Nachträgliche Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft
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- Willi Heidrich
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1 13. Wahlperiode Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Innenministeriums Nachträgliche Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. ob die Landesregierung eine nachträgliche Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit für vereinbar hält mit Artikel 16 Absatz 1 Grundgesetz (GG), wonach die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden darf; 2. wie sich eine unterschiedliche Handhabe und Bewertung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit einerseits durch Geburt und andererseits durch Einbürgerung zu Artikel 116 GG und zum Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 GG verhält; 3. inwiefern der Innenminister gesetzlichen Handlungsbedarf bei der Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft bei eingebürgerten Migranten sieht, und wie dieser konkret aussehen soll; 4. bei welchen Tatbeständen und bei welchen Personengruppen die Landesregierung eine Einbürgerung auf Probe erwägt, und wie viele Personen davon in Baden-Württemberg betroffen wären; 5. ob die Landesregierung eine durch den nachträglichen Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft eintretende Staatenlosigkeit bei den Betroffenen in Kauf nehmen würde; Eingegangen: / Ausgegeben: Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter:
2 6. inwiefern die seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom 1. Januar 2005 bestehende Praxis der Regelanfrage beim Verfassungsschutz nach 9 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) vor einer Einbürgerung als nicht ausreichend angesehen wird; 7. wie viele Einbürgerungen in Baden-Württemberg im Jahr 2005 nach 48 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zurückgenommen wurden, und welche Gründe hierfür vorlagen Bauer, Kretschmann und Fraktion Begründung Laut Berichten in überregionalem Zeitungen prüft der baden-württembergische Innenminister Rech die Möglichkeiten, bei bereits eingebürgerten Migranten, die nach der Einbürgerung bestimmte, gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Verfehlungen begangen haben, die deutsche Staatsangehörigkeit abzuerkennen. Begründet wurde dies damit, dass ein erheblicher Teil der von den Sicherheitsbehörden als Gefährder eingestuften Personen bereits einen deutschen Pass besitzen würden. Auch würde die Einbürgerung von Ausländern, die extremistische Bestrebungen verfolgen, als hoher Anreiz gesehen, um ausländerrechtliche Restriktionen zu umgehen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland kennt keinen Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit, welches aufgrund der historischen Erfahrungen in Deutschland durch Artikel 16 Absatz 1 GG manifestiert wurde. Die Bundesrepublik hat dies aus gutem Grund getan, weil der Entzug der Staatsangehörigkeit im Dritten Reich zur Verfolgung unliebsamer Personen missbraucht wurde. Deshalb gibt es laut Grundgesetz keine Unterscheidung der Staatsangehörigkeit in zwei Klassen. Eingebürgerte Migranten sind deutsche Staatsangehörige und somit Deutsche im Sinne des Artikels 116 GG. Seit dem 1. Januar 2005 wird im Zuge der Terrorismusbekämpfung bei jeder Einbürgerung nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz eine Regelanfrage an den landeseigenen Verfassungsschutz gestellt. Ergibt die Überprüfung das Vorliegen extremistischer Aktivitäten, wird der Betreffende nicht eingebürgert. Stellt sich weiter nach der Einbürgerung heraus, dass bei der Beantragung falsche Angaben gemacht wurden, kann von Behördenseite innerhalb Jahresfrist ab dem Zeitpunkt der Kenntnis die Einbürgerung zurückgenommen werden. Die Forderung des Innenministers nach gesetzlichem Änderungsbedarf ist demnach abwegig und in der Intention diskriminierend, da die vorhandene Gesetzeslage absolut ausreichend ist. Das deutsche Rechtssystem hält alle nötigen Instrumente vor, um Straftäter zu verfolgen. 2
3 Stellungnahme Mit Schreiben vom 13. Oktober 2005 Nr /29 nimmt das Innenministerium zu dem Antrag wie folgt Stellung: 1. ob die Landesregierung eine nachträgliche Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit für vereinbar hält mit Artikel 16 Absatz 1 Grundgesetz (GG), wonach die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden darf; Zu 1.: Ja. Das Grundgesetz lässt einen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach Maßgabe der in Artikel 16 Abs. 1 Satz 2 GG genannten Voraussetzungen zu. 2. wie sich eine unterschiedliche Handhabe und Bewertung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit einerseits durch Geburt und andererseits durch Einbürgerung zu Artikel 116 GG und zum Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 GG verhält; Zu 2.: Artikel 116 GG enthält nach Auffassung der Landesregierung keine Aussage zum Grund des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit, steht also in keiner Beziehung zu einer unterschiedlichen Handhabung und Bewertung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit je nach Erwerbsgrund. Der Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 GG verbietet nur die Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte. Beim Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt einerseits und durch Einbürgerung andererseits handelt es sich jedoch nicht um gleiche Sachverhalte. Dies wird bereits daraus deutlich, dass eine Einbürgerung nach 48 Landesverwaltungsverfahrensgesetz unter bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen werden kann, sodass die deutsche Staatsangehörigkeit trotz der Regelung in Artikel 16 GG verloren geht, während dies bei einem Erwerb durch Geburt nicht möglich ist. 3. inwiefern der Innenminister gesetzlichen Handlungsbedarf bei der Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft bei eingebürgerten Migranten sieht, und wie dieser konkret aussehen soll; 5. ob die Landesregierung eine durch den nachträglichen Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft eintretende Staatenlosigkeit bei den Betroffenen in Kauf nehmen würde; Zu 3. und 5.: Ein Ausländer unterliegt verschiedenen Einschränkungen, die ihm extremistische Aktivitäten erschweren. Insbesondere kann er sich als Nicht-EU-Bürger innerhalb der Europäischen Union nicht so frei bewegen, wie dies einem Deutschen möglich ist. Außerdem läuft er als Ausländer Gefahr, bei bestimmten Straftaten ausgewiesen und in seinen Heimatstaat oder einen Drittstaat abgeschoben zu werden. Es besteht daher ein hoher Anreiz für den entsprechenden Personenkreis, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben. Unter den von den Sicherheitsbehörden als Gefährder eingestuften Personen besitzt ein nicht unerheblicher Anteil (inzwischen) die deutsche Staatsangehörigkeit. 3
4 Es kann auch bei Anwendung der allergrößten Sorgfalt nicht verhindert werden, dass jemand eingebürgert wird, der sich dann als Terrorist herausstellt oder sich erst danach als solcher betätigt. Einzige Reaktionsmöglichkeit in solchen Fällen ist derzeit die Rücknahme der Einbürgerung nach 48 der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder. Diese setzt allerdings voraus, dass der Einbürgerungsbewerber die Einbürgerungsbehörde über einbürgerungsrelevante Tatbestände getäuscht hat. Fallgestaltungen, in denen der Betreffende den Entschluss, sich in terroristischer oder sonst einschlägiger Weise zu betätigen, erst nach seiner Einbürgerung gefasst oder umgesetzt hat, werden davon nicht erfasst. Mit einer Regelung über die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit könnte diese Lücke geschlossen werden. Solche Regelungen bestehen bereits in der Französischen Republik und im Vereinigten Königreich. In den Niederlanden werden nach der Ermordung des holländischen Regisseurs Theo van Gogh ähnliche Überlegungen angestellt. Die Ausgestaltung der Regelung könnte auf verschiedene Weise erfolgen. Der deutschen Rechtstradition würde es entsprechen, die Voraussetzungen eines derart schwerwiegenden Eingriffs an einen Straftatenkatalog zu binden. Sie müsste auf Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit beschränkt werden. Eingebürgerte, die ihre frühere Staatsangehörigkeit verloren haben, würden durch die Aberkennung staatenlos. Das wäre ein Verstoß gegen Artikel 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Außerdem stünde Artikel 8 Abs. 1 des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961, ratifiziert mit Vertragsgesetz vom 29. Juni 1977 (BGBl. II S. 597) sowie Artikel 7 Abs. 3 des Europäischen Übereinkommens vom 6. November 1997 über die Staatsangehörigkeit, ratifiziert am 13. Mai 2004 (BGBl. II S. 578) einer Regelung entgegen, die zur Staatenlosigkeit führen würde. Dem entsprechen auch die Vorschriften in Frankreich und Großbritannien. 4. bei welchen Tatbeständen und bei welchen Personengruppen die Landesregierung eine Einbürgerung auf Probe erwägt, und wie viele Personen davon in Baden-Württemberg betroffen wären; Zu 4.: Die Landesregierung hat zu keinem Zeitpunkt eine Einbürgerung auf Probe erwogen. 6. inwiefern die seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom 1. Januar 2005 bestehende Praxis der Regelanfrage beim Verfassungsschutz nach 9 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) vor einer Einbürgerung als nicht ausreichend angesehen wird; Zu 6.: Die Regelanfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) kann die Einbürgerung von Extremisten nur verhindern, wenn diese sich vor diesem Zeitpunkt in verfassungsfeindlicher Weise betätigt haben und dem LfV entsprechende Erkenntnisse vorliegen. So genannte Schläfer, die unbescholten in das Bundesgebiet einreisen, hier eingebürgert werden und sich erst danach unter Ausnutzung ihres Status als Deutsche verfassungsfeindlich betätigen, werden von einer Regelanfrage nicht erfasst. 4
5 7. wie viele Einbürgerungen in Baden-Württemberg im Jahr 2005 nach 48 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zurückgenommen wurden, und welche Gründe hierfür vorlagen. Zu 7.: Die Rücknahme der Einbürgerung wird von den Einbürgerungsbehörden ausgesprochen, die dabei nicht regelmäßig das Innenministerium beteiligen, sodass dieses keine Übersicht über die Zahl der Rücknahmen hat. Aus dem Jahr 2005 ist dem Innenministerium bisher nur eine Rücknahme bekannt geworden. In diesem Fall hatte sich ein Einbürgerungsbewerber, nachdem ihm die Einbürgerungsbehörde eröffnet hatte, dass sein Antrag keine Aussicht auf Erfolg habe, nur zum Schein von seiner Familie getrennt und war in ein anderes Bundesland gezogen. Dort wurde er trotz unzureichender Sprachkenntnisse innerhalb eines halben Jahres eingebürgert, wobei er verschwieg, dass er mit zwei Frauen verheiratet ist und in Baden-Württemberg bereits erfolglos einen Einbürgerungsantrag gestellt hatte. Nach der Einbürgerung zog er wieder nach Baden-Württemberg zu seiner Familie zurück. Die Rücknahme wurde auf Täuschung über die Doppelehe sowie über den früheren Einbürgerungsantrag und über seinen gewöhnlichen Aufenthalt gestützt. Der Betroffene hat dagegen Rechtsmittel eingelegt. Rech Innenminister 5
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