Weniger ist. Kleider nur noch secondhand? Alternative Lebens -

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1 TITELTHEMA»Deutschland im Kaufrausch die Deutschen kaufen so gerne ein wie seit Jahren nicht mehr!«dies ging zum Herbstbeginn durch die Medien. Falls Sie derartige Meldungen auch künftig ohne Vorbehalt aufnehmen wollen, lesen Sie bitte auf Seite 24 weiter. Sollte der Jubel der Konsum forscher Sie eher skeptisch stimmen, wird Sie unser Titelthema bestärken. Weniger ist Die Politik irrt im Glauben, dass unser übergroßer Hunger nach Energie und Rohstoffen allein durch eine»grüne«wirtschaft gemäßigt werden kann. Sie muss es uns leichter machen, nachhaltige Lebensstile zu praktizieren findet die Ehrenvorsitzende des BUND, Angelika Zahrnt. Kleider nur noch secondhand? Alternative Lebens - entwürfe ohne Auto oder Plastik? Die individuellen Wege zu einem ökologisch und sozial verantwortbaren Lebensstil sind vielfältig. Diese Selbstversuche bergen Klippen und Konflikte, erst recht, wenn die ganze Familie mitziehen soll. Sie sind heute auch literarisch dokumentiert, wahlweise ernsthaft reflektierend oder lustvoll karikierend. Reihenweise helfen uns Ratgeber, um - weltfreundlich zu wohnen, zu kochen oder zu reisen und uns im Dschungel öko-fairer Gütesiegel zurechtzufinden. Es fehlt nicht an nachdenklich-philosophischen Büchern und Erfahrungsberichten, wie ein Weni ger an Konsum das Leben bereichern kann. Dies bestätigt auch die neuere Glücksforschung. So weit, so positiv. blickwinkel/mcphoto Doch ob wir in Fußgängerzonen und Shoppingmalls blicken oder in Statistiken über Konsum und Ressourcenverbrauch das Resultat ist ernüchternd: All die individuellen Ansätze tangieren die Konsumgesellschaft nicht wesentlich und führen kaum zu ökologischer Entlastung. Gegen den (Konsum-)Strom schwimmen kann beleben, auf Dauer auch anstrengen doch zum Massensport wird es nicht. Ob individuelle Strategien, Gemeinschaftsprojekte oder lokale Initiativen, die herrschende Konsumorientierung scheinen sie nicht ändern zu können. Warum Effizienz nicht reicht In der politischen Diskussion dominiert derzeit die Vorstellung, dass vor allem eine»grüne«wirtschaft zu nachhaltiger Entwicklung führe: mit erneuerbarer statt fossiler Energie, pflanzlichen statt fossilen und mineralischen Rohstoffen, mit der effizienteren Nutzung von Energie und Ressourcen bei der Herstellung sowie mit effizienteren Produkten. Doch die Rechnung geht nicht auf. Ein Beispiel: Viel Hoffnung galt dem Einsatz von Biomasse zur Energiegewinnung und als Beimischung im Benzin. Doch der massive Anbau von Energiepflanzen wie Mais und Raps hat die Artenvielfalt auf unseren Feldern stark verringert. Und auf der Südhalbkugel fielen dem Anbau wertvolle Wälder zum Opfer, wie auch Felder, die bisher zur Ernährung dienten. Erst spät hat die Politik die fatalen Folgen des Booms für Natur, Klima und Ernährung erkannt und steuert nun mühsam um. Einmal mehr haben uns die ökologischen Grenzen eingeholt. Produkte nur effizienter zu machen, reicht aus ei - nem anderen Grund nicht aus: Nach technischen Neuerungen, die die Umwelt entlasten, ändern wir unser Verhalten oft so, dass der Effekt wieder zunichte wird. Ein Beispiel: Spritarme Autos können dazu verführen, mehr zu fahren. Und sparsamere Kühlschranke dazu, ein zwei Nummern größeres Modell anzuschaffen und 12 BUNDmagazin [4-13]

2 »Weniger ist mehr«das umschreibt, was Fachleute unter»suffizienz«verstehen (von lat. sufficere = ausreichen). Gemeint ist das Streben nach dem rechten Maß; nach einem möglichst geringen Rohstoff- und Energieverbrauch im Sinne von»gut leben statt viel haben«. Als Erdbewohner mit vergleichsweise verschwende - rischem Lebensstil kommen wir nicht umhin, langfristig weniger zu konsumieren. mehr das alte (das ja noch funktioniert) als Reserve im Keller laufen zu lassen. Was im Einzelfall harmlos erscheint, vermag in der Summe die technisch erreichte Entlastung zu konterkarieren. Pferdestärken umso mehr. Sechs von zehn deutschen Neuwagen werden als Dienstwagen zugelassen! Lohnen würden sich zudem Gesetze, die Firmen schärfer und länger für die Haltbarkeit ihrer Produkte haftbar machen. (siehe Interview auf Seite 20) Sodann muss die Politik auch den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmen anpassen. Eine ökologische Steuerreform verteuert den Verbrauch natür - licher Ressourcen und vergünstigt zugleich den Faktor Arbeit. Damit fördert sie eine umweltverträgliche Produktion und macht Dienstleistungen (wie die Reparatur einer Waschmaschine) lukrativer. Zudem unterstützt sie die Regionalisierung und bekämpft den umweltschädlichen Transportwahn. Die Politik ist gefragt Daher gehören Effizienz und Suffizienz zusammen. Wir benötigen umweltverträglichere Produkte und Dienstleistungen und einen klugen Umgang mit ihnen. Unsere Wirtschaftspolitik muss Produktions- und Konsummuster fördern, die auch bei globaler Verbreitung die Erde nicht überstrapazieren. Die Kritik an der Konsum- und Wegwerf - gesellschaft ist so alt wie sie selbst. Genauso alt sind die Appelle für einen anderen Lebensstil, für Maßhalten und Begrenzung. Doch diese Appelle finden nur wenig Resonanz, solange die Politik auf Wachstum schwört und der Konsum ihr als Motor dient. Auch dies ruft nach einer Politik, die neue Rahmen - bedingungen schafft: damit»einfacher leben«einfacher wird und unser Lebensstil nicht die ökologischen Grenzen sprengt. Konkret werden Eine Politik der Suffizienz kann zunächst einmal gezielt gegen Konsum und Verschwendung vorgehen. Etwa indem sie die Werbung einschränkt, die uns täglich belästigt morgens mit zugeklebten Fenstern im Bus, abends mit Unterbrechungen im Fernsehen. Wirksam wäre auch, das Dienstwagenprivileg abzuschaffen; denn beim Dienstwagen zählt der Spritverbrauch wenig, die Tim Flach (aus»hunde«, Knesebeck Verlag) [4-13] BUNDmagazin 13

3 TITELTHEMA Ein anderer langer Hebel, um individuelle Lebensstile zu beeinflussen, ist der Arbeitsmarkt. Denn wird die Teilzeitarbeit steuerlich bevorzugt und in der Sozial - versicherung besonders berücksichtigt, hilft dies die Arbeitszeiten zu verkürzen. Das würde Menschen mehr Freiraum für die Eigenversorgung sowie für Gemein - schaftsinitia tiven und Freizeit eröffnen und als Gegengewicht zur Konsumorientierung wirken. Selbstmachen statt konsumieren In den letzten zwanzig Jahren haben sich die Unterschiede bei Einkommen und Vermögen deutlich vergrößert. Diese durch eine geeignete Steuerpolitik wieder zu verringern, ist ein sozial- wie umweltpolitisches Gebot. Tatsächlich gibt es empirische Hinweise, dass sozial ausgeglichenere Gesellschaften weniger am Kon - sum orientiert und offener für Veränderungen sind. Schließlich sollten kommunale und regionale Strukturen ein»ressourcen-leichteres«leben erlauben, das sich weniger an individuellem Güterbesitz ausrichtet. Dazu zählt, dass möglichst viele Menschen möglichst ganz ohne Auto mobil sein können. Dazu zählen auch frei zugängliche Einrichtungen für Kultur und Sport wie öffentliche Büchereien oder Trimm-dich-Pfade, Biker-Anlagen etc. Gefragt sind ferner Bildungsangebote, die nützliches Wissen und Können vermitteln: zum Selbermachen, Reparieren oder Gärtnern. Auch an Gemeinschaftsprojekten wie Carsharing, Nachbarschaftsgärten und Mehrgenerationenhäusern kann eine Suffizienzpolitik vor Ort ansetzen. Abschied vom Wachstum Suffizienz klingt gut und gefährlich. Manchen Politikern dürfte schwanen, dass sich die Sonntagsreden von der Genügsamkeit am Montag in weniger Umsatz niederschlagen und damit zu weniger Wachstum führen könnten. Aber die Politik sollte sich ohnehin nicht weiter am Wachstum von Gütern und Dienstleistungen ausrichten sondern an Wohlergehen, sozialem Ausgleich und dem Schutz natürlicher Lebensgrundlagen. Unsere Politiker sollten sich damit auseinandersetzen, wie diese Ziele in einer Wirtschaft ohne Wachstum erreicht werden können. Derzeit ist die aktuelle Politik weit von diesen Gedanken entfernt. Sie bemüht sich und hofft darauf, das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln. Aber die Skepsis, ob dies gelingt und ob dies erstrebenswert ist, wächst auch in der Politik. Die Enquetekommission»Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität«des Deut - schen Bundestags ist ein Indiz dafür. Den politischen Wandel weg vom Wirtschaftswachstum und hin zu einer Suffizienzpolitik muss ein gesellschaftlicher Wandel vorbereiten und begleiten. Angelika Zahrnt Was der BUND beitršgt Schon in den 1970er-Jahren kritisierte der BUND Wachstumspolitik und Verschwendung. Einen spar samen Umgang mit Energie, Ressourcen und Fläche zu fordern, ist ein Kern unserer politischen Arbeit. Ebenso die Überzeugung, dass dazu nicht nur technische Verbesserungen, sondern auch ein kultureller Wandel und veränderte Lebensstile gehören. So hat der BUND mit»misereor«und»brot für die Welt«1996 und 2008 Studien zu einem»zukunftsfähigen Deutschland«in Auftrag gegeben. Die Debatte um globale, generationsübergreifende Verantwortung und neue Konsum- und Lebensstile erreichte so eine breite Öffentlichkeit. Die Ehrenvorsitzende des BUND hat gemeinsam mit Uwe Schneidewind ein Buch zum Thema geschrieben. Es ist Anfang November unter dem Titel»Damit gutes Leben einfacher wird«im oekom-verlag erschienen. Für den BUND ist Suffizienz also kein neues Thema. Als unabhängiger Um - weltverband können wir die Diskussion um eine suffizientere Verkehrs-, Agrar- oder Abfallpolitik voranbringen. Wir können neue Konzepte entwickeln und Visionen wagen, die Alternativen zum»weiter, schneller, mehr«in Projekten konkretisieren und im eigenen Umfeld stilprägend sein. An - statt zu resignieren (»There is no alternative«), können wir Mut machen: Eine andere Welt ist möglich! [in Anlehnung an das Kapitel»Zivilgesellschaft«im nebenstehenden Buch] 14 BUNDmagazin [4-13]

4 Suffizienz im Alltag Nutzen statt besitzen Mieten statt kaufen, reparieren statt wegwerfen: Wer Dinge gemeinsam nutzt oder lange verwendet, trägt dazu bei, Ressourcen zu sparen und die Warenströme nicht noch weiter anschwellen zu lassen. Tauschen und Teilen liegt im Trend unterstützt von den neuen Möglichkeiten der digitalen Welt. Ende September im hessischen Wehrheim: Eine Handvoll Frauen baut in der Ortsmitte Tapezier - tische auf. Bald füllen sie sich mit Stauden aller Art: willkommen zur Pflanzenbörse des BUND Wehrheim. In jedem Frühjahr und Herbst können Gartenfreunde hier überschüssige Pflanzen abgeben oder sich neue Pflanzen einpacken, kostenlos. Schon seit 1990 koordiniert Almut Gwiasda das Geschehen. Angebot und Nachfrage sind über die Jahre enorm gestiegen. Michael Pyper Gemeinsamkeit hat Konjunktur Die Idee, Ressourcen gemeinsam zu nutzen, ist nicht neu. Ihr verdanken wir verschiedenste Annehmlichkeiten. Eine lange Tradition haben Wohngemeinschaften und Büchereien, Waschsalons und Fahrradverleihe oder die genossenschaftlichen Maschinenringe in der Landwirtschaft. Jünger ist die Idee des Carsharings, das, nach langem Nischendasein, in den Städten heute auf starke Nachfrage stößt. Nicht nur Autos werden geteilt: Der Markt der gemeinschaftlichen Güter boomt, und das vor allem via Internet. Ein Beispiel von vielen: Unter»Couchsurfing.org«bieten Menschen in über Städten und allen Ländern der Welt ihr Heim gratis für begrenzte Zeit zum (Mit-)Wohnen an. Immer mehr Menschen nutzen ganz selbstverständlich die unendlichen Möglichkeiten der digitalen Welt. Das hat auch den Handel mit gebrauchten Dingen revolutioniert. Zwar haben traditionelle Flohmärkte weiter viel Zulauf. Doch der Vergleich mit Verkaufsbörsen wie»ebay.de«zeigt: Der Handel mit Secondhand- Gütern von privat an privat hat online ganz andere Dimensionen bekommen. Dies auch, weil über soziale Medien wie Facebook oder Twitter neue Seiten und lohnende Angebote in Windeseile weitergereicht, ausgetauscht und empfohlen werden. Gleichzeitig differenziert sich das Angebot im Netz stark aus. Wie bei gebrauchter Kleidung: Ob Kinderklamotten, schicke Vintage-Sachen oder teure Designermode, es gibt jeweils gleich mehrere Spezialan bieter. Dazu kommen Allrounder wie»kleiderkreisel.de«, die den Community-Gedanken hochhalten. Wehrheim im Hochtaunuskreis: Schauplatz einer der vielen von BUND-Gruppen veranstalteten Pflanzenbörsen. Anzeige Der Tee aus unseren Teegärten wird im Einklang mit der Natur angebaut. Ashok Kumar Lohia, Darjeeling Produzent und Lieferant der Teekampagne seit 1998 Bei der Teekampagne können Sie jede Teepackung bis zum Ursprung zurückverfolgen. Teekampagne garantiert 100% Darjeeling, 100% Bio, 100% Qualität, 100% Transparenz. DIREKT ZU BESTELLEN: Tel.: (0331) oder im *Teekampagne Grüner Darjeeling FTGFOP 1, lose, Naturland Projektwerkstatt, Gesellschaft für kreative Ökonomie mbh, Pasteurstr. 6-7, Potsdam DE-ÖKO-005

5 TITELTHEMA Besitz als Ballast 10. Oktober im Bezirksamt Fried richshain- Kreuzberg: Eine Initiative namens»amt für Werbefreiheit und gutes Leben«übergibt 1300 Überschriften. Mit einem Einwohner - Innenantrag möchte sie erreichen, dass alle kommerzielle Außenwerbung in dem Ber - liner Be zirk verboten wird. Denn deren ständige Konsumanreize führten zu unnötig hohem Ressourcenverbrauch. Zunehmend reagieren Robert Neumann/Fotolia.com Menschen allergisch auf die Omnipräsenz von Werbung, auf den Dauerappell zu kaufen, was der Geldbeutel hergibt. Warum Neues anhäufen, das wir wenn überhaupt nur selten brauchen? Warum sich mit dem Ballast so vieler Dinge be schweren? Mit einem eigenen Auto zum Beispiel, dessen Kosten oft in keinem Verhältnis zu seinem Nutzen stehen (solange wir nicht wirklich da rauf angewiesen sind)? Oder mit Bergen von Büchern, die wir doch nur einmal lesen? Eigentum kann befreien, von Existenzsorgen etwa. Wer aus einem langjährig prekären Mietverhältnis in eine eigene Bleibe wechseln kann, weiß darum. Eigentum verpflichtet aber auch. Unsere Habseligkeiten beanspruchen Raum und Zeit, wollen sauber und in Schuss gehalten werden. Und sie wollen mit, wenn es uns an einen neuen Ort zieht. Eigentum kann also auch belasten und unbeweglich machen. Wer wüsste nicht, wie wohl es tut, von Zeit zu Zeit auszumisten? Die Suche nach Abnehmern für das, was wir nicht mehr benötigen, ist leichter geworden. Ob alte Möbel oder selten Getragenes aus dem Kleiderschrank was noch brauchbar ist, findet vor al lem in digitalen Netzwerken rasch Interessenten. Es muss ja nicht immer Neuware sein, gebrauchte Dinge tun es oft ebenso. Weil sie sich schon bewährt und als haltbar erwiesen haben. Oder weil sie schlicht origineller sind als die Massenware, die jeder hat. Wer kann es richten? Gebrauchte Dinge weiterzuverwenden liegt besonders nahe, wenn sie sich schon in unserem Besitz befinden. Wenn es nur einer Reparatur bedarf, um sie wieder funktionstüchtig zu machen. Was man nicht selbst richten kann, muss man richten lassen. Und da wird es schwierig. Mit jedem alten Schuster, der in Pension geht, und jedem Uhrmacher, der einer Mobilfunk- Filiale weichen muss, wird die Zahl sachkundiger Reparateure kleiner. Glücklich kann sich schätzen, wer eine gute Fahrrad- oder Autowerkstatt in der Nähe hat. Noch glücklicher, wer auf einen versierten PC-Doktor zurückgreifen kann. So sinnvoll es sein mag und so sehr es befriedigt, Dinge zu reparieren selbst in der Stadt werden die We - ge zu den verbliebenen Fachgeschäften immer weiter. Von einer blühenden Renaissance dieser Kulturtechnik lässt sich bisher kaum sprechen. Immerhin künden erste zarte Pflänzchen von einer Rückbesinnung. In den Niederlanden haben sich Reparaturcafés etabliert, Orte der Selbsthilfe, wo geschraubt, gelötet und geflickt wird. Auch in deutschen Städten gibt es vergleichbare Angebote. Und im Internet kursieren zahl - lose Anleitungen für Leute, die selbst Hand anlegen wollen (etwa auf»youtube.com«). Doch ein Ersatz dafür, dass gute Spezialisten immer rarer werden, ist das nicht. 16 BUNDmagazin [4-13]

6 Anzeige Die Preisfrage Teilen und tauschen, Gebrauchtes kaufen oder reparieren, all das spart Ressourcen und außerdem Geld. Preisvorteile sind ein, wenn nicht der wesentliche Anreiz, nach Alternativen zum Neukauf zu suchen. Wird der Markt jedoch mit Billigprodukten überschwemmt, erschwert dies alle Alternativen zum»ex und hopp«. Denn der Griff zum Schnäppchen ist schneller getan als die Suche nach einem Verleih oder Secondhandladen. Die Billigware untergräbt jeden Versuch, die Verschwendung unserer Ressourcen einzudämmen. Und sie vergrößert die Verschwendung noch, indem sie uns nötigt, Dinge in kurzem Abstand nachzukaufen, weil diese bald kaputtgehen und eine Reparatur nicht lohnt. Hier muss die Politik Vorgaben machen in Gestalt qualitativer Mindestkriterien für einzelne Produkte; und für verbraucher- und umweltfreundliche Sortimente im Handel. Die Ortsfrage Noch etwas schränkt viele Versuche, den persönlichen Ressourcenverbrauch zu senken, empfindlich ein: das Kriterium der räumlichen Nähe. Dinge zu leihen oder in Reparatur zu geben, ist nur praktisch, wenn es Angebote vor Ort gibt. Die Änderungsschneiderei für das fadenscheinige Kleid sollte in der Nachbarschaft liegen, der Werkzeugverleih nicht eine halbe Autostunde entfernt. Und wer spontan ein Rad leihen will, muss die nächste Station zu Fuß erreichen können. Entsprechend wächst der Anteil gemeinschaftlichen Konsums, je größer die Stadt (mit ihren oft kurzen We gen) ist. Was auch daran liegt, dass in Großstädten mehr Menschen postmateriell gesinnt sind und die nötige Nach frage erzeugen indem sie nicht so sehr nach Besitz streben als nach alternativen und kreativen Lebensentwürfen, nach sozialem Austausch und nach Ab wechslung. Und die Umwelt? Dinge teilen, Nicht-mehr-Benötigtes an an - dere Menschen weitergeben, Liebgewonnenes reparieren all das klingt einsichtig und charmant. Wir machen uns ein Stück weit unabhängig von der Glitzerwelt der Waren. Wir knüpfen Kontakte, tauschen Erfahrungen aus, profitieren (online) von der Schwarmintelligenz der Netzgemeinde. Und wir üben Vertrauen, als Grundlage jeder gemeinschaftlichen Nutzung und jedes privaten Geschäfts. Doch eine zentrale Frage bleibt: Helfen wir damit auch der Umwelt? Die Antwort überrascht kaum:»nutzen statt besitzen«kann die Umwelt entlasten, tut es aber nicht per se. Wesentlich ist zum einen, wie ein Gegenstand die Nutzer wechselt. Holen wir die geliehene Bohrmaschine mit dem Auto vom weit entfernten Baumarkt oder vom Nach - barn nebenan? Je kürzer der Transportweg und geringer die dabei anfallenden Energiekosten, desto besser für die Umwelt. Ein aufwendiger Transport kann mehr Res sourcen verschlingen, als die gemeinschaftliche Nutzung einspart. Ins Gewicht fällt damit auch, wie häufig wir ein Produkt ausleihen. Sinnvoll ist es also, die Skier, die ich nur zwei Tage im Jahr fahre, zu leihen; und den Rasenmäher, den ich im Sommer jeden Monat nutze, selbst anzuschaffen außer mein Nachbar leiht ihn mir. Bei Reparaturen spielt zudem eine Rolle, was gerichtet wird. Alte Stromfresser im Haushalt etwa verdienen kein längeres Leben. Klar, hier ist der Umwelt mit einem sparsamen Neugerät besser geholfen. Der Transportweg ist auch für die Ökobilanz von Secondhand-Ware bedeutsam: Wird der in Bayern online ersteigerte Kinderwagen aus Kiel angeliefert? Und muss er für den Transport üppig verpackt werden? Zu Buche schlägt beim Onlinehandel nicht zuletzt der riesige Energieverbrauch der Server für den weltumspannenden Datenverkehr; und der Strom für die Recherche zu Hause am Rechner, bevor wir uns zum Kauf entschieden haben. Generell gilt schließlich: Je mehr die Herstellung einer Sache die Umwelt belastet hat, desto sinnvoller ist es, sie zu leihen oder zu teilen. Maßhalten Wer will, kann auch von gebrauchten und geteilten Dingen Berge anhäufen und damit Ressourcen verschwenden. Auch hier gilt das ehrwürdige Gebot des Maßhaltens. Sie müssen ja deshalb nicht gleich zum Minimalisten werden zu einem der vorerst noch vereinzelten, dafür sehr trendigen Menschen, die ihren Besitz auf das Allernötigste reduzieren. Wer kommt mit dem Wenigsten aus? Mit 200, 150 oder gar nur 100 Gegenständen (Laptop immer inklusive)? Und oh ne etwas zu vermissen? Wie das möglich ist, erfahren Sie Schritt für Schritt (natürlich) im Internet. Vergessen Sie dabei nur bitte Ihren Stromverbrauch nicht. Severin Zillich Winter-Wellness-Wonnen Hopfen am See - Allgäu, Tel /9103-0, Das Bio- und Familienhotel im Naturpark Lüneburger Heide Familie Marold D Bispingen Tel: [4-13] BUNDmagazin 17

7 TITELTHEMA BUND-Redakteur Severin Zillich sprach mit Jochen Flasbarth, Umweltbundesamt (re). Umweltbundesamt Politik und Lebensstil»Das lässt sich kaum rational diskutieren«jochen Flasbarth ist Präsident des Umweltbundesamtes. Zu seinen Aufgaben gehört es, die Bundesregierung zu beraten und die Öffentlichkeit in Umweltfragen zu informieren. BUND-Redakteur Severin Zillich sprach mit ihm über die Grenzen der Politik, umweltverträgliche Lebensstile und die Bedeutung der Suffizienz. Herr Flasbarth, Ende September erschien der neue Bericht des Weltklimarats, Sie haben ihn mit vorgestellt. Noch ein mal bestätigt er: Der Klimawandel ist schon im Gang und unleugbar menschengemacht. Umweltminister Altmaier hat wie Sie großen Handlungsbedarf erkannt. Handeln muss wohl zuallererst die Politik? Der Handlungsbedarf war schon vorher offenkundig. Aber es ist gut, dass die Wissenschaft den Klimawandel noch mal in einem sehr seriösen Prozess bestätigt hat. Gerade in jüngster Zeit wurde dieser Wandel wieder in Zweifel gezogen: Stimmt das eigentlich, oder kommt es vielleicht gar nicht so schlimm? In der Tat ist die Politik nun gefordert zu reagieren. Wir haben ein globales Problem, auf das die Staaten eine Antwort finden müssen. Gefragt ist keine Hexerei. Doch gehört sehr viel mehr Anstrengung dazu, einen weltweiten Konsens zu vereinbaren, als wir derzeit erleben. Die Bundesregierung gibt auf Klimakonferenzen gerne den Vorreiter. Innenpolitisch setzt sie kaum Akzente. Deutschland ist durchaus ein Vorreiter. Wir haben eines der ehrgeizigsten Klimaschutzziele unter den In - dustriestaaten und wollen un seren CO 2 -Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent senken. Dies haben wir nicht abgeschwächt, obwohl wir aus der Atomenergie aussteigen. Doch wir haben noch viele Hausaufgaben zu erledigen. Vor allem ist es wichtig, dass Deutschland auf europäischer Ebene wieder klare Positionen bezieht. Da hat es zuletzt etwas geholpert. Wir waren nicht in der Lage, die Unstimmigkeiten vor allem zwischen Wirtschaftsund Umweltministerium zu überwinden, etwa beim Emissionshandel. Ich hoffe sehr, dass Deutschland wieder zur treibenden Reformkraft in Europa wird. Auch persönlich können wir einiges für den Schutz des Klimas tun. Gibt die Politik dafür genügend Anreize? Die Politik muss die Spielregeln schon so festsetzen, dass die Kugel»Klimaschutz«den Berg hinunterrollt und nicht mühsam hinaufgeschoben werden muss. Wer sich im persönlichen Bereich um den Klimaschutz kümmert, darf am Ende nicht der Dumme sein. Da müssen die Anreize stimmen. Was sind denn die wichtigsten Bausteine eines klimaverträglichen Lebensstils? Dreh- und Angelpunkt ist der Energiesektor. Ganz entscheidend ist, wie man heizt. Mieter haben nur in so - fern Einfluss, als sie auf Vernunft achten können, also weder bei offenen Fenstern noch übermäßig heizen. Eigentümer haben viel mehr Möglichkeiten und damit mehr Verantwortung. Sie können sich etwa an der Ge - bäudesanierung beteiligen, die der Staat stark fördert. 18 BUNDmagazin [4-13]

8 Wichtig ist auch, welchen Strom wir beziehen und wie wir ihn einsetzen. Von effizienten Lampen und Kühlschränken bis zu unseren Nutzungsgewohnheiten können wir im täglichen Leben vieles tun, um Strom zu sparen. Und wir können mit der Wahl des Stromanbieters Signale in den Markt senden je nachdem, ob ich noch bei einem Versorger bin, der viel Kohle im Energie - mix hat, oder ob ich mich bewusst für einen entscheide, der ausschließlich Ökostrom anbietet. Gebäudesanierung und Energieeffizienz sind wenig umstritten. Wie sieht es mit dem Verkehr aus? Hier wird es schwierig. Wenn es ums Auto geht, lässt sich in Deutschland immer noch kaum rational diskutieren. Natürlich gibt es da viele Möglichkeiten, angefangen bei Tempolimits, die Sprit und damit CO 2 einsparen würden. Wer vorschlägt, allgemeine Tempolimits auf Autobahnen einzuführen, erntet regelmäßig einen Sturm der Entrüstung. Ferner die Frage: Welches Auto fährt man? Braucht man überhaupt ein eigenes, oder teilt man sich eines mit anderen? Gerade bei jungen Leuten büßt das Auto seit einigen Jahren erstmals an Ausstrahlung ein. Schließlich: Wann benutze ich welches Verkehrsmittel? Der Umweltverbund aus Bahn, öffentlichem Nahverkehr, Fahrrad und Fußverkehr ist meistens eine gute Alternative zum Auto. Im BUND hat man den Glauben noch nicht verloren, dass solche Fragen rational zu klären sind. Das erwarte ich von einem Umweltverband auch. Und der Staat ist ebenfalls gefordert: Der Rahmen muss stimmen und die Infrastruktur auf Umweltverträglichkeit ausgerichtet sein. Der Staat sollte aufklären und in - formieren, welches Verhalten wie auf die Umwelt wirkt. Doch gerade mit Blick auf das Freizeit-, Reise- oder auch Ernährungsverhalten sollten staatliche Institutionen nicht zu sehr mit dem moralischen Zeigefinger winken. Meine Erfahrung ist: Die Bereitschaft zu solchen Debatten ist viel größer, wenn gesellschaftliche Akteure sie führen und nicht der Staat. Der Vorschlag eines»veggie Days«hat ja erst unlängst gezeigt, welch ein irrationales Skandalisierungspotenzial das birgt. Natürlich gibt es einen Zusammenhang von Fleischkonsum und Klimaschutz. Aber in solchen Bereichen reagieren manche Leute sehr allergisch, wenn der Staat nur in den Verdacht der Regulierung gerät. Verstehen Sie mich richtig: Wir müssen Fragen des Lebensstils thematisieren. Das Umweltbundesamt tut das immer wieder und weist auf die Fakten hin. Aber sobald es um Verhaltensänderungen geht, wünsche ich mir, dass Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, die Kirchen oder etwa Sportverbände noch aktiver die Debatte anführen. Gelebter Klimaschutz kommt auch der Natur zugute. Was gilt es darüber hinaus zu beachten, wenn uns speziell der Naturschutz am Herzen liegt? Da sind wir schnell wieder beim Thema Ernährung. Die nicht-nachhaltige Landwirtschaft gehört zu den größten Treibern von Naturverlust. In Deutschland ist die hohe Stickstoffzufuhr aus der konventionellen Landwirtschaft eines der größten Probleme für artenreiche Lebensräume, die von Natur aus nährstoffarm sind. Mit unserem Einkaufskorb können wir hier viel Einfluss nehmen. Zurück zur Politik: Ist nicht auch sie verpflichtet, Lebensstile zu fördern, die weniger Ressourcen verschlingen? Zu häufig werden in dieser Debatte technische Möglichkeiten und Lebensstilfragen gegeneinanderge stellt. Also: Was ist der richtige Weg in die Nachhaltigkeit: Effizienz oder Suffizienz? Ich bin davon überzeugt, dass wir beides brauchen. Natürlich müssen wir uns um eine möglichst effiziente Energie- und Ressourcennutzung kümmern. Wir müssen jede Chance nutzen, unseren Wohlstand mit einem möglichst geringen Ressourceneinsatz zu verknüpfen. Die von der Politik ge setzten Spielregeln des wirtschaftlichen Handelns sind dabei von ganz entscheidender Bedeutung. Ich habe aber Zweifel, dass das am Ende reichen wird für unsere Ziele im Klima- und Ressourcenschutz. Und da sind wir dann bei Fragen des Lebensstils. Doch in der gesellschaftlichen Debatte um eine Kultur des»weniger ist mehr«brauchen wir noch viel, viel Ge duld. Eine Enquetekommission des Bundestags hat sich mit der Frage beschäftigt, ob wir nicht einen ganz anderen Wachstumsbegriff benötigen, der mehr die Qua lität als die Quantität ins Zentrum stellt. Dass sie zu keinem gemeinsamen Ergebnis gekommen ist, halte ich für eine sehr ehrliche Bestandsaufnahme. Darüber gibt es in unserer Gesellschaft noch keinen Konsens. Die Vorstellung, auf etwas verzichten zu müssen, wenn man weniger konsumiert, ist noch sehr weit verbreitet. Der Staat kann das nicht mit der Brechstange ändern, sonst würde er vor allem Abwehrreflexe auslösen. Man muss über Suffizienz beherzt und beharrlich diskutierten. Aber das wird nicht gleich morgen zum Ergebnis führen. Ihre Behörde berät die Bundesregierung dabei, umweltpolitische Notwendigkeiten in Politik umzusetzen. Spielt Suffizienz in der Arbeit des UBA eine Rolle? Wir haben natürlich auch Plattformen, wo wir das diskutieren. Und wir weisen im Rahmen unserer Verbraucherinformation immer wieder darauf hin. Vor allem langfristig wird uns das Thema stärker beschäftigen. Denn mit einem einfachen»weiter so«werden wir unsere ambitionierten und ich finde: notwendigen Umweltziele nicht erreichen. Bild-Schlagzeile:»irrationale Skandalisierung«. [4-13] BUNDmagazin 19

9 TITELTHEMA Axel Mayer vom BUND (rechts) sprach mit dem Ökonomen Christian Kreiß (links). Geplanter Verschleiß Gigantische Verschwendung Axel Mayer ist BUND-Regionalgeschäftsführer in Freiburg und seit 40 Jahren im Umweltschutz aktiv. Schon sein Großvater wusste: Wir haben nicht genug Geld, um uns billige Dinge leisten zu können. Vorsicht beim Einkauf scheint heute mehr denn je geboten. Manche Hersteller versuchen die Lebens - dauer ihrer Produkte absichtlich zu verkürzen. Axel Mayer sprach mit Christian Kreiß, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Aalen, über ein (nicht ganz) neuartiges Phänomen. Herr Kreiß, für Bündnis 90/ Die Grünen haben Sie kürzlich eine Studie über»geplanten Verschleiß«erstellt. Was verbirgt sich dahinter? Darunter versteht man, dass die Lebensdauer von Produkten, die eigentlich länger halten könnten, bewusst ver kürzt wird. Ingenieure können die gewollte Gebrauchsdauer einzelner Bauteile genau festlegen und fast beliebig verkürzen oder verlängern. Manche Hersteller streben offenkundig eine kurze Gebrauchsdauer ihrer Produkte an, um Kunden zu einem rascheren Neukauf zu nötigen. Konnten Sie konkrete Fälle nachweisen? Der Klassiker ist das Glühbirnen-Kartell: 1924 taten sich die größten Hersteller zusammen, um die Lebensdauer ihrer Glühbirnen von zweieinhalb- auf eintausend Stunden zu senken. Wessen Birnen länger brannten, musste intern Strafe zahlen. Ein aktuelles Beispiel sind iphones und ipads, deren Akkus etwa 18 Monate halten und nicht ausgewechselt werden können; da - nach muss man die Geräte im Prinzip wegschmeißen. Es gibt viele weitere Beispiele: Hosen werden aus kurzfaseriger Baumwolle genäht und verschleißen so schneller, Reißverschlüsse werden schlechter als nötig produziert. Am stärksten unter Verdacht stehen aber Elektrogeräte. So wurden bei Druckern Zähler nachgewiesen, die sich nach fünfzehntausend Vorgängen ab - schalten; baut man einen solchen Zähler aus und stellt ihn zurück auf Null, druckt er noch einmal so viel. Eine neue Studie der Stiftung Warentest scheint die Hersteller eher in Schutz zu nehmen. Wie erklären Sie sich den Widerspruch zu Ihrer Studie? Warentest führt etwa 20 Beispiele auf, wie Hersteller an verschiedenen Stellen versuchen, die Gebrauchsdauer ihrer Produkte gezielt zu verkürzen: durch Schraubverschlüsse, die nicht zu öffnen sind, durch nicht liefer - bare Ersatzteile etc. Und dann steht da dieser Satz: Ein Nachweis, dass dies bewusst geplant ist, kann bisher nicht erbracht werden Im Prinzip ein vollkommener Widerspruch innerhalb der Studie! Nach wirklicher Entlastung klingt das nicht Nein. Warentest führt lediglich an, dass eine kürzere Lebensdauer von Waschmaschinen und Staubsaugern in den letzten zehn Jahren nicht erkannt werden konnte. Dieser Teilbefund dominierte dann die Berichterstattung der Medien kein Wunder, wenn deren größte Anzeigenkunden aus der Industrie kommen. Ist denn der geplante Verschleiß in erster Linie ein Verbraucherthema? Überhaupt nicht. Wenn wir nämlich Hosen oder Elektrogeräte doppelt so oft kaufen müssen wie nötig, verbrauchen wir auch doppelt so viel Arbeit und Ressour - cen bei der Herstellung und haben später doppelt so viel Müll. Da findet eine gigantische Verschwendung statt, in Zeiten knapper werdender Rohstoffe ist das ein echtes Unding. Wir könnten sofort 10 bis 15 Großkraft- 20 BUNDmagazin [4-13]

10 werke und jede zehnte Müllverbrennungsanlage schlie - ßen, wenn wir diesen Unfug sein ließen. Dazu auch von mir ein schönes Beispiel: Unser BUND- Regionalverband druckt relativ viele Flugblätter und Broschüren. Die Kartons, in denen sie geliefert werden, haben wir immer der Druckerei zurückgebracht. Nun kam ausgerechnet unser neuer Flyer über»geplanten Verschleiß«erstmalig in einem Karton mit eingebauten Schwachstellen, der nur einmal zu benutzen war. Das ist bezeichnend! Eines ist klar: Bei diesem Thema gibt es viele Verlierer: alle Verbraucher, die Umwelt Um gegen gewollt kurzlebige Produkte vorzugehen, müssen wir aber die Gewinner ins Visier nehmen. Wenn Unternehmen eine solche Strategie verfolgen, profitieren sie doppelt. Die schlechte Qualität senkt ihre Kosten, dazu steigert die kurze Gebrauchsdauer den Umsatz. Gewinner ist das Unternehmenskapital, das sich in Deutschland wie den USA im Wesentlichen bei etwa einem Prozent der Menschen konzentriert. Der geplante Verschleiß ist demnach eine Art Steuer auf die Umwelt und die vielen Verbraucher, zugunsten ganz weniger Unternehmenseigentümer. Was kann der BUND gegen die Verschleuderung von Ressourcen tun, was sollten wir von der Politik fordern? Zum einen sind wir als Verbraucher gefragt: Billige Wegwerfware ist eben in Wirklichkeit oft teurer als langlebige Qualitätsprodukte. Achten wir also mehr auf Qualität! Noch tiefer geht die Frage: Wo kann ich auf Unnötiges verzichten? Was benötige ich wirklich? Wir alle verbrauchen eigentlich zu viel. Jeder deutsche Haus halt umfasst durchschnittlich Artikel. Da gilt das alte BUND-Motto: Gut leben statt viel haben. Vollkommen richtig. Das Problem ist natürlich: Die Industrie trickst. Sie überschüttet uns mit Werbung, hält uns Informationen vor, kennzeichnet nicht, wie lange die Dinge halten, und tut alles, um den angeblich transparenten Markt undurchsichtig zu machen. Aber Appelle an uns VerbraucherInnen werden nicht ge - nügen. Was müsste politisch passieren? In unserer Studie plädieren wir dafür, die Gewährleistungsfrist zu verlängern. Derzeit haftet der Verkäufer noch zwei Jahre für Mängel seiner Ware, wir schlagen drei bis fünf Jahre vor. Auch sollten für die erwartete Lebensdauer eines Gegenstandes Ersatzteile garantiert sein. Aber das Problem liegt natürlich tiefer.* Sinnvoll wäre es, wenn auch der Garantiezettel zumindest die Laufzeit der Garantie überdauerte. Ich habe bei Produkten mit langjähriger Garantie schon mehrfach erlebt, dass die auf Thermopapier gedruckten Zettel nach einiger Zeit nicht mehr zu entziffern waren Sie sehen, da wird an allen Ecken und Enden getrickst! Es lohnt sich sicher, an diesem Thema dranzubleiben für die Wissenschaft ebenso wie für die Umwelt- und Verbraucherverbände. Der BUND wird das bestimmt nicht aus den Augen verlieren. Vielen Dank für das Gespräch! Mehr zum Thema unter: suedlicher-oberrhein/geplante-obsoleszenz.html und *Christian Kreiß: Profitwahn Warum sich eine menschen - gerechtere Wirtschaft lohnt, Seiten, 17,95, Tecum Anzeige [4-13] BUNDmagazin 21

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