WECHSELWIRKUNG STRAHLUNG-STOFF
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- Katarina Kramer
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1 Jürgen Henniger Arbeitsgruppe Strahlungsphysik (ASP) des Instituts für Kern- und Teilchenphysik (IKTP) Andreas-Schubert-Bau 409A / WECHSELWIRKUNG STRAHLUNG-STOFF Vorlesung 2
2 2 Grobgliederung der Vorlesung Wechselwirkung Strahlung-Stoff 0 Einleitung 1 Grundprozesse der Wechselwirkungen ( ) 2 Die Strahlungstransportgleichung und ihre Lösung 3 Änderung des Strahlungsfeldes und Energieübertragung an Stoffe als Folge des Strahlungstransports 4 Effekte im Ergebnis der Energieübertragung an Stoffe
3 1 Grundprozesse der Wechselwirkungen Charakteristische Größen - integrale und differentielle Wirkungsquerschnitte 1.2 Wechselwirkung von Photonen ( ) (1 kev 30 MeV also kein Licht!) 1.3 Wechselwirkung von Neutronen 1.4 Wechselwirkung schneller geladener Teilchen (z.b. Elektronen, Positronen, sowie leichte und schwere Ionen) 1.5 Makroskopische Größen
4 Das Thema der kommenden Vorlesungen 4 Wechselwirkungsprozesse von Photonen 1. Kohärente Streuung in der Atomhülle 2. Inkohärente Streuung in der Hülle 3. Vollständige Absorption in der Hülle (Photoeffekt) 4. Vollständige Absorption im elektrischen Feld des Kernes oder eines Hüllenelektrons (Paarbildung) 5. Vollständige Absorption im Mesonenfeld
5 5 Photonenquerschnitte von Blei (Z = 82) 10 6 b 10 5 Pb (Z=82) M L t 10 8 fm K e k 10 6 σ(e) (E) 10 3 i 10 5 σ(e) (E) 10 2 p E E kev
6 Kohärente Streuung 6 ist die Streuung an gebundenen Elektronen der Atomhülle bei frequenz- und phasengleicher Abstrahlung unter polarem Streuwinkel θ und Azimutwinkel φ. E = E (2.1) E E θ
7 Kohärente Streuung 7 Frequenz- und phasengleiche Abstrahlung: kein Energieverlust, aber immer Richtungsänderung Interferenzen sind möglich (BRAGG-Bedingung, Feinstrukturanalyse) Querschnitte groß bei niedrigen Energien E m e c 2 Schwächung nur durch Herausstreuen aus dem Strahlbündel
8 Kohärente Streuung 8 Reine kohärente Streuung (z.b. von Licht im NIR, VIS und UV) in der Atomhülle: RAYLEIGH-Streuung Lord RAYLEIGH (John William STRUTT) ( )
9 THOMSON-Streuformel (J.J. THOMSON) 9 σ T Ω (μ) = 1 2π σ μ T (μ) = r 2 e 1 + μ2 2 RAYLEIGH-Querschnitt für ein Wasserstoffatom: σ H R E = σ Ω T μ dω +1 4π 1 = π r e μ 2 dμ (2.2) (2.3) σ H R E = 8 3 π r e 2 = 8 3 π 2,81794 fm 2 0,67 b und für ein Atom mit der Ordnungszahl Z R σ Atom E = 8 3 π r e 2 Z 2 (2.4) Joseph John THOMSON ( ) Nobelpreis 1906
10 THOMSON-Streuformel in Zahlen 10 σ Ω T (μ) = r e μ mb/sr 1 + μ 2 (2.5) σ T μ (μ) = 2π r 2 e 1 + μ2 250 mb 1 + μ 2 2 Integraler RAYLEIGH-Querschnitt für ein H-Atom: σ H R E 0, Z = 1 = 8 3 π r e 2 0,67 b (2.6) und für ein Atom mit der Ordnungszahl Z σ H R E 0 = 8 3 π r e 2 Z 2 0,67 b Z 2 (2.7)
11 Abhängigkeit von der Photonenenergie 11 In der Praxis ergibt sich der energieabhängige Wirkungsquerschnitt σ Ω k (E) durch Faltung mit dem sogenannten Atomformfaktor F(x, Z), x = E sin (θ/2). Der Name Formfaktor hat seinen Ursprung in der Theorie der FRAUNHOFER-Beugung. σ Ω k E = σ Ω T (μ) F x, Z 2 σ Ω k E = r e μ2 2 F x, Z 2 Für Vorwärtsstreuung θ = 0 gilt F 0, Z = Z. (2.8)
12 Woher kommen die Querschnitte etc.? 12 alle anderen kohärenten Effekte (auch Streuung am Kern etc.) sind in den tabellierten Querschnitten enthalten Querschnitte können berechnet werden (sehr kompliziert, z.b. HARTREE-FOCK-Rechnungen) oder werden fertig aus Datenbibliotheken entnommen (EPDL, Evaluated Photon Data Library des LLNL), wo sie für jedes Element gelistet sind.
13 Wirkungsquerschnitt für Vorwärtsstreuung 13 Vorwärtsstreuung: immer F 0, Z = Z und μ = 1, σ k Ω (μ) = r 2 e bzw. 2π Z 2 = r e 2 Z 2 = 79,4 mb/sr Z 2 σ μ k (μ) = σ Ω k (φ, μ) dφ = 2π r e 2 Z 2 = 0,5 b Z 2 0 Beide Grenzwerte gelten für alle Streuenergien
14 kohärente Querschnitte für Aluminium b/sr Thomson 12 1 kev 5 kev kev 50 kev kev ( ) ,0-0,5 0,0 0,5 1,0
15 Differentieller Wirkungsquerschnitt für kohärente Streuung an Wolfram von unpolarisierten Photonen in Formfaktornäherung 15 b σd k k / d μ μ E' = 0,1 kev E' = 1 kev E' = 10 kev E' = 100 kev E' = 2 r 2 e Z ,0-0,5 0,0 0,5 1,0
16 Berechnung der integralen Querschnitte 16 σ k E = σ Ω k E dω 4π (2.9) σ k E = r e 2 4π 1 + μ 2 2 F x, Z 2 dω Es müssen mit den tabellierten Werten vergleichbare Resultate herauskommen! Beachten Sie die Berechnung von x aus E und μ: x = E sin θ 2 = E (1 μ)/2
17 17 Kohärente Streuung an einem Atom mit Z-Elektronen Für ein Atom mit der Kernladungszahl Z und einer hinreichend kleinen Energie, die aber oberhalb der K- Kanten-Energie liegt, gilt näherungsweise: σ k Atom E 0 = 8 3 π r e 2 Z 2 0,67 b Z 2 (2.10) In der Nähe der K-Kante und unterhalb von ihr gilt immer anomale kohärente Streuung. Bei höheren Energien nimmt der Querschnitt drastisch ab und es gilt: σ k Atom E E 2 (2.11)
18 18 Numerische Behandlung der kohärenten Streuung Integrale Wirkungsquerschnitte σ k (E) und Atomformfaktoren F x, Z aus Bibliotheken (normierte) Dichtefunktion f(x) der Streuwinkelverteilung für gegebene Energie berechnen: +1 Norm = 1 + μ 2 F x, Z 2 dμ 1 f μ = 1 Norm 1 + μ2 F x, Z 2 σ Ω φ, μ dω = σ E f μ 4π dφ dμ (2.12)
19 19 Photonenquerschnitte von Aluminium (Z = 13) (E ) σ(e) b Aluminium Z=13 t e k i fm 2 (E) σ(e) p kev E E 10-1
20 wichtige WW-Prozesse von Photonen Kohärente Streuung in der Atomhülle 2. Inkohärente Streuung in der Hülle 3. Vollständige Absorption in der Hülle (Photoeffekt) 4. Vollständige Absorption im elektrischen Feld des Kernes oder eines Hüllenelektrons (Paarbildung) 5. Vollständige Absorption im Mesonenfeld (Kernphotoeffekt, Kernspaltung) σ t E = σ k E + σ i E Streureaktionen + σ e E + σ p (E)+σ γ,n E Absorptionsreaktionen +
21 für inkohärente Streuung gilt 21 dominiert für Gewebe im Bereich von 60 kev bis einige MeV weist keine Strukturen in der energieabhängigen Wirkungsquerschnittsfunktion auf glatt der mikroskopische Querschnitt variiert nur um etwa eine Größenordnung bei Al um einige Barn breites Maximum um einige 10 kev von einigen 100 kev bis einigen MeV für alle Stoffe praktisch die einzig wesentliche Wechselwirkung!
22 22 Historie zur Theorie der inkohärenten Streuung 1923 veröffentlicht A.H.COMPTON seine ersten Artikel zur inkohärenten Streuung am quasifreien Elektron. Darin untersucht er den Zusammenhang zwischen Streuwinkel und energie des gestreuten Photons erweitern O.KLEIN und Y.NISHINA die theoretische Beschreibung mit Hilfe der DIRAC- Theorie. Sie leiten die KLEIN-NISHINA-Formel (KN- Formel) zur Beschreibung der Energieverteilung der gestreuten Strahlung her. Oskar Benjamin Klein ( ), Yoshio Nishina ( )
23 23 Bedeutung der inkohärenten Streuung für die Strahlungsphysik für viele Anwendungen ist Energiebereich zwischen 5 kev und ca. 30 MeV interessant darin dominiert für alle Elemente in weiten Bereichen die inkohärente Streuung oberhalb ca. 50 kev ist sie die wesentliche Wechselwirkungsart für den Energieverlust im (weichen) Gewebe für Materialien hoher Ordnungszahl spielen der Photoeffekt und erst bei hohen Energien auch die Paarbildung eine Rolle
24 24 Bedeutung der inkohärenten Streuung für die Strahlungsphysik Während bei der kohärenten Streuung kein Energieübertrag und bei Photoeffekt und Paarbildung eine vollständige Absorption stattfinden, ist der Energieverlust bei der inkohärenten Streuung kontinuierlich verteilt. Die im Mittel anteilig übertragene Energie nimmt mit der Energie E des streuenden Photons zu.
25 Inkohärente Streuung 25 relativistische Streutheorie berücksichtigt Impuls der Photonen: p = E/c inkohärente Streuung: Stoß an einem einzelnen Hüllenelektron COMPTON-Effekt: Elektron ist nur schwach gebunden, d.h. es wird als quasi frei" betrachtet Widerspruch zur Realität: Elektronen sind stets gebunden also ist COMPTON-Streuung nur ein sehr einfaches Modell! Allgemeiner und korrekt ist daher die Bezeichnung inkohärente Streuung
26 Nomenklatur zur COMPTON-Streuung 26 gestreutes Photon E > E, λ < λ E, λ θ θ e COMPTON-Elektron E e = E E
27 27 Kinematik der inkohärenten Streuung am quasifreien Elektron Azimutale Streuwinkel φ des Photons und φ e des Elektrons sind azimutal diametral: φ e = φ + π x Polarer Streuwinkel θ des Photons und θ e des Elektrons z
28 Aus Anwendung der relativistischen Erhaltungssätze : 28 Energie: E + m e c 2 = E + m e c p e 2 c 2 Impuls: E Ω = E Ω + p e c (2.13) (2.14) Energie des gestreuten Photons ist Funktion des Richtungskosinus μ des polaren Streuwinkels θ: E = E m e c 2 m e c 2 + E 1 μ = E (2.15) 1 + κ (1 μ) mit κ = E m e c 2
29 Vorwärts- und Rückwärtsstreuung 29 Vorwärtsstreuung: θ 0 μ 1 E = E Rückstreuung: θ = π μ = 1 E = E κ (2.16) Rückstreuung für E E 0 gilt der asymptotische Wert E = lim E E E = E 0 /E 0 2 = 255,5 kev
30 Energie des gestreuten Photons kev E 255, E' kev
31 Kinematik der COMPTON-Streuung 31 Je mehr Energie das COMPTON-Elektron erhält, desto kleiner ist sein Streuwinkel und desto größer ist die Ablenkung des gestreuten Photons. Um θ = π (180 ) rückgestreute Photonen können keine höhere Energie als die halbe Elektronenruhenergie (E 0 /2 255,5 kev) haben. deshalb ist der Energieübertrag aufs Elektron bei COMPTON-Streuung von Photonen ab einigen hundert kev besonders hoch
32 32 Energie E e und polarer Streuwinkel θ e des COMPTON-Elektrons Das Elektron erhält den Impuls p e = 1 c E E 2 2E 0 (E E) (2.17) Und die Energie E e = E 0 + E E (2.18) Für den Kosinus μ e seines polaren Streuwinkels θ e gilt E E μ μ e = cos θ e = (2.19) E 2 + E 2 2E E μ
33 Differentieller KLEIN-NISHINA-Querschnitt 33 σ Ω KN μ = r e 2 2 α μ 2 α μ + κ 1 μ + μ 2 (2.20) mit α μ = κ 1 μ und κ = E m e c 2. Für Vorwärtsstreuung (θ = 0 bzw. μ = 1) gilt: σ Ω KN 1 = r e 2 79,4 mb/sr (2.21)
34 Integraler KLEIN-NISHINA-Querschnitt 34 Die Integration des differentiellen KLEIN-NISHINA-Querschnitts σ Ω KN μ, φ über alle Raumwinkel dω ergibt σ KN E = σ Ω KN μ, φ 4π dω = 2π +1 1 σ Ω KN μ dμ (2.22) den integralen KLEIN-NISHINA-Querschnitt für ein einzelnes, quasi-freies Elektron.
35 35 KLEIN-NISHINA-Querschnitt σ Ω KN für E 0 bzw. κ 0 σ Ω KN μ = r e κ 1 μ 2 κ 1 μ κ 1 μ + μ2 σ Ω KN μ, E 0 = r e μ2 = 79,4 mb 1 + μ 2 σ KN E 0 = 4π r e μ2 dω = 8 3 π r e 2 σ KN E 0 = 8 3 π 79,4 mb = 0,665 b 0,7 b (2.23)
36 Differentieller KLEIN-NISHINA-WQ σ Ω KN 36 σ KN ( ) Ω μ KN 0,08 b / sr 0,06 0,04 THOMSOM E' =0,01 MeV E' = 0,1 MeV E' = 1 MeV E' = 2 MeV 79,4 mb/sr 0,02 0,00-1,0-0,5 0,0 0,5 1,0
37 Dichtefunktion f KN (μ) zur KN-Verteilung 37 3,5 3,5 f KN ( ) 3,0 2,5 2,0 1,5 E' = 0,01 MeV E' = 0,1 MeV E' = 1 MeV E' = 2 MeV 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 1,0 0,5 0,5 0,0 0,0-1,0-0,5 0,0 0,5 1,0
38 38 integraler KN-Querschnitt σ KN E für ein Elektron b E kev ,665 b e KN (E) 0,1 0, MeV E
39 39 COMPTON-Streuung an einem Atom mit Z Elektronen um den Querschnitt für ein ganzes Atom zu erhalten, muss σ μ KN E, μ mit der Ordnungszahl Z (Zahl der Elektronen im Atom) multipliziert werden: σ μ KN, Atom E, μ, Z = Z σ μ KN E, μ (2.24) wobei hier das Atom als eine Wolke von quasi-freien Elektronen verstanden wird. Die Bindung der Hüllenelektronen wird hier vernachlässigt.
40 40 KN-Querschnitt für Atome mit Ordnungszahl Z b m 2 8 x 0,665 b KN-Atom (E) 0,1 0,665 b Wasserstoff (Z=1) Sauerstoff (Z=8) 0, E MeV
41 Vorwärtsstreuung beim KN-Formalismus 41 Für COMPTON-Streuung am Elektron gilt unabhängig von der Energie des Photons bei Vorwärtsstreuung: σ Ω KN 1 σ μ KN 1 = r e 2 80 mb/sr = 2π r e 2 0,5 b (2.25) (2.26) Für ein Atom gilt in KN-Näherung: σ μ KN Atom 1, Z = Z σ μ KN 1 0,5 b Z (2.27)
42 KLEIN-NISHINA-Querschnitt für Aluminium 42 b (E, ) ,50 b E kev
43 43 Photonenquerschnitte für Blei (Z = 82) 10 6 b 10 5 Pb (Z=82) M L t 10 8 fm K e k 10 6 (E) 10 3 i 10 5 (E) 10 2 p E kev
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