S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G:

Transkript

1 Diese Kopie wird nur zur rein persönlichen Information überlassen. Jede Form der Vervielfältigung oder Verwertung bedarf der ausdrücklichen vorherigen Genehmigung des Urhebers by the author S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G: Gefahr aus dem Knast - Wie die Russenmafia Verbrechen unter den Augen der Justiz organisiert Autoren: Oliver Heinsch Edgar Verheyen Kamera: Egon Braun Holger Rädler Edgar Verheyen Schnitt: Annette Bohr Moderation Fritz Frey: Eines vorweg: Die Recherchen für den nächsten Beitrag waren für unsere Reporter alles andere als ungefährlich. Ein Indiz dafür: Auf bislang ungeklärte Weise kommt eine potentielle Informantin ums Leben. Kurz bevor sie mit unseren Kollegen sprechen kann, stirbt sie an einer Überdosis Heroin. Nicht ungewöhnlich, sagen die, die sich mit dem Milieu auskennen, in das sich Oliver Heinsch und Edgar Verheyen vorgewagt haben: das Milieu der russischen Mafia. Besonders interessiert hat die Reporter die Frage, wie es inhaftierten Mafiosi gelingt, aus dem Gefängnis heraus Straftaten zu planen und quasi anzuordnen.

2 2 Bericht: Die Justizvollzugsanstalt Diez. Knapp 20 Prozent der Gefangenen hier sind Russlanddeutsche. Lange haben wir uns um einen Kontakt bemüht. Jetzt packt ein Russlanddeutscher im Knast offen vor der Kamera aus. Peter V. ist kein Kleinkrimineller. Frage: Was haben Sie gemacht? Frage: Erschossen?»Ich habe auf einen Mann geschossen, mit der Pistole.Ja, erschossen. Er hat gekommen zu mir und hat gesagt: Gib mir Geld, Mark oder ich hole dein Kind vom Kindergarten. Und ich habe Pistole sofort rausgezogen und erschossen diesen Mann. Und dann habe ich gesagt: Jetzt kannst du mein Kind stehlen.«peter V. erzählt uns von einer verschwiegenen Hierarchie der Russlanddeutschen im Knast, die mit brutaler Gewalt die Russlanddeutschen regiert. Wer nicht mitmache bei Schmuggel und Drogenhandel, müsse mit dem Schlimmsten rechnen.»wer ein Verräter ist oder hat verraten seine Partner draußen, der ist schuldig schon, diese Leute müssen bestraft sein.«und so wird bestraft: Ungezügelte Brutalität. Selbstgebastelte Waffen. Bilder aus einem anderen Gefängnis. Er muss keine Angst haben. Als Mörder steht er ganz oben in der Hierarchie. Er genießt hier Respekt. Angst und Erpressung hinter Gittern. Der Direktor räumt ungewöhnlich offen ein:

3 3 O-Ton, Jörg Schäfer, Leiter JVA Diez:»Wir gehen davon aus, dass Dinge geschehen, die nicht rechtens sind, weil beispielsweise Gefangene bedroht werden, auf uns zukommen und sagen, sie werden bedroht. Wenn man dann fragt, weswegen, wird die Information schon nicht mehr so weiter betrieben.«eine verschwiegene Gemeinschaft, die mit Drogen handelt und ihre Leute gefügig macht. Und aus den Zellen heraus offenbar auch Verbrechen außerhalb des Gefängnisses organisiert. In Frankfurt treffen wir Gregor. Er redet mit uns, riskiert dabei sein Leben. Bis vor einigen Jahren hat er im Auftrag der russlanddeutschen Mafia Autos geklaut. Die Aufträge kamen direkt aus dem Knast.»Es wurde gesagt, solche und solche Auto mit solcher Farbe und so weiter, dann haben wir die geklaut und hier auf dem Parkplatz, da haben wir die immer abgestellt.die sind da, die können nicht viel machen, nur Aufträge erteilen, die setzen Gewalt ein und alles für die Leute, damit die zwangsweise für die schaffen.«kein Einzelfall. Das LKA in München hat die russlanddeutsche Kriminalität in den Gefängnissen systematisch untersucht, über Gefangene befragt. Erstmals erhalten wir Einblick in die Ergebnisse dieser als Verschlusssache behandelten Studie. O-Ton, Mario Huber, Landeskriminalamt Bayern:»Wir stellen fest, dass es vorkommt, dass Straftaten, die in Freiheit begangen werden, in den Gefängnissen geplant und angeordnet werden. Es handelt sich dabei beispielsweise um Straftaten, wie Körperverletzung in Zusammenhang mit Bestrafungsaktionen, es handelt sich dabei um Geldwäscheaktivtäten in Zusammenhang mit der Gemeinschaftskasse von kriminellen

4 4 Organisationen im Gefängnis. Es handelt sich dabei aber auch um Rauschgifthandel, der im Gefängnis geplant und gesteuert und draußen vollzogen wird.«doch wie kann die russlanddeutsche Mafia, aus dem streng bewachten Knast heraus, solche Straftaten organisieren? Frage: Handy im Knast? Frage: Das ist verboten?»über Briefe, über Handys Ja, wieso nicht?wer sagt das, verboten? Verboten auf dem Papier ist das!«tatsächlich: Bei intensiven Durchsuchungen wird in einigen Gefängnissen bei jedem zweiten Insassen ein Mobiltelefon gefunden. Wie kann das sein? Wir treffen einen JVA-Beamten aus Sachsen. Er erzählt uns, dass die Beamten völlig überfordert seien, der Kriminalität der russlanddeutschen Banden, in und aus dem Knast heraus, Herr zu werden. O-Ton, Stimme nachgesprochen:»also in der Besuchsüberwachung, da wird definitiv zu wenig gemacht, da fehlt auch der Kollege, der dann wirklich bei dem entsprechenden Besuch genauer hinschauen kann und kontrollieren kann. Es fehlt auch Personal, um die Zellenkontrollen so intensiv durchzuführen, dass man die Dinge finden kann, die man möchte.«wachleute und ihre Familien würden mit Racheaktionen bedroht, und die Leitung habe Angst vor gut organisierten Aufständen, die man nicht in den Griff bekommen könne.

5 5 O-Ton, Stimme nachgesprochen:»wir werden permanent gebremst, wir kriegen gesagt, ja, lehn dich da nicht rein, mach das nicht, lass die Finger davon, das gibt bloß Ärger. Und dann, dann resigniert man oftmals.«hat die Justiz also den Kampf gegen die Kriminalität hinter Gittern zum Teil einfach aufgegeben? Weil der Gegner zu stark, zu brutal, zu gut organisiert ist? Die Gewerkschaft der Strafvollzugsbediensteten fordert ein radikales Umdenken. Überbelegte Gefängnisse, zu wenig Personal, so ließen sich die russlanddeutschen Banden nicht aufbrechen. O-Ton, Anton Bachl, Bund Deutscher Strafvollzugsbediensteter:»Die Politik muss sich halt fragen: Entweder stellen wir die Mittel und die Möglichkeiten zur Verfügung, dem Personal dort, um diese rechtsfreien Räume möglichst zu beherrschen, oder wir müssen damit leben. Ganz einfach.«was das bedeutet? Gregor wollte uns auch zu Dunja führen. Sie wollte auspacken, uns erzählen, wie die russlanddeutsche Mafia, sie vom Knast aus zur Prostitution gezwungen, süchtig gemacht und bei ihr abkassiert hat. Doch zwei Tage vor dem Treffen stirbt sie an einer Überdosis. Eines von vielen Opfern der Mafia hinter Gittern.