Prof. Dr. Björn Rasch, Cognitive Biopsychology and Methods University of Fribourg. Woche Datum Thema 1. FQ Einführung, Verteilung der Termine
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- Hilko Pfaff
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1 Methodenlehre Vorlesung 2 Prof. Dr., Cognitive Biopsychology and Methods University of Fribourg 1 Methodenlehre I Woche Datum Thema 1 FQ Einführung, Verteilung der Termine Psychologie als Wissenschaft Hypothesen und Variablen Operationalisieren und Messen Das Experiment Forschungsethik Störvariablen und ihre Kontrolle Durchführen und Berichten eines Experiments Stichproben und Population Statistische und inhaltliche Bedeutsamkeit Teststärke und Stichprobenumfangsplanung Komplexe Versuchspläne und Messwiederholung Nicht-experimentelle Methoden Wiederholung und Fragen 2 1
2 Gegenstand der Psychologie Definition: Gegenstand der Psychologie ist das Erleben, Verhalten und Handeln des Menschen Psychologie ist eine empirische Wissenschaft Erstellung von Hypothesen und Theorien Konfrontation mit der Realität Theorien werden anhand von erhobenen Daten getestet 3 Was ist Wissenschaft? Ziel: Generierung von beständigem, zuverlässigem und gültigem Wissen Gegensatz Alltagspsychologie Subjektive Überzeugungen Berufung auf Autoritäten Aufzählung von positiven Beispielen Wissenschaftliches Handeln als Beispiel für einen Problemlöseprozess Ausgangszustand: vorläufige Antwort auf eine Frage Zielzustand: geprüfte Aussage 4 2
3 Wissenschaftliches Vorgehen 5 Psychologie als Wissenschaft Vier Basisziele der wissenschaftlichen Tätigkeit Beschreiben Erklären Vorhersagen Verändern Beschreiben Definition: Beim Beschreiben werden Angaben über Erscheinungsformen und Merkmalen von mindestens einem Sachverhalt gemacht Sorgfältiges Beschreiben als wichtigste Grundlage jeder Wissenschaft 6 3
4 Erklären Ursache-Wirkungs-Beziehung Wie lassen sich bestimmte Merkmale und Erscheinungsformen erklären? Ist ein bestimmter Sachverhalt die Ursache für einen anderen Sachverhalt? Beschreiben Sachverhalt A Hängt zusammen mit Sachverhalt B Variable 1 Variable 2 Erklären Sachverhalt A Unabhängige Variable (UV) Ist ursächlich für Sachverhalt B Abhängige Variable (AV) 7 Vorhersagen Vorhersagen (Prognosen) sind vorwärtsgerichtete Erklärungen Vorhersage der Zukunft aus bekannten Zusammenhängen Unabhängige Variable = Prädiktor Was sagt vorher? Abhängige Variable = Kriterium Was wird vorher gesagt? Vorhersagen: Sachverhalt A 1 Sachverhalt A 2 Sagt vorher Sachverhalt B Sachverhalt A 3 Prädiktoren Kriterium 8 4
5 Prognosemodelle Ein Sachverhalt hat meist mehrere Ursachen Mehrere Prädiktoren Multidimensionales Prognosemodell Wichtigkeit der Prädiktoren kann unterschiedlich sein Gewichtung der Prädiktoren Prognosemodelle werden schrittweise verbessert Vorhersagen: Intelligenzquotient Selbstkontrolle Sozialer Status Prädiktoren Sagen vorher Akademischer Status Kriterium 9 Statistische vs. individuelle Prognose Statistische Prognosemodelle Beziehen sich auf grosse Gruppen von Personen Vorhersage nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Bsp.: Modell mit 65% Vorhersagegenauigkeit Bei 100 Studienanfängern ist die Vorhersage für 65 Studenten richtig Bedingungen für eine gute Vorhersagegenauigkeit: Präzise Erfassung der Prädiktoren Adäquate Auswahl der Prädiktoren Korrekte Gewichtung der Prädiktoren Kurze Zeiträume Individuelle Prognose Prognosen sind nur Wahrscheinlichkeiten Unklar, ob das Modell für ein bestimmtes Individuum zutrifft 10 5
6 Psychologie als Wissenschaft Vier Basisziele der wissenschaftlichen Tätigkeit Beschreiben Erklären Vorhersagen Verändern 11 Verändern Beeinflussen und Verändern von Menschen Vor allem klinische und pädagogische Psychologie Korrektur Ausgangszustand gestört / nicht normal Korrektur hin zu etwas Positivem Bsp: Therapie, Rehabilitation Förderung / Optimierung Verbesserung des Ausgangszustands Ausgangszustand aber nicht problematisch Bsp.: Erziehung, Unterricht, Ausbildung, Training Prävention Eintreten eines schlechten Zustands verhindern Bsp.: Stressbewältigung, Psychohygiene, Mitarbeiterschulungen 12 6
7 Systematik psychologischer Methoden Dimension I Quantitative Methoden Qualitative Methoden Dimension II Forschungsansatz / Forschungsdesign Erhebungsmethoden Analysemethoden 13 Quantitative Methoden Kern der naturwissenschaftlichen Psychologie Vorgehensweise zur numerischen Darstellung empirischer Sachverhalte Messen, Testen und Auswerten T-Test, Varianzanalyse, Korrelationstechniken etc. Siehe Vorlesung Statistik Erfassung objektiver Daten Generalisieren auf andere Personen / Situationen (Fast) immer auf Gruppenebene Stichproben weniger auf den einzelnen Menschen Ausnahme: Einzelfallforschung 14 7
8 Qualitative Methoden Grundlage der geisteswissenschaftlichen Psychologie Interpretative / sinnverstehende/ hermeneutische Auswertung Hermeneutik: Theorie der Auslegung von Texten (über Symbole) Bsp.: Traumanalyse von S. Freud Verstehender, den ganzen Menschen umfassender Ansatz Auf das Individuum bezogen Fallstudien Gruppendiskussionen 15 Methodenstreit Quantitative vs. qualitative Methoden 16 8
9 Quantitative vs. qualitative Methoden Qualitative Forschung Forschungsaspekt Quantitative Forschung Ideen / Zusammenhänge entdecken, verallgemeinern Allgemeines Ziel Hypothese / Forschungsfragen testen Beobachten und Interpretieren Methode Messen und Testen Unstrukturiert / frei Form der Datengewinnung Strukturiert / standardisiert Forschung ist involviert, Ergebnisse sind subjektiv Kleine Stichproben, häufig in natürlicher Umgebung Situation des Forschers Stichproben Forchung als unabhängige Beobachtung, Ergebnisse sind objektiv Grosse Stichproben, Kontrollierte Umgebung, Ergebnisse verallgemeinerbar 17 Forschungsmethoden Aus Hussy et al., 2013, Forschungsmethoden, S
10 Awendungsnahe Methoden Psychologische Diagnostik Erkenntnisse über eine Person für eine nachfolgende Massnahme nutzen Wissenschaftliche fundierte Methodik Z.B. standardisierte Interviews, Fragebögen, Testverfahren etc. Wichtig für Beratung, Therapie, Training Intervention Geplante / gezielte Massnahme zur Prävention, Therapie, Rehabilitation Wichtig im psychologisch-klinischen Bereich Evaluation Beschreibung, Analyse und Bewertung von Prozessen und Organisationseinheiten Wichtig im Bildungsbereich, Verwaltung und Wirtschaft Kann sich auf Voraussetzungen, Rahmenbedingungen, Struktur, Prozessen oder Ergebnisse / Produkte beziehen 19 Hypothesen und Variablen 20 10
11 Hypothese Was ist eine Hypothese? Definition: Eine vorläufige (vermutete) Antwort auf eine wissenschaftliche Frage Wissenschaftlicher Nachweis steht noch aus Bsp.: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Intelligenz und Ängstlichkeit Die Schlafdauer ist ursächlich mit der Lernleistung am nächsten Tag verknüpft. Nach der erfolgreichen Prüfung Geprüfte Hypothese Verifikation vs. Falsifikation 21 Hypothese Merkmale einer wissenschaftlichen Hypothese Präzise und widerspruchsfreie Formulierung Positives Bsp.: Schlaf nach dem Lernen verbessert die Erinnerungsleistung von Bildern im Vergleich zum Wachzustand Gegenbeispiel: Schlaf und Gedächtnis beeinflussen sich Prinzipielle Widerlegbarkeit Gegenbeispiel: Bauernregeln Operationalisierbarkeit Wie werden die Konstrukte gemessen? Gegenbeispiel: Das Es funktioniert nach dem Lustprinzip. Begründbarkeit Vorhandenes theoretisches / empirisches Wissen vorausgesetzt Einbettung der Hypothese in den Wissenszusammenhang 22 11
12 Hypothese Merkmale einer wissenschaftlichen Hypothese Präzise und widerspruchsfreie Formulierung Prinzipielle Widerlegbarkeit Operationalisierbarkeit Begründbarkeit Beispiele 23 Arten von Hypothesen Universelle Hypothesen Ohne jede Einschränkung gültig Bsp.: Alle Schwäne sind weiss Überprüfung kann nur durch ihre Widerlegung erfolgen Wissenschaftstheorie Falsifikationismus Karl R. Popper ( ) Induktionsproblem Wie lassen sich aus einzelnen Beobachtungen induktive Schlüsse auf allgemeine, gesetzesartige Aussagen ziehen? Ein Schwan ist weiss -> Alle Schwäne sind weiss??? Theorien können sich nur bewähren Induktion als Beweis unmöglich Universelle wissenschaftliche Theorien sind nicht verifizierbar Nur Falsifikation möglich 24 12
13 Wissenschaftliches Vorgehen 25 Arten von Hypothesen Beschränkt universelle Hypothesen Gültig mit Einschränkungen Intelligenz bedingt bei Erwachsenen die Ängstlichkeit Alle Schwäne in der Schweiz sind weiss Nur Falsifizierbar In der Zukunft kann ein Gegenbeispiel auftreten 26 13
14 Arten von Hypothesen Quasiuniverselle Hypothesen Gültig mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Intelligenz bedingt zumeist die Ängstlichkeit Die allermeisten Schwäne in der Schweiz sind weiss Ausnahmen werden zugelassen Verifikation und Falsifikation möglich Überprüfung durch statistische Verfahren Die allermeisten Hypothesen der experimentellen Psychologie sind quasiuniverselle Hypothesen Überprüfung durch empirische Untersuchungen Abhängig von der spezifischen Untersuchungssituation Welche Probanden wurden untersucht? Wie wurde operationalisiert? 27 Arten von Hypothesen Hypothese: Studentinnen sind fleissiger als Studenten Präzisierung und Operationalisierung Studentinnen verbringen mehr Zeit für das Vor- und Nachbereiten der Vorlesung Allgemeine Psychologie als Studenten Methoden Befragung durch Fragebogen Stichprobe 20 Personen des 1. Bachelorjahrgangs Fribourg Studentinnen 10 Studenten (fiktives) Ergebnis Studentinnen: 1.5 Stunden Studenten: 1 Stunde Hypothese bestätigt? 28 14
15 Generierung von Hypothesen Hypothesenprüfende Untersuchung Operationalisierung Entwicklung eines Versuchsplans Datenerhebung Annahme / Zurückweisung der Hypothese Verifikation vs. Falsifikation Hypothesengenerierende Untersuchung Exploratives Vorgehen Notwendig wenn wenig Hintergrundwissen vorhanden Empirische Daten bilden Grundlage für das Aufstellen einer Hypothese Aufgestellte Hypothese erfordert unabhängige Überprüfung Anderer, unabhängiger Datensatz erforderlich 29 Generierung von Hypothesen Deduktive Hypothesengenerierung Generierung einer Hypothese aus einer Theorie Allgemeine Hypothese: Die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses beträgt 7 ± 2 Informationseinheiten Spezifische Hypothese: Studenten können 7 ± 2 Sätze im Kurzzeitgedächtnis behalten. Induktive Hypothesengenerierung Generierung einer Hypothese aus einzelnen Beobachtungen Z.B. aus den empirischen Resultaten einzelner Untersuchungen Bsp.: Beobachtungen der Merkfähigkeit von Sätzen Häufig sind beide Wege der Generierung beteiligt Auch Zufall / Intuition 30 15
16 Beispiel Klassische Konditionierung Iwan Petrowitsch Pawlow ( ) 1904 Nobelpreis für Physiologie und Medizin Erforscht die Physiologie der Verdauung Beobachtung: Tiere produzieren schon Speichel bevor das Essen kommt 31 Beispiel Klassische Konditionierung 32 16
17 Hypothese Stellung im Forschungsprozess Induktion Deduktion Falsifikation / Verifikation Induktion 33 Variablen Menschen unterscheiden sich Vor allem in Bezug auf Erleben, Verhalten, Handeln Psychologischer Untersuchungsgegenstand Merkmale variieren Merkmale haben eine Variabilität Merkmale haben eine Varianz Definition Variable Variablen sind Merkmale, die in verschiedenen Ausprägungen vorkommen Jede Variable hat mindestens zwei oder mehrere Ausprägungen Definition Konstante Konstante sind Merkmale mit nur einer Ausprägung Kommen in der Psychologie sehr selten vor 34 17
18 Häufigkeitsverteilung (Histogramm) Variable: Schlafdauer Variable: Lernleistung Variable: Schlafdauer in Minuten Variable: Anzahl erinnerte Bilder 35 Arten von Variablen Experiment Unabhängige Variable (UV) Wird experimentell manipuliert Abhängige Variable (AV) Wird gemessen Bsp.: Lärm (Laut vs. Leise) und Lernleistung Vorhersage Prädiktor Was sagt vorher? Kriterium Was wird vorher gesagt? Bsp.: Schlafdauer und Lernleistung 36 18
19 Arten von Variablen Quantitative Variablen Merkmalsausprägung ist messbar auf einer Skala Z.B. Anzahl erinnerter Bilder, Schlafdauer, Intelligenz etc. Qualitative Variablen Merkmalsausprägung unterscheidet sich in ihrer Qualität Bsp.: Augenfarbe, Geschlecht Beobachtbare (konkrete) Variablen Konkret messbar (Bsp. Anzahl erinnerter Bilder, Reaktionszeit etc.) Latente Variablen 37 Theoretische, abstrakte Konstrukte Nicht direkt beobachtbar / messbar Bsp.: Intelligenz, Gedächtnisleistung Operationalisierung notwendig Take-Home Messages Psychologie ist eine empirische Wissenschaft Die vier Basisziele der wissenschaftlichen Psychologie sind Beschreiben, Erklären, Vorhersagen und Verändern Quantitative vs. qualitative Methoden Quantitativ: Empirische Überprüfung von Hypothesen Qualitativ: Erfassung des einzelnen Menschen in seiner natürlichen Umgebung Wissenschaftliche Hypothesen Präzise, widerlegbare, operationalisierbare und begründbare Vermutungen Erfordert wissenschaftliche Prüfung durch Empirie Universelle Hypothesen können nur falsifiziert werden Quasiuniverselle Hypothesen in der psychologischen Forschung Wahrscheinlichkeitsaussagen, Annahme / Ablehnung möglich Variablen sind Merkmale mit zwei oder mehr Ausprägungen Quantitative vs. qualitative Variablen, UV vs. AV 38 19
20 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 39 Forschungsansatz Quantitativ Experimentelle Forschungsmethoden Experiment Quasiexperiment / Feldexperiment Einzelfallforschung Nicht-experimentelle Forschungsmethoden Korrelationsstudie Prognosestudie Metaanalyse Qualitativ Biografieforschung Fallstudie Grounded Theory Datengestützte Theoriebildung Auswertung von Beobachtungsprotokollen, Interviews etc. Handlungsforschung (K. Lewin) Forschung als nicht wertfreier, gegenseitiger Lernprozess, enger Praxisbezug Deskriptive Feldforschung Erfahrungen im Feld sammeln 40 20
21 Erhebungsmethoden Quantitativ Beobachten Zählen Befragen / Fragebögen Testen Standardisierte Interviews Etc. Qualitativ Nicht-standardisiertes Interview Struktur-Lege Verfahren Gruppendiskussion Teilnehmendes Beobachten Etc. 41 Analysemethoden Quantitativ Beschreibende Methoden Deskriptive Statistik Schlussfolgernde Methoden Inferenzstatistik Multivariate Methoden Modelltests Etc. Qualitativ Inhaltsanalyse Diskursanalyse Hermeneutik Textanalyse Symbolik Semiotik Zeichenanalyse Z.B. Gestik Etc
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