MATHEMATISCHE THEORIE STRATEGISCHER SPIELE ODER KURZ NICHTKOOPERATIVE SPIELTHEORIE
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- Tristan Bader
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1 1 MATHEMATISCHE THEORIE STRATEGISCHER SPIELE ODER KURZ NICHTKOOPERATIVE SPIELTHEORIE 1 Verbale Beschreibung strategischer Spiele 2 Extensive n-personenspiele (endlich) 21 Beispiel: 'Standard-Zwei-Personen-Poker' 2 Spieler A und B; 3 Karten 1, 2, 3; Regeln: Jeder der beiden Spieler erhält eine der drei Karten; jeder kennt nur seine Karte Spieler A entscheidet sich für halten (H) oder passen (P) Mit der Entscheidung (P) endet das Spiel; andernfalls: Spieler B entscheidet sich für sehen (S) oder passen (P) Auszahlung: Wenn eine Spieler paßt, so erhält er -1, der andere Spieler +1 Bei (S) erhält der Spieler mit der höheren Karte +2, der andere Graphik 23 Darstellung in Form eines Spielbaumes Das Tripel G = (V, E, h) heißt Graph, wenn gilt, daß die Menge der Positionen (Knotenmenge) V = v 1, v 2, v n die Kantenmenge E = e 1, e k die Inzidenzabbildung h: E V V ist, V V v v v V, v V wobei i j i j (Inzident verbunden) In G heißt v Nachbar (benachbarter Knoten) von w, wenn eine Kante e den Knoten v mit dem Knoten w verbindet Schreibweise: h(e) = v, w Eine Kante e i heißt Schleife oder Schlinge, wenn h(e i ) = v io, v io ist Ein Graph G heißt schlichter oder einfacher Graph, wenn er keine Schleifen und keine parallelen Kanten besitzt
2 2 Gegeben sei ein schlichter Graph, so heißt F = v, v,, v io i1 is eine Kantenfolge oder Kantenzug in G, wenn die Anzahl der Kanten von vi nach v genau 1 ist j1 i j j = 1,, s, dh nur verschiedene Kanten werden durchlaufen s = Kantenzahl von F Eine Kantenfolge F heißt Kette, wenn nur verschiedene Knoten durchlaufen werden Kreis, wenn F geschlossen ist und nur verschiedene Zwischenknoten durchläuft G heißt zusammenhängend, wenn je zwei Knoten verbunden sind Ein zusammenhängender Graph, der keinen Kreis enthält, heißt ein Baum Ein Baum mit einem ausgezeichneten Knoten o, genannt Ursprung oder Ausgangsposition heißt Spielbaum Der Punkt w kommt nach dem Punkt v (w > v) heißt, daß w v und v liegt auf dem Weg von o nach w (analog für x nach v) (Vgl Def der Kette) w wird demnach als Nachfolger von v bezeichnet Ein Knoten, nach dem keine weiteren Knoten mehr kommen, heißt Endknoten Schreibweise: Z: Menge aller Endknoten X: Menge aller Knoten, die nicht Endknoten sind V: X Z Eine Kante, die x mit einem Knoten nach x verbindet, heißt Alternative a an x X
3 3 Eine Kette vom Ursprung o zu einem Endknoten z i heißt eine Partie Gegeben sei ein Graph G Ein Graph G' = (V', E', h') heißt Teilgraph von G, wenn V' V, E' E und h'(e) = h(e) e E' 24 Definition eines Spiels in extensiver Form Ein Sechs-Tupel = (K, P, U, C, p, h) heißt endliches extensives n-personenspiel, wenn gilt: (a) (b) K ist ein endlicher Spielbaum P ist eine Zerlegung von X in Spielerbezirke P i (Knotenmengen), wobei X die Menge der Knoten ist, die nicht Endknoten sind P i heißt Spielerbezirk des i-ten Spielers für i=1,, n P i enthält die Knoten, an denen i entscheiden muß P o ist der Spielerbezirk des Zufalls U ist eine Zerlegung von X in Informationsbezirke (Informationsmengen), dh U ist eine Verfeinerung von P i ; U genügt folgenden Bedingungen: - u U gilt: Keine Partie hat mehr als einen Knoten mit u gemeinsam - u U gilt: An allen x u sind gleichviel direkte Nachfolger - Der Informationsbezirk u P ist obda einelementig; dh der Zufall weiß immer, in welcher Position er sich befindet (d) (e) (f) j j Für jeden Informationsbezirk U i existiert eine Indexmenge C i j zusammen mit einer (bijektiven) Abbildung von C i auf die Menge der direkten Nachfolger eines jeden Knoten aus U ij p ist eine Wahrscheinlichkeitszuordnung, die jedem Zufallszug c eine Wahrscheinlichkeit p( c ) zuordnet Die Wahrscheinlichkeiten für Alternativen ergänzen sich an einem Knoten zu 1 h heißt eine Auszahlungsfunktion, die jedem Endknoten z einen Auszahlungsvektor h(z) = (h 1 (z),, h n (z)) mit reellen Komponenten zuordnet
4 4 25 Der Strategiebegriff Unter einer Strategie hat man sich einen vollständigen Verhaltensplan vorzustellen, der für alle überhaupt denkbaren Situationen, in die ein Spieler kommen kann, eine Entscheidung festlegt Dabei ist zu beachten, daß der spieltheoretische Strategiebegriff durch seine rigorose Vollständigkeitsforderung vom umgangssprachlichen stark abweicht Bezeichnung:,, ist die Menge der reinen Strategien des Spielers i, i i 1 ik wobei k von i abhängig ist,, 1 n ist eine reine Strategienkombination Sie enthält für jeden persönlichen Spieler i eine reine Strategie i i 1 2 n ist die Menge der reinen Strategienkombinationen (auch Menge der Spielsituationen) Z() ist die Menge aller Endknoten, die realisiert werden, falls gespielt wird p(z) ist das Produkt der Wahrscheinlichkeiten von Zufallszügen entlang der Partie nach z Satz: Für z Z() ist p(z) die Wahrscheinlichkeit, mit der z realisiert wird, falls gespielt wird 26 Beispiel um den Begriff der Informationsbezirke plausibel zu machen "Vereinfachtes Hölzchen-Spiel" Von einem Haufen von ursprünglich 6 Hölzchen nehmen zwei Spieler abwechselnd Hölzchen weg und zwar haben sie die Wahl zwischen einem oder zwei Hölzchen Wer das letzte Hölzchen nimmt, ist Sieger Man kennzeichnet dieses Spiel in einem Diagramm dadurch, daß man die möglichen Züge als Kanten zeichnet, an deren Ende (Knoten) der andere Spieler seine Züge realisieren kann Dabei geben die Zahlen an den Knoten den Spieler an, der in dem entsprechenden Zustand am Zug ist; die Zahl 1 am Ausgangsknoten besagt also, daß Spieler 1 beginnt Die Zahlen (i) an den Kanten kennzeichnen, daß i Hölzchen weggenommen werden Die Gewinner bei den möglichen Zugkombinationen lassen sich an dem obigen Diagramm leicht ablesen: Es gewinnt derjenige Spieler, dessen Nummer am Vorgängerknoten des Endknotens markiert ist, der durch diese Zugkombination erreicht wird
5 5 Auch Spiele mit mehr als zwei Spielern lassen sich in dieser Weise in Baumform darstellen: In diesem Fall wird an den Knoten des Baumes durch i N gekennzeichnet, daß der Spieler i am Zug ist; die möglichen Situationen, in die Spieler i im Laufe des Spiels gelangen kann, sind also gerade durch die Knoten des Spielbaums gegeben, an denen die Zahl i notiert ist Die Angabe des Baumes allein reicht jedoch nicht zur eindeutigen Charakterisierung eines Spiels aus Der in Beispiel (26) angegebene Baum ergibt sich nämlich auch, wenn man das vereinfachte Hölzchenspiel so abändert, daß der erste Zug beider Spieler "verdeckt" stattfindet In diesem Fall weiß Spieler 2 nur, daß er sich in einer der beiden ersten mit 2 markierten Positionen befindet, nicht jedoch in welcher Während er bei der ersten Version des Spiels eine Gewinnstrategie besitzt - nämlich y 1 = 3 - x 1, y 2 = 3 - x 2 -, kann er bei der zweiten Version den Sieg nicht erzwingen Die Angabe der Informationsbezirke wird also für die Charakterisierung eines Spiels wesentlich sein Um dieses Spiel in Form eines endlichen 2-Personen-Spielbaums darzustellen, braucht man lediglich das Diagramm zu vervollständigen: Als Baum definieren wir die Menge K = x, x1,, x32; wobei K folgendermaßen geordnet ist: x liegt vor y: x liegt auf dem Weg von x o nach y, sodass x minimales Element ist Damit lassen sich sämtliche Spielerbezirke angeben P x, x, x, x, x, x, x, x, x, x P x, x, x, x, x, x, x, x, x, x Die Mengen der Endknoten,,,, X x x x x Z Die Informationsmengen sind alle einelementig, da jeder Spieler zu jedem Zeitpunkt jeder Partie vollständig über den gesamten bisherigen Spielverlauf informiert ist: U x, x, x, x, x, x, x, x, x, x 1 U x, x, x, x, x, x, x, x, x, x Da bei diesem Spiel der Zufall keine Rolle spielt, gilt U = Entsprechend die Menge der Zugpositionen: C 1 1, 2, 1, 2, 1, 2, 1, 2, 1, 2, 1, 2, 1, 1, 1, 1 C 2 1, 2, 1, 2, 1, 2, 1, 2, 1, 2, 1, 1, 2, 1, 1, 1 Demnach erhalten wir als Mengen reiner Strategien:
6 , ,, Die Menge der reinen Strategienkombinationen ist 1 2 Beispiel: Eine solche reine Strategienkombination ist etwa: = (((2), (1), (1), (2), (1), (1), (1), (1)), ((2), (1), (1), (2), (2),(1), (2), (1), (1), (1))) Sie entspricht in dem oben angegebenen Baum einer Partie, deren Verlauf durch die Kette: x < x 2 < x 5 < x 12 < x 24 beschrieben wird Es bedeutet die erste (2) nämlich, daß an x genau 2 Hölzchen genommen werden, falls Spieler 1 an x 3 zu entscheiden hat, dann soll genau 1 Hölzchen genommen werden, falls der Spieler an x 4 zu entscheiden hat, dann soll genau 1 Hölzchen genommen werden, an x 5 genau 2 Hölzchen an x 6 genau 1 Hölzchen an x 15 genau 1 Hölzchen usf 28 Beispiel: "Zwei-Finger-Morra", um den Begriff der Wahrscheinlichkeitszuordnung plausibel zu machen Zunächst wird eine Münze geworfen, die mit der Wahrscheinlichkeit p Kopf zeigt, sonst Wappen Dann heben zwei Spieler gleichzeitig einen oder zwei Finger Falls "Kopf" gefallen war, ergibt sich die folgende Auszahlung: Stimmen die gezeigten Anzahlen überein, so erhält der Spieler 1 vom Spieler 2 so viele Geldeinheiten, wie Finger gezeigt wurden, stimmen sie nicht überein, so erhält Spieler 2 diese Anzahl( dh 3) Geldeinheiten von Spieler 1 Wenn "Wappen" gefallen war, vertauschen sich die Rollen von Spieler 1 und 2 Zu diesem Spiel, bei dem ein Zufallseinfluß gegeben ist, kann man sofort die folgende Baumdarstellung angeben mit U x U x, x 1 1 2,,, U x x x x und die an den Endknoten 1 angegebenen Zahlungen von Spieler 2 an Spieler 1 An diesem Beispiel erkennt man, daß die formale Beschreibung eines Spiels durch einen n-personen-spielbaum ia unvollständig ist, wenn eine "Bewertung" der möglichen Spielausgänge, also die Auszahlungsfunktion, fehlt (Vgl ausführlich 21)
7 7 29 Beispiel: "Stein-Schere-Papier", um die Äquivalenz von Spielbäumen zu zeigen Auch dieses Spiel läßt sich in Form eines endlichen 2-Personen- Spielbaums (ohne Zufallseinfluß) darstellen; mit der Identifikation Stein 1, Schere 2, Papier 3 läßt sich die nachfolgende Baundarstellung angeben: Der Spielbaum K besteht aus den Knoten x,, x ; wegen des "gleichzeitigen Zeigens" gilt 12 U x, 1 U x, x, x Bei beiden Spielern gilt für die Mengen der reinen Strategien i 1, 2, 3, i=1, 2 ; die Menge der reinen Strategienkombinationen ist also j, k ; j, k 1, 2, 3 Die Beispiele zeigen, dass man den Ablauf eines Spiels auf verschiedene Arten in Form eines n-personen-spielbaums im Sinne der Definition (24) darstellen kann So beschreibt der folgende Baum ebenso wie der in (29) angegebene das Spiel "Stein-Schere-Papier" Es erscheint deshalb angebracht, die aus beiden Baumschemata erhaltenen Spiele zu "identifizieren" Eine knappe Darstellung davon wird in 21 gegeben werden 21 Äquivalenz von n-personen-spielbäumen Gegeben seien zwei endliche n-personen-spielbäume K und K*, dann gilt: (i) Eine Umbenennung des Knotens im Spielbaum kann durch eine bijektive Abbildung : K K* erfolgen, sodass x, y K: x < y x * y (ii) Es kann eine Permutation gefunden werden, die eine (zeitliche) Vertauschung der Zug-Positionen der Spieler beschreibt, wobei für die Spieler 1,, n die Informationsbezirke erhalten bleiben (iii) Es kann eine Bedingung gefunden werden, die sicherstellt, dass beim Vertauschen der Zug-Positionen zu jedem Informationsbe zirk des i-ten Spielers in dem einen Spiel ein "entsprechender" Informationsbezirk desselben Spielers im anderen Spiel gefunden werden kann, und zwar von folgender Form: Die beiden zugehörigen Mengen der Alternativen sind gleich, und aus beiden Informationsbezirken können die gleichen Endpunkte in den beiden Spielbäumen erreicht werden (Dh keiner der Spieler soll durch die Vertauschung irgendwelche Information gewinnen bzw verlieren) (iv) Falls ein Zufallseinfluß vorhanden ist, sei verlangt, dass die Zahl der möglichen Ergebnisse des Zufallsexperimentes gleichbleiben soll, ebenso wie die Wahrscheinlichkeiten, mit denen die einzelnen Ergebnisse auftreten Außerdem wird verlangt, dass kein Informatiotionsgewinn bzw -verlust auftritt
8 8 Der Nachweis kann leicht geführt werden, daß es sich bei durch 21 (i) - (iv) charakterisierten Relation um eine Äquivalenzrelation handelt, indem die Eigenschaften gezeigt werden: Reflexivität Symmetrie und Transitivität 211 Auszahlungsfunktionen Bei der verbalen Beschreibung von Spielsituationen hatten wir bereits gemerkt, daß zur vollständigen Beschreibung eines strategischen Spiels auch die Bewertung der möglichen Ausgänge von Partien gehört In den Beispielen 26 und 28 waren die möglichen Ausgänge "Gewinn" und "Verlust" sowie in einigen Fällen "Remis" Andere Beispiele zeigen, daß der "Gewinn" durchaus verschieden hoch ausfallen kann: Heben beim "Zwei-Finger-Morra" beide Spieler einen Finger, so erhält der Gewinner 2 Geldeinheiten, zeigen sie verschiedene Anzahlen, so bekommt der Gewinner 3 Geldeinheiten, und zeigen sie schließlich beide zwei Finger, so erhält der Gewinner 4 Geldeinheiten usf Ein kurzer Zusatz sei zur Thematik der subjektiven Beurteilungskriterien angebracht: Ein Remis zwischen zwei verschieden guten Schachspielern (Anfänger und Meister) etwa dürfte bei beiden sicherlich konträre subjektive Bewertungen hervorrufen Solche subjektiven Beurteilungskriterien können wiederum die Beurteilung der Spielerergebnisse (bzw bereits der Strategie) wesentlich beeinflussen Deshalb wäre es angebracht, auf Präferenzrelationen* und Nutzenfunktionen** einzugehen * Eine Präferenzordnung auf Y ist eine zweistellige Relation auf Y mit den Eigenschaften (i) x y (y x) (Asymmetrie) (ii) (x y) (y z) (x z) (negative Transitivität) ** Auf Y seien eine zweistellige Relation R und eine Funktion x: Y R 1 gegeben Die Relation R wird durch z repräsentiert, falls gilt: xry u(x) < u(y) ; u heißt dann Nutzenfunktion zu R
9 9 Daß höchstens Präferenzordnungen durch reellwertige Funktionen repräsentiert werden können, ergibt sich sofort aus den Anordnungsaxiomen der reellen Zahlen: (i) u(x) < u(y) (u(y) < u(x)) (ii) u(x) u(y) u(z) u(x) u(z) Dass man andererseits nicht jede Präferenzordnung durch Nutzenfunktionen repräsentieren kann, läßt sich etwa an der lexikographischen Ordnungsrelation zeigen Es gibt einen Satz* über die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für die Existenz einer Nutzenfunktion, dh die Bedingungen dafür, wann eine Präferenzrelation durch eine Nutzenfunktion u: Y R 1 repräsentiert werden kann Allerdings ist damit noch keine Aussage über die Art der Nutzenfunktion getroffen; es gibt aber sehr verschiedenartige Nutzenfunktionen, die ein und dieselbe Präferenzrelation repräsentieren Für die Auswahl der passenden Nutzenfunktion gibt der Satz von Birkhoff keine Anhaltspunkte Diese Festlegung müssen die Spieler selbst treffen Der Einfachheit halber wird meist davon ausgegangen, dass die Spieler von Neumann-Morgenstern Nutzenfunktionen haben, die linear von den Geldeinheiten abhängen Dann braucht zwischen Geldauszahlungen und Nutzen kein Unterschied gemacht werden 212 Erwartungsauszahlung und gemischte Strategien H p( z) hz heißt der Erwartungswert der Auszahlung zz (die erwartete Auszahlung), wobei h(z) = (h 1 (z),, h n (z)) der Auszahlungsvektor ist, Z() die Menge der Endpunkte ist, die mit positiver Wahrscheinlichkeit erreicht werden, falls die Strategie gespielt wird, und p(z) ist das Produkt der Wahrscheinlichkeiten der Alternativen auf der Partie nach z
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