Wir betrachten nun die bisher aufgeworfenen Probleme nochmals durch. eine andere Brille, wodurch eine spezielle Antwort auf die Frage ij) am
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- Bärbel Schenck
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1 1 3. Umwege des Denkens -- A Descriptive Fallacy Wir betrachten nun die bisher aufgeworfenen Probleme nochmals durch eine andere Brille, wodurch eine spezielle Antwort auf die Frage ij) am Ende des letzten Abschnittes gegeben werden soll. Überschneidungen mit dem bisherigen Text sind beabsichtigt und dienen dazu die neue Sichtweise möglichst eindringlich zu machen. In dem man sich also daran gewöhnt hat vom "Rechnen einer Maschine " zu reden, hat man den mathematischen Sprachgebrauch von Rechnen [der eigentlich nur eingeschränkt auf die mathematische Analyse der formalen Eigenschaften von Rechnen gültig ist] in einen anderen (Sprach- und Bedeutungs-) Bereich (nämlich F) transportiert. Gleichzeitig ist aber offenbar die ursprüngliche (d.h. Alltags-) Semantik von "Rechnen" (im folgenden F-Rechnen genannt) beibehalten worden, d. h. man stellt sich unter rechnen nach wie vor das vor, was man vom F-Bereich her gewöhnt ist, und zwar auch dann, wenn man vom "Rechnen" einer Maschine redet. Ein Teil der F-philosophischen Probleme oder Puzzles entstehen nun dadurch, daß man aus der F-Bedeutung Konsequenzen zieht und diese mit Beobachtungen aus anderen Berreichen in Zusammenhang bringt, z.b. dem "F-Rechnen" einer Maschine. Dadurch überträgt man (gerechtfertigte) Erwartungen von menschlichen Rechnern auf die Maschinen und es entstehen dann die üblichen Abwandlungen von philosophischen Problemen, z. B. hinsichtlich der Menschenrechte von Computern. Wie diese Probleme zu lösen sind, ist vor allem ein Problem der Abwägung. Man kann auch die Vorteile akzeptieren, die aus dem Einsatz von Computern in vielen Bereichen (z. B. der Flugsicherung) erwachsen und ihnen daher lieber die Menschenrechte zugestehen, d. h. auf diese Weise eine geeignete Arbeitsphilosophie für die Einzelwissenschaftler entwickeln, die in der Praxis summa summarum nicht allzu störend ist. Man sollte dies aber,
2 2 qua Philosoph, nicht tun, ohne z. B. auch die theoretisch-explanatorische Bedeutung vor "Rechnen" im mathematischen Kontext zu kennen. Es kann tödlich sein nur wie ein Zauberlehrling, d. h. ohne inhaltliches Verständnis, also lediglich rein operational, mit einzelwissenschaftlichen Erkennntissen umzugehen. Turing selbst ist es also meiner Ansicht nach passiert, daß er E- und F-Bedeutungen miteinander vermengt hat, und zwar nachdem er sich an die Maschinen gewöhnt hatte. Das, woran er sich dabei genaugenommen gewöhnt hatte war, daß es für das maschinelle Rechnen einen universellen Algorithmus gibt, mit dessen Hilfe alle menschlichen Rechenergebnisse (kontrolliert) reproduziert werden können. Dabei spielt der naturwissenschaftliche Hintergrund insoferne eine zentrale Rolle, als man glaubte, mit der Reproduktion der Ergebnisse alleine sei es getan. Insbesondere kommt es dann nicht auf die (individuellen) Vorstellungen eines Interpreten an. D. h. die Rechenergebnisse können -- egal wie sie zustandegebracht wurden -- i. w. nur auf genau eine Weise gebraucht oder benutzt werden. [Z. B. bei Messungen zur Überprüfung des Fallgesetzes.] Dies gilt ja für andere Typen von Erkenntnis nicht. Dort kann die Benutzung eines Ergebnisses sehr wohl vom Weg auf dem es zustandegekommen ist ( also von diversen Einsichten) abhängen. Man benutzt ein Ergebnis je nach Hintergrundwissen anders. Ein Verkehrsexperte der die Ampelanlagen einer Stadt mittels von ihm geschriebenem Computerprogramm steuert etc. wird dieses Wissen bei der Umsetzung in ein Anpassen an "grüne Wellen" im Verkehr anders ausnützen als ein Motorradfahrer, der jeweils mit maximaler Beschleunigung von einer Verkehrs-Ampel zur nächsten donnert. Wenn es aber den universellen Algorithmus (als Ausdruck der mechanistischen These und im Sinne einer mechanistischen Ersetzung
3 3 des menschlichen Denkens) für das Rechnen gibt, dann könnte es ihn doch auch für andere formalisierbare Tätigkeiten geben. Aber worauf baut eine derartige Fragestellung auf, bzw. woran knüpft sie an? Meiner Ansicht nach daran, daß man wieder die Rolle des Interpreten übersehen hat. Wie aber kommt es überhaupt zu einer Parallelisierung zwischen künstlichem/maschinellen Rechnen und künstlicher/maschineller Intelligenz? Wie kommt man überhaupt auf die Idee? Turing hat seiner Ansicht nach (modern gesprochen) ein "operationalisierbares Analogon" zum menschlichen Rechnen in der Maschine (zunächst der mathematischen Maschine, die den Rechenprozeß analysiert! ) gefunden. Und er betrachtet nun das menschliche Rechnen unter genau diesem formalen Aspekt 1. Damit oder dadurch überträgt er das theoretische-explanatorische Bild auf das menschliche Rechnen (H-Rechnen). Aber erst wenn er es auch deskriptiv zu interpretieren beginnt, d. h. wenn er beginnt, die menschlichen Prozesse nicht mehr nur als andere Operationalisierungen zu betrachten, sondern den theoretisch-explanatorischen Ansatz in einem unmittelbar deskriptiven Sinn versteht, erst dadurch wird ein Bilder-Swish (= vertauschen oder aufeinanderklatschen von verschiedenen explanatorischen Vorstellungen) möglich. Meiner Ansicht nach passiert das in dem Moment, wo man beginnt die kleinsten, nicht weiter zerlegbaren Programmeinheiten, die kleinsten Einheiten (die Module genannt wurden) unmittelbar praeskriptiv (also nicht nur deskriptiv sondern auch handlungsanleitend) einzusetzen. Damit wird einem Menschen unterstellt, daß er mindestens lokal genauso 1)Was war früher die Henne (formaler Aspekt) oder das Ei (natürliches Rechnen, aus dem der formale Aspekt abstrahiert wurde)? Oben hatte ich versucht die Angelegnehit vom mathematischen Vermittlungskontext her aufzulösen.
4 4 funktioniert wie eine Maschine. Man hat dann nicht mehr das Verhältnis relationaler Struktur (E, M) zu unmittelbarer Operationalisierung (L, bzw. B und R ) vorliegen, sondern man hat Relation und Operation gleichgesetzt. Man kann das auch eine deskriptive Projektion von theoretisch-explanatorischen Prädikaten nennen. (Es ist dies der faktische Kern, der eine empirische, einzelwissenschaftliche Disziplin ausmacht.) Wenn man nun versucht an diesem Punkt weiterzudenken, so ist es nicht schwer zu sehen, daß Turing aufgrund der beschriebenen Identifikation dazu übergehen kann erstens das rationale Argumentieren als einen ähnlichen formalen Prozeß zu verstehen wie das von ihm untersuchte Rechnen und zweitens, die mechanistische Idee zu entwickeln, daß es ähnlich wie für das Rechnen auch für das rationale Argumentieren einen universellen Algorithmus geben müsse, mit dessen Hilfe eine Reihe von Denk-Ergebnissen in kontrollierter Weise reproduziert werden könn(t)en. Es bleibt jedoch offen, ob man Denken damit vollständig erfassen kann! Die Suche nach dem universellen Algorithmus wird aber erst dann sinnvoll, wenn man vorher schon versucht hat auch das menschliche Denken (mindestens lokal) als formalisierbar aufzufassen, d.h. mindestens lokal einen Algorithnus als Beschreibung (d.h. als an die Wirklichkeit sehr nahe herankommend) auffassen kann. Und wie kommt man auf die Idee dieser Parallelisierung (von Denken und Computerprogrammen)? Dadurch, daß man die bei der Analyse der Rechnens gemachten Erfahrungen überträgt, nähmlich das explanatorische Element mit dem deskriptiven gleichsetzen und damit Erfolg haben zu können. [Genaugenommen handelt es sich dann dabei um eine empirische Hypothese! ]
5 5 Würde man hingegen die Wittgensteinische Analyse im Sinne von S. G. Shanker 2 akzeptieren, so käme es darauf an zu erkennen, daß die "mechanischen Regeln" aus dem Bereich der maschinellen Realisierung [man ist gelenkt von menschlichen Erfahrungen] auf den menschlichen Fall übertragen werden. Was Shanker dabei übersieht ist, daß Turing seine theoretischexplanatorische Semantik auf den Menschen anwendet, d.h. daß er den Aspekt auf den Menschen überträgt und dann, aufgrund von Gewöhnungen [ wie im Immitation Game] auch die innere Struktur des theoretischen-expanatorischen Bereiches überträgt, also die Algorithmen deskriptiv interpretiert. 2 Zu betonen ist, daß dies lokal, d.h. "within the refinement of the application of Turing's theory", durchaus korrekt ist. Es macht nichts aus so vorzugehen. Es ändert nichts am Ergebnis. Erst wenn man generalisiert, ergeben sich Probleme. Dasselbe gilt auch in umgekehrter Richtung. Nachdem man sich an die neue Semantik gewöhnt hat, wobei wie gesagt Algorithmus und Beschreibung gleichgesetzt werden, tauchen Erwartungen auf, welche nur bei der menschlichen Realisation der abstrakten Struktur sinnvoll sind. Diese Erwartungen betreffen vor allem Eigenschaften der maschinellen Realisation, die man aufgrund der Eigenschaften der menschlichen Realisation hat, weil man vergessen hat, welchen Aspekt man bei der menschlichen Realisation (genaugenommen) hineinprojeziert und betrachtet hat. Wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, daß der Algorithmus zu demselben Ergebnis führt, dann nimmt man mit der Zeit an, daß der Algorithmus auch 2) Cf. Shanker, D.G.: Wittgenstein versus Turing on the Nature of Church's Theorem, Notre Dame Journal of Formal Logic, vol 28 Nr 4, October ) empirische Hypothese der Cognitive Sciences [Lokal kann das sehr fruchtbar sein! ]
6 6 deskriptiv ist für das, was beim Menschen in Hinblick auf die Erzeugung von Ergebnissen abläuft. Also das Problem ist nicht so sehr, daß ein Mensch nun so gesehen wird, daß er "mechanische Regeln" befolgt [eine Redeweise die den Wittgensteinianern sicherlich den Magen umdreht], sondern daß Algorithmen deskriptiv interpretiert oder übertragen werden. Dadurch verändert sich der Gebrauch dessen, was man üblicherweise Rechnen nennt, es ändert sich also die Regel und damit die Bedeutung oder das, was man neuerdings mit Rechnen meint und es ändert sich auch das Erwartungsspektrum, wenn man von einem Agens behauptet, daß es rechnet! Man lernt tatsächlich bestimmte Regeln mechanisch zu befolgen, d.h. man realisiert oder besser operationalisiert einen Algorithmus. Der " Swish " (dem Vermischen oder aufeinderklatschen von Bildern, von dem oben die Rede war) entsteht, weil man nun auch bei den Maschinen vom Rechnen reden kann. (Nur eben in einem anderen als im rein menschlichen Sinne!) Und ebenso kann man sich daran gewöhnen, daß Maschinen Intelligenz vortäuschen -- immitieren -- können und daß man dann, wieder durch Gleichsetzung, davon redet, daß der Mensch Denk-Algorithmen realisiert, d.h. daß die KI-Programme realistisch bzw. deskriptiv im Sinne von Handlungsanweisungen verstanden werden (z. B. im general problem solver) können. Entweder wir müssen sagen, daß das alles nicht stimmt oder wir müssen der Maschine genuine Intelligenz zugestehen, zumindestens formale Intelligenz, i.s. entsprechender Analysen. Warum aber passiert uns dasselbe nicht auch beim (begrifflichen) Übergang vom händischen zum maschinellen Nähen ( mit einer Nähmaschine!)?
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