Makroökonomik V. 5. Vermögenspreise, Geldpolitik und globale Liquidität. 5.1 Vermögenspreise und geldpolitische Strategie
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- Manuela Lichtenberg
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1 Makroökonomik V 5. Vermögenspreise, Geldpolitik und globale Liquidität 5.1 Vermögenspreise und geldpolitische Strategie 1 / 26
2 Literatur Grundlagen: Belke, Ansgar & Thorsten Polleit (2009): Monetary Economics in Globalised Financial Markets, Springer-Verlag, Berlin (S ). Weiterführende und vertiefende Literatur: Adalid, Ramón & Carsten Detken (2007): Liquidity Shocks and Asset Price Boom/Bust Cycles, ECB Working Paper Nr. 732, European Central Bank, Frankfurt (S ). Bean, Charles, Matthias Paustian, Adrian Penalver & Tim Taylor (2010): Monetary Policy after the Fall, paper presented at Federal Reserve Bank of Kansas City Annual Conference, Jackson Hole. Helbling, Thomas, & Marco Terrones (2003): Real and Financial Effects of Bursting Asset Price Bubbles, IMF World Economic Outlook (April 2003), Chapter II, S Posen, Adam S. (2006): Why Central Banks Should Not Burst Bubbles, International Finance, Bd. 9, Nr, 1, S Roubini, Nouriel (2006): Why Central Banks Should Burst Bubbles, International Finance, Bd. 9, Nr. 1, S / 26
3 Vermögenspreisinflation und Bubbles Relevante Vermögenswerte (assets): Aktien Immobilien (Grundstücke, Häuser, Wohnungen) Anleihen Vermögenspreisinflation (asset price inflation): Anhaltender genereller Preisanstieg von Vermögenswerten Konsumgüterinflation (headline inflation) vs. Vermögenspreisinflation Abweichungen der Marktpreise von den fundamentalen (d.h. realwirtschaftlich gerechtfertigten) Preisen möglich Bubbles/Preisblasen: temporärer deutlicher Anstieg von Vermögenspreisen über Fundamentalpreise 3 / 26
4 Vermögenspreisinflation und Bubbles Theorie: Fundamentaler Preis als risikoadjustierter Barwert des Stroms erwarteter Erträge (z.b. Dividenden) eines Assets Simple Darstellung bei Risikoneutralität: P f t = δ i E t D t+i i=1 P f t : fundamentaler Preis in Periode t δ: Diskontierungsfaktor (0 < δ < 1) E t : Erwartungswert zum Zeitpunkt t D t Ertrag des Assets in Periode t 4 / 26
5 Vermögenspreisinflation und Bubbles Theoretische Erklärungsversuche für das Entstehen von Bubbles: Informationsprobleme bei den Marktakteuren (z.b. Informationasymmetrien) Herdenverhalten der Marktakteure Rationale vs. irrationale Bubbles Treibende nicht-fundamentale Faktoren wie exzessive Liquidität Empirische Problematik der Bestimmung von fundamentalen Preisen und der Identifikation von Bubbles Indikatoren wie price-to-earnings ratio bei Aktien oder price-to-rent ratio bei Immobilien Modelle zur Identifikation fundamentaler Preise 5 / 26
6 Beispiel: Aktienpreisentwicklung in den USA Quelle: Belke & Polleit (2009, S. 452) 6 / 26
7 Beispiel: Immobilienpreisentwicklung in den USA Quelle: Belke & Polleit (2009, S. 459) 7 / 26
8 Transmissionskanäle Vier wichtige Kanäle, über die Vermögenspreise Inflation und/oder Output beeinflussen können: 1. Vermögenspreisentwicklungen können einen direkten Einfluss auf den Preis von den Services von Kapitalgütern haben, was sich in der Inflation niederschlägt Beispiel: Mietpreisansteig bei Anstieg des zugrunde liegenden Immobilienpreises 2. Vermögenspreisentwicklungen können einen Einfluss auf die heimischen Ausgaben haben (Vermögenseffekt) Beispiel: steigende Aktienkurse erhöhen das Vermögen von privaten Haushalten, was den Konsum erhöhen kann 8 / 26
9 Transmissionskanäle 3. Vermögenspreisentwicklungen können Vertrauenseffekte (confidence effects) bewirken, die Konsum und Investitionen und damit Inflation und Output beeinflussen Beispiel: Steigende Aktienkurse werden als Zeichen positiver wirtschaftlicher Entwicklung gedeutet 4. Vermögenspreisentwicklungen können über den Kreditkanal wirken: Steigende Preise von Vermögenswerten erhöhen die Absicherung bei Krediten und erhöhen damit die Kreditaufnahme Selbstverstärkender Effekt, sowohl bei steigenden als auch sinkenden Vermögenspreisen 9 / 26
10 Vermögenspreise als Indikatoren für die Geldpolitik Die Preisbildung von Vermögenswerten ist forward-looking, Preisänderungen deuten auf veränderte Erwartungen hin Extraktion von Informationen aus Vermögenspreisen: Renditedifferenz zwischen kurz- und langfristige Anleihen kann auf die Erwartungen bzgl. der wirtschaftlichen Entwicklungen hindeuten (relativ hohe Langfristzinsen: postive Erwartungen) Renditedifferenz zwischen normalen Anleihen und inflationsindexierten Anleihen enthält Informationen über die Inflationserwartungen (Berechnung der sog. Break-Even-Inflation ) 10 / 26
11 Vermögenspreise und makroökonomische Stabilität Makroökonomische Stabilität und Finanzmarktstabilität als explizites oder implizites Ziel der Geldpolitik Vermögenspreisinflationen können die Stabilität und die Effizienz der Makroökonomie beeinträchtigen Fehlallokation von finanziellen Ressourcen Überinvestitionen (z.b. im Immobiliensektor) Falsche Bewertung und falsches Management von Risiken Problem der Boom-Bust-Zyklen Starke Vermögenspreisinflation Entstehen und Platzen von Preisblasen 11 / 26
12 Stilisierte Fakten (Helbling & Terrones, 2003) Booms und Busts in Aktienmärkten häufiger als in Immobilienmärkten Die post-boom-phase dauert in Immobilienmärkten länger als in Aktienmärkten (durchschnittlich 4 vs. 2,5 Jahre) Preisverfall während Busts ca. 30% in Immobilienmärkten und 40% in Aktienmärkten 40% der Immobilienbooms und 25% der Aktienbooms von Busts gefolgt Produktionsrückgang von 8% des BIP nach Platzen von Immobilienpreisblasen und von 4% nach Aktienpreisblasen 12 / 26
13 Stilisierte Fakten (Adalid & Detken, 2007) Adalid & Detken (2007, S ) identifizieren Boom-Bust-Zyklen und geben stilisierte Fakten dazu wieder Datengrundlage: Quartalsdaten für 18 OECD-Länder im Zeitraum 1970 Q1 bis 2004 Q4 Betrachtete Vermögenswerte: Wohnimmobilien, gewerbliche Immobilien und Aktien (Daten von der BIS) Berechnung eines aggregierten Vermögenspreisindizes auf Basis der tatsächlichen Gewichte dieser Vermögenspreise in den jeweiligen Volkswirtschaften 13 / 26
14 Stilisierte Fakten (Adalid & Detken, 2007) Schätzung des Trends des Vermögenspreisindizes mittels Hodrick-Prescott-Filter, rekursive Berechnung Definition hier: Boom liegt vor, wenn der Index mindestens vier Quartale lang 10% über seinem Trendwert liegt Identifizierung von Boom-Perioden variabler Länge nach dieser Definition Einteilung der Boom-Perioden in low cost -Booms und high cost -Booms: Kriterium: Unterschied des durchschnittlichen realen BIP-Wachstums in den drei Jahren nach dem Boom im Vergleich zum den Boom-Jahren Schwellenwert low cost -Boom vs. high cost -Boom: annualisierter Unterschied von weniger als oder mehr als 2,4 Prozentpunkten 14 / 26
15 Stilisierte Fakten (Adalid & Detken, 2007) Quelle: Adalid & Detken (2007, S. 15) 15 / 26
16 Stilisierte Fakten (Adalid & Detken, 2007) Darstellung des durchschnittlichen Verlaufs verschiedener makroökonomischer Variablen im Boom-Bust-Zyklus Differenzung nach high cost - und low cost -Booms Medianwerte zu folgenden Zeitpunkten: Erstes und zweites Jahr vor Beginn des Booms (Pre1 & Pre2) Erstes Boom-Jahr (B1) Höhepunkt des Booms (Peak) Letztes Boom-Jahr (Last) Erstes und zweites Jahr nach Ende des Boom (Post1 & Post2) Variablen entweder als Wachstumsraten oder als Abweichung von jeweiligem Trendwert ( gap ) angegeben 16 / 26
17 Stilisierte Fakten (Adalid & Detken, 2007) Quelle: Adalid & Detken (2007, S. 17) 17 / 26
18 Stilisierte Fakten (Adalid & Detken, 2007) Quelle: Adalid & Detken (2007, S. 18) 18 / 26
19 Stilisierte Fakten (Adalid & Detken, 2007) Aggregierter Vermögenspreisindex verläuft gleichartig bei high cost - und low cost -Booms Preisindex der Wohnimmobilien schlägt bei high cost -Booms stärker nach oben und unten aus Geldwachstum steigt während high cost -Booms deutlich stärker an als das Kreditwachstum, das Kreditwachstum bricht nach high cost -Booms aber deutlich stärker ein Taylor-Rule-Gaps zeigen, dass die Geldpolitik nach dem Ende von high cost -Booms deutlich expansiver ist als nach low cost -Booms Immobilieninvestitionen sind deutlich stärker mit high cost -Booms verknüpft als die gesamten Investitionen 19 / 26
20 Reaktionsmöglichkeiten für die Geldpolitik Orthodoxe Sichtweise: Keine Reaktion (benign neglect) Preisbildung auf Märkten ist effizient, daher kein Eingreifen erforderlich (?) Keine ausreichenden Informationen, um Eingreifen zu rechtfertigen Asymmetrische Reaktion Keine geldpolitische Kontraktion bei drohender Blasenbildung, aber Expansion nach Platzen einer Blase mop-up after -Strategie Stabilisierung von Vermögenspreisen als (zusätzliches) geldpolitisches Ziel und aktives Vorgehen gegen Bubbles Leaning against the wind (moderate Zinserhöhungen bei Blasenbildung) Pricking the bubble (aggressive kontraktionäre Geldpolitik bei Blasenbildung) 20 / 26
21 Vermögenspreise als geldpolitische Zielgröße? Sollte die Geldpolitik neben Konsumgüterpreisen auch Vermögenspreise in ihre Zielfunktion aufnehmen? Einige Pro-Argumente: Umfassende Betrachtung aller für die Wirtschaft relevanten Preisgrößen Da Vermögenspreise und Konsumgüterpreise nicht immer gleichläufig sind, reicht es zur Preisstabilisierung nicht, die Erwartungen bzgl. einzig der Konsumgüterpreisinflation zu stabilisieren Verringerung der Volatilität von Vermögenspreisen durch die Geldpolitik möglich 21 / 26
22 Vermögenspreise als geldpolitische Zielgröße? Einige Kontra-Argumente: Entwicklung von Vermögenspreisen und Konsumgüterpreisen können gegenläufig sein, was die Wahl eindeutiger Politikmaßnahmen erschwert Vermögenspreise sind in der Regel volatiler als Konsumgüterpreise Stabilisierung von Vermögenspreisen kann ein Problem des moral hazard beim Investorenverhalten hervorrufen Gewichtung von Vermögenspreisen und Konsumgüterpreisen unklar Vermögenswerte haben ein weitaus höheres Volumen als Konsumgüter Entsprechende Gewichtung in der geldpolitischen Zielfunktion würde zu starker Konzentration der Geldpolitik auf Vermögenspreise führen 22 / 26
23 Aktives geldpolitisches Vorgehen gegen Bubbles? Pro-Argumente von Roubini (2006): Theoretische Modelle legen nahe, dass eine optimale Geldpolitik Vermögenspreise als Zielgröße einbezieht und selbst bei Unsicherheit über Existenz und Ausmaß von Bubbles auf diese reagieren sollte Auch bei Unsicherheit über die realwirtschaftlichen Folgen von Bubbles sollte die Geldpolitik reagieren Die Geldpolitik sollte eine vorsichtige Strategie des pricking the bubble verfolgen Eine restriktive Geldpolitik als Reaktion auf Bubbles führt nicht zwangsläufig zu unerwünschten realwirtschaftlichen Kontraktionen Asymmetrische Strategien sind inkonsistent und nicht optimal 23 / 26
24 Aktives geldpolitisches Vorgehen gegen Bubbles? Kontra-Argumente von Posen (2006): Übermäßige Liquidität keine überzeugende Erklärung für das Entstehen von Bubbles Geldpolitik hat keine adäquaten Instrumente, um Bubbles zu zerstechen Bubbles haben nur schwerwiegende realwirtschaftliche Folgen, wenn das Finanzsystem fragil ist Koordination der verschiedenen Bereiche der Makropolitik (Geldpolitik, Fiskalpolitik, Finanzaufsicht und -regulierung) ist zu schwer, um sinnvolle diskretionäre Maßnahmen einzelner Politikbereiche wie der Geldpolitik durchzuführen Asymmetrische Strategien beste Antwort auf platzende Preisblasen 24 / 26
25 Geldpolitik und Vermögenspreise nach der Krise Argumente von Bean et al. (2010) Grundsätzlich Unterstützung für eine Strategie des leaning against the wind Kollateralschäden in der Realwirtschafts durch kontraktionäre Geldpolitik sind allerdings nicht unwahrscheinlich Die ungewöhnlichen geldpolitischen Maßnahmen (Anleihenkäufe etc.) sollten baldmöglichst zurückgeführt werden Bessere/ergänzende Strategie: Stärkere Rolle für makro-prudenzielle Politik (z.b. Finanzaufsicht) Entwicklung neuer makro-prudenzieller Instrumente, um direkt die Ursachen für Preisfehlbildungen identifizieren und beseitigen zu können 25 / 26
26 Zusammenfassung Wichtige Rolle von Vermögenspreisen, insbesondere Immobilienpreise Bubbles und Boom-Bust-Phasen können schwerwiegende negative Folgen haben Die Geldpolitik sollte Vermögenspreise beachten, die beste konkrete geldpolitische Strategie ist aber nach wie vor umstritten Weitere (makro-prudenzielle) Politikinstrumente sind zusätzlich zur Geldpolitik erforderlich 26 / 26
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