PAPST FRANZISKUS FRAGT SIE
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- Lennart Beutel
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1 PAPST FRANZISKUS FRAGT SIE ZU EHE, FAMILIE UND SEXUALITÄT DIE JESUITENKIRCHE SANKT PETER KÖLN MACHT ES MÖGLICH.
2 Franziskus fragt Sankt Peter Köln hat geantwortet EINE ERSTE BILANZ «Papst Franziskus fragt Sie zu Ehe, Familie und Sexualität. Die Jesuitenkirche Sankt Peter Köln lädt Sie ein zu antworten.» Auf Plakaten mit einem QR-Code konnte man direkt zur online-befragung gelangen. «Wir wollen wissen, was die Menschen denken und wie sie leben,» so die Einladung aus Rom, die Bischofssynode in kommenden Oktober vorzubereiten. Deren Generalsekretär, Erzbischof Lorenzo Baldisseri, ermunterte Pfarrer, Pfarrgemeinderäte und Gemeindemitglieder mitzutun. Sankt Peter Köln bereitete daraufhin den verschickten Fragebogen auf. Die Aktion startete am 24. November und wurde am 15. Dezember 2013 beendet. Die Teilnahme war überwältigend: 714 Antworten insgesamt, 633 online und 81 auf Papier. Ein wenig Statistik Die Gemeinde Sankt Peter Köln ist eine moderne Innenstadt- Pfarrei: Die Befragten sind katholisch (75%), ökumenisch offen (12% evangelisch), besuchen regelmäßig den Gottesdienst (61%), gehen zur Kommunion (74%) und engagieren sich in der Gemeindearbeit (14%). Die Antworten gaben Männer (50%) und Frauen (50%). Das Durchschnittsalter beträgt 53 Jahre (± 15). Das ganze Altersspektrum ist breit vertreten: von jung (15) bis alt (93 Jahre). Die Gemeinde Sankt Peter mit ihrer Kunst-Station spiegelt ebenso eine Stadt wie Köln mit all ihren alten und neuen Lebensformen wider: Nur ein Drittel der Befragten sind verheiratet, standesamtlich (16%) oder kirchlich (18%), zwei Drittel da-
3 gegen leben in einer festen Beziehung, nicht verheiratet (18%), sind geschieden wiederverheiratet (15%) oder verpartnerte homosexuelle Paare (10%) und vor allem auch: Singles (21%)! Diese zwei Drittel sehen sich im kirchlichen Abseits. Alle sagen einmütig, sie seien von der Amtskirche nicht ernst- und angenommen und dass das ihr Leben belaste. Sie fordern Annahme und Akzeptanz. EINE ERSTE AUSWAHL Der aufbereitete Fragebogen spiegelt diese Vielfalt der Uberzeugungen zu Partnerschaft und Sexualität. Angesichts des enormen Rücklaufs und der wenigen Zeit mussten wir eine erste Auswahl treffen, die aber keine Gewichtung ist. Es ist ein erster Zwischenbericht wegen der vielen Nachfragen. Nichts soll zurückgedrängt oder ausgeblendet werden, sondern eine Diskussion in der Gemeinde und den Gremien anstoßen. Vier Komplexe sollen im Folgenden in Wort und Bild dargestellt werden. Aus allen Antworten zu einem Thema wurden Wortwolken erstellt. Je häufiger ein Begriff auftaucht, desto größer erscheint er in der Wortwolke. Typische Zitate geben die Bandbreite der Antworten wieder. Allgemeine Einstellung zur Kirche in Fragen von Partnerschaft und Sexualität Wir leben im 21. Jahrhundert! Mit Gott komme ich klar. Die katholische Kirche ist mir egal. Sankt Peter ist ein guter Ort, um Gott nahe zu sein.
4 Die Kirche muss lebensnäher werden, meine Frau und ich, vor allem aber unsere Kinder sehen hier keinen Bezug zur Realität. Dass ich überhaupt gefragt werde von der Kirche, finde ich sehr gut. Die Kirche gehört auf die Seite der realen Situation der Menschen. Das falsche Requirieren auf das Naturrecht, ohne die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaften zu berücksichtigen... in Bezug auf Homosexualität, Lebensbeginn und Sexualität müssen diese Erkenntnisse längst in eine neue Sexualmoral der Kirche einmünden. Wichtig ist mir vor allem: Die Toleranz und das barmherzige Zugehen auf alle, die in der Kirche bleiben wollen, aber sich vor die Türe gesetzt fühlen. Eheliche und partnerschaftliche Treue fehlen im Fragebogen. Treue ist ein wesentlicher Aspekt vertrauensvoller und verlässlicher Partnerschaft in der Ehe und außerhalb.
5 Wiederverheiratete Geschiedene Obwohl das Scheitern von Ehen zur gesellschaftlichen Normalität gehört, wird es immer noch als schwere Lebenskrise bei den Beteiligten erlebt. Teilweise erfolgen Trennungen aus nachvollziehbaren, als unausweichlich empfundenen Gründen. Geschiedene vermissen Begleitung und Stärkung durch die Kirche. Wenn dann Jahre später eine neue Liebe in eine feste Partnerschaft mündet, fühlen sich die Gläubigen ausgegrenzt und gedemütigt. Dabei wünschen sie sich durchweg wieder den Segen der Kirche. Wenn ich Sonntags in der Messe bin, überrascht mich immer, dass außer mir keiner geschieden und wiederverheiratet ist. Alle gehen zur Kommunion! Die Haltung der Kirche gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen kränkt mich, ich halte sie aber letztlich für mich für unbeachtlich und werde auch nach einer weiteren Heirat an den Sakramenten teilnehmen.
6 Ich vermisse Fragen zur Problematik der wiederverheirateten Geschiedenen. Ich halte es für unbarmherzig, wenn die Kirche sie von den Sakramenten ausschließt. Es ist ein Akt der Vergebung und Versöhnung, Menschen nach dem Scheitern ihrer Ehe bei einem neuen Anfang (mit einem neuen Partner) zu helfen. Annullierungsverfahren halte ich für keine empfehlenswerte Lösung. Homosexuelle Partnerschaften 10% aller Befragten leben in einer festen homosexuellen Beziehung. Sankt Peter spiegelt auch hier die Kölner Realität, in der Homosexualität offen und tolerant gelebt werden kann. Für 72% spielt die negative kirchliche Bewertung ihrer Lebensform eine existenzielle Rolle, 81% fühlen sich von der Amtskirche diskriminiert. Alle kennen sehr genau den Hintergrund und die Argumente in der Debatte, verfolgen die lehramtlichen Äußerungen. Gleichwohl nehmen sie am kirchlichen Leben teil, gehen regelmäßig zu Gottesdiensten. Durchweg alle kommentieren ihre Situation eindrücklich und fordern vehement eine Änderung der Position der Amtskirche und den offenen Umgang besonders auch in der Gemeinde.
7 Ich erlebe die Liebe meines Mannes und mein Angenommensein in all meinen Schwächen als einen Abglanz der Liebe Gottes. Wenn die Kirche sagt, eine Lebenspartnerschaft sei die»legalisierung des Bösen«verunsichert mich das zutiefst. Ich wünsche mir endlich die Anerkennung von Homosexualität als gleichwertige sexuelle Identität, die Anerkenntnis meiner/unserer schwulen Lebensgemeinschaft und Ehe, ja: Ehe! Mein Bruder ist homosexuell. Er leidet sehr darunter, dass er ja eigentlich Ausgestoßener ist. Er ist zwar regelmäßiger Kirchgänger, geht auch zur Kommunion, aber fühlt sich nicht eingeladen. Sehr schade. Andere in dieser Situation wenden sich leider total ab. Ich lebe nicht in einer homosexuellen Beziehung, aber viele enge Freunde. Die Zurückweisung durch die Kirche ist eine andauernde Kränkung und Verletzung von verantwortlich und moralisch handelnden und lebenden Menschen, die versuchen, ihre besondere Sexualität in einer festen Partnerschaft zu leben. Praktizierte Sexualität Sexualität dient weniger der Fortpflanzung als vielmehr der Kommunikation partnerschaftlicher Liebe. Verhütung erfolgt aus Verantwortung für die Kinder, die geborenen und die ungeborenen, und sich selbst. Der Kirche wird kein Recht eingeräumt, dazu Normen aufzustellen. Ich bin eine sehr gläubige Frau, aber auch mündig und daher entscheide ich über diese für mich sehr elementaren Fragen nur mit meinem Partner.
8 Geschlechtsverkehr dient nicht bloß der Fortpflanzung, sondern ist eine Form der Kommunikation zwischen einander Liebenden, die durch andere Formen der Kommunikation nicht zu ersetzen ist. Auf sie zu verzichten wäre eine Beschneidung der Liebe selbst. Ich denke, mein Gewissen und meine Haltung zum Leben und damit auch zur Partnerschaft darf nicht allein von einer Gruppe der Ehelosen bestimmt werden. Es ist mir ein Rätsel, warum die Kirche so heftig und intensiv in die Schlafzimmer schaut. Sie kann uns mündigen Gläubigen die Prinzipien von Verantwortung und Schutz des Lebens erklären und begreiflich machen - sie kann darauf vertrauen, dass wir dann damit gut und verantwortungsvoll umgehen - wie auch mit dem Autofahren und den Herausforderungen unserer Arbeitswelt. Die Amtskirche muss uns aber nicht im Bereich von Sexualität und wann wir was wie machen Vorschriften machen, die sie weder kontrollieren kann noch aus eigener Erfahrung kennen sollte. Das macht sie unglaubwürdig. Vertrauen statt Verbote! Gott hat uns den Verstand gegeben, den in Freiheit zu benutzen ein besonderes Geschenk ist, das er uns in Liebe und Achtung gewährt.
9 EIN ERSTES FAZIT Die Rückmeldungen zeugen durchweg nicht von großer Freude. Die zwei Drittel in der Gemeinde, die in «irregulären Verhältnissen» leben, sehen sich im kirchlichen Abseits. Alle sagen einmütig, sie seien von der Amtskirche nicht ernst- und angenommen und dass das ihr Leben belaste. Sie fordern Annahme und Akzeptanz. Je reflektierter und Lebens bestimmender ihr Glaube ist, desto mehr sehen sie die Amtskirche als zwischen sich und Gott stehend. Acht Trends zeichnen sich ab: 1. ERNSTHAFTIGKEIT. Die Befragten gehen ernst um mit ihrer Sexualität. Sie übernehmen Verantwortung für sich, den Partner und die Kinder. Sie sehen erstaunlicherweise diese Verantwortung auch vor dem ungeborenen Leben. 2. TREUE. Liebe, Treue und Elternschaft haben einen hohen Wert. Genau den lebten alle Partnerschaften, auch homosexuelle, so eine Mehrheit. Zerbrochene Ehen und Partnerschaften ließen diese Werte nicht zerbrechen. 3. GEWISSEN. Die Haltung der Amtskirche in entscheidenden Lebensfragen sei obsolet und nicht im Einklang mit moderner Wissenschaft. Verhütung und Intimität seien vor dem eigenen Gewissen zu verantworten. 4. FREUDE. Die Gläubigen erwarten von der Kirche die Frohe Botschaft. Die Kirche solle Mut machen und im Alltag helfen, dem eigenen Gewissen zu folgen, gerade in schwierigen Situationen. 5. EVANGELIUM. Ausgrenzendes, unbarmherziges Verhalten stehe der Verkündigung des Evangeliums im Weg, so ant-
10 worten viele einhellig. Sie müssen ihren Glauben gegen die Kirche in Schutz nehmen. 6. AKZEPTANZ. Die Gläubigen fordern die Anerkennung aller gelebten Beziehungen, so wie sie sind. Heterosexuelle empfinden in großem Einklang die Diskriminierung von Homosexuellen als Ärgernis. Wichtig sei nicht, wer wen liebe, sondern dass und wie geliebt werde. 7. KIRCHE. Der formale Ausschluss von den Sakramenten schmerzt die Betroffenen zutiefst. Sie gehen dennoch unter Berufung auf ihr Gewissen regelmäßig zur Kommunion, lassen ihre Kinder taufen und nehmen bewusst am kirchlichen Leben teil. Wenn man sie lässt. 8. SEGEN. Mag eine kirchliche Ehe nicht allen wichtig sein, wird doch eine Trauung oder Segnung für Geschiedene oder homosexuelle Paare gefordert. Eben weil Treue und Partnerschaft so wertvoll seien, dürfe kirchlicher Segen nicht fehlen. Hier sei kreatives Handeln nötig.
11 Zum Vorgehen bis heute und in Zukunft Bis heute Entwurf, Umarbeitung des Fragebogens, Online-Betreuung, Sichten der Bögen und erste Auswertungen: Dr. Heinz Greuling und Dr. Andreas Bell, begleitet von Pater Werner Holter und Prof. Remo Laschet. Die Anonymität der Daten und Antworten wird gewahrt. Bis heute wurden keine Ergebnisse oder Daten weitergegeben oder veröffentlicht. Geplant Angesichts der überwältigenden Teilnehmerzahl hat die Auswertung erst begonnen. Sie wird Grundlage für die Klausurtagung des Pfarrgemeinderates im Januar 2014, um ein Profil für die Gemeinde zu erstellen und pastorale Konsequenzen zu ziehen. Sodann sollen die Antworten und Ergebnisse "nach Rom" und als Ihr Beitrag in die Beratungen der Bischofssynode einfließen. Dazu planen wir die Ubergabe an einen in die Synode berufenen Bischof. In der kommenden Fastenzeit sind Gespräche und öffentliche Diskussionen in Sankt Peter vorgesehen. Alles wird zur Sprache gebracht werden können. Köln, den
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