Beitrag: Wie Berufsbetreuer abkassieren Entrechtet und entmündigt
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- Silke Melsbach
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1 Manuskript Beitrag: Wie Berufsbetreuer abkassieren Entrechtet und entmündigt Sendung vom 16. Mai 2017 von Tonja Pölitz Anmoderation: Es ist eine Situation, in die keiner geraten möchte und dennoch kann es jeden treffen. 1,3 Millionen Menschen, die es nicht mehr schaffen, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, stehen in Deutschland unter rechtlicher Betreuung. Die meisten Betreuer gehen verantwortungsvoll mit ihrer Aufgabe um - zum Wohle der Betreuten. Doch mitunter bestimmen Leute, die den alten oder behinderten Menschen völlig fremd sind, über Wohnort, Vermögen, ärztliche Versorgung, einfach alles. Und die Angehörigen müssen machtlos mitansehen, wie die Familie zerstört wird und das Erbe. Tonja Pölitz hat traurige Beispiele. Text: Das Elternhaus von Harald Scherbaum ist verkauft - gegen seinen Willen. Ein gerichtlich bestellter Betreuer hat das Haus der Mutter zu Geld gemacht - für ihren Platz im Pflegeheim. Vor sechs Jahren kam seine Mutter mit Altersdemenz ins Heim. Ja, Sie sehen, das ehemalige Wohnzimmer meiner Mutter. Es ist alles noch so wie früher, als sie noch hier war. Ich möchte mir dadurch vielleicht auch ein Stück noch Erinnerung behalten. Denn Harald Scherbaum wohnt hier noch. Dass das Haus der Mutter einfach verkauft wurde, kann er bis heute nicht verstehen. Er habe das erst aus der Post erfahren, erzählt er. Meine Mutter ist nicht mehr Eigentümerin, die war Eigentümerin. Das Haus ist verkauft worden. Gründe dafür kenne ich nicht. Rückblick. Der Ärger beginnt Da hatte Harald Scherbaum
2 für seine Mutter einen Heimplatz mit Rundumpflege gefunden. Sein Fehler: Das Heim war in der Slowakei. Das ZDF berichtete damals. Denn bei vielen Deutschen reichen Rente und Pflegeversicherung nicht aus fürs Pflegeheim. Kosten in der Slowakei bei höchster Pflegestufe: Euro. In Deutschland: Euro über Euro mehr. Doch trotz der guten Pflege entscheidet eine Richterin in Bayern: Die Mutter muss zurück ins teure deutsche Heim, auch wenn sie sich das nicht leisten kann. Dem Sohn entzieht die Richterin die Betreuung - wegen finanzieller Interessen. Mutter Scherbaum wenig später, im deutschen Pflegeheim: Mit Gittern ist die alte Dame im Bett fixiert, ernährt per Magensonde, angeschlossen an einen Katheter - bei dementen Patienten spart das viel Zeit. Und Harald Scherbaum, der darf nur noch unter Aufsicht seine Mutter besuchen. Die 930 Euro, die jetzt jeden Monat fürs Pflegeheim fehlen, soll der arbeitslose Sohn als eine Art Miete zahlen. Das klappt nicht gleich. Zwangsverwaltung wird angeordnet. Als er regelmäßig zahlen kann, verkauft der Betreuer das Haus trotzdem. Mir wird unterstellt, dass ich also die monatlichen Zahlungen nicht geleistet hätte. Ich habe hier einige Bareinzahlungsnachweise über Monate hinweg, dass also immer diese 930 Euro dann geleistet wurden. Betreuer und Gericht hätten den Fall Scherbaum anders lösen müssen, urteilt der Experte für Betreuungsrecht. Auf das Haus der Mutter hätte man einen Kredit aufnehmen können, statt gleich zu verkaufen. O-Ton Prof. Volker Thieler, Betreuungsexperte: Es ist so, dass die Betreuer, wenn sie verkaufen wollen, verkaufen sie. Meistens wird es damit argumentiert, dass sie sagen, es ist notwendig für die Pflegekosten oder aus irgendwelchen Gründen. Diese schnellen Verkäufe, ohne Information, die Familien werden vor vollendete Tatsachen gestellt, hier natürlich ganz brutal, dass der verkauft und er ist noch drin in dem Haus. Also, da muss ich sagen, da hätte ich schon ein Problem, sowas zu machen. Dokumente zeigen: Der Betreuer drängte das Gericht gar, dem Verkauf zum Schleuderpreis von Euro zuzustimmen. Er begründet das so: besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Verkauft wird das Haus für Euro. Der Betreuer kann dafür Rechtsanwaltsgebühren von bis zu 6.369,48 Euro geltend machen.
3 O-Ton Prof. Volker Thieler, Betreuungsexperte: Ja gut, der Betreuer, der Anwalt ist, der kann natürlich immer Gebühren verlangen. Und da sage ich mal, natürlich muss das im Betreuungsrecht sein, hätte man da nicht eine andere Lösung finden können, dass der Betreuer vielleicht diese Verkäufe gar nicht machen darf oder irgendwie ganz anders abrechen darf. Aber da rede ich gegen meinen eigenen Berufsstand. Ich bin aber auch nicht für Anwälte als Betreuer, muss ich ehrlich sagen. Gerichte setzen immer schneller und gerne Rechtsanwälte als Betreuer ein, sagt der Experte. Weil sie Familienangehörigen fast immer finanzielle Interessen unterstellen. Birgit Barth erlebt das gerade. Sie soll die Eigentumswohnung ihrer Eltern verlieren, die ihr zum Teil gehört. Der Betreuer ihres Vaters will die Wohnung versteigern. Das hier ist mein Lieblingsbild, das da! Da war die Welt noch in Ordnung. Die goldene Hochzeit ihrer Eltern Ein Jahr später stirbt die Mutter. Beim Vater taucht eine gute Freundin auf. Als er einen Schlaganfall erleidet, versucht die, die Betreuung an sich zu ziehen - mit einer Vorsorgevollmacht, die sich vor Gericht als gefälscht erweist. Trotzdem wird nicht die Tochter, sondern ein Berufsbetreuer für den Vater bestellt. Grund: die gemeinsame Eigentumswohnung von Tochter und Vater. Und damit wurde mir unterstellt, dass ich finanzielle Interessen hätte und jemand mit finanziellen Interessen, den kann man halt nicht als Betreuer einsetzen, also ein Berufsbetreuer. Der ist Anwalt und nicht lange im Amt, da verklagt er die Tochter. Die Prozesse verliert er bislang zwar, Rechtsanwaltsgebühren kann er trotzdem kassieren - vom dementen Vater. Der kann inzwischen seinen Heimplatz nicht mehr bezahlen - und das, obwohl er im Monat fast Euro zur Verfügung haben müsste, wie die Tochter sagt. Jetzt soll die Eigentumswohnung der Eltern versteigert werden. Auf Nachfrage der Tochter teilt das Amtsgericht Speyer mit, das Gericht habe die Versteigerung genehmigt, um den Heimplatz für den Vater zu sichern. Mein Vater bekommt eine Rente, die seine Ausgaben übersteigt. Der Berufsbetreuer behauptet, mein Vater sei ein
4 Sozialfall. Das heißt, das Geld muss ja irgendwo hingegangen sein, wenn er tatsächlich ein Sozialfall wäre. Und das kann ausschließlich durch das Einsetzen des Betreuers gekommen sein. Sie würde ihren Vater unterstützen. Doch wie viel Geld ihm für den Heimplatz fehlt, um die Versteigerung abzuwenden, erfährt die Tochter nicht - weder vom Betreuer noch vom Amtsrichter. O-Ton Prof. Volker Thieler, Betreuungsexperte: Das liegt daran, dass der Angehörige entmündigt ist. Weder als Ehefrau, noch als Kind erfahre ich über die finanzielle Situation. Ich erfahre nicht die Kosten, ich erfahre auch nicht die gesundheitliche Situation. Es gibt kein Auskunftsrecht des Betreuers gegenüber der Angehörigen. Das fehlt auch. Und so beschließt das Amtsgericht Speyer: Es besteht für die Tochter kein Akteneinsichtsrecht. Die ist empört: Das heißt ich erfahre überhaupt gar nicht, um wie viel Geld es sich handelt, sondern die versteigern einfach so, weil sie es wollen. O-Ton Frontal 21: Und Ihren Anteil gleich mit? Und meinen Anteil mit. Das ist eine Gelddruckmaschine, eine richtiggehende Gelddruckmaschine für Rechtsanwälte in der Betreuung. Wenn der Betreuer den Verkauf des Elternhauses betreibt, darf er nicht noch dran verdienen, findet Harald Scherbaum. Ihm wird ein Auszug vom Konto seiner Mutter zugespielt, darauf sieht er: Von den Euro vom Hausverkauf sind nur noch rund übrig. Wo der Rest geblieben ist, darüber bekommt der Sohn keine Auskunft - auch nicht, warum für seine bettlägerige Mutter im Heim im Januar Taschengeld von Euro abgebucht wird. Frontal 21: Hat er Ihnen nie eine Abrechnung vorgelegt? Nein! Frontal 21: Sie kriegen als Familienangehöriger tatsächlich gar nichts?
5 Nein, ich kriege keine Informationen, weil ich als Betreuer praktisch abgesetzt bin und - Frontal 21: Familienangehörige haben kein Informationsrecht? - keine Informationen bekomme in dieser Richtung. Wir versuchen, den Betreuer mit den Vorwürfen Harald Scherbaums zu konfrontieren. Unsere Nachfragen per Mail bleiben unbeantwortet. Wir fahren zur Kanzlei, hinterlassen eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter und werfen unsere Fragen in den Briefkasten der Kanzlei. Keine Reaktion. Kontrolliert wird der Betreuer vom Amtsgericht Fürth. Das hält den Hausverkauf für notwendig. Zu Details will sich das Gericht nicht äußern, teilt aber mit, es müsse immer mehr Betreuungsverfahren bearbeiten, allein in Fürth derzeit Verfahren. Zitat: Zur Bearbeitung ( ) steht ein Arbeitskraftanteil von 3,63 Rechtspflegern und von 2,08 Richtern zur Verfügung. Wie soll da Kontrolle funktionieren? Das Amtsgericht schreibt: Bei Pflichtverstößen könne der Betreuer in Regress genommen werden. O-Ton Prof. Volker Thieler, Betreuungsexperte: Man wundert sich an sich, wie hier in die Familienrechte eingegriffen wird und dass keiner mal aufsteht. Das ist einfach ein normaler Fall, den wir jeden Tag erleben. Das ist Rechtswidrigkeit pur oder Unrecht pur in Deutschland. Das funktioniert so seit Jahren, keiner zeigt es an, keiner macht was und der Gesetzgeber hat s ja vorgesehen. Die Augen davor zu verschließen, wie viele Fälle es in dieser Richtung gibt, wie viele Betroffene es hier gibt, und dann immer noch zu sagen, das ist nur ein Einzelfall. Das ist eine Ignoranz gegenüber der Bevölkerung, die einfach nicht da sein dürfte in einem Staat, der sich Rechtsstaat nennt. Ich habe ja nichts verbrochen, ich hab immer versucht. für meine Mutter das Beste zu machen. Der Staat wischt sich meiner Meinung nach viel zu sehr ein in die Betreuung von Pflegebedürftigen. Wenn sich der Staat in die Betreuung von Vater und Mutter einmischt, wirklich besser wird es dadurch nicht immer. Die Immobilienfirma will Scherbaums Elternhaus schon wieder
6 weiterverkaufen. Der Sohn könne gern ein Angebot machen. Abmoderation: All dem können Sie zuvorkommen, indem Sie rechtzeitig vorsorgen und festlegen, wer, was, wie entscheiden soll, für den Fall, dass Sie es nicht mehr können. Hinweise finden Sie auf unserer Internetseite: frontal21.de Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
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