Lebensphasen mit und ohne Erwerbsarbeit Panel: Arbeit und Teilhabe
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- Klaus Maurer
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1 Lebensphasen mit und ohne Erwerbsarbeit Panel: Arbeit und Teilhabe Prof. Dr. Clarissa Rudolph 17. September 2015 WSI-Gleichstellungstagung Berlin Clarissa Rudolph 1
2 Fragestellung und Gliederung Erwerbsintegration als die zentrale Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe => Teilhabe für Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit? Erwerbsintegration (+ Teilhabe) als Kernpunkt auch individueller, gesellschaftlicher und politischer Leitbildern (adult worker model) => Leitbilder weiterhin erstrebenswert? 2
3 Fragestellung und Gliederung Lebensphasen im Lebensverlauf Wandel des Lebensverlaufs für wen? Lebensphasen mit und ohne Erwerbsarbeit Leitbilder und Leitbildwandel Perspektiven: neue politische Leitbilder? 3
4 Lebensphasen, Lebensverlauf Eng verknüpft mit dem Normalarbeitsverhältnis, der Normalbiografie Beinhaltet unterschiedliche Lebensverläufe für Männer und Frauen Männer: Normalarbeitsverhältnis, Existenzsicherung für die Familie, Teilhabemöglichkeit an allen gesellschaftlichen Bereichen mit der Erwerbsarbeit Frauen: Normalehe + Haus- und Familienarbeit, Existenzsicherung abgeleitet durch Einkommen des (Ehe-)Mannes, Teilhabe tw. eingeschränkt bzw. abgleitet. 4
5 Wandel Wandel des Lebenslaufs Ent-Institutionalisierung De-Standardisierung Differenzierung Pluralisierung Führt auch zu diskontinuierlichen Lebensverläufen und zur Ausbildung unterschiedlicher Lebensphasen 5
6 Wandel Kritik und Neuformierung Wandel entspricht auch dem Wandel der Geschlechterverhältnisse Ausrichtung des Lebensverlaufs an unterschiedlichen Biografien und Interessen Angleichungsprozesse im Lebensverlauf Adult worker model Neuformierung = Neu-Normierung? 6
7 Wandel der Lebensverläufe Lebensphasen mit Erwerbsarbeit Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit arbeitslos erwerbslos Familienphase 7
8 Lebensphasen mit Erwerbsarbeit Grundsätzlich Voraussetzung für Teilhabe Materielle Existenzsicherung Sozialversicherungen Soziale Positionierung/Anerkennung aber Wandel der Erwerbsarbeit (Prekarisierung) garantiert Teilhabe nicht mehr für jeden in jedem Fall Teilhabe unterliegt weiterhin geschlechterspezifischer Ausprägung 8
9 Lebensphasen mit Erwerbsarbeit (Quelle: BA 2015: 5) 9
10 Lebensphasen mit Erwerbsarbeit Prekarisierung der Erwerbsarbeit TZ Befristete Anstellungen Minijobs Leiharbeit 10
11 Lebensphasen mit Erwerbsarbeit-AZ Teilzeitarbeit 11
12 Lebensphasen mit Erwerbsarbeit Mini-Jobs 12
13 Lebensphasen mit Erwerbsarbeit Befristungen 13
14 Lebensphasen mit Erwerbsarbeit Leiharbeit 14
15 Lebensphasen mit Erwerbsarbeit Folgen der Prekarisierung Planbarkeit des Lebens(verlaufs) schwieriger Phasen der Erwerbslosigkeit wahrscheinlicher Häufigere Wechsel/Übergänge (vgl. Englert u.a. 2012) Angleichung männlicher Erwerbsmuster an weibliche auf niedrigerem Niveau Normalarbeitsverhältnis ist aber immer noch die dominante Beschäftigungsform (v.a. bei Männern) Atypische Beschäftigung ( prekäre Beschäftigung) eröffnet auch neue Möglichkeiten Wer macht die Care-Arbeit? Gleichzeitigkeit 15
16 Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit - Arbeitslosigkeit (Quelle: BA 2015: 15) 16
17 Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit Arbeit ist nicht nur gesellschaftstechnisch gesehen wichtig, also dass man das Gefühl hat, dazuzugehören, sondern man arbeitet ja auch, um sich irgendwas leisten zu können, ja, und wenn das aber nicht gegeben ist auf Grund der Lohnstruktur, dann muss ich doch das ganze System mal in Frage stellen (Herr Michels, SGB II-Leistungsbezieher, Marburger Hartz-Studie). 17
18 Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit Ja. Sagen wir mal so, dass sie halt sicher schon ein bisschen Spaß macht. Ja, dass das einem ein bisschen was gibt. [ ] Das wär schon gut. Und dass man natürlich auch ein bisschen mitmachen kann. Ein bisschen mitdenken kann, ein bisschen mitknobeln kann. [Frau Leitner, Aufstocker_innen-Studie] 18
19 Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit Arbeitslosigkeit: Teilhabe eingeschränkt durch Niedriges Niveau der Existenzsicherung Exklusion aus Erwerbsarbeit - Stigmatisierung Orientierung weiterhin auf Erwerbsarbeit Seitens der Arbeitspolitik: Existenzsicherung (Grundsicherung SGB II) und Teilhabe an Bedingungen geknüpft Sanktionen Seitens der Erwerbslosen: hohe intrinsische und extrinsische Motivation zu Arbeitssuche und - aufnahme 19
20 Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit Care-Arbeit weiblicher Verantwortungsbereich mit Wandlungsprozessen Geschlechterverhältnisse in der Familie Re-Traditionalisierung Angleichung Indifferenz (vgl. Schier 2014) 20
21 Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit 21
22 Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit 22
23 Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit 23
24 Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit Eine Spekulation meinerseits: Frauen haben die Verantwortung für den häuslichen Bereich, die Männer in der klassischen Rolle verlieren durch die Arbeitslosigkeit alles. Die Verantwortung für den häuslichen Bereich ist also hilfreich für den Strukturerhalt (Herr I, Praktiker der Arbeitsmarktpolitik, Marburger Hartz-Studie). 24
25 Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit Ja, klar, ich möchte gerne wieder arbeiten, erst mal aus finanziellen Grünen, und dass ich nicht zu Hause sitzen will, sonst verblödet man auf gut Deutsch mit so kleinen Kindern (Frau V, SGB II-Leistungsbezieherin, Marburger Hartz-Studie). 25
26 Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit Familienzeit: Teilhabe eingeschränkt durch Abgeleitete Existenzsicherung Exklusion aus Erwerbsarbeit Stigmatisierung Abwertung der Sorgearbeit Orientierung weiterhin auf Erwerbsarbeit Seitens der Arbeits- und Familienpolitik: Existenzsicherung (Elterngeld, Pflegezeit) nur befristet, im Rahmen SGB II Zwang zur Arbeit in BG Seitens der Familiären : Familienzeit von vornherein definiert als Phase, Abnahme des trad. Ernährermodells Zuverdienermodell) 26
27 Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit 27
28 Lebensphasen ohne Erwerbsarbeit Ich hab mir jetzt ein Ehrenamt gesucht. Aber vom Ehrenamt kann man ja leider Gottes nicht leben. Und es ist so, für s Ehrenamt brauch ich auch Geld, was ich eben auch nicht habe und ich mich sehr einschränken muss (Both/Schierhorn 2010: 94). 28
29 Leitbilder und Leitbildwandel Stärkung der Erwerbsausrichtung in Arbeitsmarkt, Sozial- und Familienpolitik Erwerbsintegration als Leitbild/Norm adult worker-modell Inkonsistenzen und Widersprüche SGB II: Konzeptionell: Bedarfsgemeinschaften als Grundlage der Bedürftigkeit Umsetzung: Vorrangige Förderung von Männern und Vätern, stärkere Sanktionierung von Männern, Vermittlung von Frauen in Mini-Jobs 29
30 Leitbilder und Leitbildwandel Inkonsistenzen und Widersprüche Familienpolitik: Vereinbarkeitsfokus: Mütter mit Kindern Elterngeld: nur kurzer Bezug von Vätern; Vätermonate (Betreuungsgeld) Ehegattensplitting 30
31 Offene Fragen Ein Leitbild mehrere Leitbilder? Ist irgendeine Beschäftigung besser als keine? Hauptsache Arbeit vgl. (Fast) jede Arbeit ist besser als keine (Heinze/Streek) Zwangsemanzipation? Care? Option Bedingungsloses Grundeinkommen? 31
32 Perspektiven Eigenständige Existenzsicherung für alle in allen Lebensphasen => Autonomie (vgl. Betzelt/Bothfeld 2014) Individualisierung aber nicht Ent-Solidarisierung (Freiheit) unter den Bedingungen der Geschlechtergerechtigkeit (Umverteilung der privaten Care-Arbeit => Solidarität) und einem Neu-Arrangement von unterschiedlichen Lebensphasen (Emanzipation) => Lebenslauforientierte Politik? BGE? 32
33 Lebenslauforientierte Politik Akzeptanz und Integration der unterschiedlichen Lebensphasen als Grundlage von Arbeitsmarkt-, Sozial- und Familienpolitik Existenzsichernde, qualitativ gute Arbeit Abschaffung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse Reduzierung der VZ und Flexibilisierung der Arbeitszeit Flexibilisierung und soziale Absicherung der Familienzeiten (insb. Pflege!) Integration der Lebensphasen in die Rentenberechnung 33
34 Perspektiven im BGE? Eigenständige Existenzsicherung für alle in allen Lebensphasen => im BGE ja, aber u.u. auf niedrigem Niveau Individualisierung, aber nicht Ent-Solidarisierung => im BGE solidarische Gemeinschaft, die für alle sorgt unter den Bedingungen der Geschlechtergerechtigkeit (Umverteilung der privaten Care-Arbeit => im BGE möglich, aber nicht notwendig) und einem Neu-Arrangement von unterschiedlichen Lebensphasen (im BGE eher möglich, aber nicht notwendig) => Bedeutungsverlust von Arbeit? 34
35 Literatur BA 2015: Der Arbeitsmarkt in Deutschland. Frauen und Männer am Arbeitsmarkt 2014, Nürnberg Betzelt, Sigrid/Bothfeld, Silke 2014: Autonomie ein neues Leitbild einer modernen Arbeitsmarktpolitik, Bonn. Booth, Melanie/Schierhorn, Karen, 2010, in: Jaehrling, Karen/ Rudolph, Clarissa (Hg.): Grundsicherung und Geschlecht. Gleichstellungspolitische Befunde zu den Wirkungen von 'Hartz IV'. Münster, Brand, Ortrun/Rudolph, Clarissa: Auf zu neuen Ufern? Geschlechterleitbilder im Wandel, in: WSI- Mitteilungen, 67. Jg., 2/2014, S Englert, Kathrin/Grimm, Natalie/Sondermann, Ariadne 2012: Die zentrale Bedeutung von Erwerbsarbeit als Hindernis für alternative Formen der Vergemeinschaftung, in: Widersprüche, 32. Jg., 124/2012, S Graf, Julia/Rudolph, Clarissa: Emanzipation durch (Erwerbs-)Arbeit?! Die Bedeutung von Arbeit unter prekären Bedingungen, in: Jung, Tina/Lieb, Anja/Reusch, Marie/Scheele, Alexandra/Schoppengerd, Stefan (Hg.): In Arbeit: Emanzipation. Feministischer Eigensinn in Wissenschaft und Politik, Münster: Westfälisches Dampfboot 2014, S Schier, Michaela 2014: Gute Arbeit, gutes (Familien-)Leben? Folgen der Entgrenzung von Erwerbsarbeit für Geschlechterarrangements, in: Jurczyk, Karin/Lange, Andreas/Thiessen, Barbara (Hg.): Doing Family, Weinheim/Basel, S WSI-GenderDatenPortal ( 35
36 Literatur - Studien Graf, Julia 2013: Teilhabe von Aufstocker/innen. Die Gleichzeitigkeit von Erwerbstätigkeit und SGB II. Marburg (Download: ) ( Aufstocker_innen-Studie ) Rudolph, Clarissa 2007: Gleichstellungspolitik als Luxus Wandel und Persistenz von Geschlechterverhältnissen bei der Hartz IV-Umsetzung, in: Dies./Niekant, Renate (Hg.): Hartz IV Zwischenbilanz und Perspektiven, Münster, S ( Marburger Hartz-Studie ) 36
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