Einführung in die Physikalische Chemie Teil 2: Makroskopische Phänomene und Thermodynamik
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- Gerda Heidrich
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1 Einführung in die Physikalische Chemie Teil 2: Makroskopische Phänomene und Thermodynamik Kapitel 7: Boltzmann-Verteilung Kapitel 8: Statistische Beschreibung makroskopischer Grössen Kapitel 9: Thermodynamik: Vorbereitung Kapitel 10: Grundlagen der Thermodynamik Kapitel 11: Thermochemie Kapitel 12: Chemisches Gleichgewicht Kapitel 13: Phasenübergänge Kapitel 14: Transportvorgänge Zustandsbesetzungen im Teilchenensemble Maxwell-Boltzmann-Verteilung Herleitung thermodynamischer Grössen aus Eigenschaften des Teilchenensembles Zustandsfunktionen und totales Differential Homogene Funktionen und mechanische Koeffizienten Die vier Hauptsätze der Thermodynamik Chemisches Potential Chemische Anwendungen der Thermodynamik: thermochemische Grössen, Satz von Hess Reaktionsgleichgewicht, Gleichgewichtskonstanten Temperaturabhängigkeit Phasengleichgewichte und -diagramme Clapeyron-Gleichung und Phasenregel Materie-, Energie- und Impuls-Transport in Gasen und Flüssigkeiten Übergang von mikroskopischer zu makroskopischer Beschreibung Klassische Thermodynamik: Makroskopische Beschreibung der Materie
2 Kapitel 8: Statistische Beschreibung makroskopischer Grössen Übersicht: 8.1 Einleitung 8.2 Innere Energie U 8.3 Wärmekapazität C 8.4 Der klassische Gleichverteilungssatz 8.5 Quantenmechanische Berechnung von U und C Literatur: Atkins, de Paula, Physikalische Chemie (4. Aufl.), Kapitel 16, 17 Atkins, de Paula, Kurzlehrbuch Physikalische Chemie (4. Aufl.), Kapitel 22
3 8.1 Einleitung In diesem Kapitel vollziehen wir den Schritt zur Beschreibung der Eigenschaften eines makroskopischen Stoffes aus den quantenmechanischen Eigenschaften seiner Moleküle. Wir werden sehen, wie aus den Eigenschaften einer Ansammlung (Ensemble) von Molekülen im thermischen Gleichgewicht (ausgedrückt durch die Boltzmann- Verteilung) und den quantenmechanischen Energieniveaus der Moleküle wichtige thermodynamische Grössen wie die innere Energie und die Wärmekapazität des Stoffes bestimmt werden können. 8.2 Innere Energie U Die thermodynamische innere Innergie U ist definiert als die mittlere Energie Ē des Systems berechnet als die Summe über alle Energieniveaus Ei gewichtet mit deren Population pi: U Ē = X i p i E i (8.2.1)
4 Die innere Energie unterteilt sich in ihre Anteile aus den verschiedenen molekularen Bewegungsfreiheitsgraden: U = U 0 + U trans + U rot + U vib + U el (8.2.2) mit: U0... innere Energie U beim absoluten Temperaturnullpunkt T=0 (Nullpunktsenergie) Utrans... Energiebeitrag der molekularen Translationsbewegung Urot... Energiebeitrag der molekularen Rotationsbewegung Uvib... Energiebeitrag aller Schwingungsbewegungen Uel... Energiebeitrag elektronischer Anregungen Eigenschaften der inneren Energie U: U ist eine Funktion der Temperatur und des Drucks: U=f(T,p) U ist eine extensive Grösse, d.h., sie hängt mit der Grösse des Systems ab (je mehr Teilchen, desto grösser ist U) U ist eine Zustandsfunktion, d.h., sie hängt nur vom Zustand des Systems ab, und nicht, wie es dorthin gelangt ist.
5 8.3 Die Wärmekapazität C Wird die Temperatur des Systems um einen infinitesimal kleinen Betrag dt geändert, so verändert sich die innere Energie um einen Betrag du proportional zu dt: du = C V dt (8.3.1) Die Proportionalitätskonstante CV wird Wärmekapazität genannt. Der Index V deutet an, dass die Temperaturänderung bei konstantem Volumen stattfindet. Gemäss Gl. (8.3.1) wird die Wärmekapazität bei konstantem Volumen CV definiert C V = CV ist ein Mass für die Fähigkeit (Kapazität) eines Stoffes, Energie (Wärme) bei einer Temperaturerhöhung zu speichern. Analog zu Gl. (8.2.2) berechnet sich die gesamte Wärmekapazität des Systems zu: C = C trans + C rot + C vib + C el (8.3.3) V
6 8.4 Der klassische Gleichverteilungssatz Zur Erinnerung: ein Molekül mit K Atomen besitzt insgesamt 3K Bewegungsfreiheitsgrade (FG, s. Kapitel 3). Davon entfallen auf Translation (Schwerpunktsbewegung): 3 FG Rotationsbewegung: 2 FG (lineares Molekül), 3 FG (nicht-lineares Molekül) Vibrationsbewegung: 3K-5 FG (lineares Molekül), 3K-6 FG (nicht-lineares Molekül) lineares Molekül: CO 2 4 Normalschwingungen Nicht lineares Molekül: H 2 O 3 Normalschwingungen
7 Der klassische Gleichverteilungssatz (Äquipartitionstheorem) besagt nun: Der Mittelwert aller quadratischen Beiträge zur inneren Energie ist gleich gross und beträgt pro Molekül 1 2 k BT Illustration: Translationsbewegung: der Anteil der Translationsbewegung an der inneren Energie beträgt pro Molekül: 3 quadratische Beiträge, daher k BT U trans = 1 2 m(v 2 x + v 2 y + v 2 z )= 3 2 k BT (8.4.1) Für den Beitrag der Translationsbewegung zur molaren inneren Energie erhält man: U trans,m = N A U trans = 3 2 RT (8.4.2) mit R=NAkB= J mol -1 K Gaskonstante Rotationsbewegung: U rot,m = f rot 2 RT (8.4.3) mit frot... Anzahl der rotatorischen FG (=2 oder 3)
8 Vibrationsbewegung: U vib,m = f vib RT (8.4.4) mit fvib... Anzahl der vibratorischen FG (=3K-5,6) Jeder vibratorische FG steuert k BT bei, da jede Vibrationsbewegung zwei quadratische Energiebeiträge (kinetische und potentielle Energie) besitzt (s. Kapitel 4.4): E vib = 1 2 µv x kx2 (8.4.5) Die gesamte molare innere Energie eines Gases beträgt somit: Um U m = U 0,m RT + f rot 1 2 RT + f vibrt Nullpunktsen. Translation Rotation Vibration (8.4.6) Die molare Wärmekapazität bei konstantem Volumen berechnet sich hiermit zu: C Beispiel Tafel V = f rot + f vib R (8.4.7) Die molare Wärmekapazität wird auch als Molwärme bezeichnet. Cv,m T T
9 8.5 Quantenmechanische Berechnung von U und C Dem Gleichverteilungssatz liegt eine klassische Betrachtung der Molekülbewegung zugrunde. Er ist nur anwendbar, wenn Quanteneffekte keine Rolle spielen. Bei moderaten Temperaturen (Raumtemperatur) trifft dies in der Regel für die Translation und Rotation zu, falls Etrans,Erot << kbt. Für Schwingungen gilt jedoch oft Evib >> kbt, so dass der Quantencharakter der Schwingung nicht vernachlässigt werden kann Quantenmechanische Berechnung des vibratorischen Anteils an der inneren Energie eines zweiatomigen Gases Die mittlere quantenmechanische Vibrationsenergie eines Gases errechnet sich aus der Summe über alle vibratorischen Energieniveaus Ev multipliziert mit ihrer Population pv (vgl. Gl. (8.1)): U vib Ē vib = X v p v E v (8.5.1) Wir beschränken uns im Folgenden der Einfachheit halber auf zweiatomige Moleküle. Die Formeln können leicht verallgemeinert werden (s. Atkins, Kap. 16,17). Berechnung Tafel
10 Man erhält als Ergebnis für den vibratorischen Anteil an der molaren inneren Energie eines zweiatomigen Gases: h 1 U vib,m = R vib 2 + exp{ vib/t } 1 1i (8.5.2) mit der charakterisitischen vibratorischen Temperatur: vib = h /k B (8.5.3) Den vibratorischen Anteil an der molaren Wärmekapazität erhält man aus Gl. (8.5.2) ( Tafel) : 2 vib exp{ vib /T } C vib,m = R (8.5.4) T 1 exp{ vib /T } 2 Grenzfälle: T=0: U vib,m = 1 2 N Ah C vib,m =0 Nullpunktsenergie von NA Oszillatoren (8.5.5) T Θvib: U vib,m = RT C vib,m = R (8.5.6) Bei hohen Temperaturen geht das quantenmechanische Resultat in den klassischen Gleichverteilungssatz über.
11 8.5.2 Quantenmechanische Berechnung des rotatorischen Anteils an der inneren Energie eines zweiatomigen Gases Herleitung Tafel. Für den Fall, dass die charakteristische rotatorische Temperatur Θrot viel kleiner als die Temperatur ist rot = B k B T (8.5.7) erhält man also das Resultat des klassichen Gleichverteilungssatzes zurück: U rot,m = RT C rot,m = R (8.5.8) Im allgemeinen Fall kann die Beziehung für die innere Energie U rot,m = N AB q rot X (2J + 1)J(J + 1) exp{ J(J + 1) rot /T } J (8.5.9) mit q rot = X J (2J + 1) exp{ J(J + 1) rot /T } (8.5.10) durch numerische Summation berechnet werden. Die Wärmekapazität Crot,m erhält man dann aus der numerischen Ableitung von Urot,m nach T.
12 Beispiel: CO (Rotationskonstante B= J) Crot,m / J mol -1 K -1 T / K Man sieht, dass sich Crot,m bereits bei wenigen Kelvin dem Resultat des klassischen Gleichverteilungssatzes Crot,m=R= J mol -1 K -1 annähert.
13 8.6 Wärmekapazität von Festkörpern Klassische Betrachtung In einem einatomigen Festkörper kann jedes Atom in 3 unabhängige Raumrichtungen schwingen. Nach dem klassischen Gleichverteilungssatz ergibt sich somit: und U m =3RT C V,m =3R = 24.9 J mol 1 K 1 (8.6.1) (8.6.2) Dies ist das 1819 empirisch gefundene Gesetz von Dulong und Petit. Wie man nun bereits erwarten kann, gilt das Gesetz von Dulong und Petit nicht bei tiefen Temperaturen. 30
14 8.6.2 Einstein-Modell der Wärmekapazität von Festkörpern Einstein entwickelte 1905 als eine Pionierarbeit der Quantenmechanik ein einfaches Modell der Wärmekapazität von Festkörpern. Annahmen: Jedes Atom schwingt mit einer Frequenz νe um seine Ruhelage. Die Schwingungsenergie ist quantisiert: E=nhνE, mit n ganzzahlig Analog zur Herleitung von Gl. (8.5.2) und (8.5.4) erhält man: U m = 3R E exp{ E /T } 1 (8.6.3) E C V,m =3R T 2 exp{ E /2T } 2 exp{ E /T } 1 (8.6.4) mit der Einstein-Temperatur E = h E /k B (8.6.5)
15 Grenzfälle: T=0: Keine Nullpunktsenergie! T Θvib: C V,m =0 C V,m =3R Bei hohen Temperaturen geht das quantenmechanische Resultat in das Gesetz von Dulong und Petit über. T=Θvib: CV,m erreicht etwa 92% des klassischen Wertes. Messdaten Einstein- Modell Datensammlung: Li Be C Ne Na Mg Al Ar Θ /K E ν /cm E Ti Fe Cu Zn Ag Au Hg Pb Θ /K ν /cm H O 2 MgO SiO 2 KF NaCl KCl AgCl AgBr Θ /K 149 ν /cm E E E E
16 8.6.3 Modell von Debye Das Einstein Modell nimmt unrealistischerweise eine einheitliche Schwingungsfrequenz für alle Atome an. Eine Verfeinerung des Modells nach Peter Debye mittelt über die Verteilung alle vorkommenden Schwingungsfrequenzen bis zu einem Maximalwert νd. Man erhält: T C V,m =9R D 3 Z D /T 0 x 4 e x (e x 1) 2 dx (8.6.7) mit der Debye-Temperatur D = h D /T (8.6.8) Gl. (8.6.7) wird i.d.r. numerisch integriert und liefert gute Übereinstimmung mit experimentellen Daten.
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