INTERVIEW. Wissensmanagement bei Kristronics GmbH. Ein erfolgreiches Praxisbeispiel aus dem Mittelstand
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- Fanny Michel
- vor 8 Jahren
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1 INTERVIEW Wissensmanagement bei Ein erfolgreiches Praxisbeispiel aus dem Mittelstand
2 Unter Wissensmanagement versteht man das Erzeugen, Speichern, Verteilen und Anwenden von Wissen. Die Aufgabe von Wissensmanagement in Unternehmen ist, relevantes externes und internes Wissen systematisch zu erfassen und zu dokumentieren. Es unterstützt die Erreichung der Unternehmensziele und bezieht den einzelnen Mitarbeiter als Träger des organisationalen Wissens mit ein. Dadurch kann die Wertschöpfung erhöht und die Transparenz innerhalb des Unternehmens verbessert werden. Wissensmanagement sollte immer anwendungsorientiert und auf die bestehenden Prozesse ausgerichtet sein. ist ein innovatives Elektronik-Unternehmen, das Entwicklungs-, Produktions- und Logistikdienstleistungen in den Segmenten Automotive, Industrie-Elektronik und Life Sciences anbietet. Das Unternehmen hat ca. 160 Mitarbeiter und sitzt in Harrislee in der Nähe von Flensburg. Ich habe Bernd Molter, den Leiter der Entwicklung von Kristronics, zu seinen Erfahrungen zu Wissensmanagement bei Kristronics befragt. ebl: Welche Gründe / Motivation hatte Ihr Unternehmen bei der Einführung von Wissensmanagement? Bernd Molter: Wir wollten unsere Prozesse optimieren und neue Prozesse einführen. Es bot sich an, dies mit Methoden des Wissensmanagements im Rahmen des Förderprojekts Prowis: Prozessorientiertes und -integriertes Wissensmanagement in KMU zu versuchen. In diesem Projekt gingen die Forscher der Frage nach, wie Wissensmanagement in KMU sinnvoll angewendet werden kann. Wir haben das Projekt genutzt, um Verbesserungen in einigen akuten Handlungsfeldern zu erzielen: wir hatten einen Eigentümerwechsel, einen Strategiewechsel, wir haben eine neue Vertriebsorganisation aufgebaut und ein neues SAP-System eingeführt. Da war vieles im Umbruch. In dieser Phase funktionierten viele der eingespielten Kommunikationskanäle nicht mehr so richtig. Eine ausgeprägte Veränderungskultur gab es im Unternehmen nicht. Durch das Wissensmanagement-Projekt wollte ich Verbesserungen in der Umbruchphase erzielen und insgesamt mehr Struktur in den Veränderungsprozess einbringen. Die Prozesse wurden in einer GPO-WM Analyse betrachtet: Dies ist ein geschäftsprozessorientierter Wissensmanagementansatz. Dieses GPO-WM Audit analysierte die Schwachstellen des Unternehmens und daraus konnten Handlungsfelder identifiziert und wünschenswerte Veränderungen abgeleitet werden. 2
3 Es fand z.b. ein Schnittstellenworkshop zwischen Vertrieb und Entwicklung statt, weil die alten Kommunikationskanäle unterbrochen waren und neue Mitarbeiter noch keine hatten. An den Grenzen zwischen den Abteilungen wurden Prozesse anhand von Swim-Lane-Diagrammen transparenter dargestellt. Auch die Strukturierung der Ordner auf den Fileservern wurde dahin gehend verbessert, dass Dokumente besser ihren Eigentümern zugeordnet werden können. Eine weitere Motivation zur Einführung von WM-Methoden ist die bestehende Altersstruktur, die einen deutlichen Schwerpunkt in den 60er Jahrgängen aufweist. Natürlich müssen wir unser Wissen an die nachrückende Generation weitergeben. Das Wissen sollte dokumentiert bzw. aufgeschrieben werden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass dafür zu wenig Zeit zur Verfügung steht und es oft keine Person gibt, mit der man sein Wissen rechtzeitig teilen kann. Oft wird der neue Mitarbeiter erst eingestellt, wenn der alte geht. Hierfür gab es noch kein passendes Tool. Aus diesem Grund haben wir zusätzlich ein Wiki eingeführt. ebl: Welche Werkzeuge oder Methoden setzen Sie im Wissensmanagement ein? Bernd Molter: Eine Analyse der Schwachstellen und Prozesse fand mit Hilfe des GPO-WM Audits statt. Es stellte sich die Frage: Was wollen wir tun? Anhand dieser Überlegungen wurden die einzelnen Bestandteile geplant und priorisiert. Die Dokumentenstruktur wurde auf den Fileservern geordnet. Die Prozesse wurden im Hinblick auf die Schnittstellen zwischen den Abteilungen optimiert. Im Anschluss an das Prowis Projekt hatten 4-5 Firmen den Wunsch, ein Wiki aufzusetzen. In Rahmen eines zweiten Förderprojektes ICKE 2.0 haben wir dann ein Doku-Wiki eingeführt. ebl: In welchen Bereichen Ihres Unternehmens und zu welchen Themen werden diese Werkzeuge bzw. Methoden genutzt? Bernd Molter: Das Wissensmanagement-Projekt wurde in Form eines Pilotprojekts im Entwicklungsbereich durchgeführt, da dies der affinste Bereich ist und die meiste Bewegungen in den Daten und Prozessen dort vorhanden sind. Die Themen waren Optimierung der Prozesse und Herstellen von Transparenz, insbesondere in der Schnittstelle zwischen Vertrieb und Engineering. In der Angebotsphase wurde beispielsweise die Zusammenarbeit verbessert. Als nächst größere Maßnahme ist die Einführung des Wikis zu nennen, um das Wissen der Mitarbeiter zu erfassen. Im Nachgang haben wir unsere gesamte QM-Dokumentation auf eine transparentere graphische Darstellung mit Swim-Lane Diagrammen umgestellt. ebl: Wie hat sich das Wissensmanagement inzwischen etabliert? Welche Maßnahmen wurden erfolgreich umgesetzt? Bernd Molter: Wir haben unsere Prozesse und Methoden im Umgang mit Informationen verbessert. Wir bezeichnen diese Maßnahmen nicht explizit als Wissensmanagement, auch wenn sie Methoden des Wissensmanagements wie die Wissensteilung umfassen, da der Begriff an sich eher eine geringe Akzeptanz bei den Mitarbeitern hat. Der Aufbau des Wikis wurde erfolgreich durchgeführt, wir sind mit dem bisher erreichten Ergebnis jedoch nicht voll zufrieden. Leider konnten wir bisher keine so hohe Akzeptanz auf Seiten der Mitarbeiter erzielen, so dass sich genug Eigendynamik entwickelt hätte, das Wiki regelmäßig zu nutzen und neue Inhalte zu erstellen. Ein Beispiel für eine Prozessoptimierung ist, dass die Angebotserstellung und Auftragsbearbeitung als Prozesse optimiert wurden, da wir gemeinsam in Workshops an der Schnittstelle eine transparentere Darstellung für alle Beteiligten erzielt haben. Die Dokumentenablage ist nun besser strukturiert und die Beteiligten wissen, wo sie welche Dokumente erwarten. Es gibt nun viel mehr Prozess-Beteiligte als früher, so dass man auf wirksame Absprachen angewiesen ist, wo welche Dokumente gespeichert werden. Da in KMU die Methodenkompetenz im Bereich Wissensmanagement im Allgemeinen nicht besonders stark ausgeprägt ist, kann man sehr gut auf den Prowis Shop zugreifen, der zahlreiche flankierende Methoden und praktische Anwendungsbeispiele enthält. 3
4 ebl: Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? In der GPO-WM Analyse von Prowis werden auf Basis eines Workshops Prozesse ausgewählt und beschrieben, Stärken und Schwächen im Umgang mit Wissen analysiert, Wissensmanagement-Lösungen ausgewählt und prozessorientiert eingeführt. ICKE 2.0. steht für Integrated Collaboration und Knowledge Environment based on Web 2.0. Technologies und beschäftigt sich mit dem Einsatz von Wikis in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Dabei wurde für diese Unternehmensgruppe ein spezieller Prototyp entwickelt, der den Bedarfen entspricht. Bernd Molter: Geplante Maßnahmen, die im Zusammenhang mit Wissensmanagement stehen, sind beispielsweise die Verbesserung des Monitorings von Projekten, d.h. während des Projekts wollen wir mehr Daten erheben. Wir sichern im Moment zu wenig Projekterfahrung und lernen bisher nicht genug aus den Fehlern, die wir gemacht haben. Um schon während der Projekte neue Fehler zu vermeiden, möchten wir Kennzahlen erstellen, die uns helfen, während der Projektlaufzeit den Gesundheitszustand der Projekte zu beurteilen. Als eine große Baustelle ist das Konfigurationsmanagement oder das Product Lifecycle Management zu nennen. Dies ist ein großes Thema für uns, beispielsweise wie gehe ich mit der Produktdatenlebenszeit um. Ein neues Tool soll in diesem Bereich eingesetzt werden. ebl: Worauf sollten KMU Ihrer Meinung bei der Einführung von Wissensmanagement achten? Wo können Schwierigkeiten liegen? Bernd Molter: Man sollte eine ausgeprägte Analyse durchführen, dies fand ich sehr positiv. Dabei sollten die Mitarbeiter die Gelegenheit haben von selbst darauf kommen, wo Verbesserungspotential besteht und was sie verbessern möchten, statt von oben Maßnahmen zu diktieren. Es sollte nicht zu viele Arbeitsfelder gleichzeitig in Angriff genommen werden, so dass die Umsetzung machbar bleibt. Können die angestrebten Veränderungen nämlich nicht zeitnah realisiert werden, führt dies schnell zu Ernüchterung und Frustration bei den Mitarbeitern. Die Mitarbeiter sollten den kurzfristigen Nutzen von Wissensmanagement-Technologien erkennen können. Für die Akzeptanz ist auch viel Werbung für das Projekt und Motivation erforderlich. 4
5 Wissensmanagement-Projekte brauchen nach meiner Erfahrung einen Promotor aus der Geschäftsleitung, weil sonst das kundengetriebene Tagesgeschäft in der Regel höher priorisiert wird als zusätzliche Wissensmanagement-Projekte. Die Mitarbeiter haben oft keine Zeit, Artikel zu verfassen, da sie sich zunächst um ihre Projekte kümmern müssen. Aus diesem Grund ist Rückendeckung von der Geschäftsleitung wichtig, um sicherzustellen, dass übergeordnete Ziele auch mit einer gewissen Priorität bearbeitet werden. Der Begriff Wissensmanagement ist für die Mitarbeiter eventuell unbekannt und könnte deshalb zu einer ablehnenden Haltung führen. Eine Eingliederung des Wissensmanagements in unser Qualitätsmanagement im Rahmen der kontinuierlichen Verbesserung wäre denkbar und sollte aus meiner Sicht angestrebt werden. Der offene Austausch mit anderen Unternehmen im Prowis Projekt war sehr anregend, da gemeinsame Probleme erkannt und diskutiert wurden. 5
6 Impressum Herausgeber ebusiness Lotse Darmstadt-Dieburg Hochschule Darmstadt Institut für Kommunikation & Medien Max-Planck-Straße Dieburg Interviewpartner Bernd Molter () Lena Després (ebusiness Lotse) Bildnachweis Kontakt ebusiness Lotse Darmstadt-Dieburg Hochschule Darmstadt Institut für Kommunikation & Medien Max-Planck-Straße Dieburg 6
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