Prof. Dr. Reinhard Singer Wintersemester 2009/2010 ( , 4/T3) Grundkurs im Bürgerlichen Recht
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- Markus Dominik Müller
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1 Prof. Dr. Reinhard Singer Wintersemester 2009/2010 ( , 4/T3) Grundkurs im Bürgerlichen Recht 4 Teil 3 bb) Zustimmungspflichtige Rechtsgeschäfte ( 107, 2. Alt) Zustimmungspflichtig sind alle Rechtsgeschäfte, die nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind. (1) Zustimmung = Oberbegriff Vorherige Zustimmung = Einwilligung ( 183 Satz 1 BGB; Legaldefinition); widerruflich bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts Nachträgliche Zustimmung = Genehmigung ( 184 Abs. 1 BGB) (2) Zuständigkeit: Eltern ( 1626, 1629 Abs. 1 BGB); gemeinsam zuständig; ein Elternteil kann aber den anderen (konkludent) ermächtigen. (3) Art der Einwilligung: - kann sich auf ein einzelnes Rechtsgeschäft beziehen (Einzeleinwilligung), z.b. Kauf eines Mofas, oder - auf einen bestimmten Kreis von Rechtsgeschäften (Generaleinwilligung; partieller Generalkonsens), z.b. wenn Eltern dem 16jährigen Sohn gestatten, eine Ferienreise zu machen und ihm dafür geben. sämtliche Rechtsgeschäfte innerhalb des gesetzten Rahmens (Reise) wirksam (Hotel anmieten, Fahrkarten und Lebensmittel kaufen etc., Eintritt für Museen nicht Kauf von Aktien) - Grenze: unbeschränkter Generalkonsens widerspräche dem System der 107 ff. BGB, das gerade keine volle Geschäftsfähigkeit vorsieht, sondern Balance zwischen zunehmender Selbständigkeit und pädagogischer Einflussnahme wahren will. cc) Leistungsbewirkung mit überlassenen Mitteln ( 110: Taschengeldparagraph) Lösung von Fall 10: Ausgangsfall: Wirksamkeit des Kaufvertrages Wirksamkeitshindernis: 2, 106 BGB: I. Rechtlicher Vorteil ( 107, 1. Alt. BGB): Kaufvertrag = gegenseitiger Vertrag; rechtlich nachteilig wegen 433 Abs. 2 BGB. 1
2 II. Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ( 107, 2. Alt.): allenfalls durch Mittelüberlassung gem. 110 BGB III. Wirksamkeit gemäß 110 BGB (Leistungsbewirkung mit überlassenen Mitteln) 1. Vertragsschluss ohne - ausdrückliche - Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (+) 2. Mittelüberlassung durch Eltern oder Dritte: Taschengeld (+) 3. Zur freien Verfügung oder zweckgebunden: 110 = Spezialfall zu 107 BGB (Fall der konkludenten Einwilligung). 110 BGB daher wie folgt zu lesen: Ein von den Minderjährigen ohne ausdrückliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag Leistungsbewirkung mit überlassenen Mitteln: Ratenkauf erst mit Erfüllung wirksam; dann aber von Anfang an ( 110 BGB); arg.: zum Vorteil des Minderjährigen Wirksamkeit ex tunc darf sich nicht zum Nachteil des Mj. auswirken Bsp. (Larenz/Wolf, 25 Rn. 40): kauft Mj. K Laptop auf Raten und zahlt Restbetrag statt wie vertraglich vereinbart in 3 Monaten erst in 6 Monaten, gerät K nicht in Schuldnerverzug - trotz Erfüllung und Wirksamkeit des Kaufvertrages ex tunc arg.: selbst wenn fiktive Pflicht angenommen würde, wäre Nichtleistung nicht verschuldet; K muss also keine Verzugszinsen zahlen gem. 286, 288 BGB. Ergebnis Fall 10 (Ausgangsfall): keine vollständige Leistungsbewirkung ( 110 BGB); Kaufvertrag (schwebend) unwirksam gem. 2, 106, 108 BGB. Variante 1: Rechtslage, wenn K alle vier Monatsraten bezahlt hat. Bezahlung = Erfüllung mit überlassenen Mitteln. Rechtsgeschäft gem. 110 BGB wirksam, da Mittel zur freien Verfügung überlassen. Variante 2: Anschaffung von Zigaretten Mittelüberlassung zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung. Zweckbestimmung der Mittelüberlassung auch konkludent möglich: maßgebend erkennbarer Wille der Eltern. Kauf von Zigaretten: kein mutmaßlicher Konsens. AG Freiburg NJW-RR 1999, 637: Kauf einer Airsoftgun widerspricht erkennbar den Wertvorstellungen der Eltern und ist daher nicht von konkludenter Einwilligung gem. 110 BGB gedeckt. 2
3 IV. Rechtsfolgen: 1. Abschluss des Rechtsgeschäfts ohne erforderliche Einwilligung: nicht nichtig, sondern schwebend unwirksam gemäß 108 Abs. 1 BGB. Eltern können Rechtsgeschäft genehmigen. 2. Beseitigung des Schwebezustands: Geschäftspartner kann Eltern zur Erklärung über die Genehmigung auffordern ( 108 Abs. 2 BGB) und bis zur Genehmigung Rechtsgeschäft widerrufen ( 109 Abs.1 BGB), es sei denn, er hat die Minderjährigkeit gekannt ( 109 Abs. 2 BGB). Ergebnis: Keine Genehmigung; Kauf endgültig unwirksam. dd) Schenkung an Minderjährige Lösung von Fall 11: I. Wirksamkeit des Schenkungsvertrages ( 516 BGB) Verpflichtungsgeschäft verpflichtet den Minderjährigen zu nichts; rechtlich vorteilhaft (+) II. Übereignung: Auflassung eines Grundstücks ( 873, 925 BGB) an sich rechtlicher Vorteil, aber auch mit Nachteilen verbunden: 1. Steuern, Abgaben, Erschließungsbeiträge? - Früher: kein rechtlicher Nachteil, da die Belastungen nicht unmittelbar Folge des Rechtsgeschäfts sind - Nach BGH NJW 2005, 418 eingeschränkte wirtschaftliche Betrachtungsweise: Rechtsnachteile mit typischerweise ganz unerheblichem Gefährdungspotential können außer Betracht bleiben. Öffentliche Lasten: ihrem Umfang nach begrenzt und wirtschaftlich unbedeutend; aus den laufenden Erträgen des Grundstücks zu bestreiten 2. Hypothekenbelastung Hypothek führt bei Fälligkeit zur Haftung des Grundstücks gemäß 1147 (Duldung der Zwangsvollstreckung); im ungünstigsten Fall geht das erworbene Vermögen wieder verloren. Ergebnis: Schenkungsvertrag und Übereignung des Grundstücks wirksam Frage 2: Schenkung einer Eigentumswohnung: 3
4 1. Rechtlicher Nachteil gem. 107 BGB BGHZ 78, 32: rechtlicher Nachteil, wenn Gemeinschaftsordnung die kraft Gesetzes bestehenden Verpflichtungen des Wohnungseigentümers verschärft. z.b. bei Wiederaufbaupflicht, die über 22 II WEG hinausgeht (so im Fall BGHZ 78, 32). 2. Vertretung der minderjährigen Kinder durch W a) Gesetzliche Vertretungsmacht der W: 1626 I, 1629 I, 1680 I: W = Witwe, allein vertretungsbefugt. b) Ausschluss der Vertretungsmacht gemäß 1629 I, II 1 i.v.m II, 181 BGB: Insichgeschäft: Rechtsgeschäft des Vertreters im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen. c) Ausnahmen: - Gestattung ( 181, 1. Alt.) (-) - Erfüllung einer Verbindlichkeit ( 181, 2. Alt.) aa) Übertragung des Wohnungseigentums = Erfüllung eines Schenkungsvertrages. Wirksamkeit des Schenkungsvertrages: (1) Einigung (2) Wirksamkeitshindernisse: 107: Schenkung lediglich vorteilhaft; Verpflichtung aus Gemeinschaftsordnung knüpft an dinglichen Vollzug an Form ( 311 b I, 518 I): ( +) bb) Bedenken: Minderjährigenschutz wird durch Trennungsprinzip aus den Angeln gehoben. (1) BGHZ 78, 28 ff.: Gesamtbetrachtung von schuldrechtlichem und dinglichem Rechtsgeschäft; arg.: Minderjährigenschutz sonst ausgehöhlt. (2) Bedenken: Gesamtbetrachtung verstößt gegen das sachenrechtliche Trennungsprinzip. Besser: teleologische Reduktion des 181; Minderjährigenschutz erfordert es, 181, 2. Hs. nicht anzuwenden, wenn Erfüllungsgeschäft rechtlich nachteilig i.s.v. 107 ist. 4
5 Ergebnis: Auflassung wegen 107, 181 BGB schwebend unwirksam; für F muss Ergänzungspfleger gemäß 1909 I bestellt werden (bestätigt durch BGH NJW 2005, 1430 f). Variante Frage 3: Wirksamkeit der Auflassung bei Vereinbarung eines Rücktrittsrechts: I. Auflassung gemäß 107 BGB grundsätzlich rechtlich vorteilhaft, da A und B Miteigentümer werden. II. Rechtliche Nachteile: 1. Rücktrittsrecht a) Rechtsfolgen des Rücktritts: Rückgabe des Erlangten ( 346 I); A und B stehen dann nicht schlechter als vor dem Erwerb des Grundstücks. Aber: Wertersatzpflicht und Schadensersatz bei Verschlechterung ( 346 II bis IV) = Rechtsnachteil b) Aber: Nachteil nur des schuldrechtlichen Vertrages! Trennungsprinzip: getrennte Betrachtung von schuldrechtlichem und dinglichem Rechtsgeschäft. c) Dingliches Rechtsgeschäft nicht nachteilig; rechtlich nachteilig ist nur schuldrechtliches Rechtsgeschäft Für schuldrechtliches Geschäft benötigt W Ergänzungspfleger gem I wegen 1626, 1629 II, 1795 II, 181. Außerdem: Genehmigung des Familiengerichts erforderlich: 1643 I, 1821 I Nr. 1, 4 (bei Ausübung des Rücktrittsrechts entsteht für A und B Pflicht zur Rückübertragung des Grundstücks) d) Gesamtbetrachtung von schuldrechtlichem und dinglichem Rechtsgeschäft? BGHZ 78, 28: Gesamtbetrachtung notwendig, weil sonst Minderjährigenschutz leer läuft. BGH NJW 2005, 417: Gesamtbetrachtung hier nicht erforderlich, weil anders als im Fall BGHZ 78, 28 das dingliche Rechtsgeschäft wirksam ist und für Minderjährigenschutz genügt, dass schuldrechtliches Rechtsgeschäft schwebend unwirksam ist (Folge: keine Haftung gem. 346 II- IV, allenfalls 818 II, III BGB) 2. Bereicherungsrechtliche Haftung von A und B: Haftung wegen 516, 106 gem. 812 I 1, F 1 Aber: Schutz der mj. Erwerber durch 818 III BGB (auch bei Verschlechterung oder Zerstörung des Grundstücks). Ergebnis: Bei Variante 3 ist dingliches Rechtsgeschäft wirksam, nicht aber schuldrechtliches. Konsequenz: Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch möglich. 5
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