Beitrag: QS-Siegel in der Kritik Lücken bei der Lebensmittelsicherheit
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- Lena Oswalda Brandt
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1 Manuskript Beitrag: QS-Siegel in der Kritik Lücken bei der Lebensmittelsicherheit Sendung vom 12. November 2013 von Thomas Münten und Heiko Rahms Anmoderation: Wer also vertraut noch auf die Versprechen der Industrie? Auf ihre freiwillige Selbstkontrolle? Vorbei ist das spätestens bei der nächsten Lebensmittel- oder Fleischkrise. Viele Supermarktkunden haben längst aufgegeben, an mehr als tausend unterschiedliche Gütesiegel zu glauben. Und damit zum Beispiel an artgerechte Tierhaltung. Die beschwört auch der Stempel QS. Qualität und Sicherheit. Seit 2001 prangt QS so ziemlich auf allem, was mal mit Landwirtschaft in Berührung kam. Und rühmt sich ausgeklügelter Kontrolle der Produkte. Clever aber scheint vor allem, wie die bei QS ausgehebelt wird - zeigen Thomas Münten und Heiko Rahms. Text: Qualität und Sicherheit für den deutschen Verbraucher, das verspricht das QS-Siegel. Es klebt auf 90 Prozent aller Frischeprodukte in den Supermärkten. Eingeführt wurde es von der Industrie nach dem BSE-Skandal 2001 als freiwillige Selbstkontrolle. O-Ton Renate Künast, B 90/Grüne, ehemalige Verbraucherschutzministerin : Die Agrarindustrie hat dann schlicht und einfach gesagt, jetzt schaffen wir mal ein Siegel, bevor uns eine Ministerin zuvorkommt - und das war s dann auch. Der Versuch, mit einem Siegel eine Kontrolle zu suggerieren, eine scheinbare Kontrolle sozusagen anzubieten, und einem Ministerium im Zweifelsfalle zuvorzukommen, damit es keine anspruchsvollen Regeln gibt. Hinter der QS GmbH stehen der Deutsche Bauernverband, der Raiffeisenverband, der Verband der Fleischwirtschaft und der Bundesverband der deutschen Fleischwarenindustrie.
2 Das Ziel: Kontrolle vom Landwirt bis zur Ladentheke, vom Tierfutter bis zur Wurst. O-Ton QS Unternehmensfilm: Mit über Systempartnern ist QS weltweit das größte stufenübergreifende Qualitätssicherungssystem für frische Lebensmittel. Mit umfassenden Dokumentationen und neutralen Kontrollen sorgt das System für Transparenz und schafft Vertrauen beim Verbraucher. Wenn Milchbauer Christoph Erchinger das hört, wird er wütend. Sein Lieferant versorgte ihn im Februar mit QS-zertifiziertem Kraftfutter. Was Erchinger damals nicht wusste, darin verarbeitet: Mais aus Serbien, der mit dem Schimmelgift Aflatoxin verseucht war. Erst, als schon gut die Hälfte des Futters verbraucht war, kam die Warnung. O-Ton Christoph Erchinger, Milchbauer: Im ersten Moment war irgendwo Chaos bei uns angesagt, weil wir ja auf einmal ins Bodenlose fielen, was sollen wir jetzt machen? Erchingers Hof wurde gesperrt. Insgesamt kamen rund Tonnen verschimmelter Mais in die Futtermittelkette. Erst eine Milchprobe brachte den Skandal ans Licht. Gerade noch rechtzeitig, bevor der Verbraucher in Gefahr geriet. Milchbauer Erchinger behielt eine Probe für sich. Seitdem mag er dem Siegel nicht mehr so recht vertrauen. O-Ton Frontal21: Was hat Sie denn genau so aufgeregt, als dann der Händler kam und das Futter ja eigentlich mitgenommen hat und die Sache theoretisch beendet war? O-Ton Christoph Erchinger, Milchbauer: Dass wir das Kraftfutter bezahlen sollen, obwohl es belastet ist, und dass überhaupt kein, von Seiten der Futtermittelfirma, keine Unbedenklichkeit erfolgt ist. So etwas kann laut QS eigentlich gar nicht passieren. Auf Nachfrage verweist man auf ein mehrstufiges Prüfverfahren. Auf jeder Stufe der Futtermittelkette kontrollieren die Abnehmer ihre Lieferanten. In der Theorie. In der Praxis wurde das vergammelte Futter von Stufe zu Stufe weiter gereicht. Dabei kamen schon 2011 Zweifel auf an der Selbstkontrolle. Ein QS-zertifiziertes Unternehmen hatte Dioxin-verseuchtes Futter in Umlauf gebracht. Erst Monate
3 später fiel das auf. Wer prüft eigentlich QS-Futter, Tiere und Produkte? Laut QS- Vorschriften schicken zunächst die Hersteller des jeweiligen Produktes von sich aus Proben an ein QS-Labor ihrer Wahl. Wenn ein Futtermittellieferant also Proben einschickt, dann entscheidet er selbst, was in die Probenbeutel kommt. So etwas geht gar nicht, sagt Tierarzt Ralf Dieckmann. Er betreut seit vielen Jahren mehrere Milchviehbetriebe mit QS-Siegel in Nieder-und Oberbayern. O-Ton Ralf Dieckmann, Tierarzt: Das wäre ungefähr das gleiche, wie wenn ein Radprofi seine Urinprobe selbst zuhause nimmt, sie abfüllt und nachher ein Labor seiner Wahl aussucht, um diese Probe untersuchen zu lassen. Frontal21 liegen vertrauliche s vor, von einem Futtermittelhersteller, der für QS produziert. In ihnen heißt es, Was ein Betrieb das ganze Jahr über produziert, wieviel Dreck er hat, wieviel Mäuse, welche Proben er einschickt, merkt niemand und kontrolliert niemand. Und weiter: Es gibt genügend Möglichkeiten bei QS Super-Bewertungen zu haben, und in Wirklichkeit Schindluder zu treiben. Das schreibt der Geschäftsführer an einen Kollegen. QS verweist auf Nachfrage auf unangekündigte Audits in den Betrieben. Diese seien, keine Hausdurchsuchung, sondern eine Überprüfung von Prozessen und Produktkontrollen an kritischen Stellen. Unangekündigt heißt dabei für QS, dass sich der Prüfer bis zu 48 Stunden vor der Kontrolle ankündigt. Für Futtermittelhersteller Josef Feilmeier aus Niederbayern, der sich bewusst gegen das QS-System entschieden hat, bringt das alles wenig. O-Ton Josef Feilmeier, Futtermittelhersteller: QS-Kontrollen werden angemeldet. Selbst wenn sie nur eine Viertelstunde vorher angemeldet werden, dann kann ich als Mischfutterhersteller die Mischanlagen so einstellen, dass zur Prüfung nur gesunde Komponenten vermischt werden. Und da reicht eine Viertelstunde, weil dann alles gespült ist
4 und nur noch gesunde Komponenten durch die Anlage laufen. Und hinterher schalte ich wieder um auf die schlechte Ware. Zudem kommen die QS-Auditoren seltener selbst als staatliche Prüfer. Insgesamt hat QS 2012 genau 1361 Systemaudits bei Futtermittelherstellern durchgeführt. Staatliche Futtermittelkontrolleure dagegen besuchten im gleichen Zeitraum Betriebe und zogen Proben unangemeldet. Nach dem Futter folgt in der QS-Kette das Tier. Sind die QS-Tiere gesünder? QS verweist auf Nachfrage auf eine von ihr selbst mit Geld geförderte Doktorarbeit. Darin heißt es, Weiterhin konnte ermittelt werden, dass die dem QS-System angeschlossenen Betriebe einen deutlich besseren Biosicherheitsindex erzielen als die nicht angeschlossenen Betriebe. Tierarzt Ralf Diekmann betreut seit 18 Jahren viele QS- Milchviehbetriebe, aber auch andere. Sein Fazit nach langer Erfahrung: O-Ton Ralf Dieckmann, Tierarzt: Normalerweise müsste es so sein, das QS-zertifizierte Betriebe wesentlich besser abschneiden müssten, als nicht QS-zertifizierte Betriebe, das ist allerdings nicht der Fall. Für die zweifelhaften Kontrollen müssen Futtermittelieferanten und Fleischproduzenten zudem teuer bezahlen. Kleine Hersteller können sich deshalb QS einfach nicht leisten. O-Ton Josef Feilmeier, Futtermittelhersteller: Das würde mich im Jahr so etwa zwischen 8000 und Euro die ganzen Prüfungsgebühren, Personalaufwand für die Abfüllung und allem Drum und Dran etwa kosten. Und das ist für einen Kleinbetrieb im Verhältnis ein viel höherer Aufwand auf die Menge umgerechnet wie für einen Großbetrieb. Die größten Lebensmitteldiscounter und Supermärkte aber vertrauen auf QS-Fleisch. Produkte ohne das Siegel sind schwer verkäuflich. Deshalb machen Betrüger aus Fleisch ohne Siegel gern QS-Fleisch. Sie entfernen einfach die Herkunfts-Markierung. Wie das geht, erzählt uns ein Schweinezüchter und Metzger. Er will nicht erkannt werden. O-Ton Schweinezüchter und Metzger: Wenn ein Schwein zum Schlachthof kommt, braucht man nur das Ohr abschneiden und schon weiß niemand mehr, woher das Tier kommt. Das könnte man nur mit einem DNA-Test nachweisen, aber den macht ja keiner.
5 Laut QS werden solche Betrügereien durch strenge System- und Stichprobenaudits verhindert. Doch ein Amtsveterinär, der nicht erkannt werden will, hat ganz anderes erlebt. In der Praxis nehme man es auch in den Schlachthöfen nicht so genau mit dem Siegel: O-Ton Amtsveterinär: Das geht schon in Richtung Betrug, das sind keine Einzelfälle. Man hat ja die Möglichkeit, durch die Verarbeitung des Fleisches die Herkunft zu verstecken. Die Tiere werden angeliefert, und egal was da raus kommt, ist hinterher immer QS. QS ein nutzloses auch missbrauchtes System? O-Ton Renate Künast, B 90/Grüne, ehemalige Verbraucherschutzministerin : Wenn jemand als Endverbraucher drauf guckt und glaubt mit QS etwas Besonderes zu kaufen, muss man sagen, da ist nicht das Besondere drin. Insofern ist QS, finde ich, gescheitert. QS, ein Kontrollsystem, das den nächsten Lebensmittelskandal wohl kaum verhindert. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
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