Zukunft der ambulanten Kinder- und Jugendpsychiatrie in Baden-Württemberg
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- Jens Schulze
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1 14. Wahlperiode Antrag der Abg. Bärbl Mielich u. a. GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und Soziales Zukunft der ambulanten Kinder- und Jugendpsychiatrie in Baden-Württemberg Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen, I. zu berichten, 1. wie viele ambulante Angebote im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie es in Baden-Württemberg gibt und wie viele davon auch sozialpsychiatrische Behandlung anbieten; 2. wie sich der Versorgungsgrad (Verhältnis Angebot zu Bedarf) jeweils aufgeschlüsselt nach ambulanten, stationären und teilstationären Angeboten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie darstellt; 3. ob sie die Einschätzung teilt, dass ambulante kinder- und jugendpsychiatrische Angebote unverzichtbarer Bestandteil eines bedarfsdeckenden Angebots für Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen in Baden- Württemberg sind; 4. ob ihr bekannt ist, dass die Verträge zwischen Ersatzkassen und Kassenärztlicher Vereinigung zur Übernahme der Kosten sozialpsychiatrischer Angebote (Sozialpsychiatrievereinbarung) am 30. Juni 2008 zum Ende des Jahres gekündigt wurden; 5. ob ihr bekannt ist, dass die Verträge zwischen Primärkassen und Kassenärztlicher Vereinigung nur auf die Diagnostik beschränkt sind und es in Baden-Württemberg seit 14 Jahren bis heute keine Therapievereinbarungen gibt; Eingegangen: / Ausgegeben: Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter:
2 6. ob es Überlegungen von ihrer Seite gibt, die Finanzierung der sozialpsychiatrischen Angebote in das Netz der kommunalen Hilfsangebote zu integrieren und damit auf eine breitere Basis zu stellen; II. dass sie auf die Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung einwirkt, mit dem Ziel, Folgeverträge zur Sicherstellung der ambulanten sozialpsychiatrischen Versorgung für Kinder und Jugendliche abzuschließen Mielich, Neuenhaus, Dr. Splett, Lehmann, Pix GRÜNE Begründung Durch die Kündigung der Vorsorgungsverträge in der Sozialpsychiatrie für Kinder und Jugendliche zum Ende 2008 ist die Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher in Baden-Württemberg gefährdet. Es ist bekannt, dass der Bedarf an psychotherapeutischer und psychiatrischer Behandlung bei Kindern und Jugendlichen zunimmt. Das spezifische Modell der sozialpsychiatrischen Praxen stellt ein einmaliges interdisziplinäres Angebot dar, das durch seine multiprofessionellen Teams den Bedürfnissen vieler psychisch erkrankter Kinder und Jugendlicher auf besondere Weise gerecht wird. Mit der Kündigung der Sozialpsychiatrievereinbarung ist zu befürchten, dass es zum Abbau eines dringend benötigten Versorgungsangebots für psychisch kranke Kinder und Jugendliche kommt, was insbesondere angesichts zunehmender Bedarfe überaus problematisch ist. Der Antrag zielt darauf ab, dass das Land all seine Möglichkeiten ausschöpft, um einen drohenden Versorgungsnotstand abzuwenden. Stellungnahme Mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 Nr /14/3309 nimmt das Ministerium für Arbeit und Soziales zu dem Antrag wie folgt Stellung: Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen, I. zu berichten, 1. wie viele ambulante Angebote im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie es in Baden-Württemberg gibt und wie viele davon auch sozialpsychiatrische Behandlung anbieten; 2. wie sich der Versorgungsgrad (Verhältnis Angebot zu Bedarf) jeweils aufgeschlüsselt nach ambulanten, stationären und teilstationären Angeboten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie darstellt; Ambulante Versorgung: Nach Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg nehmen landesweit insgesamt 96 niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater (einschließlich der in diesen Praxen angestellten Kinder- und Jugendpsychiater) an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung teil. Ergänzt wird die- 2
3 ses Angebot durch Psychiatrische Institutsambulanzen nach 118 Abs. 1 SGB V sowie durch persönliche Ermächtigungen von Krankenhausärzten, die aufgrund konkreter regionaler Bedarfssituationen zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt sind. An den Sozialpsychiatrie-Vereinbarungen nehmen insgesamt 64 Kinder- und Jugendpsychiater teil, die auf insgesamt 55 Praxen verteilt sind. Die Arztdichte im Fachgebiet Kinder- und Jugendpsychiatrie liegt in Baden- Württemberg bei 1 zu (Verhältnis Arzt zu Einwohner), was deutlich besser ist als der Durchschnitt im Bundesgebiet (1 zu ). Die kinderund jugendpsychiatrische Versorgung ist eingebettet in ein Netz verschiedener Hilfeangebote für psychisch kranke Kinder und Jugendliche. So weist etwa die Gesundheitsberichterstattung des Bundes aus dem Jahr 2008 zur psychotherapeutischen Versorgung in Deutschland aus, dass Baden-Württemberg auch bezüglich der ambulanten Psychotherapie überdurchschnittlich gut abschneidet. Mit 26,9 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten auf Einwohner liegt Baden-Württemberg mit im vorderen Bereich bei den Flächenländern. Voll- und teilstationäre Versorgung: Das voll- und teilstationäre Angebot in der Kinder- und Jugendpsychiatrie wird landesweit ausgebaut. Auf der Grundlage fundierter Bedarfsanalysen, die unter Einbeziehung von Experten des Fachgebiets, der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und der Krankenkassenverbände erstellt wurden, hat der Ministerrat nach eingehenden Beratungen im Landeskrankenhausausschuss am 22. Januar 2008 neue Bedarfsgrundlagen und Grundsätze zur Standortplanung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie beschlossen. Danach ist die Erweiterung des landesweiten Angebots an vollstationären Betten und tagesklinischen Plätzen um 165 auf insgesamt 823 Betten/Plätze vorgesehen. In den Regionen Heilbronn-Franken, Mittlerer Oberrhein, Rhein-Neckar, Region Bodensee-Oberschwaben, Region Donau-Iller und Neckar-Alb wurden bereits Entscheidungen zur Erweiterung bestehender Einrichtungen und zur Errichtung neuer (insbesondere tagesklinischer) Angebote herbeigeführt. In weiteren Regionen (insbesondere: Stuttgart, Heilbronn- Franken) finden Abstimmungsgespräche mit Krankenhausträgern statt. 3. ob sie die Einschätzung teilt, dass ambulante kinder- und jugendpsychiatrische Angebote unverzichtbarer Bestandteil eines bedarfsdeckenden Angebots für Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen in Baden-Württemberg sind; Für psychisch kranke Kinder- und Jugendliche besteht in Baden-Württemberg ein gegliedertes und differenziertes Behandlungs- und Betreuungsangebot, das sowohl ambulante als auch stationäre Bereiche umfasst. Die Art der Versorgung richtet sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls. Insbesondere hängt es von der Art und Schwere der Erkrankung ab, ob eine ambulante, voll- oder teilstationäre Versorgung indiziert ist. Im Grundsatz gilt, dass die Diagnostik und die Therapie so ambulant wie möglich erfolgen sollen, um die Lebens- und Erziehungskontinuität zu erhalten, die nicht selten durch die Krankheit bedroht wird. Soweit eine voll- oder teilstationäre Behandlung notwendig ist, werden prä- und poststationäre Hilfe- und Behandlungsmaßnahmen in der Regel mit einbezogen, um die jungen Patientinnen und Patienten zu befähigen, so rasch wie möglich in das gewohnte Lebensumfeld zurückzukehren. Üblicherweise vernetzen sich die kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken mit den niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiatern sowie den Kinderund Jugendlichenpsychotherapeuten in ihrem Einzugsbereich. Abgesehen da- 3
4 von steht mit den seit 2003 landesweit eingeführten Kinder- und Jugendpsychiatrischen Institutsambulanzen auch ein spezifisches Angebot zur multiprofessionellen Behandlung im ambulant-stationären Übergangsbereich zur Verfügung. 4. ob ihr bekannt ist, dass die Verträge zwischen Ersatzkassen und Kassenärztlicher Vereinigung zur Übernahme der Kosten sozialpsychiatrischer Angebote (Sozialpsychiatrievereinbarung) am 30. Juni 2008 zum Ende des Jahres gekündigt wurden; 5. ob ihr bekannt ist, dass die Verträge zwischen Primärkassen und Kassenärztlicher Vereinigung nur auf die Diagnostik beschränkt sind und es in Baden-Württemberg seit 14 Jahren bis heute keine Therapievereinbarungen gibt; Dem Ministerium für Arbeit und Soziales sind die Verträge im vorliegenden Bereich bekannt. Es trifft auch zu, dass die Vereinbarung zwischen dem Verband der Angestellten-Ersatzkassen e. V. und dem Arbeiter-Ersatzkassen- Verband e. V. und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über besondere Maßnahmen zur Verbesserung der sozialpsychiatrischen Versorgung gemäß 85 Abs. 2 Satz 4 und 43 a SGBV (Sozialpsychiatrievereinbarung) am 30. Juni 2008 zum Ende des Jahres gekündigt worden ist. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass die Ersatzkassen als bundesunmittelbare Krankenkassen nicht der Rechtsaufsicht des Landes unterstehen. Die Verträge der (landesunmittelbaren) Primärkassen im vorliegenden Bereich sind rechtskonform. Die in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherten Kinder und Jugendlichen haben gemäß 85 Abs. 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit 43 a SGB V Anspruch auf nichtärztliche sozialpädiatrische Leistungen, insbesondere auf psychologische, heilpädagogische und psychosoziale Leistungen, wenn sie unter ärztlicher Verantwortung erbracht werden und erforderlich sind, um eine Krankheit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und einen Behandlungsplan aufzustellen. Nach den gesetzlichen Vorgaben ist der Anspruch nach 43 a SGB V auf die sogenannte Frühdiagnostik beschränkt. Auf der Grundlage dieser Diagnostik notwendige Therapieleistungen werden nach Maßgabe der Bestimmungen des SGB V erbracht. Dies gilt beispielsweise (auch) für erforderliche Psychotherapien und für die Verordnungen notwendiger Heilmittel wie zum Beispiel Ergotherapie, Krankengymnastik und Logopädie. Sonstige Maßnahmen, die nicht unter die Finanzierungsverantwortung der GKV fallen (insbesondere heilpädagogische Leistungen) können beim Sozialhilfeträger beantragt werden. 6. ob es Überlegungen von ihrer Seite gibt, die Finanzierung der sozialpsychiatrischen Angebote in das Netz der kommunalen Hilfsangebote zu integrieren und damit auf eine breitere Basis zu stellen; Es ist nicht vorgesehen, Leistungen, die nach den Vorgaben des SGB V in der Finanzierungsverantwortung der GKV liegen, systematisch in die kommunalen Hilfsangebote zu integrieren, weil dies nicht zwingend zu einer Verbesserung der Versorgungssituation führt. Dies gilt auch in Bezug auf die Kinderund Jugendhilfe nach Maßgabe des SGB VIII. Dieser Bereich gehört zu den weisungsfreien Pflichtaufgaben der Stadt- und Landkreise und der kreisfreien Kommunen. Die Weisungsfreiheit soll den Kommunen ermöglichen, die Ausgestaltung der Hilfen und die Vernetzung mit komplementären Angeboten an den Erfordernissen und Gegebenheiten im jeweiligen Zuständigkeitsbereich auszurichten. 4
5 II. dass sie auf die Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung einwirkt, mit dem Ziel, Folgeverträge zur Sicherstellung der ambulanten sozialpsychiatrischen Versorgung für Kinder und Jugendliche abzuschließen. Die Ministerin für Arbeit und Soziales ist wegen dieses Anliegens bereits Mitte September 2008 an die Krankenkassenverbände herangetreten. Die Verbände der Primärkassen haben darauf hingewiesen, dass ihre Verträge im vorliegenden Bereich ungekündigt sind und Kündigungen auch nicht beabsichtigt seien. Für den Ersatzkassenbereich wurde dem Ministerium für Arbeit und Soziales mitgeteilt, dass zur Sicherung des Versorgungsniveaus eine Übergangsregelung vereinbart wird und die Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen umgehend Verhandlungen aufnehmen wird, um durch Folgeverträge auch die künftige ambulante sozialpsychiatrische Versorgung zu gewährleisten. Dr. Stolz Ministerin für Arbeit und Soziales 5
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