Bedeutung von GIS und Fernerkundung im Kontext von INSPIRE und GMES
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1 734 Bedeutung von GIS und Fernerkundung im Kontext von INSPIRE und GMES Martin KUNERT, Horst STEUER, Julia STAHL, Matthias SCHULZ und Matthäus SCHILCHER Zusammenfassung Die technischen Rahmenbedingungen, die in Zukunft durch INSPIRE und GMES geschaffen werden, bergen ein enormes Potenzial in sich. Während die zu schaffende Europäische Geodateninfrastruktur einen interoperablen Datenaustausch ermöglichen soll, stellt GMES kontinuierlich Erdbeobachtungsdaten bereit. Im Zuge des Projekts InGeoSat sollen die technologischen Voraussetzungen geschaffen werden, um Geodaten von INSPIRE und GMES gemeinsam nutzen zu können. Die Infrastruktur von INSPIRE hat das Potenzial, einen standardisierten und interoperablen Zugriff auf die aktuellen Umweltinformationen der GMES-Initiative zu ermöglichen. Anhand eines Fallbeispiels mit europäischer Dimension wird die Kopplung beider Initiativen vorgestellt. 1 Problemstellung Die Fragmentierung der Wälder in zunehmend kleinere Waldgebiete gefährdet die Tierund Pflanzenwelt. Um diese Zersplitterung, sowie den damit einhergehenden Verlust an Biodiversität zu erfassen und letztlich vermeiden zu können, werden Forstindikatoren zur Überwachung der Wälder verwendet. Bisher findet die Berechnung derartiger Indikatoren auf Desktop-Geoinformationssystemen statt. Trotz einer teilweisen skriptbasierten Automatisierung ist zur Berechnung der Indikatoren nach wie vor ein gewisser manueller Aufwand erforderlich. Aufgrund unterschiedlicher Datenformate und Koordinatenreferenzsysteme gestaltet sich die Integration von GIS-Daten in bestehende Systeme oft schwierig. 2 InGeoSat Das vorgestellte Szenario ist Teil des Projekts InGeoSat (Permanente INSPIRE-GMES- Testplattform für innovative Geo- und Satellitenanwendungen). Während der Laufzeit des Projekts von 2010 bis 2012 soll das bei den Projektpartnern vorhandene Wissen in den Bereichen INSPIRE und GMES genutzt werden, um eine permanente INSPIRE-GMES- Testplattform für die Forschung und Praxis bereitzustellen (HOSSE et al. 2010). Die Projektpartner sind die ESG Elektroniksystem- und Logistik GmbH, die ESRI Deutschland GmbH, die GAF AG und die Technische Universität München (Fachgebiet Geoinformationssysteme). Die Ziele sind, anhand der Testplattform die Synergien und Potenziale einer Kopplung von INSPIRE und GMES zu untersuchen und technologische Voraussetzungen zur gemeinsamen Nutzung von Daten und Diensten aus dem INSPIRE und GMES Kontext zu schaffen. Um den Nutzen dieser Kopplung demonstrieren zu können, werden von den Strobl, J., Blaschke, T. & Griesebner, G. (Hrsg.) (2011): Angewandte Geoinformatik Herbert Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH, Berlin/Offenbach. ISBN Dieser Beitrag ist ein Open-Access-Beitrag, der unter den Bedingungen und unter den Auflagen der Creative Commons Attribution Lizenz verteilt wird (
2 Bedeutung von GIS und Fernerkundung im Kontext von INSPIRE und GMES 735 Projektpartnern unterschiedliche Anwendungsszenarien entwickelt. Die Implementierung der Testinfrastruktur und die Bereitstellung der zugehörigen Web Services findet unter Einsatz unterschiedlicher Technologien statt, damit die Interoperabilität der verschiedenen Systeme auf der Basis von Standards getestet werden kann. 3 Szenario Forstindikatoren (Lösung und Implementierung) Das Szenario des InGeoSat-Projektpartners GAF AG befasst sich mit der Berechnung von flächenhaften Forstindikatoren. Diese wurden im Rahmen des ESA GMES Service Elements Forest Monitoring für die Europäische Umweltagentur entwickelt. Seitens der Umweltagentur werden europaweit einsetzbare Forstindikatoren für SEBI 2010 (Streamlining European 2010 Biodiversity Indicators), die United Nations Convention on Biological Diversity (UNCBD), EURECA (European Ecosystem Assessment) und die Berichterstattung über den Zustand von Europas Umwelt benötigt (GSE FOREST MONITORING 2009). Szenario Forstindikatoren INSPIRE GMES NUTS Gitter Waldflächen OGC Standard OGC Web Processing Service OGC Standard Nutzer Forstindikatoren Geodateninfrastrukturen / INSPIRE Abb. 1: Überblick über das Szenario Forstindikatoren des Projekts InGeoSat (Datenquellen: NUTS-Regionen und Referenzgitter: European Environment Agency, Waldflächen: EU-FP7 Project geoland2, GAF AG) Für das Szenario Forstindikatoren (siehe Abbildung 1) werden auf Basis eines GMES- Rasterdatensatzes und zweier Vektordatensätze der Europäischen Umweltagentur Forstindikatoren berechnet. Die Datensätze der europäischen Verwaltungseinheiten (NUTS) und des Referenzgitters der Europäischen Umweltagentur betreffen die in den Anhängen der
3 736 M. Kunert, H. Steuer, J. Stahl, M. Schulz und M. Schilcher INSPIRE-Richtlinie aufgeführten Themenbereiche (EUROPÄISCHES PARLAMENT UND RAT DER EUROPÄISCHEN UNION 2007). Die EU-Verordnung Nr. 911/2010 sieht GMES-Dienste für die Bereiche Landüberwachung, Überwachung der Atmosphäre, des Klimawandels, der Meeresumwelt, sowie für Katastrophenmanagement und Sicherheit vor (EUROPÄISCHES PARLAMENT UND RAT DER EUROPÄISCHEN UNION 2010). Preprocessing Groundsegment Pan-European Satellite images Pan-European High Resolution Layers Downstream Services End-User Abb. 2: Prozesskette der GMES Initiative im Bereich Landüberwachung (Quelle: GAF AG) Für den zukünftigen GMES-Dienst Landüberwachung wurden im Projekt geoland2 Testprodukte erstellt. Auf Abbildung 2 ist dargestellt, welche Schritte bis zur Fertigstellung eines GMES-Produktes notwendig sind. Nachdem die Satellitendaten vom Bodensegment empfangen und vorprozessiert wurden, entstehen Satellitenbilder, die den gesamten europäischen Raum abdecken. Auf Basis dieses allgemeinen Datensatzes werden im nächsten Schritt fachlich spezifische Datensätze abgeleitet. Im Szenario Forstindikatoren wird an dieser Stelle der Prozesskette ein Testdatensatz mit Waldflächen herausgegriffen. Die Aufgabe des Downstream Service ist es anschließend, durch Verknüpfung mit weiteren Datensätzen und zusätzlichen Berechnungen ein nutzerspezifisches Endprodukt zu schaffen. Im vorgestellten Szenario werden die Forstindikatoren durch Kombination des GMES- Datensatzes mit INSPIRE-Daten berechnet. Bei der Implementierung des Prototyps wurde konsequent auf den Einsatz von Standards des Open Geospatial Consortiums (OGC) geachtet, um die Funktionsweise der zukünftigen Europäischen Geodateninfrastruktur zu testen. Die Datensätze werden deshalb über einen Web Map Service (WMS) und Web Feature Service (WFS) bereitgestellt. Die Zusammenführung aller Datensätze erfolgt durch einen Web Processing Service (WPS). Dieser greift über den Web Feature Service auf die Eingangsdatensätze zu und berechnet die Forstindikatoren (Waldanteil pro Referenzfläche und Anzahl der Waldgebiete pro Referenzfläche) für alle Referenzflächen, die innerhalb einer NUTS-Region liegen. In einem Web-Client (auf Basis des Clients der 52 North Initiative for Geospatial Open Source Software GmbH und OpenLayers entwickelt) können über den Web Map Service alle Datensätze angezeigt werden. Damit der Nutzer eine NUTS-Region auswählen kann, wurde die Web Feature Service-Funktionalität des Web-Clients um ein Auswahlwerkzeug ergänzt. Nach Auswahl der benötigten Datensätze wird eine Anfrage an einen Web Processing Service gestellt. Der für die Berechnung eingesetzte Web Processing Service ist ebenfalls ein OGC-Standard und ermöglicht eine räumliche Analyse sowie eine Prozessierung von Geodaten über standardisierte Schnittstellen. Häufig wiederkehrende Berechnungsvorgänge können dadurch automatisiert und ohne Desktop-Geoinformationssystem durchgeführt werden.
4 Bedeutung von GIS und Fernerkundung im Kontext von INSPIRE und GMES 737 Der Web Processing Service liefert das Ergebnis nach der Berechnung in Form eines GML- Datensatzes an den Web-Client. Die Visualisierung (des Forstindikators mit dem Waldanteil pro Referenzfläche in Prozent) wird durch den Web-Client vorgenommen (siehe Abbildung 3). Alternativ besteht die Möglichkeit, das Ergebnis direkt als Web Map Service oder Web Feature Service bereitzustellen. Somit wäre wiederum eine Einbindung des Ergebnisses in eine Geodateninfrastruktur möglich. Mit diesen webbasierten Diensten soll prototypisch gezeigt werden, wie im Sinne von INSPIRE Daten aus verschiedenen Quellen mittels Standards übertragen und in einen Client integriert werden können. Abb. 3: Visualisierung des Ergebnisses im Web-Client (Datenquellen: NUTS-Regionen und Referenzgitter: European Environment Agency, Waldflächen: EU-FP7 Project geoland2, GAF AG) 4 Ergebnisse Mit dem beschriebenen Szenario konnte nachgewiesen werden, dass in Teilbereichen eine Kopplung der beiden Initiativen mittels Standards möglich ist. Aufgrund der eingesetzten Standards ist auch eine EU-weite Übertragbarkeit der Vorgehensweise auf weitere Szenarien möglich. Die Dienste dieses Szenarios konnten vollständig mit Open Source Software aufgebaut werden. Die Berechnung der Forstindikatoren ist als Prozess eines Web Processing Service unter Einsatz von SEXTANTE-Algorithmen erfolgreich durchführbar. Da die Bedienung ausschließlich mit einem Webbrowser erfolgt, können die komplexen Prozesse auf Servern
5 738 M. Kunert, H. Steuer, J. Stahl, M. Schulz und M. Schilcher ablaufen und dem Nutzer verborgen bleiben. Mittels Standards kann somit eine erfolgreiche Verknüpfung von Daten der Initiativen INSPIRE und GMES erreicht werden. Sie sind geeignet, einen anwendungsübergreifenden Datenaustausch zu ermöglichen und bilden die Grundlage für eine funktionierende Geodateninfrastruktur auf europäischer Ebene. Jedoch treten auch trotz der Verwendung von Standards während der Implementierung zahlreiche technische Probleme auf. Mit dem Einsatz von Web Processing Services kann eine Geodateninfrastruktur um Prozessierungsfunktionen erweitert werden. Somit hat die Kopplung von INSPIRE und GMES das Potenzial, neue Produkte für einen europäischen Geoinformationsmarkt entstehen zu lassen. Wenn in Zukunft ein europaweiter GMES-Forstdatensatz vorliegt, könnten mit diesem Prototyp zu Demonstrationszwecken bestimmte Forstindikatoren für alle NUTS- Regionen Europas berechnet werden. Bisher arbeiten die Open Source Technologien nicht vollständig INSPIRE-konform. Da jedoch INSPIRE auf den Prinzipien der OGC-Standards aufbaut, kann die Funktionsweise einer interoperablen Europäischen Geodateninfrastruktur auch mit den aktuell implementierten OGC-Standards nachgestellt werden. 5 Fazit Mit dem vorgestellten Prototyp konnte gezeigt werden, dass eine erfolgreiche standardbasierte Verknüpfung von Daten der Initiativen GMES und INSPIRE möglich ist. Der Prototyp bietet bereits erste Funktionen und bildet die Grundlage für weitere Tests. Eine Erweiterungsmöglichkeit ist die Integration des Vektorisierungsvorgangs der GMES-Rasterdaten in den Berechnungsablauf der Forstindikatoren. Somit könnten die originalen GMES- Rasterdatensätze über einen Web Coverage Service (WCS) bereitgestellt und durch den Web Processing Service vor der weiteren Verarbeitung vektorisiert werden. Vor allem Analysen im Umweltbereich setzen einen schnellen Zugriff auf aktuelle Umweltinformationen voraus. Künftig durch GMES bereitgestellte Daten können ebenfalls über die standardisierten Zugriffsmöglichkeiten von INSPIRE abgerufen werden. Die Kopplung der Initiativen GMES und INSPIRE bietet die Möglichkeit, die von GMES erwarteten umfangreichen Datenmengen in die Europäische Geodateninfrastruktur zu integrieren und somit eine anwendungs- und grenzübergreifende Interoperabilität zu schaffen. Dadurch können die zahlreichen Probleme, die bisher einen einfachen und schnellen Zugriff auf aktuelle Umweltinformationen verhindern, vermieden werden. Danksagung Für die Förderung des Projekts InGeoSat geht ein besonderer Dank an das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie.
6 Bedeutung von GIS und Fernerkundung im Kontext von INSPIRE und GMES 739 Literatur EUROPÄISCHES PARLAMENT UND RAT DER EUROPÄISCHEN UNION (2007): Richtlinie 2007/2/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2007 zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft (INSPIRE). Online im Internet :0014:DE:PDF (Stand: ). EUROPÄISCHES PARLAMENT UND RAT DER EUROPÄISCHEN UNION (2010): Verordnung (EU) Nr. 911/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 über das Europäische Erdbeobachtungsprogramm (GMES) und seine ersten operativen Tätigkeiten ( ). Online im Internet. LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:276:0001:0010:DE:PDF (Stand: ). GSE FOREST MONITORING (2009): Service Operations Report of the GSE FM Pan- European Forest Monitoring Service to EEA. GAF-AG, Munich. Unveröffentlichtes Dokument. HOSSE, K., STAHL, J. & STEUER, H. (2010): InGeoSat Permanente INSPIRE-GMES- Testplattform für innovative Geo- und Satellitenanwendungen. In: SCHILCHER, M., FICHTINGER, A., KUTZNER, T. et al. 2010: INSPIRE-GMES Informationsbroschüre. 6. Aufl. 44. S. projektarbeit/projekte_topaktuell/inspiregmes/inspire_broschuere_v6_ hochaufl.pdf (Stand: ).
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