2. Der irische Schriftsteller Samuel Beckett ( ) hat aber vor vielen Jahren etwas geschrieben, was auch sehr wahr ist und sehr tröstlich:

Transkript

1 Predigt im Rundfunkgottesdienst am Karfreitag 2004 Glaube, Hoffnung, Liebe 1. Karfreitag ist immer der schwärzeste Tag des Glaubens, liebe Hörerinnen und Hörer Zuhause, liebe Gemeinde hier in der Kirche. Und das meine ich nicht nur ist symbolisch. Um die sechste Stunde, also mittags um Uhr, kam eine große Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde nachmittags um Uhr... drei lange Stunden von mittags bis nachmittags Finsternis am helllichten Tag, so erzählt die Bibel vom Todestag Jesu. Es ist, als trauere der Himmel über sich selber, könne nicht glauben und wolle nicht sehen, was da geschieht. Jeder Karfreitag, auch die vielen Karfreitage im Leben von Menschen, sind stets ein schwarzer Tag des Glaubens und des Hoffens. Man sieht die Hand vor Augen nicht mehr, hat nichts mehr zum Festhalten und kann keinen Schritt mehr gehen. Karfreitag Stillstand des Glaubens; Ohnmacht des Hoffens. Das ist eine wirkliche und schmerzhafte Seite unseres Lebens. Es gibt Tage ohne Licht, ohne Hoffnung, ohne irgend eine Aussicht. 2. Der irische Schriftsteller Samuel Beckett ( ) hat aber vor vielen Jahren etwas geschrieben, was auch sehr wahr ist und sehr tröstlich: Wenn es nur Dunkelheit (in unserem Leben) gäbe, (dann) wäre alles klar. Weil es aber nicht nur Dunkelheit gibt, (sondern auch Licht), wird unsere Lage unerklärbar. 1

2 Alles schwarz, das wäre dann wirklich schon das Ende unseres Glaubens und Hoffens im Leben, das Ende unseres Betens und Feierns. Aber manchmal ist da Licht, eigentümliches, auch geheimnisvolles Licht und sofort beginnen wir uns zu fragen, was es denn mit diesem geheimnisvollen Licht auf sich hat. 3. Eine ernste und sehr tiefe Antwort auf die Frage nach dem geheimnisvollen Licht dieses dunklen Tages und aller dunklen Stunden im Leben hat der Evangelist Johannes in seiner Erzählung vom Sterben und vom Tod Jesus gegeben: Sie nahmen ihn aber, und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf hebräisch Golgatha. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte. Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der König der Juden. Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreib nicht: Der König der Juden, sondern, dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben. Als aber die Soldaten Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch das Gewand. Das war aber ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. Da sprachen sie untereinander: Lasst uns das nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt (Psalm 22,19):»Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.«das taten die Soldaten. 2

3 Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und steckten ihn auf ein Ysoprohr und hielten es ihm an den Mund. Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht!, und neigte das Haupt und verschied. (Neues Testament, Johannesevangelium, Kapitel 19, Verse 16 30) * Die Schola singt aus dem Evangelischen Gesangbuch, Lied 87, die Verse Dein Kampf ist unser Sieg, dein Tod ist unser Leben; in deinen Banden ist / die Freiheit uns gegeben. Dein Kreuz ist unser Trost, die Wunden unser Heil, dein Blut das Lösegeld, der armen Sünder Teil. Lass deine Wunden sein / die Heilung unsrer Sünden, lass uns auf deinen Tod / den Trost im Tode gründen. O Jesu, lass an uns / durch dein Kreuz, Angst und Pein dein Leiden, Kreuz und Angst, ja nicht verloren sein. 4. In der Erzählung von Jesu Tod aus dem Johannesevangelium ist merkwürdigerweise nicht ein einziger Schrei zu hören. Von Schmerzen ist keine Spur und man spürt 3

4 wenig vom Ende des Glaubens und Hoffens. Es herrscht eine eigentümliche Ruhe alles vollzieht sich, wohl vielfach geübt, nach dem Plan der römischen Besatzungsmacht Schritt für Schritt. Dazu kommt, dass viele Handlungen offenbar nur geschehen, damit die Schrift erfüllt würde wie nach einem Drehbuch also. Das Kleid wird nicht zerteilt, der Durst ist da, wie es geschrieben steht. Und in der Mitte dieser Finsternis hat Jesus nur noch eine Sorge: seine Mutter und seinen Lieblingsjünger gut versorgt zu wissen. Sehr viel Umsicht ist das für einen, der gerade seinen Geist aufgibt. Diese eigentümliche Ruhe ist es, die mich sehr nachdenklich macht. Auch hier ist kein Licht am Himmel, auch hier sind keine lichten Helden versammelt und doch gelingt es Johannes, gleichsam von innen etwas ganz ruhig leuchten zu lassen. Was ist das? 5. Was hier von innen leuchtet, glaube ich, ist ein ganz besonderes Licht. Ich möchte es so benennen: das Licht eines reinen Herzens. Jesus stirbt im Reinen mit sich. Er segnet also das Zeitliche. Zum einen hat er getan und gesagt, was er konnte im Leben. Er hat sogar eben noch die Familie neu geordnet und neue Liebe gestiftet. Soweit das eher Sichtbare. Aber noch viel tiefer in sich ist Jesus im Reinen mit dem, was er von Herzen glaubt und einige Wochen vorher den Schwestern Marta und Maria gesagt hatte (Johannes 11,25): Wer glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Dieser schwere und tiefe Satz ist ein besonderes, ganz reines Licht, das von innen kommt. Im Sterben Jesu bewahrheitet sich, erweist sich ein besonderes, ewiges Licht. Wer lebt und glaubt, wird nimmermehr sterben. Der Glaube, das tiefe 4

5 Vertrauen zu Gott, dem Schöpfer, überlebt den Tod. Jesus stirbt nicht als lichtloser Irgendjemand, sondern als ein heimlicher König, als ein König des Glaubens. Im Sterben trägt Jesus das ewige Licht des Glaubens vom Ölberg zu Gott. Er stirbt ganz und gar, vermutlich auch mit großen Schmerzen und verzweifelt beweint von seinen Freunden und den Frauen, die tapfer unter dem Kreuz aushalten. Doch ein inneres Licht vergeht und verlöscht nicht: das Licht des reinen Herzens. Aber auch wenn es bei uns ein solch tiefer Glaube nicht sein kann, wie Jesus ihn hier noch im Tode lebt, dann ist bestimmt viel Licht in der Liebe und in der Fürsorge, die Familien und Freunde einander tun, wenn ein Mensch Abschied nehmen muss und stirbt. Oder, noch besser, man spricht Zuhause schon früh über alles, was ein ruhiges, behütetes Sterben braucht. Es wird so viel geredet, alles Mögliche wird besprochen warum nicht auch das Sterben und der Tod? Wir brauchen es dringend, miteinander in Ruhe auch über das Ende des Lebens zu sprechen. Ich will, wenn ich schon sterben muss, geliebt sterben. Ich will im Reinen sein mit mir. Ich will mein Haus gut bestellt haben und Frieden haben mit meinen Nächsten um mich herum. Darüber sollen wir auch sprechen. Das wird uns sehr gut tun. Liebe, das reine Licht, mit dem wir Sterbende zu Gott tragen. Selig sind, die solch reinen Herzens sind. 6. Wir feiern heute Gottesdienst, liebe Gemeinde und liebe Hörerinnen und Hörer, weil wir uns mit Dunkelheit und Finsternis auf keinen Fall abfinden wollen. Wir sollen, so schwarz der Tag auch sein mag, nach dem Licht suchen in diesem Stillstand des Glaubens und Hoffens. Und wir sollen nach Licht suchen dann, wenn sich in unserem Leben alles zu verdunkeln droht. 5

6 Johannes und andere haben davon erzählt. Eine vielleicht unsichtbar ausgestreckte Hand Gottes leuchtet immer, sagt Jesus. Das können Worte sein wie: Wer glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt: Das können Lieder und Gebete sein wie: Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir. Auf jeden Fall aber ist ganz viel Licht in der Liebe und Fürsorge, die wir einander tun, um uns damit schwere Wege und Abschiede ein wenig leichter zu machen. Das Dunkel des Glaubens und Hoffens, lehrt dieser Karfreitag, ist längst nicht das Ende der Liebe. Die Liebe ist die größte unter ihnen. Es gibt immer noch Worte - oder es leuchten noch Herzen, die mit Gottes Hilfe jeden Tod in einen Sieg verwandeln können. Liebe macht selig. Über den Tod hinaus. Der Tod fürchtet nichts, außer: die Liebe. Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. Aus dem Evangelischen Gesangbuch singen wir nun vom Lied 85 die Verse 5 und 9 - Lied 85, Verse