Die Verwendung von Fallbearbeitungsschemata zur Lösung juristischer Klausuren
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- Christin Becke
- vor 7 Jahren
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1 Konversatorium zum GK BGB I Zusatzmaterialien von Björn Becker Die Verwendung von Fallbearbeitungsschemata zur Lösung juristischer Klausuren Beispielsfall: Der 17-jährige A möchte von B ein gebrauchtes Klavier erwerben. A fragt den B, ob dieser ihm ein Instrument der Marke Schimmel für 1000 überlassen würde. B willigt ein. Die 1000 hat sich A aus dem von seinen großzügigen Eltern geleisteten Taschengeld zusammengespart. Da A aber nicht so viel Geld dabei hat, leistet er zunächst eine Anzahlung von 100. Den Rest des Kaufpreises will A in der nächsten Woche begleichen. Das Klavier nimmt A mit der Hilfe seines Freundes, dem Lastkraftwagenfahrer L, dagegen sofort mit nach Hause. Als A und L mit dem Klavier bei A aufkreuzen, fallen die Eltern des A aus allen Wolken und verbieten den Kauf. Frage 1: Hat V einen Anspruch aus 985 BGB auf Herausgabe des Klaviers? Frage 2: Hat V einen Anspruch aus 812 I 1 Alt. 1 BGB auf Herausgabe des Klaviers? Anmerkung: Eine schematisch saubere Prüfung ist der Grundstein einer erfolgreichen Klausur. Die Lösung dieses Falles dient der Verdeutlichung, wie die jeweils zu beherrschenden Fallbearbeitungsschemata im Ernstfall einer juristischen Klausur zu kombinieren sind. Zur besseren Veranschaulichung ist die Klausurlösung inhaltlich bewusst sehr knapp gehalten.
2 Lösung Anmerkung: Zur Lösung dieses Falles müssen folgende vier Fallbearbeitungsschemata beherrscht werden: 985 BGB 812 I 1 Alt. 1 BGB Übereignung nach 929 S. 1 BGB 1. Anspruchsteller = Eigentümer 2. Anspruchsgegner = Besitzer 3. Anspruchsgegner hat kein Recht zum Besitz, 986 BGB 1. Erlangtes Etwas 2. Durch Leistung 3. Ohne Rechtsgrund 2. Übergabe 3. Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe 4. Berechtigung des Veräußerers 5. Ggf. gutgläubiger Erwerb, 932 BGB Kaufvertrag, 433 BGB 1. Angebot 2. Annahme 3. Einigung über die wesentlichen Vertragsbestimmungen Wirksamkeit von Willenserklärungen beschränkt Geschäftsfähiger, 107 ff. 1. Ggf. Teilgeschäftsfähigkeit, 112, 113 BGB? 2. Ggf. einseitiges Rechtsgeschäft 3. Lediglich rechtlicher Vorteil, 107 BGB? 4. Ausdrückliche Einwilligung der gesetzlichen Vertreter, 107, 183 BGB? 5. Konkludente Einwilligung, 110 BGB (Taschengeldparagraf)? Zwischenergebnis: WE ist schwebend unwirksam 6. Genehmigung, 108, 184, 182 BGB? Falls (+): WE von Anfang wirksam an WE von Anfang nichtig an
3 Vorüberlegung: Grundsätzlich, d.h. unabhängig vom vorliegenden Fall, sind die Schemata wie folgt zu kombinieren: 985 BGB 812 I 1 Alt. 1 BGB I. Anspruchsteller = Eigentümer Ggf. Schema Übereignung nach 929 S. 1 BGB Bei Minderjährigkeit einer Partei 2. I Anspruchsgegner = Besitzer = tatsächliche Sachherrschaft, 854 BGB Anspruchsgegner hat kein Recht zum Besitz, 986 BGB Ein Recht zum Besitz kann sich z.b. aus einem wirksamen schuldrechtlichen Vertrag ergeben 1. WE des beschränkt Geschäftsfähigen 2. Ggf. WE der anderen Partei I. Erlangtes Etwas = jeder vermögenswerte Vorteil I Durch Leistung = Bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens Ohne Rechtsgrund Ein Rechtsgrund kann sich z.b. aus einem wirksamen schuldrechtlichen Vertrag ergeben 1. WE des beschränkt Geschäftsfähigen 2. Ggf. WE der anderen Partei Anmerkung: Für die konkrete Falllösung sind die Schemata sodann wie folgt zusammenzusetzen:
4 Frage 1: Anspruch B gegen A aus 985 BGB I. Anspruchsteller (B) = Eigentümer B müsste Eigentümer des Klavieres sein. B war ursprünglich Eigentümer. Er könnte sein Eigentum aber durch wirksame Übereignung an A verloren haben. Schema Übereignung nach 929 S. 1 BGB = dinglicher Vertrag P: A ist minderjährig : a) Teilgeschäftsfähigkeit d. A, 112, 113 BGB; einseitiges RG, 111 BGB (-) b) Rechtlicher Vorteil, 107 BGB? Einigung dient ausschließlich dazu, dem A das Eigentum am Klavier zu verschaffen Keine Gegenleistungspflicht des A 1 Erhalt des Eigentums ist für A lediglich rechtlich vorteilhaft c) Zwischenergebnis: Einigung (+) 2. Übergabe (+) 3. Eingsein im Zeitpunkt der Übergabe (+) 4. Berechtigung (+) Ergebnis B hat das Eigentum am Klavier durch wirksame Übereignung gem. 929 S. 1 BGB an A verloren. B ist folglich nicht mehr Eigentümer. Er hat daher keinen Anspruch gegen A aus 985 BGB auf Herausgabe des Klavieres. 1 Siehe das Trennungs- und Abstraktionsprinzip: A trifft zwar eine Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises. Diese wird aber durch den Kaufvertrag begründet und gerade nicht durch den hier geprüften dinglichen Vertrag der Einigung.
5 Frage 2: Anspruch B gegen A aus 812 I 1 Alt. 1 BGB I. Erlangtes etwas A müsste etwas erlangt haben. Ein erlangtes etwas besteht in jedem vermögenswerten Vorteil. Hier hat A Eigentum und Besitz am Klavier erlangt (s. o. Frage 1). I Durch Leistung A müsste Eigentum und Besitz am Klavier durch Leistung des B erhalten haben. Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Hier hat B dem A das Klavier zwecks Erfüllung seiner (vermeintlich bestehenden) Pflicht aus 433 I 1 BGB übereignet. A hat Eigentum und Besitz am Klavier daher durch Leistung des B erlangt. Ohne Rechtsgrund Ein Rechtsgrund könnte im zwischen A und B abgeschlossenen Kaufvertrag bestehen. Dazu müsste dieser Kaufvertrag wirksam sein. 1. Angebot des A P: A ist minderjährig a) Teilgeschäftsfähigkeit / einseitiges RG (-) b) Rechtlicher Vorteil, 107 BGB? Kaufvertrag = gegenseitiger Vertrag A wird auch zur Kaufpreiszahlung verpflichtet Geschäft ist rechtlich nachteilhaft c) Ausdrückliche Einwilligung der gesetzlichen Vertreter, 107, 183 BGB (-) d) Konkludente Einwilligung gem. 110 BGB? A will das Klavier zwar mit seinem angesparten Taschengeld bezahlen A hat aber noch nicht den vollen Kaufpreis gezahlt Daher kein Bewirken der Leistung im Sinne des 110 BGB Zwischenergebnis: Angebot des A ist schwebend unwirksam e) Genehmigung, 108, 184 BGB? (-) f) Rechtsfolge: Angebot des A ist von Anfang an nichtig 2. Zwischenergebnis: Kein wirksamer Kaufvertrag zwischen A und B Kein Rechtsgrund im Sinne des 812 I 1 Alt. 1 BGB IV. Ergebnis Mit dem Eigentum und Besitz am Klavier hat A daher etwas durch Leistung des B ohne Rechtsgrund erlangt. B hat folglich einen Anspruch auf Rückübereignung des Klavieres gem. 812 I 1 Alt. 1 BGB.
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