Bibel. [kompakt] Dorothee Boss. echter

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1 Bibel [kompakt] Dorothee Boss echter

2 Dorothee Boss, geboren 1961, studierte Theologie an der Universität Bonn und Mediation an der Fernuniversität Hagen, arbeitet als freie Autorin und Publizistin und lebt in Aachen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar Echter Verlag GmbH, Würzburg Umschlag: Peter Hellmund, Würzburg Fotos Umschlag und Innenteil: shutterstock Satz: Hain-Team, Bad Zwischenahn ( Druck und Bindung: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt ISBN Noch ein Hinweis für alle Leserinnen und Leser: Zur besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet, ohne damit jedoch eine Diskriminierung zum Ausdruck bringen zu wollen.

3 inhalt 07 Einleitung 10 Entstehung der Bibel 10 Auslöser 17 Adressaten 19 Inspiration 22 Buch aus vielen Büchern 22 Name 24 Älteste Handschriften 27 Übersetzungen und Ausgaben 32 Kanon 37 Zwei Testamente eine Bibel 37 Zum Verhältnis zwischen Altem und Neuem Testament 41 Das Alte oder Erste Testament 45 Die Bücher des Alten Testaments 52 Das Neue oder Zweite Testament 54 Die Bücher des Neuen Testaments 65 Bedeutung der Bibel 65 Buch der Glaubensbotschaft(en) 66 Geschichtsbuch 67 Weltliteratur 70 Zeitgemäßer Umgang mit der Bibel 70 Individuelle Bibelzugänge 73 Bibel in der Gemeindepraxis 77 Literaturverzeichnis

4 [Einleitung] Sie ist das meistgedruckte Buch der Welt. Sie wird auf der ganzen Welt gelesen, in mehr als 400 Sprachen ist sie komplett und in mehr als 2400 Sprachen ist sie teilweise übersetzt. Dazu gibt es sie als Kinderbuch und sogar als Bilderbuch für Erwachsene. Sie wurde vertont und vielfach verfilmt. Die Bibel ist flexibel und passt sich trotz ihres bemerkenswerten Alters den modernen Medien immer wieder neu an. Ihre verschiedenen kulturellen und religiösen Wurzeln machen die Bibel zum einzigartigen Buch der Bücher. Sie ist das Ergebnis einer jahrhundertelangen Entwicklung und nicht aus einem Guß, sondern ein Bauwerk aus mehreren Stockwerken und Zugängen von Autoren, deren Leben und Wirken in den meisten Fällen verborgen bleiben. Es lohnt sich auf jeden Fall, ihre wichtigsten Bausteine und ihren Bauplan zu verstehen. Die Bibel hat in Musik, Literatur und bildender Kunst bis in die Moderne ihre Spuren hinterlassen. Michelangelos David, Johann Sebastian Bachs Oratorien, Händels Messias oder die Dresdner Frauenkirche wären ohne die Bibel niemals geschaffen worden. Biblische Personen, Themen und Bilder findet man in Romanen, in Musikvi- 7

5 deos oder Kinofilmen. Die Bibel inspiriert unzählige Alltagssprichwörter, verhilft manchem Werbespot zu großer Bekanntheit und selbst medizinische Begriffe gehen auf ihr Konto. Sie ist ein echter Global Player : Weltliteratur, Geschichtsbuch, literarisches Denkmal in Einem. Schließlich ist die Bibel auch Verbindungsglied zwischen den drei abramahitischen Religionen: Juden, Christen und Muslime verehren z. B. den biblischen Patriarchen Abraham und loben sein Gottvertrauen. In der Bibel verbergen sich viele verschiedene Texte mit unterschiedlichen Zielrichtungen: In ihr versammeln sich Gottes- und Prophetenworte, Biografien, Gesetzestexte, Kriegsdarstellungen, Reiseberichte, Erzählungen über Siege und Niederlagen, Tod und Leben, Liebe und Leidenschaft, Trennung und Wiederfinden, Treue und Verrat. In ihr finden sich Regeln und warnende Zeigefinger, Lobgesänge und Klagelieder, Flüche und Hasstiraden, Liebesgeschichten und Liebesleid, Bauanleitungen und sogar Speisepläne. Hier wird gehofft und geglaubt, geklagt und gelobt, verhandelt und gefeilscht, verflucht und gesegnet. Die Bibel versammelt alle möglichen menschlichen Erfahrungen und ist doch eindrucksvolles Buch des Glaubens an den einen und einzigen Gott. Wer sich näher mit ihr beschäftigt, findet viele Texte von prägnanter Aussagekraft, realistischer Lebenshilfe und treuer Glaubensaussagen. Es gelang den Bibelwissenschaften, diesem einzigartigen Buch viele Geheimnisse zu entlocken. Ohne 8

6 die Bibelforschung, die die Bibel mit dem Werkzeugkasten der historisch-kritischen Methode bearbeitet, wäre ihre großartige Entwicklungsgeschichte wohl kaum zutage getreten. Alle, die die Bibel besser verstehen möchten, finden hier eine leicht zugängliche Einführung. Aber auch regelmäßig praktizierende Christen können sich mit diesem Buch eine zeitgemäße Bedeutung des Buchs der Bücher erschließen. Viele Themen können hier leider nicht umfassend beantwortet werden. Wer weitere Informationen zur Bibel erhalten möchte, sei auf die weiterführende Literatur am Ende des Buches verwiesen. Basisinformationen zum christlichen Glauben, zu Bedeutung und Ablauf des katholischen Gottesdienstes, zu Taufe und Hochzeit und zur Kirche finden sich in den weiteren Bänden der Kompakt-Reihe. 9

7 te Schöpfungsgeschichte stammt von einem anderen Autorenkreis, der wahrscheinlich schon früher seine Version aufgeschrieben hatte (nicht-priesterschriftliche Urgeschichte). Auf diese beiden Autorengruppen gehen noch andere Texte im Buch Genesis zurück. Biblische Bücher und selbst einzelne Texte haben nicht selten mehrere Quellen, aus denen spätere Redakteure schöpften. Darüber hinaus gibt es andere alttestamentliche Autoren, die sehr alte Geschichten sammelten, in vorhandene Texte einbauten, und wiederum das Ganze später redigierten. Im Alten Testament tummelt sich demnach eine Vielzahl von Geschichten, Liedern, Erzählungen, Botschaften, Gebeten, Gesetzestexte usw., die von kundigen Redakteuren zusammengestellt und in verschiedenen Zeitabständen wiederum überarbeitet wurden, um sie den jeweiligen Zeitgenossen mit spitzer Feder vorzustellen. Die Auflösung der verschiedenen Textschichten ist Aufgabe der historisch-kritischen Methode, die mit philologischen Instrumenten, aber auch mithilfe der Archäologie Hilfestellungen gibt, die Texte der Bibel aus ihrem geschichtlichen Rahmen heraus zu verstehen. Auf diese Weise können dann den Texten ihre Geheimnisse entlockt werden und ein möglicher historischer Sinn herausgeschält werden. Für den Glauben ist dies eine Bereicherung: Gott hat zu allen Zeiten durch Menschen zu Menschen gesprochen und ist mit ihnen in Beziehung geblieben. Das Alte 44

8 Testament zeigt sehr schön, dass dies sein roter Faden bleibt. [Die Bücher des Alten Testaments] Wie oben schon erwähnt, wird das Alte Testament in drei Teile aufgeteilt: Der erste Teil ist der Pentateuch (griech. Das Fünfteilige ). Darunter versteht man die ersten fünf Bücher Mose, die Bücher Genesis (1 Mose), Exodus (2 Mose), Levitikus (3 Mose), Numeri (4 Mose) und Deuteronomium (5 Mose). In der jüdischen Bibel heißen sie zusammen die Tora (hebr. Weisung ). Diese fünf Bücher umfassen die wichtigsten Gesetzesüberlieferungen Israels. Dabei ist es kein Werk aus einer einzigen Hand, sondern verbindet unterschiedliche Erzählstränge und Texte miteinander. Mehrere Quellenschriften sind hier benutzt worden. Die Erzählungen sind oft locker zusammengebunden. Es sind jeweils eigene Welten, die in jeder Geschichte ausgestaltet werden. Dort stehen so unterschiedliche Erzählungen beieinander, wie zu Kain und Abel oder Noah und der Sintflut. Darauf folgen die Erzvätererzählungen mit bekannten biblischen Gestalten wie Abraham, Isaak, Jakob, Josef und Co. Der Pentateuch will zwei große Themen herausstellen: Gott hat sein Volk seit Anbeginn der Welt über die Erzväter Noah, Abraham, Isaak und Jakob bis zur Landnahme Kanaans immer geführt und begleitet. Am 45

9 Berg Sinai hat er seinem Volk sein Gesetz gegeben (Zehn Gebote und viele weitere Gesetze) und mit ihm einen exklusiven Bund geschlossen. Obwohl die geschichtlichen Erzählungen von beeindruckender Dramaturgie sind, nehmen im Pentateuch die Gesetze Israels den größten Raum ein. Zwischen Exodus 10 und Numeri 10,10 wird der Leser mit dem massiven und bis ins kleinste Detail elaborierten Gesetzeskodex Israels konfrontiert. Im letzten Buch des Pentateuch werden dem Leser nochmals die Gesetze eingeschärft (Deuteronomium). Bei allen diesen Normen soll man sich aber nicht einschüchtern lassen: Sie wollen eine Vision ausdrücken, eine Utopie des idealen Lebens mit dem heiligen Gott. Nach den fünf Büchern Mose folgen im Alten Testament verschiedene Bücher, die heute als deuteronomistisches Geschichtswerk bezeichnet werden. Dazu gehören die Bücher Josua, Richter, das 1. und 2. Samuelbuch sowie das 1. und 2. Buch der Könige. Hier werden auf der einen Seite viele Erzählungen vorgestellt, in denen es von klugen und tapferen Richtern, Königen, Heerführern, Kundschaftern und Boten sowie weiteren Persönlichkeiten nur so wimmelt. Die Geschichte Israels mit seinen Höhepunkten und Niederlagen, seinen Hochzeiten und seinem Leid soll erzählt werden. Im deuteronomistischen Geschichtswerk gibt es neben den Berichten über geschichtliche Ereignisse auch Kommentare, in der das Erzählte aus der Perspektive der Erzählfiguren, z. B. des Königs Davids, be- 46

10 richtet wird. Darüber hinaus wird das Ganze nochmals aus unbekannter Perspektive kommentiert. Heute vermutet die Bibelforschung, dass eine Gruppe von Geschichtsschreibern die zahlreichen Einzelerzählungen zu einem größeren Geschichtswerk zusammengestellt hat. Seine Autoren gehören zur deuteronomistischen Schule. Sie haben drei Themen: Außer dem Gott Israels sollen auf keinen Fall andere Götter verehrt werden. Gott darf nur im Tempel in Jerusalem verehrt werden. Dort allein darf ihm geopfert werden. Und das Volk Israel darf sich nicht mit anderen Völkern vermischen. Wenn es das tut, dann wird dies schlimme Folgen haben. Wenn es sich an die Gesetze Gottes hält, dann wird es ihm immer gut gehen. Die Autoren dieser Schule verfassten ihre Redaktionen wahrscheinlich im babylonischen Exil ( v. Chr.) oder kurz darauf. Sie schauen also auf die Ereignisse der Landnahme, der politischen Konsolidierung Israels und des Aufbaus des Königreiches Israel wie auch auf seinen Zerfall zurück und deuten die Ereignisse aus der Perspektive der Niederlage. Im Mittelpunkt steht die Suche nach Erklärungen, wie es zur Katastrophe des Niedergangs Israels als autonomer Staat kommen konnte aus Sicht des Glaubens! So deuten sie den Zerfall als Folge von Glaubensabfall, Untreue und wiederholter Verletzungen des Gottesbundes. Wer sich vom Bund mit dem einzigen Gott trennt und sich mit fremden Gottheiten abgibt, muss mit einer Katastrophe rechnen. Ihre Botschaft: Kehrt um zum Gesetz eures Gottes! 47

11 Das deuteronomistische Geschichtswerk ist nicht das einzige im Alten Testament. Mit der Zeit nach dem babylonischen Exil beschäftigt sich das chronistische Geschichtswerk. Sein Thema ist die Vorgeschichte und Geschichte Israels seit Adam bis zum sogenannten Kyrosedikt durch König Kyros II. ( 529 v. Chr.), der einzelnen deportierten Bevölkerungsgruppen die Rück kehr in ihre Heimat jenseits des Tigris erlaubte, darunter auch den Juden des Südreiches. Nach 2 Chr 36,22 f. genehmigt der altpersische Herrscher den Juden den Wiederaufbau ihres Tempels in Jerusalem. Das Exil ist für diese Autoren eine Folge der Nichtbeachtung der Gesetze (insbesondere des Gesetzes über das Sabbatjahr 2 Chr 36,21). Das chronistische Geschichtswerk umfasst so unterschiedliche Bücher wie das 1. und 2. Chronikbuch, die Bücher Esra und Nehemia sowie einige Teile von Prophetenbüchern sowie die Bücher Rut, Ester und Jona, in der es um die Erfahrungen bestimmter Einzelpersönlichkeiten geht. Hier dreht sich alles um die Geschichte des Südreiches Juda, um Fragen des Kultes und der Priester und wie die richtige Verehrung Gottes im neuen Tempel ablaufen soll. Ein zentrales Thema ist der Zusammenhang zwischen Taten und ihren Folgen. Dies wird hier sehr direkt verstanden: Auf eine böse Tat folgt unmittelbar die Strafe wie auf die positive Tat sofort die Belohnung. Aus heutiger Sicht ist erwähnenswert, dass die Deportation von Völkern in der Antike keine Seltenheit 48

12 war und dies vor allem die Oberschicht, wie z. B. den Königshof und die Priesterschicht, betraf. Damit drückten die Eroberer nicht nur ihre Macht aus, sondern sorgten auch für Ruhe in den eroberten Provinzen. Tatsächlich war das Exil keine Gefangennahme der Israeliten, sondern eine Neuansiedlung im Kernland Assyriens bzw. Babylons. Nach dieser Epoche verblieben viele Juden in de r neuen Heimat trotz königlicher Rückreiseerlaubnis und gründe te dort eigene kulturelle Zentren. Das Alte Testament kennt eine Vielzahl von Dichtung und poetischer Literatur. Diese Texte gehören zu den schönsten der Weltgeschichte und spielen auch außerhalb der Bibel eine bekannte Rolle. Man kann in folgenden Büchern die Dichtung Israels kennenlernen: im Buch Hiob, in den Psalmen, im Buch der Sprüche (Sprichwörter), im Prediger (Kohelet), im Hohelied, im Buch der Weisheit und im Buch Jesus Sirach. Wer das Alte Testament zum ersten Mal lesen möchte, dem seien die Psalmen (hebr. Lobgesänge ) empfohlen. Um das Lob Gottes dreht sich alles bei diesen 150 außerordentlich innigen Dichtungen, allerdings benutzen die Autoren der Psalmen sehr verschiedene Formen und Inhalte: Klagepsalmen wechseln sich mit Dankliedern und Hymnen ab; die Schöpfung Gottes wird gelobt und seine Weisheit gepriesen. Einige preisen die Geschichte mit Gott oder Gott als König. Die Psalmen stammen teilweise aus der Zeit vor dem Exil, die meisten sind aber dort bzw. später entstanden. 49

13 Gesammelt wurden sie wahrscheinlich im 3. Jahrhundert v. Chr. Die Psalmen wurden schon lange im jüdischen Gottesdienst wie zum privaten Gebrauch gesungen und gebetet. Die ersten Christen behielten sie ebenfalls als Gebetbuch bei. Sie werden heute noch im kirchlichen Gottesdienst regelmäßig verwendet. Die Prophetenbücher unterteilt man in die großen Propheten (Jeremia, Jesaja und Ezechiel) und die kleinen Propheten: Hosea, Joel, Amos, Obadja, Jona, Micha, Nahum, Habakuk, Zefanja, Haggai, Sacharja, Maleachi (Zwölfprophetenbuch). Die Prophetenbücher beschreiben Leben, Wirken und Verkündigungen der Männer, denen Gott in Auditionen und Visionen erscheint. Konkrete Prophetenworte stehen hier im Mittelpunkt. Propheten geben nicht nur Gottes Wort mündlich und später schriftlich weiter, sondern greifen bisweilen zu härteren Mitteln: So läuft der Prophet Jeremia drei Jahre lang fast nackt durch Jerusalem, um auf die kommende Zerstörung Jerusalems aufmerksam zu machen (die dann tatsächlich eintritt), oder der Prophet Ezechiel isst eine ganze Buchrolle auf und wird so symbolisch gestärkt, um das Volk wieder für Gott zu gewinnen. Die Prophetenbücher sind meist nicht von den Propheten verfasst worden, nach denen sie benannt sind, sondern von ihren Schülern. In Einzelfällen gab der Prophet selbst den Auftrag zur Verschriftung seiner Worte (z. B. Jer 8,1 4). Die Entstehungszeit der Prophetenbücher setzt man heute zwischen dem 8. Jahrhundert und dem 2. Jahr- 50

14 hundert v. Chr. an, wobei sich Prophetie aus dem 8. Jahrhundert (die Propheten Jesaja, Hosea, Amos und Micha) von denen der folgenden Jahrhunderte dadurch unterscheidet, dass erstere Katastrophen und Gottesgericht ankündigt, während die Propheten, die während und nach dem Exil agieren, eher Gottes Heilbotschaft verbreiten wollen. Aber auch in den Prophetenbüchern sind z. T. engagierte Redakteure am Werke gewesen, die die ursprünglichen Worte der Propheten noch einmal im Sinne ihrer eigenen Theologie bearbeitet haben (z. B. im Buch des Jeremia). Das Buch des Propheten Jesaja ist für christliche Leser besonders interessant: Es umfasst nämlich unter dem Namen Jesajas mehrere sehr unterschiedliche Teilbücher. Im Mittelteil, dem Deuterojesaja (2. Jesaja) zwischen Jes 40 bis 55, wird auf das Kommen eines Gesalbten Gottes (hebr. Messias ) eingegangen. Dieser ist das Bild für die Macht des einzigen wahren Gottes. In den Gottesknechtsliedern wird der Beauftragte Gottes gelobt, so im vierten Lied vom Gottesknecht Jes 52,13 15: Seht, mein Knecht hat Erfolg, er wird groß sein und hoch erhaben. Viele haben sich über ihn entsetzt, so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch, seine Gestalt war nicht mehr die eines Menschen. Jetzt aber setzt er viele Völker in Staunen, Könige müssen vor ihm verstummen. Denn was man ihnen noch nie erzählt hat, das sehen sie nun; was sie niemals hörten, das erfahren sie jetzt. 51

15 [Das Neue oder Zweite Testament] Das Neue Testament ist im Vergleich zum Alten Testament das jüngere Buch des Glaubens. Es hat aber auch eine wesentlich einfachere und kürzere Entstehungsgeschichte und ist nicht so komplex aufgebaut. Der Grund liegt auch darin, dass man die einzelnen Bücher relativ sicher einzelnen Autoren zuordnen kann. So sind die vier Evangelien tatsächlich von vier verschiedenen Autoren verfasst worden und nicht von ganzen Autorengruppen. Auch die neutestamentlichen Briefe haben fast immer nur einen einzigen Autoren. Das Neue Testament steht ganz im Zeichen des Lebens und Wirkens des Jesus von Nazareth und der Entwicklungen der jungen Kirche. Insofern umfasst seine Entstehungsgeschichte nur einen Zeitraum von etwa Jahren. Es handelt sich um eine Sammlung von 27 Schriften des jungen Christentums, die Jesus als Messias und Sohn Gottes verkünden. Zuerst wurden die einzelnen Evangelien und die Briefe des Apostels Paulus, aber auch weitere Briefe der Apostel einzeln in den jungen Christengemeinden vorgelesen und erst später im 3. bzw. frühen 4. Jahrhundert mehrheitlich als kanonische Schriften im Christentum anerkannt. Die Evangelien stehen zu Beginn des Neuen Testaments, sie sind zwar nicht die ältesten Schriften, aber führen den Leser direkt zur Person, um die es im Christentum geht: Jesus Christus ist die frohe Botschaft 52

16 Gottes, die gute Nachricht oder die Heil bringende Botschaft (griech. Evangelium ). Jesus (hebr. Jeschua oder Jehoschua ) bedeutet Gott rettet. Dieser Person und seiner Verkündigung, der er sich absolut hingibt und für die er schließlich stirbt, ist das Neue Testament verpflichtet. Deshalb ziehen sich die Darstellungen seines Lebens und Wirkens, seines Todes und seiner Auferstehung durch die Evangelien und das weitere Neue Testament. In den Apostelbriefen und der Apostelgeschichte liegt der Schwerpunkt deutlicher auf der Geschichte der christlichen Gemeinden im 1. Jahrhundert n. Chr. sowie der Darstellung der nachjesuanischen Theologie. Das Corpus Paulinum, die Sammlung der von Paulus nachweislich bzw. angeblich verfassten Briefe, stellt den Löwenanteil der christlichen Briefe im Neuen Testament dar. Darüber hinaus kannte das junge Christentum aber noch weitere christliche Literatur, wie z. B. das Thomasevangelium, das aber nicht in den Kanon aufgenommen wurde. Man nennt diese Schriften apokryphe Evangelien (griech. verborgen ). Dazu gehören z. B. auch die Evangelien des Philippus, des Matthias, des Judas oder das Hebräerevangelium. Auch diese Texte kursierten in den christlichen Gemeinden, wurden aber nicht in den christlichen Mainstream eingebunden. Sie stellen eigene Strömungen dar, die von der frühen Kirche als nicht-kanonisch abgelehnt werden. 53

17 [Die Bücher des Neuen Testaments] Die Evangelien sind sicher die bekanntesten Schriften des Neuen Testaments. Evangelium bedeutet Frohe Botschaft oder Gute Nachricht. Es gibt vier Evangelien: Markusevangelium, Lukasevangelium, Matthäusevangelium und Johannesevangelium. Die ersten drei Evangelien stimmen weitgehend im Aufriss und den Inhalten miteinander überein, teilweise bis in den Wortlaut. Man kann sie in Spalten nebeneinander schreiben, sodass man die einzelnen Textabschnitte direkt miteinander vergleichen kann. Deshalb nennt man sie synoptische Evangelien (griech. Zusammenschau ). Um den Zusammenhang zwischen den drei synoptischen Evangelien zu verstehen, wird heute meistens von der Zweiquellenhypothese ausgegangen. Man vermutet, dass das Markusevangelium den Autoren des Lukas- und Matthäusevangeliums bereits schriftlich vorlag, und sie die Texte für ihre eigenen Aussagen benutzt und weiter im Sinne ihrer Theologie ausgestaltet haben. Dazu gibt es Stellen, an denen das Lukasevangelium mit dem Matthäusevangelium übereinstimmt, aber das Markusevangelium von diesen Ereignissen nichts weiß. Haben die beiden Evangelisten noch eine andere Quelle benutzt? Wahrscheinlich: Man nennt sie die Spruchquelle oder einfach Q. Dazu benutzen Matthäus und Lukas noch eigenes Sondergut, das nur sie einflechten. Das Johannesevangelium weist zwar auch Übereinstimmungen mit den synoptischen Evangelien auf, ist 54