Der Wunsch nach Verbundenheit und Einssein
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- Clara Hofer
- vor 7 Jahren
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Transkript
1 Der Wunsch nach Verbundenheit und Einssein Aufgewachsen bin ich als der Ältere von zwei Kindern. Mein Vater verdiente das Geld, meine Mutter kümmerte sich um meine Schwester und mich. Vater war unter der Woche kaum zuhause, Mutter war immer für uns da. Wir lebten auf einem Bauernhof, der groß genug für zwei Familien war. Meine Großeltern lebten im anderen Teil des Hauses. Die ersten fünf Lebensjahre verbrachte ich viel Zeit mit meinem Großvater, der eine Tierwirtschaft mit Hühnern, Kühen, Schweinen und Ziegen betrieb. Unser Hof lag in der Nähe eines Waldes, wir hatten viel Platz und waren von Natur umgeben ein wundervoller Ort zum Aufwachsen. Ich bin auf Bäume geklettert und habe mit meinem Fahrrad und später mit meinem Moped die Gegend erkundet. An den Wochenenden gab es immer Familienaktivitäten. Oft haben wir Ausflüge in die Natur gemacht, waren Ponyreiten oder haben Verwandte besucht. Sonntags sind wir immer mit Großmutter zur Kirche gefahren. Ich war ein glückliches Kind, voller Energie und sehr kontaktfreudig. Heute würde man sagen, ich hatte ADHD. Als Kind habe ich immer die mentalen und emotionalen Probleme anderer Menschen wahrgenommen. Ich konnte die Ursache des Problems spüren und auch die Lösung. Für mich war es als Kind ganz normal, die Gefühle anderer zu spüren. Deshalb wollte ich
2 Arzt werden, um den Leuten zu helfen, wieder heil zu werden. Aber es kam anders Ich spürte ebenfalls den großen inneren Konflikt und die Unzufriedenheit meiner Eltern. Alles an ihnen vermittelte, dass das Leben schwer ist, aber ausgesprochen wurde es mir gegenüber nie. Sie taten alles, um die Probleme von uns Kindern fernzuhalten, damit der Hausfrieden erhalten wurde. Das konnte ich besonders deutlich spüren. Die Einstellung meiner Eltern, dass das Leben ein Kampf ist, konnte ich nie akzeptieren, besonders aufgrund dieser Widersprüchlichkeit. Ich wusste damals schon, dass das Leben leicht ist und dass alles einfacher ist, wenn man ehrlich zu sich selbst ist und seiner eigenen Wahrheit folgt. Ich brachte meine Mutter jedesmal auf die Palme, wenn ich sie damit konfrontierte. Mit meinem Vater konnte ich nicht reden, weil in der Regel er derjenige war, der das Sagen hatte. Diese mir eigene Sensitivität war immer vorhanden. Egal wo ich war, ich konnte die Gefühle und Strukturen der anderen Menschen wahrnehmen. Ich fühlte ob sie glücklich waren oder nicht, ob sie Kopf- oder Bauchschmerzen hatten; ich konnte es sogar spüren, wenn jemand krank werden oder gar aus dem Leben scheiden würde. Ich kannte die Ursache und wusste deshalb auch, was zur Heilung nötig war. Es war leicht für mich, die Menschen in Kontakt mit ihrer Krankheitsursache zu bringen, und wenn ich sie zum Beispiel mit meinen Händen berührte, begann die Struktur sich aufzulösen und sie fühlten sich
3 unmittelbar besser. Zeigte ich der Person aber die Lösung auf und sagte, dass ich ihr helfen könne, wurde mir meist gesagt, dass ich Unrecht hätte. Damals habe ich noch nicht verstehen können, dass es den Menschen schwer fällt, auf ihre Probleme zu schauen und auf die Wahrheit, die Linderung und Befreiung birgt. Ich fühlte mich missverstanden, Ich war mir doch meiner Wahrnehmung ganz sicher. Ich war überzeugt, dass ich Recht hatte, aber der oder die Andere leugnete alles. Dies lies immer mehr Zweifel in mir aufkommen Zweifel an mir selbst und an der Lösung, die ich sah. Letztendlich konnte ich meine Gefühle von denen der Anderen nicht mehr unterscheiden.
4 Als mein Großvater starb, sagte mein Onkel zu mir, Opa würde schlafen. Ich verstand das nicht, denn ich spürte, dass er tot war, und auch meine Eltern hatten es mir gesagt. Ich sagte zu meinem Onkel: Stimmt nicht, du lügst. Opa ist tot. Meine Erwiderung wurde verärgert als respektlos abgetan. Auf der Oberschule hatte ich etwa vier Freunde. Was sie über sich und ihre Gefühle sagten, verwirrte mich. Mehr und mehr schlich sich das Gefühl in mir ein, dass etwas nicht mit mir nicht stimmt. Ich wollte mich nicht von den anderen Kindern unterscheiden und passte mich ihren Strukturen und Meinungen an, um dazuzugehören, so entfremdete ich mich noch mehr von mir selbst. Meine Gabe war eine Belastung. Durch diese Erfahrungen habe ich mich verschlossen. Ich wollte nicht mehr fühlen, und schon gar nicht die Gefühle der Anderen. Egal welche Ausbildung ich machte, welchen Beruf ich ausübte, es war immer eine Unzufriedenheit in mir. Nichts brachte mich wirklich weiter. Ich merkte, dass mein Leben und mein Denken mir nicht das
5 gaben, was ich tief im Inneren fühlte. So konnte ich nicht weiter machen. Manchmal dachte ich sogar daran, mir das Leben zu nehmen. Einmal versuchte ich, mit dem Auto auf einen Baum zu fahren, auf halbem Weg spürte ich, dass dies kein Ausweg sondern eine Sackgasse war. Ich riss das Steuer herum und knallte beinahe an den Baum auf der anderen Straßenseite. Eineinhalb Stunden blieb ich in meinem Auto an dieser Stelle sitzen. Dann wurde mir klar, ich will jemanden finden, der das tut, was ich als Kind getan hatte. Und ich fand eine Frau, die fühlte was ich fühlte. Sie erklärte mir, dass alles miteinander verbunden ist, und dass im Grunde alles schon Eins ist. Was für eine Erlösung! Endlich fühlte ich mich verstanden. Sie half mir, die Tür zu mir selbst und zur Wahrheit wieder zu öffnen, und ich konnte mich wieder als ganzer Mensch fühlen. Auf einer langen Reise durch meine innere und äußere Welt lernte ich, dass es sehr wichtig ist zu erfahren, zu fühlen und den Mut zu haben hinzuschauen, bevor man wirklich etwas verändern kann. Als Kind habe ich das klar erkannt, aber die meisten Menschen hatten Angst davor, sich damit auseinanderzusetzen. Aus den dramatischsten Ereignissen in meinem Leben habe ich bis heute die meiste Kraft gezogen. Ich habe die Herausforderung angenommen, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen, und ich tue das in jedem Augenblick.
6 Bei der Aufgabe, mich meinen Ängsten und meiner Dunkelheit zu stellen, entdecke ich immer wieder, wie reich mein Leben ist und dass genau dort meine Stärken und Gaben liegen. Und mit diesen Gaben kann ich mich und andere unterstützen. Letztendlich bin ich zu einem Erfahrungs-Experten geworden. Was ich als Kind tat, tue ich jetzt als Erwachsener. Erfahren, fühlen, und teilen was ich gefunden habe, dir zur Seite stehen und dich begleiten auf dem Weg zu deiner Wahrheit. Aus diesem Grund konfrontiere, trainiere und begleite ich Menschen mit Mitgefühl und Leidenschaft. Die Gaben, dir mir als Kind gegeben wurden, wende ich in meinen Trainings zur Unterstützung anderer an. Ich bin voller Leben und nehme alles und jeden an, der mir auf meinem Weg begegnet. Jeder ist willkommen, und wir können alle etwas voneinander lernen auf dem Weg, unsere Balance wieder herzustellen. Diesen inneren Reichtum wünsche ich jedem, auch dir. Wie die Frau sagte, der ich begegnet bin: Eigentlich sind wir alle Eins. Wir müssen uns nur wieder daran erinnern. Ich helfe dir, dich zu erinnern.
Copyright: Julia Gilfert 2017
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