SchiedsamtsZeitung 64. Jahrgang 1993, Heft 08 Online-Archiv Seite 116a-120 Organ des BDS
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- Paul Breiner
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1 Schuldrechtliche Deliktshaftung nach dem bürgerlichen Gesetzbuch von Dr. L.H. Serwe, Präs. d. LG a.d. I Äußere Seite 2. Verstoß gegen ein Schutzgesetz 3. Ursachenzusammenhang zwischen 1 und 2 4. Widerrechtlichkeit II Innere Seite Vorsatz oder Fahrlässigkeit Der Schwerpunkt der Betrachtung dieser Norm liegt auf der Frage, was ist ein Schutzgesetz. Dabei wird das Wort Gesetz in diesem Zusammenhang als im materiellrechtlichen Sinne verwandt. Das heißt, dass auch Rechtsverordnungen als Schutzgesetze im Sinne von Abs. 2 BGB behandelt werden müssen. Selbst das Gewohnheitsrecht oder das Richterrecht kann Schutzgesetze liefern. Keinen Schutzgesetzcharakter dagegen haben Bräuche. Der Inhalt eines solchen Schutzgesetzes muss darauf hinauslaufen, im privatrechtlichen oder öffentlichrechtlichen Bereich ein bestimmtes menschliches Verhalten als Norm zu regeln. Der Zweck des Gesetzes muss darüber hinaus der Schutz einer bestimmten Person oder eines bestimmten Personenkreises sein. Es reicht nicht aus, wenn das Gesetz lediglich zum Schutz der Allgemeinheit erlassen worden ist. Allerdings genügt es, wenn neben dem Zweck die Allgemeinheit zu schützen auch der Zweck erkennbar ist, den einzelnen Bürger als Schutzobjekt gegen Eingriffe anderer zu sichern. Häufig haben gesetzliche Regelungen ihrem Inhalt nach einen mehrfachen Zweck. Das gilt zum Beispiel für die Arbeitszeitordnung. Sie will so wohl die übrigen Verkehrsteilnehmer als die Kraftfahrer aber auch, ganz allgemein gesprochen, die Allgemeinheit schützen. Das Milchgesetz schützt zum Beispiel die Verbraucher und die Strafgesetze schützen fast immer auch den einzelnen Bürger. Insbesondere gilt dies für die Delikte, die das Schiedsamt interessieren , 186, 187, 223, 223a, 303, 241, 202 und 123 StGB sind daher Schutzgesetze im Sinne von Abs 2. BGB. Nun reicht allerdings die Feststellung, dass ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz vorliegt, noch nicht ganz aus, um zu einer Haftung aus Abs. 2 BGB zu kommen. Hier müssen noch 3 weitere Voraussetzungen beachtet werden. 1. Durch das festgestellte Schutzgesetz muss gerade der Schutz der hier verletzten Person bezweckt sein. Das ist keineswegs immer der Fall. 2. Man muss ferner darauf achten, dass der Schaden auch an dem Rechtsgut entstanden ist, das durch das Schutzgesetz besonders gesichert werden sollte. 3. Die gerade hier typische Handlung, die den Schaden ausgelöst hat, muss vom Nachdruck und Vervielfältigung Seite 1/5
2 Inhalt des Schutzgesetzes erfasst sein. Wird zum Beispiel ein Kind nachts auf einer Kegelbahn als Kegeljunge verletzt, dann kommt eine Haftung nach 823 Abs. 2 BGB nicht in Frage, obwohl der Aufenthalt von Kindern zur Nachtzeit in Gaststätten und die Beschäftigung in Nachtarbeit im Jugendschutzgesetz verboten ist, weil nämlich diese Jugendgesetze nicht den Zweck haben vor Arbeitsunfällen zu schützen. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich hier schon aus dem Verstoß gegen das Schutzgesetz. Eine nähere Untersuchung ist daher entbehrlich. Der inneren Seite muss man besondere Aufmerksamkeit zuwenden. 823 Abs. 2 BGB schreibt vor, dass sowohl mit Vorsatz als auch mit Fahrlässigkeit gegen ein Schutzgesetz verstoßen werden kann, damit eine Haftung ausgelöst wird. Nun gibt es allerdings Fälle, in denen im Schutzgesetz selbst eine schwerere Schuldform erforderlich ist. Dazu muss man in diesem Zusammenhang nur an 303 StGB denken. Diese Bestimmung ist Schutzgesetz im Sinne von 823 Abs. 2 BGB. Die strafrechtliche Sachbeschädigung ist jedoch nur als Vorsatztat denkbar. Hier gilt der Grundsatz, dass immer dann, wenn das Schutzgesetz eine schwerere Form von Verschulden erfordert, diese auch der Haftung für 823 Abs. 2 BGB zu Grunde zu legen ist. Ein Schadensersatzanspruch wegen einer Sachbeschädigung als Verstoß gegen ein Schutzgesetz nach 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit 303 StGB kommt daher nur in Frage, wenn der Täter vorsätzlich gegen 823 Abs. 2 BGB verstoßen hat. In einzelnen Fällen ist es möglich auch schuldlos gegen Schutzgesetze zu verstoßen. Das ist in einer Reihe von zivilrechtlichen Schutzgesetzen der Fall. So schützt zum Beispiel 861 BGB den Besitzer vor widerrechtlichen Eingriffen Dritter. Dieser Schutz ist auch dann gewährleistet, wenn der Dritte schuldlos handelt. Ein solcher schuldloser Verstoß gegen 861 BGB als Schutzgesetz müsste im Rahmen des 823 Abs. 2 BGB auch eine Haftung für schuldloses Verhalten auslösen. Das ist aber nicht der Fall. Um einen Schadensersatzanspruch nach 823 Abs. 2 BGB zu erwerben, ist wenigstens ein fahrlässiger Verstoß gegen das Schutzgesetz erforderlich. Sittenwidrige Vermögensschädigung gern. 826 BGB dass ein sittenwidriger Verstoß, der zu einem Schaden geführt hat, schadensersatzpflichtig machen sollte, leuchtet jedem ohne weiteres ein. Gleichwohl ist die Anwendung dieser Bestimmung schwierig. I Äußere Seite 2. Sittenverstoß 3. Ursachenzusammenhang von 1 und 2 4. Rechtswidrigkeit Nachdruck und Vervielfältigung Seite 2/5
3 II Innere Seite Vorsatz Das Problem bei 826 BGB liegt in der Frage, welches Verhalten darf man als Sittenverstoß ansehen. Es macht schon erhebliche Schwierigkeiten, die Grundsätze zu bestimmen, die in diesem Zusammenhang inhaltlich gelten sollen. Alle Versuche, eine für allemal gültige Formel für diese Grundsätze zu finden, darf man wohl als gescheitert ansehen. Sie haben kaum weiter geführt als die schon in den Motiven des Gesetzgebers verankerte Formulierung, dass darunter das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zu verstehen sei. Am ehesten gelingt es noch mit Fallgruppen, die im Wesentlichen von der Rechtsprechung entwickelt worden sind, eine Eingrenzung vorzunehmen. Ein Indiz für einen Sittenverstoß ist im Allgemeinen der Verstoß gegen eine strafgesetzliche Regelung. Täuschungen, falsche Auskünfte und Ratschläge können, wenn sie zu Schaden führen, ebenso als Sittenverstoß gelten wie die Verleitung zu einem Vertragsbruch, um eines vermögensrechtlichen Vorteils willen. Auch die Ausnutzung formaler Rechtsstellungen, etwa eines erschlichenen Urteils, dürften, weil sie gegen das Schikaneverbot verstoßen, als Rechtsmissbrauch sittenwidrig sein. Ferner muss man die Ausnutzung wirtschaftlicher Monopole zu Knebelungsverträgen, die dem Vertragspartner mehr als nötig an Freiheit nehmen, ebenso hierher rechnen wie die Ausnutzung eines für gewisse Versorgungsunternehmen bestehenden Abschlußzwangs. Auch Persönlichkeitsverletzungen können sittenwidrig vorgenommen werden. Dazu gehört beispielsweise die Erstattung eines falschen Gutachtens über den Geisteszustand. Unternehmenseingriffe werden nach der Rechtsprechung klassisch über 826 schadensersatzmäßig abgesichert. Das gilt für den Eingriff in den ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb, für Wettbewerbsverstöße, Boykott und widerrechtliche Streiks, die nicht dem Arbeitskampf dienen. Allerdings öffnet sich die Rechtsprechung darüber hinaus heute zu diesem Problem auch schon nach 823 Abs. 1 BGB. Insgesamt gesehen wird diese Gruppe der sittenwidrigen Vermögensschädigung für den Schiedsmann nur von geringer Bedeutung sein. 824 Kredit- und Erwerbsgefährdung Die vorsätzliche Kreditgefährdung fällt schon, weil darin regelmäßig ein Verstoß gegen 185, 186 StGB liegt, unter die Schadensersatzpflicht nach 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung eines Schuldgesetzes. Der Hauptschutzbereich von 824 BGB ist daher die fahr-lässige Kreditgefährdung, weil die Schuldgesetze der 185 ff StGB nur vorsätzlich verletzt werden können. Erforderlich ist es, dass hier unwahre Tatsachen behauptet werden. Werturteile oder wahre Tatsachen reichen für einen Schadensersatzanspruch nach 824 BGB nicht aus. Der Verletzte, der Gläubiger des Schadensersatzanspruches muss die Unwahrheit der Tatschen und das Verschulden des Täters in vollem Umfang Nachdruck und Vervielfältigung Seite 3/5
4 beweisen. Auch im Rahmen des 824 BGB kann wie in 193 StGB der Täter sich auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen. Selbstverständlich muss er beweisen, dass solche Interessen vorgelegen haben. In unserer Gesellschaft ist die Kreditgefährdung weniger von Bedeutung als die Erwerbsgefährdung, die ja in gleicherweise in 824 BGB geschützt ist. 836 BGB Schadensersatz für Gebäudeeinsturz Die Bestimmung ist von größerer Bedeutung als man auf den ersten Blick vermuten kann. Es ist nicht so selten, dass Schaden durch die fehlerhafte Errichtung oder mangelhafte Unterhaltung eines Bauwerks entsteht. Äußere Seite 2. als Folge einer a) Körperverletzung b) Gesundheitsverletzung c) Tötung d) Sachbeschädigung 3. durch a) Einsturz b) Herabfallen von Teilen von Bauwerken 4. auf Grund a) fehlerhafter Errichtung b) mangelhafter Unterhaltung 5. Widerrechtlichkeit Innere Seite Vorsatz oder Fahrlässigkeit Nach 836 BGB haftet der Besitzer des Grundstücks. Die Haftung umfasst nicht nur Gebäude, sie erstreckt sich auch auf andere Bauwerke. Voraussetzung ist allerdings, dass diese Bauwerke mit dem Grundstück verbunden sind. Hier wird im allgemeinen eine dauerhafte feste Verbindung verlangt. Das Einstellen eines Gerüstes beispielsweise in Fässern auf der Straßenseite eines Hauses, weil die Front des Hauses renoviert werden soll, ist keine Verbindung, die im Bereich des 836 BGB ausreichen würde. Die Haftung wird auch nicht ganz allgemein angeordnet. Nur bei Körper- oder Gesundheitsverletzung oder Sachbeschädigung und Tötung eines Menschen entsteht eine Ersatzpflicht. Der Schaden, der als Folge dieser Verletzung der aufgezählten Rechtsgüter entstanden ist, muss aber durch den Einsturz oder das herabfallen von Teilen des Bauwerks entstanden sein. Die Haftung wird aber noch weiter eingeschränkt. Die Ursache von Einsturz oder Ablösen von Teilen muss entweder auf eine fehlerhafte Errichtung des Gebäudes oder auf eine mangelhafte Unterhaltung zurückgehen. Eine fehlerhafte Errichtung liegt immer dann vor, wenn Nachdruck und Vervielfältigung Seite 4/5
5 gegen die Regeln der Baukunst verstoßen worden ist. Ob das der Fall ist, kann man aus den Bauvorschriften des Bundesbaugesetzes, der örtlichen Bauvorschriften und notfalls aus den Bestimmungen der deutschen Industrienorm feststellen. Häufig ist diese Frage ohne einen Sachverständigen natürlich nicht zu beurteilen. Das Gleiche gilt für die Feststellung, ob eine mangelhafte Unterhaltung vorliegt. Für sichtbare Verwahrlosungen benötigt man selbstverständlich keinen Sachverständigen. Zur ordnungsgemäßen Unterhaltung gehört insbesondere auch die regelmäßige Überprüfung besonders gefährdeter Teile. Dazu zählen in unserem heutigen Städtebild vor allen Dingen Fernsehantennen. Wer solche Überprüfungen unterlässt, oder wem schadhafte Putzstellen am Kamin entgehen oder wer trotz eines entsprechenden Hinweises des Schornsteinfegers solche Stellen nicht abschlagen lässt, der haftet, wenn sie beim Herabfallen einen anderen Bürger verletzen. Eine Besonderheit ergibt sich für die innere Seite. Hier reichen sowohl Vorsatz als Fahrlässigkeit aus. Wenn alle Voraussetzungen, die auf der äußeren Seite aufgezählt worden sind, vorliegen, dann wird nach dem Gesetzeswortlaut das Verschulden des Schadens-ersatzpflichtigen vermutet. Das bedeutet, dass nicht der Verletzte dem Schuldner zu beweisen hat, dass er fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat, der Schadensersatzpflichtige muss vielmehr, wenn er aus der Haftung entlassen werden will, nachweisen, dass er die im Verkehrt erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. Diese Umkehrung der Beweislast ergibt sich aus 836 Abs. 1 Satz 2 BGB, die dem Besitzer lediglich eine negativ formulierte Entlastungsmöglichkeit einräumt. Die gleich Haftung trifft nach 837 BGB und 838 BGB sowohl den Gebäudebesitzer als auch denjenigen, der das Gebäude zwar nicht besitzt, aber für die Unterhaltung zu sorgen hat. Haftung für unerlaubte Handlungen anderer 831 BGB Diese Bestimmung geht auf die Vorstellung zurück, den Geschädigten nicht lediglich nur die Haftung eines sozial schwachen Täters anzubieten, wenn auch ein Verschulden dessen zu vermuten ist, der den Täter beschäftigt. Die Voraussetzungen einer Haftung aus 831 sind folgende: Äußere Seite 2. Unerlaubte Handlungen eines Verrichtungsgehilfen 3. Ursachenzusammenhang zwischen 1 und 2 4. Rechtswidrigkeit der Handlung des Verrichtungsgehilfen Innere Seite Vorsatz oder Fahrlässigkeit Die Vorschrift gestattet es dem Verletzten, sich wegen seines Schadens an den zu halten, dem die Tätigkeit des Gehilfen im Rahmen der Arbeitsteiligkeit zugute kommt. (wird fortgesetzt) Nachdruck und Vervielfältigung Seite 5/5
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