O. Die Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 GG
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- Rudolf Adenauer
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1 O. Die Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 GG I. Schutzbereich Schutz von Versammlungen Schutz einer Zusammenkunft von Deutschen zu einem bestimmten gemeinsamen Zweck. Eine bloße Ansammlung von Menschen (z.b. Menschenauflauf bei einem Unfall) ist daher keine Versammlung i.s.d. Art. 8 Abs. 1 GG. Anforderungen an den Inhalt des gemeinsamen Zwecks: Enger Versammlungsbegriff: Befassung mit öffentlichen Angelegenheiten. Erweiterter Versammlungsbegriff: Versammlung mit dem Ziel der gemeinsamen Meinungsbildung und -äußerung inkl. des Erörterns von Privatangelegenheiten. Weiter Versammlungsbegriff: Keine weiteren Anforderungen an den Zweck. Geschützt sind nur friedliche Versammlungen: Keine Gewalt gegen Personen und Sachen. Sitzblockaden sind nicht gewalttätig. Problematisch ist die Beurteilung, wenn die Gewalt nur von einzelnen Teilnehmern ausgeht. Geschützt sind nur Versammlungen ohne Waffen: Auch ein Bierkrug kann eine Waffe sein! Geschützt sind auch Vorbereitung der Versammlung, An- und Abreise etc. II. Mögliche Eingriffe Anmelde- oder Erlaubnispflicht Einfluss auf die innere Freiheit, z.b. durch Überwachung Sanktion oder Teilnahmebehinderung Auflösung oder Verbot III. Rechtfertigung Versammlungen in geschlossenen Räumen: Kein Gesetzesvorbehalt! Versammlungen unter freiem Himmel (Art. 8 Abs. 2 GG): Gesetzesvorbehalt, insbesondere genutzt durch das Versammlungsgesetz (vgl. 14, 15 VersG). Seite 26
2 P. Übungsfall Castor-Transport (vgl. BVerfG NJW 2001, 1411) Der Deutsche Bahn Nuclear Cargo und Service GmbH Hanau wurde eine Genehmigung erteilt, radioaktive Abfälle nach Gorleben zu transportieren. Außerdem erging eine Allgemeinverfügung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, wonach alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel für den Zeitraum des Transports in einem im Einzelnen dargestellten Korridor untersagt wurden. Begründet wurde dies mit der Gefahr von Eingriffen in den Bahn- und Straßenverkehr, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen. X und viele gleichgesonnene Bürger mit deutscher Staatsangehörigkeit wurden von der Polizei daran gehindert, in dem genannten Korridor gegen den Transport zu demonstrieren. Sowohl der Versuch, einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen, als auch der Versuch einer nachträglichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit blieb in allen Instanzen erfolglos. Trotzdem will X während des nächsten Transports wieder auf der Bahnstrecke demonstrieren. Hat eine Verfassungsbeschwerde des X Aussicht auf Erfolg? Seite 27
3 Lösungsskizze zum Übungsfall A. Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde I. Zuständigkeit/Rechtswegeröffnung, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG II.... III. Antragsberechtigung/Beschwerdefähigkeit, 90 Abs. 1 BVerfGG* X ist als natürliche Person beschwerdeberechtigt. IV. Beschwerdegegenstand* Die Hinderung durch die Polizei ist eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt. V. Beschwerdebefugnis* Im vorliegenden Fall besteht die Möglichkeit einer Verletzung der Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG. 1. Eigene Beschwer/Selbstbetroffenheit X selbst wurde von der Polizei gehindert, auf der Bahnstrecke zu demonstrieren. 2. Gegenwärtige Beschwer Der Transport ist vorüber. X ist nicht mehr daran gehindert, auf der Bahnstrecke zu demonstrieren. Allerdings reicht hier die vergangene Beeinträchtigungen aus, da eine Wiederholung während des nächsten Transports zu besorgen ist. 3. Unmittelbare Betroffenheit Durch die Hinderung wurde X unmittelbar betroffen. VI.... VII. Rechtsschutzbedürfnis* 1. Rechtswegerschöpfung, 90 Abs. 2 BVerfGG Laut Sachverhalt gegeben VIII. Beschwerdehindernis der Rechtskraft Einstweiliger Rechtsschutz gem. 32 BVerfGG schließt eine spätere Verfassungsbeschwerde nicht aus! IX... Seite 28
4 B. Die Begründetheit der Verfassungsbeschwerde Die gerichtlich bestätigte Hinderung des X, zur Bahnstrecke vorzudringen, könnte gegen das Grundrecht des X der Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 Abs. 1 GG verstoßen. Dies ist der Fall, wenn der Schutzbereich des Grundrechts eröffnet ist, in diesen eingegriffen wird und der Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. I. Eingriff in den Schutzbereich Versammlungen von Deutschen Zusammenkunft zu dem gemeinsamen Zweck, gegen den Castor-Transport zu demonstrieren. Versammlung selbst nach dem engen Versammlungsbegriff, da Befassung mit öffentlichen Angelegenheiten. Eine Sitzblockade dient der Unterstützung der Kommunikation, sie stellt keine Gewalt i.s.d. Art. 8 Abs. 1 GG dar. Eingriff durch Beeinträchtigung des Rechts, den Ort der Versammlung zu bestimmen. II. Rechtfertigung 1. Schranken des Grundrechts: Die Demonstration auf den Bahngleisen stellt eine Versammlung unter freiem Himmel i.s.d. Art. 8 Abs. 2 GG dar, sie steht mithin unter einfachem Gesetzesvorbehalt. 2. Verfassungsmäßigkeit des 15 VersG als gesetzlichen Grundlage? a) Formelle Verfassungsmäßigkeit... b) Materielle Verfassungsmäßigkeit aa)... bb)... cc) Zitiergebot gem. Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. 20 VersG) dd) Übereinstimmung mit sonstigem Verfassungsrecht Bestimmtheitsgrundsatz: Konkretisierung durch Rechtsprechung (str.) ee) Verhältnismäßigkeit: Die Regelung des Versammlungsgesetzes ist verhältnismäßig, wenn bei ihrer Anwendung berücksichtigt wird, dass Auflösung und Verbot nur zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und nur bei einer unmittelbaren, aus erkennbaren Umständen herleitbaren Gefährdung dieser Rechtsgüter erfolgen dürfen (vgl. BVerfG NJW 1985, 2395). Seite 29
5 ff) Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes? Insbesondere Verhältnismäßigkeit: - Schutz des Straßenverkehr und der körperlichen Unversehrtheit als legitimer Zweck - Schaffung eines Korridors als legitimes Mittel - Zumindest keine offensichtliche Fehleinschätzung der Eignung des Mittels zur Erreichung des Zwecks - Erforderlichkeit des Mittels... - Angemessenheit des Mittels: Kundgabe ist auch außerhalb des Korridors möglich... Seite 30
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