Quelle: Auszug aus Die kleine Freiheit im Heim im Journal Panorama vom , Dr. Werner Vogt Bayern 1998: Das Leiterehepaar eines Altenheimes und drei Mitarbeiterinnen werden wegen fahrlässiger Körperverletzung zu Geldstrafen verurteilt. Sie hatten nach Erkenntnissen des Gerichts einen 85jährigen Mann durch zu hohe Gaben von Sedativa ruhiggestellt und ihn nicht regelmäßig umgebettet, so dass ein Druckgeschwür entstand Quelle: Gewalt gegen ältere Menschen im stationären Bereich, Thomas Görgen, Institut für Kriminologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen, 2 ff 8
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