Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

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1 Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Staatsminister Helmut Brunner Kongress zum UN-Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe 5. Juni 2014, München Es gilt das gesprochene Wort! Referat Presse Telefon Ludwigstraße München Telefax

2 Anrede! Auch ich heiße Sie herzlich willkommen an diesem Ehrentag für die bäuerlichen Familienbetriebe. Dass die Vereinten Nationen 2014 zum Internationalen Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe ausgerufen haben, ist ganz im Sinne Bayerns. Schließlich ist die flächendeckende Landbewirtschaftung durch möglichst viele bäuerliche Familienbetriebe Leitbild bayerischer Agrarpolitik. Ich begrüße es, dass wir in der deutschen Agrarpolitik einen Blickwechsel vollzogen haben: Zum 1. Mal werden bei den Direktzahlungen die bäuerlichen Familienbetriebe in der neuen Förderperiode besser gestellt! I. Leistungen der bäuerlichen Landwirtschaft Gerade die bäuerlichen Familienbetriebe im Haupt- oder Nebenerwerb erbringen über die Erzeugung von Lebensmitteln und Nachwachenden Rohstoffen hinaus vielfältige Leistungen, die unsere Heimat so lebenswert macht: attraktive Kulturlandschaften sowie lebendige Kultur und Brauchtum. Und wir müssen uns immer S e i t e 1

3 wieder in Erinnerung rufen: Die Attraktivität Bayerns als Wirtschafts- und Wohnstandort hängt zu einem bedeutenden Anteil von den sog. weichen Standortfaktoren ab, die durch die bäuerliche Landwirtschaft geschaffen werden. Es sind nicht nur die Opernhäuser und Theater in den Städten, die Sport- und Musikevents oder die reichhaltige Baukultur, nein, es sind auch die gepflegten Landschaften, die schmucken Dörfer und die hohe Lebensqualität, die Bayern für Einheimische und Touristen so attraktiv machen. Um hierzu Zahlen und fundierte Argumente für die fachliche Diskussion zu erhalten, werde ich eine Studie in Auftrag geben, die die externen Leistungen der bäuerlichen Familienbetriebe für Wirtschaft und Gesellschaft herausarbeiten soll. II. Herausforderungen In Abwandlung eines Zitats von Ihnen, Herr Sonnleiter, kann ich sagen: Landwirtschaft ist etwas für die Mutigen und Tüchtigen. Sie steht wieder einmal vor neuen großen Herausforderungen. Ich nenne nur: S e i t e 2

4 1. den Klimawandel, der rascher als wir dachten, neue Anbaustrategien und Haltungsverfahren erfordert, 2. den weiter steigenden Kapitalbedarf für eine immer anspruchsvollere Technik, der immer häufiger überbetrieblichen Einsatz und eine optimierte Logistik erzwingt, 3. das Abnehmen der landwirtschaftlich verfügbaren Flächen, das eine höhere Intensivierung bei größtmöglichem Ressourcenschutz erfordert, 4. den Fachkräftemangel, der inzwischen auch auf die Land- und Ernährungswirtschaft durchschlägt und der eine aktivere Strategie zur Rekrutierung und vielleicht auch attraktivere Arbeitsbedingungen erfordert, 5. den dynamischen wissenschaftlich-technischen Fortschritt, der eine lebenslange Qualifizierung bedingt und 6. weiter steigende gesellschaftliche Anforderungen an die Produktion bei gleichzeitig hohem Konkurrenz- und Preisdruck auf den Märkten. S e i t e 3

5 Dabei können die z.t. widersprüchlichen Anforderungen von Gesellschaft und Politik, wie preiswerte Lebensmittel- und Energieerzeugung, Bereitstellung von ökologischen Flächen (Greening, Flächenstilllegung) bis hin zu größtmöglichen Umwelt- und Naturschutz, nur schwer unter einen Hut gebracht werden. Auch wir als Bürger und Verbraucher brauchen einen Blickwechsel! Ich bin zuversichtlich, dass unsere Bäuerinnen und Bauern die aktuellen Herausforderungen meistern werden, denn bäuerliche Familienbetriebe waren und sind flexibler als die meisten anderen Unternehmensformen im Agrarbereich. III. Erfolgsfaktoren bäuerlicher Familienbetriebe Und damit komme ich zu den Faktoren, die die bäuerlichen Familienbetriebe so erfolgreich machen: Bäuerliche Familienbetriebe zeichnen sich aus durch hohe Anpassungsfähigkeit sowie Offenheit und die Bereitschaft, Neues anzunehmen. Bäuerliche Familien- S e i t e 4

6 betriebe wirtschaften eigenverantwortlich und selbstbestimmt. Sie haben wenig abhängige Beschäftigte und deutlich weniger Fremdkapital als andere Unternehmensformen und sind damit wirtschaftlich stabiler. Bäuerliche Familienbetriebe haben häufig weitere Unternehmensstandbeine und können dadurch Risiken besser bewältigen. Bäuerliche Familienbetriebe zeigen hohe Verantwortung für die Tiere als Mitgeschöpfe, für Natur und Umwelt sowie für ihr Lebensumfeld (Dorf, ländlicher Raum). Sie genießen zu Recht ein hohes gesellschaftliches Ansehen: Gut 81% der Deutschen vertrauen den Landwirten, so eine aktuelle von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) durchgeführte Studie. IV. Bayerischer Weg in der Agrarpolitik Mit landwirtschaftlichen Betrieben, i. d. R. bäuerliche Familienbetriebe wirtschaften rd. 1/3 aller deutschen Höfe im Freistaat. Die grünen Berufe sind so attraktiv wie schon lange nicht mehr. Selbst bei den Nebenerwerbsbetrieben rd bewirtschaften knapp S e i t e 5

7 30% der LF stelle ich ein neues Selbstbewusstsein fest. Verbraucherinnen und Verbraucher sind stärker denn je an landwirtschaftlichen Themen interessiert. Dies ist auch eine große Chance für die Landwirtschaft: Denken Sie an regionale Produkte, an die Bereitstellung zusätzlicher Dienstleistungen (hauswirtschaftlicher Fachservice, Grünpflege) oder an das weite Feld der Diversifizierung (UadB, soziale Landwirtschaft etc.). Ich will, dass jeder landwirtschaftliche Betrieb Zukunftsperspektiven hat, unabhängig von der Größe, der Betriebsausrichtung und der Bewirtschaftungsform. Bayern bietet aufgrund seiner hervorragenden Infrastrukturausstattung, seiner vielfältigen Wirtschaftsstruktur und der hohen Kaufkraft vor Ort dafür zahlreiche Möglichkeiten. Entscheidend sind Kreativität, unternehmerisches Geschick, Risikobereitschaft und der Mut zur Veränderung. Die bäuerlichen Familienbetriebe können sich auch in Zukunft auf die bayerische Agrarpolitik verlassen: Wir unterstützen unsere Bäuerinnen und Bauern durch moderne und vielfältige Bildungs- und Beratungsange- S e i t e 6

8 bote, eine bundesweit beispiellose praxisnahe Forschung (LfL, LWG), honorieren die von der Gesellschaft gewünschten Gemeinwohlleistungen (KULAP/VNP) und bieten Investitionsanreize (EIF/DIV), um den eigenen Betrieb fit für die Zukunft zu machen. VI. Globale Perspektive Auch global spielt der bäuerliche Familienbetrieb eine zentrale Rolle, insbesondere für die Ernährungssicherung einer wachsenden Bevölkerung, die bis zum Jahr 2050 auf über 9 Mrd. Menschen ansteigend wird. Ich bin daher froh darüber, dass die Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume heute wieder Schwerpunkt in der Entwicklungspolitik der Industriestaaten ist. Auch mein Ressort arbeitet in diesem Sinne projektbezogen mit verschiedenen Entwicklungsländern zusammen, z.b. mit dem Benin der Mongolei und Madagaskar. S e i t e 7

9 VII. Schluss Der Blick über den eigenen Tellerrand ist auch deshalb wichtig, weil wir uns so selbst aus einer anderen Perspektive sehen und hinterfragen. Ist es z.b. richtig, dass wir uns fast ausschließlich mit den ökonomischen Aspekten der Landwirtschaft befassen? Natürlich kann kein Betrieb ohne unternehmerisches Denken und kaufmännisches Handeln überleben aber, so meine ich, das reicht nicht. Die Wirtschaftsjunioren, die jungen Unternehmer und Führungskräfte Deutschlands, sprechen wieder vom ehrbaren Unternehmertum und definieren ihre gesellschaftliche Verantwortung auch in Richtung sozialer Nachhaltigkeit. Familie und Gesundheit, Beruf, Bildung und Innovation haben bei ihnen einen neuen Stellwert. Davon könnte sich auch die bäuerliche Landwirtschaft inspirieren lassen! Auch die Solidarität unter Berufskollegen, die aufgrund des Pachtkampfes um die wichtige, aber knappe Ressource Boden immer öfter zu kurz S e i t e 8

10 kommt, gewinnt wieder an Bedeutung ebenso wie Zufriedenheit und gesunde Lebensführung. Ist es wirklich erstrebenswert 365 Tage auf dem Hof an- und eingespannt zu sein, oder gibt es nicht andere Lösungen, mit deren Hilfe die notwendige Auszeit vom Betrieb überbrückt werden kann (Betriebshelfer, Betriebskooperationen, Teilen einer Fremd-AK)? Geben wir der nächsten Generation ausreichend Raum für Bildung und eigene Erfahrungen, auch außerhalb des eigenen Umfeldes (Fremdlehre, Auslandspraktikum, weitere berufliche Qualifikationen). Dies ist für das Heranreifen selbstverantwortlicher Persönlichkeiten wichtig und bringt sie mit neuem Elan und wertvollen Erkenntnissen auf die Höfe zurück. Und wer seinen Kindern vorlebt, dass Landwirtschaft ein erfüllender Beruf ist, der auch Spaß macht, bei dem der Arbeitstag selbst gestaltet werden kann und bei dem auch die Erholung nicht zu kurz kommt, wird leichter einen Hofnachfolger finden. Dann hat die bäuerliche Landwirtschaft Zukunft! S e i t e 9

11 Anrede! Auch ich werde auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene alles dafür tun, damit die bäuerlichen Familienbetriebe Perspektiven haben und im Wettbewerb bestehen können, wir auch in Zukunft unsere vielfältigen Lebensmittelspezialitäten genießen können und Bayern als Heimat mit Zukunft lebens- und liebenswert bleibt. Gespannt bin ich nun, wie die bäuerliche Landwirtschaft, ihre Leistungen und Zukunftschancen von den verschiedenen Referenten eingeschätzt werden. Ich freue mich besonders auf die Diskussion mit Ihnen, liebe Bäuerinnen und Bauern, den Hauptdarstellern dieses Tages. Ich wünsche Ihnen interessante Anregungen, gute Gespräche und neue Kontakte. S e i t e 10