Detaillierte Beanspruchungsanalyse in Getrieben Detailed load distribution analysis in gears
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- Vincent Walter
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1 Detaillierte Beanspruchungsanalyse in Getrieben Detailed load distribution analysis in gears Abstract Prof. Dr.-Ing. Berthold Schlecht, TU Dresden Dr.-Ing. Michael Senf, TU Dresden Dr.-Ing. Tobias Schulze, DriveConcepts GmbH Dresden The calculation of gears especially planetary gears can just be carried out by the consideration of influences of the whole drive train and the analysis of all relevant machine elements. In this case the gear is more than the sum of its machine elements. Relevant interactions need to be considered under real conditions. The standardized calculations are for the safe dimensioning of the machine elements with the consideration of realistic load assumptions decisive. But they need to be completed by extended analysis of load distribution, flank pressure, root stress, transmission error and contact temperature. For the dimensioning of highly stressed toothings the analysis of load distribution and the definition of tooth flank modifications belonging to the principal tasks. Similar problems appear at the evaluation of toothing damages and failure modes of whole gears. Although there are a large number of standards for the calculation of spur gears (DIN 3990, ISO 6336). It is necessary to have special and powerful calculation software which is reflecting the force-deformation-relation for every point of the contact area more precisely. For the determination of the load distribution in planetary gear stages the deformation analysis is a more complex task as for spur gear stages. The deformation of the wheel body as well as the companion structures and the planet carrier cannot be calculated in an analytical way. They need to be investigated with FE calculations. In the program MDESIGN LVR planet are all necessary calculations for the load analysis of planetary gears united. The relevant deformations are determined with automatically generated FE nets of the gear wheels and planet carrier and are used for the load distribution calculation afterwards. This allows the load distribution calculation at planetary stages with spur, helical and double helical gear wheels. Therefore are analytical functions for the contact area in use. As result you can see the fast computing time despite of the high-resolution rough discretisation of the used model. The load, pressure, foot stress distribution and width load factor can be interpreted. Furthermore the program is giving suggestions how to modify the flanks for a well-balanced load distribution. For an efficient calculation it is necessary and reasonable to use software. DriveConcepts GmbH develops software solutions for drive technology, which is characterized by clear and intuitive handling of all data. In the background academic established calculation kernels and consistent structured interfaces help to solve the actual task efficiently. Especially for design concepts of planetary and spur gearboxes the newest development is MDESIGN gearbox. This calculation software gives complete product information in the early phase of product life cycle (PLC). The calculation can t replace measurements and test drives, but iteration steps can be reduced economically.
2 Zusammenfassung Die Analyse der Beanspruchungsverteilung und die Festlegung von Zahnflankenmodifikationen gehört zu den wesentlichen Aufgaben bei der Auslegung hochbelasteter Verzahnungen. Ähnliche Problemstellungen ergeben sich auch bei der Beurteilung von Verzahnungsschäden und Ausfallursachen kompletter Zahnradgetriebe. Obwohl für die Berechnung von Stirnradverzahnungen ein umfangreiches Normenwerk (DIN 3990 /12/, ISO 6336 /13/) vorliegt, ist für derartige Aufgabenstellungen spezielle und leistungsfähige Berechnungssoftware notwendig, die die Kraft-Verformungsbeziehungen für jeden Punkt des Eingriffsfeldes exakt wiedergeben. Die folgenden Ausführungen informieren über Grundlagen der Berechnung der Lastverteilung und über die Vorgehensweise bei einer Beanspruchungsanalyse in Zusammenhang mit einem Verzahnungsschaden an einem 2 MW Kegel-Stirnrad-Getriebe. Ursachen und Vorschläge zur Schadensvermeidung werden diskutiert. Die Berechnung der Lastverteilung an einem Planetengetriebe ist im Wesentlichen von dem sich einstellenden Klaffmaß zwischen den Flanken der im Kontakt befindlichen Radpaare abhängig. Dabei handelt es sich um eine Summe von verschiedenen Einflüssen. Geht man davon aus, dass sich diese Einflüsse unabhängig voneinander überlagern, kann das Gesamtklaffmaß aus der Summe der Einzelabweichungen berechnet werden. Die Ermittlung der einzelnen Verlagerungen und Verformungen aller relevanten Getriebebauteile (insbesondere des Planetenträgers, der Hohlradanbindung und der Radkörper sowie der Verzahnungen) gestaltet sich bei Planetengetriebestufen komplexer als bei den Stirnradgetrieben. Im Grundsatz wird nach Ermittlung aller Verformungen durch Finite- Element-Methode die jeweilige Last- und Beanspruchungsverteilung analog zu den Stirnrädern berechnet. Als Ergebnis einer Lastverteilungsrechnung mit diesem Flankenklaffmaß erhält man eine Überhöhung der Linienlast, die durch den Breitenlastverteilungsfaktor K Hß angegeben werden kann. Am Beispiel einer Planetengetriebestufe im Hauptgetriebe einer 2 MW Windturbine wird im Folgenden der Berechnungsablauf dargestellt.
3 1. Einleitung Die Entwicklung der Getriebe mit der ständigen Forderung nach leichten Konstruktionen, Ressourcen schonenden Materialeinsatz bei gleichzeitig hohen Übertragungsleistungen führt zwangsweise zu immer größeren Leistungsdichten und zu höheren Anforderungen an die Zuverlässigkeit. Hierbei kommen aufgrund der konstruktiven Vielfalt und Anwendbarkeit immer mehr Planetengetriebe in der gesamten Antriebstechnik zum Einsatz. Es werden einund mehrstufige Lösungen realisiert, mit einem oder mehreren An- bzw. Abtrieben. Weiterhin unterscheidet man nach der Art der Verzahnung in geradverzahnt, einfachschrägverzahnt und doppelschrägverzahnt, sowie nach der Art der Lagerung in wälzoder gleitgelagert. Planetengetriebe werden in einem enorm großen Anwendungsbereich zur Übertragung von Drehmoment eingesetzt. Die zu übertragende Leistung variiert je nach Anwendungsgebiet von einigen Watt bis zu 100 MW, Bild 1. Die Vorteile von Planetengetrieben gegenüber anderen Getriebebauarten zur Drehzahl- und Momentenwandlung liegen einerseits in der Möglichkeit einer Änderung des Übersetzungsverhältnisses unter Last, d.h. ohne Unterbrechung des Kraftflusses, und anderseits in ihrer kompakten Größe bei vergleichbarer Übersetzung. Zudem sind koaxiale Bauformen möglich. A. Lange & Söhne Chronometer Rohloff SPEEDHUB 500/14 Nabenschaltung Ferrari F430 Formel 1 Getriebe Bild 1: GET Light Helicopter Hauptgetriebe Multibrid Windturbine Anwendungsbeispiele von Planetengetrieben Gießkran
4 2. Produktentstehungsprozess (PEP) eines Getriebes Der Produktentwicklungsprozess (PEP) eines Getriebes erfolgt klassischer Weise beginnend von der Lastberechnung über die Getriebe- und Komponentenauslegung hin zur Strukturanalyse, Bild 2. Erst auf dem Prüfstand oder im Betrieb innerhalb des gesamten Antriebsstranges kann dann das quasistatische und dynamische Verhalten unter realen Bedingungen verifiziert werden. Diese lange Kette im PEP erlaubt keine effiziente Getriebeberechnung, vor allem unter dem Gesichtspunkt der Unsicherheiten in den Lastannahmen und damit auch zwangsläufig in den ungenauen Belastungen der einzelnen Maschinenelemente und den daraus resultierenden Beanspruchungen. [5,6] Bild 2: Klassischer Entwicklungsprozess eines Getriebes In diesem Falle können auch die hochpräzisen und teilweise genormten Berechnungen der Maschinenelemente nur so zutreffend sein, wie es die Richtigkeit der Lastannahmen zulässt. Jegliche Interaktionen der einzelnen Elemente innerhalb des Getriebes unter Belastung (z.b. Wellendurchbiegung auf Lastverteilung der Verzahnung) gehen dabei verloren. Weiterhin muss das Getriebe vor allem bei nichtstarren Fundamentierungen oder dynamischen Anregungen als Teilsystem des Antriebsstranges verstanden werden. Nur so können realitätsnahe Belastungsverläufe erstellt werden. Es fehlt ein ausgeglichenes Berechnungsmodell für Antriebsstränge, welches alle betroffenen Teildisziplinen (Äußeren Bedingungen, Antriebstrangdynamik, Strukturdynamik, elektrische Phänomene und Anlagenregelung) in vergleichbarer Modelltiefe verbindet. Nur ein solch ausgeglichenes und alle notwendigen Randbedingungen berücksichtigendes Modell kann zuverlässige und realitätsnahe Aussagen zu den dynamischen Belastungen liefern, um eine sichere Auslegung der Antriebsstrangkomponenten zu ermöglichen. Bild 3: Entwicklungsprozess eines Getriebes als System
5 Die auftretenden Probleme und Schäden können nicht allein durch Analyse der einzelnen Baugruppe erklärt werden. Vielmehr müssen die notwendigen Einflüsse der umgebenden Systemkomponenten berücksichtigt und in die Berechnung einbezogen werden. Hier entsteht die eigentliche Schwierigkeit bei der Eingrenzung der notwendigen Systemparameter zur Klärung der jeweiligen Fragestellung. Dahingehend verschiebt sich der Produktentwicklungsprozess in Zukunft immer mehr zur Systemanalyse, statt der Auslegung von einzelnen Maschinenelementen. Entscheidend ist bei der Getriebeentwicklung eine durchgängige - meist softwareunterstütze - Analyse, Ergebnisaufbereitung und Datenverwaltung bis hin zur Überwachung des Lebenszyklus eines Getriebes, Bild 3. MDESIGN gearbox MDESIGN LVR MDESIGN LVR planet Getriebeberechnung nach Normen Bild 4: Verzahnungen Wellen Lager Gehäuse Lastverteilungsberechnung für Stirnradgetriebe Planetenradgetriebe Flankenmodifikationen Leistungssteigerung Geräuschoptimierung Geometriestudien Anwendungssoftware für Getriebe von DriveConcepts GmbH 3. Getriebeentwicklung nach Stand der Technik Speziell für die Entwicklung von Planeten- und Stirnradgetrieben wurde von der Firma DriveConcepts GmbH das Produkt MDESIGN gearbox entwickelt [10,11]. Die Software ermöglicht dem Anwender eine intuitive Gestaltung des Entwicklungsprozesses vom Entwurf bis zur Nachrechnung aller Maschinenelemente eines Getriebes nach den aktuellen Normen. [1,2,3,4]. Mithilfe der Software kann das gesamte Getriebe in einem Schritt berechnet und anschließend eine komplette Dokumentation erzeugt werden (PDF/A Dokument nach ISO :2005), Bild 5.
6 Bild 5: Oberfläche von MDESIGN gearbox mit 3D-GearDesigner und Ergebnisseite Einerseits sind alle notwendigen Berechnungen der Maschinenelemente: Zahnrad, Welle, Lager, Welle-Nabe-Verbindung, Schraubenverbindung, usw. entsprechend der jeweiligen Berechnungsnormen durchzuführen. Diese müssen ergänzt werden durch detaillierte Betrachtungen zur Lastverteilung, Lastaufteilung bis hin zur Optimierung einzelner Zielgrößen (Masse, Steifigkeit, ). Diesem Ziel verpflichtet, entwickelt DriveConcepts Berechnungssoftware unter der Benutzeroberfläche MDESIGN. Diese zeichnet sich durch eine intuitive, anwenderorientierte Benutzerführung, Mehrsprachigkeit, automatische Dokumentation, Datenverwaltung in Datenbänken und Transparenz der Berechnung aus. Der Einsatz der Berechnungssoftware bereits in der frühen Phase des PEP ermöglicht weit vor der Fertigung von Prototypen abgesicherte Aussagen zum fertigen Produkt. Die Berechnung kann die Messkampagnen und Prüfläufe nicht ersetzen, jedoch können unnötige Iterationsschleifen bereits im Vorfeld kostengünstig reduziert werden. /8/ 4. Softwareunterstütze Getriebeberechnung und -optimierung Gemäß den gestiegenen Anforderungen an heutige Getriebekonstruktionen ist nicht nur eine einwandfreie Auslegung und Nachrechnung der Planetengetriebe von vordergründiger Bedeutung. Es werden der Optimierung hinsichtlich Masse und Bauraumbedarf zusehends mehr Notwendigkeit beigemessen. Daher gilt es, mit Hilfe leistungsfähiger Software dem Konstrukteur ein verlässliches Werkzeug zur Seite zu stellen. Dabei geht es zunächst um die normgerechte Berechnung der relevanten Maschinenelemente. Jedoch benötigt der Konstrukteur gleichzeitig ein Werkzeug zur innovativen Auslegung von Getrieben. Eine rechnergestützte optimierte Auslegung stellt dabei die effizienteste Vorgehensweise im Entwurfsstadium dar. Das Ergebnisfeld einer Variantenstudie für eine fest vorgegebene Gesamtübersetzung und eine definierte Leistung ist in Bild 6 (links) wiedergegeben. Sämtliche Punkte in diesem Diagramm repräsentieren jeweils ein Getriebe als Lösungsmöglichkeit, wobei jedoch nur die untersten Punkte in diesem Diagramm Getrieben entsprechen, die die gestellten Forderungen bei minimaler Masse erfüllen. In Bild 6 (rechts) sind die jeweils masse- und bauraumoptimierten Getriebelösungen dargestellt.
7 Bild 6: Optimierung der Masse und des Bauraums eines Getriebes Gemäß Bild 7 wird bei annähernd gleich bleibenden Abmaßen des Hohlradaußendurchmesser d 3 der Stufe 2 durch Angleichung des Hohlraddurchmessers für Stufe 1 und durch die Verkleinerung der Zahnbreite eine Masseeinsparung erreicht. Unter Berücksichtigung entsprechend vorgegebener Sicherheitsfaktoren im Berechnungsprogramm MDESIGN gearbox wird von vorneherein eine Überdimensionierung des Planetengetriebes vermieden. Die Masse des Originals beträgt m ges 2200 kg. Alle generierten, optimierten Lösungen erreichen eine Massereduzierung im Vergleich zum realen Getriebe. Die masseoptimierte Vorzugsvariante ist in Bild 7 (rechts) dargestellt. Ausgangszustand Masseoptimiertes Getriebe Bild 7: Ausgangszustand Variantenstudie Masse- & Bauraumoptimierung Bauraumoptimiertes Getriebe
8 Die Masseersparnis beträgt in diesem Beispiel rund 25 % bezogen auf den Originalentwurf. Gleichzeitig beträgt die Optimierung des Bauraums 15 %. Ergebnisfeld der Optimierung Einsparpotenzial Bild 8: Oberfläche von MDESIGN gearbox mit 3D-GearDesigner und Ergebnisseite Die Betrachtungen können sowohl zur Verbesserung bestehender Getriebelösungen, als auch zur Neuauslegung herangezogen werden. Am aufgeführten Beispiel eines existierenden Getriebeentwurfes ist zu sehen wie hoch das Potenzial sein kann. Softwarelösungen wie MDESIGN gearbox leisten hier einen wesentlichen Beitrag zum resourcenschonenen Einsatz von Material bei gleichzeitiger Absicherung ausreichender Sicherheiten im Getriebe. Anschließend ermöglicht der fertige Getriebeentwurf vielfältige Optimierungsmöglichkeiten der Makrogeometrie sowie der Mikrogeometrie. Die Festlegung der Verzahnungsmodifikationen unter Berücksichtigung der Getriebeelastizitäten sowie die teilautomatische Berechnung der Gehäusesteifigkeiten [12] stellen das Spektrum der Möglichkeiten der Software MDESIGN gearbox sowie MDESIGN LVR und MDESIGN LVR planet dar. Während der Konstrukteur ein Werkzeug zur innovativen Auslegung von Getrieben benötigt, der Berechnungsexperte hingegen möchte daraufhin die Modifikationen der Zahnflanken unter Beachtung aller notwendigen Getriebeelastizitäten auslegen. Und zuletzt soll der Entwurf einer tiefgründigen Optimierungsprozedur unterzogen werden. Alle zusammen vereint der Wunsch nach einer durchgängigen Dokumentation. Resultate einer solchen Entwicklung zeigt Bild 11. Bild 9: Variantenstudien Planetenradgetriebe
9 5. Normberechnung zur Flankentragfähigkeit Ausgangspunkt der Untersuchung der Verzahnung ist die Auslegung bzw. Nachrechnung nach ISO 6336:2008. Dabei wird das Augenmerk auf die Flankenpressung gelegt. Die Berechnung der maximalen Flankenpressung erfolgt bei Geradverzahnung im äußeren Einzeleingriffspunkt B und berechnet sich aus der nominelle Flankenpressung H0 und verschiedenen Einflussfaktoren sowie dem Einzeleingriffsfaktor Z B,D. Häufiges Problem in der Normberechnung - insbesondere bei Planetenradgetrieben - ist die Berechnung der Einflussfaktoren (K v, K, K H, K ), die nur durch genaue Messungen oder umfassende mathematische Analyse ausreichend genau bestimmt werden können. Die Methode A der ISO 6336 (früher: DIN 3990) lässt diese detaillierte Berechnung, wie sie mit der Software MDESIGN LVR planet durchgeführt werden kann, zu. Durch Optimierung dieser Einflussfaktoren kann bei bestehenden Getrieben eine Leistungssteigerung erreicht werden sowie neue Konstruktionen deutlich effizienter ausgelegt werden. Im ersten Schritt der Auslegung einer Verzahnung nach Norm wird ein Breitenlastverteilungsfaktor K H = 1,2 angenommen. Die weiteren Lastüberhöhungsfaktoren werden mit Eins vorgegeben. Eine Nachrechnung mit der entsprechenden Software muss dann die getroffenen Annahmen bestätigen oder verbessern. Dies ist gängige Praxis im Getriebeentwicklungsprozess eines Planetengetriebes. H max Z B / D H 0 K A KV K Hß K H K (1) K A - K v - K H - K H - K - Anwendungsfaktor Dynamikfaktor Breitenlastverteilungsfaktor Stirnlastverteilungsfaktor Lastaufteilungsfaktor Ziel der Berechnung mit MDESIGN LVR planet ist es nun, durch die detaillierte Analyse der Beanspruchungsverhältnisse, die Angaben zu den Einflussfaktoren zu überprüfen, mögliches Optimierungspotenzial hinsichtlich der Tragfähigkeit auszuschöpfen und dabei eine Neuauslegung der Verzahnung zu vermeiden. 6. Grundlagen Lastverteilungsberechnung Im folgenden Kapitel sollen grundlegende Definitionen und Verfahrensweisen bei der Lastverteilungsberechnung veranschaulicht werden. In Bild 10 (links) ist das Eingriffsfeld einer Schrägverzahnung dargestellt. Im rechten Teil des Bildes werden die Größen Linienlast (entspricht äußerer Belastung) entlang der Berührlinie im Eingriffsfeld (Summe aller Berührlinien) und die daraus resultierende Zahnfußspannung an einer Schrägverzahnung gezeigt.
10 Bild 10: Schrägverzahnung / Eingriffsfeld / Berührlinie (Quelle: Niemann/Winter Bd.2) Die Breitenlastverteilung hat maßgebenden Einfluss auf die Beanspruchung und Tragfähigkeit, Bild 11. Bild 11: Breitenlastverteilung Man definiert die Überlast zu: K H qmax (2) q Analog gilt es die Stirnlastverteilung zu betrachten, Bild 12. Bild 12: Stirnlastverteilung Durch Teilungsabweichungen kann Walzenpressung als auch Zahnfußbiegespannung trotz geringerer äußerer Belastung bei Doppeleingriff größer sein als bei Einzeleingriff! Der vorstehende Zahn übernimmt eine größere Belastung, zusätzlich wirkt der Einfluss des Hebelarm bzw. des Krümmungsradius auf die entstehenden Flankenpressungen bzw. Fußspannungen. Es folgt ein Anstieg von H und F.
11 Vereinfacht müssen die folgenden möglichen Anteile an der Kontaktlinienabweichung ermittelt werden: Verzahnungsabweichung fertigungsbedingte Flankenlinienwinkelabweichung Bohrungslageabweichung durch Fertigungsabweichung oder Gehäuseverformung Achsneigungsabweichung f Achsschränkungsabweichung f Lagerluft / Lagerspiel gesamtes Lagerspiel wirksam Lagerspielunterschiede wirksam zentrierende Lager - ungünstige Anordnung zentrierende Lager - günstige Anordnung Bild 13: Anteile an der Kontaktlinienabweichung
12 Lagerverformung näherungsweise nach Lagerkatalog oder Näherung nach Wieche, E. /10/ Wellenverformung Biegung Torsion Bild 14: Anteile an der Kontaktlinienabweichung (Fortsetzung) Die nachfolgende Abbildung zeigt die günstige (aufhebende Wirkung) und ungünstige (addierende Wirkung) Überlagerung einzelner Anteile an der Kontaktlinienabweichung an realen Getriebestufen. Ungünstige Überlagerung Getriebeschema Verformung (schematisch) Günstige Überlagerung Getriebeschema Verformung (schematisch) Bild 15: Überlagerung der Anteile an der Kontaktlinienabweichung
13 7. Grundlagen Lastverteilungsberechnung Die Berechnung der Lastverteilung in einem Planetengetriebe ist im Wesentlichen von dem sich einstellenden Zahnflankenklaffmaß (FLKM) zwischen den Flanken der im Kontakt befindlichen Zahnpaare abhängig /2,9/. Dabei handelt es sich um eine Summe von verschiedenen Einflüssen. Geht man davon aus, dass sich diese Einflüsse unabhängig voneinander überlagern, kann das Gesamtklaffmaß aus der Summe der Einzelabweichungen berechnet werden. Für die Lastverteilungsrechnung wird das Zahnflankenklaffmaß im Kontakt Sonne/Planet (FLKM 1/2 ) und im Kontakt Planet/Hohlrad (FLKM 2/3 ) durch das Programm MDESIGN LVR planet berechnet. Als Ergebnis einer mit diesem Zahnflankenklaffmaß erhält man eine Überhöhung der Linienlast. Prinzipiell lässt sich der Zusammenhang feststellen, dass sich die Lastüberhöhung auf der Seite befindet, die der Seite mit dem Klaffen der Flanken gegenüberliegt. Da zwei Zahneingriffe am Planeten vorliegen wird in einem iterativen Rechenprozess die Lastverteilungsrechnung solange wiederholt, bis ein Momentengleichgewicht am Planeten vorhanden ist. Bild 16: Definition Zahnflankenklaffmaß Das Zahnflankenklaffmaß (FLKM) besteht aus folgenden Anteilen: - Elastische Verformung der Radkörper (ve RK ) für Sonne (1), Planet (2) und Hohlrad (3) - Elastischen Durchsenkung der Wälzlager oder Verkippung des Planeten infolge Gleitlagerung (ve L ) - Verdrillung des Planetenträgers (ve PT ) - Effektive Flankenlinienwinkelabweichung (f Hßeff ) - Elastische Durchsenkung der Planetenträgerlagerung (nicht dargestellt) - Gehäuseverformung (nicht dargestellt) Das Zahnflankenklaffmaß im Kontakt Sonne/Planet (1/2) und Planet/Hohlrad (2/3) berechnet sich nach folgenden Formeln. FLKM 1/ 2 verk1 verk 2 ve 172 PT1/ 2 vel 1/ 2 f Hßeff 1/ 2 (3) FLKM 2 / 3 verk 2 ve 2 / 3 RK 3 vept 2 / 3 vel 2 / 3 f Hßeff 2 / 3 (4)
14 Die folgenden fünf maßgeblichen Einflüsse auf das Zahnflankenklaffmaß von Planetengetriebestufen müssen bei der Analyse der Lastverteilung berücksichtigt werden. - Torsion des Ritzels, sowie die Hohlrad- und Zahnverformung - elastisches Modell des Planetenträgers - Elastizitäten der Planetenradlager - konstruktiven Eigenschaften der Steggeometrie - optimierten Verzahnungsmodifikation Bild 17: Maßgebliche Einflüsse auf das Zahnflankenklaffmaß von Planetengetriebestufen Die Ergebnisse der Verformungsberechnung bei gegebenem Nennmoment zeigt Bild 18. Die Berechnung der Verformung erfolgt für zwei charakteristische Lastfälle durch ein in die Software MDESIGN LVR planet integrierten FE-Solver (CalculiX). Durch Überlagerung der Verformung aus diesen Lastfällen kann ein allgemeiner trapezförmiger Lastfall nachgebildet werden. Konstanter Lastfall + Dreieckiger Lastfall = Trapezförmiger (allgemeiner) Lastfall Bild 18: Verformungsanalyse von Planetengetriebestufen
15 8. Zahnflankenkorrekturen / - modifikationen Zur Verbesserung bzw. Optimierung der Tragfähigkeit und des Geräuschverhaltens geht man von der theoretischen Flankenform sowohl in Zahnhöhen- als auch in Zahnbreitenrichtung ab. Mögliche Korrekturen sind: Profilkorrekturen Kopf- und Fußrücknahme Profilkorrekturen Stirnprofil-Winkelmodifikation Profilkorrekturen Stirnprofil-Balligkeit Bild 19: Profilkorrekturen
16 Breitenkorrekturen Flankenlinien-Endrücknahme Breitenkorrekturen Flankenlinien-Winkelmodifikation Breitenkorrekturen Flankenlinien-Balligkeit Bild 20: Breitenkorrekturen
17 Flächenkorrekturen Topologische Modifikation Flächenkorrekturen Diagonalrücknahme Flächenkorrekturen Schränkung Bild 21: Flächenkorrekturen 9. Generelle Vorgehensweise bei der Auslegung modifizierter Verzahnungen 1. Die lastabhängigen Verformungen sind durch konstruktive Maßnahmen gering zu halten bzw. so zu beeinflussen, dass sie sich zumindest teilweise gegenseitig aufheben. 2. Der verbleibende, linear veränderliche Anteil der Kontaktlinienabweichung aus den belastungsabhängigen, thermischen und fliehkraftbedingten Verformungen ist durch eine Flankenlinien-Winkelkorrektur (Schrägungswinkelkorrektur) oder bei Stirnradpaarungen durch Einstellung z. B. mit Exzenterbuchsen an den Lagerungen oder Änderung des Lagerspiels auszugleichen.
18 3. Die um den Erwartungswert Null schwankende Kontaktlinienabweichung durch die fertigungsbedingten Abweichungen der Verzahnung, die Abweichungen durch Taumeln der Räder und sonstige Belastungsüberhöhungen an den Stirnseiten sind durch eine zusätzliche Balligkeit (u.u. nicht kreisförmig) gering zu halten. Der verbleibende Teil der Taumelabweichung stellt schließlich das theoretische Minimum der wirksamen Abweichungen dar. 10. Anwendungsbeispiel Stirnradstufe: 2 MW Kegel- Stirnradgetriebe Am Beispiel einer durch starke Grübchenbildung geschädigten Ritzelverzahnung der Stirnradstufe eines 2 MW-Kegel-Stirnrad-Getriebes soll gezeigt werden, wie man mit Hilfe der Verzahnungssoftware MDESIGN LVR die Schadensursachen bestimmen und in einem zweiten Schritt Verzahnungsmodifikationen zur Verbesserung der Tragfähigkeit auslegen kann. Modul m 16 mm Zahnbreite Ritzel b mm Ritzel Zähnezahl z 1 19 Zahnbreite Rad b mm Rad Zähnezahl z 2 92 Profilverschiebung Ritzel X Eingriffswinkel 20 Profilverschiebung Rad X Schrägungswinkel 15 Werkstoff 17CrNiMo6 (einsatzgehärtet) Bild 22: Kegel-Stirnrad-Getriebe & Verzahnungsdaten Untersucht wurde die Stirnradstufe des Kegel-Stirnrad-Getriebes. Die Hauptabmessungen der Verzahnung sind in Bild 22 ersichtlich. Die Verzahnung aus dem Werkstoff 17CrNiMo6 ist
19 protuberanzgefräst, einsatzgehärtet und geschliffen. Der Verzahnungsschaden stellt sich wie folgt dar: An dem am Kegelrad angrenzenden Flankenbereich liegt eine totale Zerstörung vor. Es ist anzunehmen, dass die Zerstörung am Zahnfuß (Eingriffsbeginn) begann und sich allmählich über die Zahnhöhe ausbildete, bis schließlich die Grübchenbildung in eine großflächige Zerstörung auch mit Zahnkopfausbrüchen überging (Bild 23). Es ist ersichtlich, dass die Flankenschäden am Ritzel stark zur Kegelradseite hin verlagert sind. Entsprechend vorliegender Verzahnungs- und Zeichnungsangaben erfolgt zunächst die Erstellung des Berechnungsmodells. Beschrieben wird durch das Modell die Stirnradstufe, sowie durch die Eingabe äußerer Kräfte die Wirkung der vorgelagerten Kegelradstufe auf das Umfeld und den Zahneingriff der Stirnradverzahnung. Bild 23: Schädigung am Ritzel (Zahn 1 und Zahn 2) Aus den Dokumentationsunterlagen werden Belastung (Drehmoment M t und Anlagenfaktor K A ) sowie eine vorgesehene Profilmodifikation (Kopfrücknahme C a1,2 = 40 µm, Länge L a1 = 15 µm, l a2 = 10 µm) und ein Kopfkantenverschleiß von 3 µm übernommen. Für die rein geometrischen Abweichungen (hier: Flankenlinien-Winkelabweichung f, Profil- Winkelabweichung f und die Achslagetoleranzen f, f ) liegen keine Messergebnisse, sondern nur Qualitätsangaben und damit die Maximalwerte vor, Bild 24. Diese Angaben stellen Maximalwerte jeweils für Ritzel und Rad entsprechend den Qualitätsansprüchen dar und werden bei der Paarung der Räder nicht in voller Größe und gleicher Richtung (+, -) auftreten. f f, f f y f eff 45 µm 60 µm 19 µm 6 µm 60 µm Bild 24: Verzahnungsabweichungen nach Qualitätsangaben Es ist davon auszugehen, dass sich diese Abweichungen wie normalverteilte Zufallsgrößen verhalten und damit nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu überlagern sind. Geht man weiterhin davon aus, dass eine Profil-Winkelabweichung bei Schrägverzahnungen hinsichtlich der Lastverteilung ähnlich wirkt (linear veränderliche Kontaktlinienabweichung über der Zahnbreite) wie eine Flankenlinien-Winkelkorrektur, kann diese in die Betrachtungen einbezogen werden und es ergibt sich der Größtwert der Summe f eff aus Gleichung (5).
20 f H eff 2 i 1 f 2 H i ( f b ) L 2 ( f b tan t ) L 2 2 i 1 f 2 H i cos cos y t b (5) y - Einlaufbetrag analog ISO 6336 (früher: DIN 3990) b - gemeinsame Zahnbreite L - Lagerbestand Die Flankenlinienwinkelabweichung f eff wird als Eingabewert in MDESIGN LVR verwendet und stellt den Größtwert für die Kontaktlinienabweichung dar, der mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Das Vorzeichen von f eff wird so gewählt, dass für die jeweilige Drehrichtung im geschädigten Bereich der untersuchten Verzahnung die größte Beanspruchung vorliegt. Die Beurteilung der Beanspruchung erfolgt gegen die Dauerfestigkeit, da diese bei einer (gegebenen) Laufzeit von L = h unbedingt maßgebend ist. Berechnungsmodell MDESIGN LVR Lastverteilung - Ausgangszustand Pressungsverteilung - Ausgangszustand Bild 25: Berechnungsmodell & Ergebnisdarstellung Fußspannungsverteilung - Ausgangszustand Die Ergebnisse der Berechnung mit einer äquivalenten Dauerbelastung (entsprechend Auslegungsvorgabe: K A = 1,4 ) unter Berücksichtigung des Umfeldes und der Toleranzen und Profilmodifikationen ergeben an der stark geschädigten Flanke eine deutlich ungleichmäßige Lastverteilung, eine maximale Flankenpressung von H = 1608 N/mm 2 und eine maximale Zahnfußspannung in Höhe von F = 335 N/mm 2. Die Zahnfußdauerbeanspruchung liegt damit weit unter der Dauerbruchgrenze. Hinsichtlich der Flankenbeanspruchung wird die
21 Schädigungsgrenze insbesondere an den zum Tellerrad liegenden Flankenbereichen erheblich überschritten. Auch in Zusammenhang mit einer durch Werkstoffuntersuchungen nachgewiesenen, nicht optimalen Wärmebehandlung sind die Grübchenschäden damit rechnerisch recht gut erklärbar. Vor allem die Belastungs- und Beanspruchungserhöhungen an den Zahnstirnseiten sind auffallend. Diese rühren einerseits von der starken Ritzelwellenverformung (Bild 26) und andererseits von den überstehenden Zahnstirnseiten des Ritzels her. Abhängig ist dieser Einfluss von der Steifigkeit der Zahnstirnseiten, die nun wiederum von Größe und Richtung des Schrägungswinkels, sowie von der Drehrichtung bestimmt wird. Bild 26: Wellen- und Lagerverformung Die Möglichkeiten konstruktiver Maßnahmen werden selbstverständlich durch eine Reihe von Randbedingungen (Funktion, Fertigung, Umfeld) eingeschränkt und stellen in der Regel einen Kompromiss dar. Folgendes Vorgehen wird für das Anwendungsbeispiel empfohlen: 1. Verringerung der Ritzelzahnbreite auf die Zahnbreite des Rades. 2. Flankenlinienwinkelkorrektur entsprechend der Wellenschiefstellung C = 30 µm 3. Überlagerung einer Breitenballigkeit in der Größe von C C = 60 µm zur Entlastung der Zahnstirnbereiche. Die hiermit erreichten Resultate zeigt die nachfolgende Übersicht für die Last-, Flankenpressungs- und Fußspannungsverteilung.
22 Lastverteilung korrigierte Getriebestufe, f eff positiv Lastverteilung korrigierte Getriebestufe, f eff negativ Pressungsverteilung, korrigierte Getriebestufe, f eff positiv Pressungsverteilung, korrigierte Getriebestufe, f eff negativ Zahnfußspannungsverteilung, korrigierte Getriebestufe, f eff positiv Bild 27: Ergebnisdarstellung korrigierte Getriebestufe Zahnfußspannungsverteilung, korrigierte Getriebestufe, f eff negativ Für die äquivalente Dauerbelastung sind die durch die vorgesehenen Maßnahmen erzielten Ergebnisse für Last-, Pressungs- und Zahnfußspannungsverteilung dargestellt. Für beide Grenzwerte der Toleranzen konnten die Beanspruchungen (z.b. H+ = 1282 N/mm 2 / H- = 1207 N/mm 2 ) deutlich gesenkt werden und sollten dazu führen, dass die aufgetretenen Grübchenschäden vermieden werden können. Die sorgfältige Wärmebehandlung ist allerdings Voraussetzung für den schadensfreien Betrieb der Verzahnung.
23 11. Anwendungsbeispiel: Planetenradstufe 2 MW Windturbine Bei der Berechnung der Lastverteilung von Planetenradstufen stellt die Verformungsanalyse eine komplexere Aufgabenstellung als bei den Stirnrädern dar. Die Verformungen der Radkörper samt Anschlusskonstruktion und des Planetenträgers können nicht analytisch ermittelt werden. Sie müssen mittels FE-Berechnungen analysiert werden. Am Beispiel der Planetenstufe des Hauptgetriebes der in Bild 27 dargestellten Windturbine wird im Folgenden der Ablauf der Lastverteilungsrechnung mit der Software MDESIGN LVR planet gezeigt /9/. Modul m 16 mm Zahnbreite Ritzel b mm Zähnezahlen z Profilverschiebung Sonne x Achsabstand a 463 mm Profilverschiebung Planet x Eingriffswinkel 20 Profilverschiebung Hohlrad x 3-1,6429 Schrägungswinkel 8 Bild 28: Windturbine 2000 kw Ausgangsleistung & Verzahnungsdaten Planetenstufe Für die Untersuchung von Verzahnungsmodifikationen in einem Getriebe kann die Lastverteilung auf der Flanke als Gütemaß herangezogen werden. Die Lastverteilung kennzeichnet die Verteilung der Zahnkraft einer Stirnradstufe über die gesamte Zahnbreite sowie alle Eingriffsstellungen. Das Programm MDESIGN LVR berechnet die Last- und Spannungsverteilung einer Stirnradstufe von Außenrad/Außenrad sowie Außenrad/Innenradpaarungen. Die Beanspruchungsanalyse beruht auf analytischen Einflussfunktionen, wodurch sich trotzt hoher Diskretisierung sehr geringe Rechenzeiten ergeben. Neben der Verteilung der Last sind auch die Aussage über die Verteilung der Flankenpressung, Fußspannung sowie Kontakttemperatur möglich. Die Berechnung der Lastverteilung in einem Planetengetriebe ist jedoch mit MDESIGN LVR nicht möglich. Ursache dafür sind die überlagernden und elementar nicht bestimmbaren Einflüsse auf die Lastverteilung, wie die Verformung der Radkörper besonders bei dünnwandigen Hohlradkonstruktionen, die Verformung des Planetenträgers, der versteifende Einfluss an Sonnenritzel und Hohlrad durch anschließende Bauelemente und die Verlagerungsmöglichkeit der Planetenräder. Zu diesem Zwecke wurde das Programm MDESIGN LVR planet der Fa. DriveConcepts GmbH entwickelt. Mit diesem Programm werden die für die Lastverteilungsrechnung notwendigen Verformungen durch parametrisierte FEM Modelle für Hohl-, Sonnen-, Planetenrad und Planetenträger, die mit einem freien FEM
24 Solver (CalculiX) berechnet und anschließend automatisch ausgewertet werden, gewonnen. Sämtliche Anteile aus Verformung, Verlagerung der Planetenräder werden auf ein lineares Flankenklaffmaß reduziert. Mit dem berechneten Flankenklaffmaß und sämtlichen Verzahnungsmodifikationen kann die Lastverteilungsrechnung nach dem zuvor beschriebenen Verfahren durchgeführt werden. Der Ablauf der Lastverteilungsrechnung einer Planetenradstufe erfolgt nach dem dargestellten Schema: Bild 29: Ablauf der Lastverteilungsrechnung bei Planetenradstufen
25 Anhand der generierten FE-Netze werden die relevanten Verformungen für alle Zahnräder und den Planetenträger ermittelt. Ebenfalls erhält man für die beiden Lastfälle (konstante Last, Dreieckslast) die Vergleichsspannungen aus den vorgelagerten Betrachtungen, Bild 30. Bild 30: Modelle und Ergebnisse der FE-Berechnung Die Verformungen werden für die Lastverteilungsrechnungen direkt verwendet (automatische Auswertung der FE-Ergebnisse). Die Spannungen sind informativ und fließen nicht in die Lastverteilungsrechnung ein. Die nach Abschluss der Iteration vorhandenen Lastverteilungen für beide Zahnpaarungen werden in der von MDESIGN LVR bekannten 3D- Darstellung visualisiert. Es können die Pressungs- und Fußspannungsverteilungen in analoger Form ausgewertet werden. Das Programm ermöglicht Lastverteilungsrechnungen für gerad-, einfachschräg-
26 und doppelschrägverzahnte Planetengetriebestufen. Für die Beanspruchungsanalyse verwendet MDESIGN LVR planet analytische Einflussfunktionen im Eingriffsfeld. Dadurch ergeben sich trotz der hochauflösenden Diskretisierung des verwendeten Modells äußerst geringe Rechenzeiten. Folgende Analysen und Konstruktionsvarianten sind umgesetzt: - Breitenlastverteilungsfaktor K für Eingriff Sonne/Planet und Planet/Hohlrad - Einfluss von Wälzlagersteifigkeiten, Verdrillung des Planetenträgers und Verkippung des Planeten bei Gleitlagerung auf die Breitenlastverteilung - Vorgabe von fertigungsbedingter Flankenlinienwinkelabweichung f Hß - Anzahl Planeten Seitliche Anschlusskontur oder Kupplungsverzahnung an Sonne und Hohlrad - Planeten in Ring- oder Zapfenausführung - Lagerung des Planeten mit Wälzlagern oder Gleitlagern in ungeteilter Zylinderausführung Die Ergebnisse der optimierten Getriebestufe sind nachfolgend am Beispiel der ersten Planetengetriebestufe aufgelistet. In Bild 31 ist zunächst der Ausgangszustand der unkorrigierten Verzahnung unter Nennlast dargestellt (links oben). Es ergibt sich ein Breitenlastverteilungsfaktor von K =1,67. Das ungleiche Tragen über der Zahnbreite, welches aus der Schiefstellung von Planetenträger samt Planetenrad resultiert, kann durch eine zusätzlich aufgebrachte Flankenlinienwinkelkorrektur ausgeglichen werden. Der Breitenlastfaktor kann so auf K H =1,23 vermindert werden (rechts oben). Lastverteilung - Ausgangszustand Lastverteilung 1. Schritt Flankenlinienwinkelkorrektur Lastverteilung 2. Schritt Schrägungswinkelkorrektur + Balligkeit Bild 31: Ergebnisdarstellung korrigierte Getriebestufe Lastverteilung Auswirkung zu großer Balligkeiten
27 Weiterhin kann durch eine geeignete Balligkeit in Breitenrichtung dieser Faktor auf K =1,16 gesenkt werden (links unten). Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine falsch ausgelegte (hier zu große) Breitenballigkeit gemäß Bild 31 (rechts unten) zu einer erheblichen Verschlechterung führen kann, denn mit einem K = 1,98 wird im Vergleich zum Ausgangszustand ein deutlich ungünstigerer Wert erreicht. Da sich die gesamte Lastübertragung auf die Mitte der Zahnflanke konzentriert, entstehen wesentlich zu hohe Flankenpressungen und Fußspannungen, so dass das vollständige Tragvermögen der Flanke über der Breite nicht mehr ausgeschöpft werden kann. Die hier dargestellten Ergebnisse sind für den Auslegungslastfall dargestellt, die Modifikationen müssen jedoch ebenso für das gesamte Lastkollektiv betrachtet werden. 12. Literatur [1] Börner, J., Senf, M., Linke, H.; Beanspruchungsanalyse bei Stirnradgetrieben Nutzung der Berechnungssoftware LVR; Vortrag DMK 2003, Dresden, 23. und 24. September 2003 [2] Baumann, F, Trempler U.: Analyse zur Beanspruchung der Verzahnung von Planetengetrieben, Vortrag DMK 2007, Dresden [3] Börner, J.: Modellreduktion für Antriebssysteme mit Zahnradgetrieben zur vereinfachten Berechnung der inneren dynamischen Zahnkräfte. Dissertation TU Dresden, 1988 [4] Börner, J.; Senf, M.: Verzahnungsbeanspruchung im Eingriffsfeld effektiv berechnet. Antriebstechnik 34, 1995, 1 [5] Börner, J.: Genauere Analyse der Beanspruchung von Verzahnungen. Beitrag zur Tagung Antriebstechnik, Zahnradgetriebe, Dresden, 09/2000 [6] Bulligk, Chr.: Theoretische Untersuchung zur modularisierten Berechnung und Auslegung von Getrieben, Diplomarbeit, DriveConcepts GmbH, 2009 [7] CalculiX: freies FEM Programm, MTU Aero-engenier-GmbH, ( [8] Gajewski, G.: Untersuchungen zum Einfluss der Breitenballigkeit auf die Tragfähigkeit von Zahnradgetrieben. Dissertation TU Dresden, 1984 [9] Gajewski, G.: Ermittlung der allgemeinen Einflussfunktion für die Berechnung der Lastverteilung bei Stirnrädern. Forschungsbericht, TU Dresden, Sektion Grundlagen des Maschinenwesens, 1984 [10] Hartmann-Gerlach, Christian: Erstellung eines Berechnungskerns für die Software MDESIGN LVR planet. Unveröffentlichte interne Arbeit, DriveConcepts GmbH 2007 [11] Hartmann-Gerlach, Christian: Verformungsanalyse von Planetenträgern unter Verwendung der Finiten Elemente Methode. Unveröffentlichte interne Arbeit, DriveConcepts GmbH 2008
28 [12] Hartmann-Gerlach, Christian: Effiziente Getriebeberechnung von der Auslegung bis zur Nachrechnung mit MDESIGN gearbox und MDESIGN LVR planet, Vortrag anlässlich des SIMPEP Kongresses in Würzburg, Juni 2009 [13] Heß, R.: Untersuchungen zum Einfluss der Wellen und Lager sowie der Lagerluft auf die Breitenlastverteilung von Stirnradverzahnungen. Diss. TU Dresden, 1987 [14] Hohrein, A.; Senf, M.: Reibungs-, Schmierungs-, Verschleiß- und Festigkeitsuntersuchungen an Zahnradgetrieben. Forschungsbericht TU Dresden, 1977 [15] Hohrein, A.; Senf, M.: Untersuchungen zur Last- und Spannungsverteilung an schrägverzahnten Stirnrädern. Diss. TU Dresden, 1978 [16] Linke, H.: Untersuchungen zur Ermittlung dynamischer Zahnkräfte. Diss. TU Dresden, 1969 [17] Linke, H.: Stirnradverzahnung Berechnung, Werkstoffe, Fertigung. München, Wien : Hanser, 1996 [18] Linke, H.; Mitschke, W.; Senf, M.: Einfluss der Radkörpergestaltung auf die Tragfähigkeit von Stirnradverzahnungen. In: Maschinenbautechnik 32 (1983) 10, S [19] Neugebauer, G.: Beitrag zur Ermittlung der Lastverteilung über die Zahnbreite bei schrägverzahnten Stirnrädern. Dissertation TU Dresden, 1962 [20] Oehme, J.: Beitrag zur Lastverteilung schrägverzahnter Stirnräder auf der Grundlage experimenteller Zahnverformungsuntersuchungen. Diss. Technische Universität Dresden [21] Polyakov, D..; Entwicklung eines durchgängigen Rechenmodells zur Bestimmung der Gehäusesteifigkeit unter Verwendung der FE Methode, Diplomarbeit, DriveConcepts GmbH [22] Schlecht, B., Hantschack, F., Schulze, T.; Einfluss der Bohrungen im Kranz auf die Tragfähigkeit von Hohlradverzahnungen; Antriebstechnik 41 (2002), Teil I, Heft 12, S ; Antriebstechnik 42 (2003), Teil II, Heft 2, S [23] Schlecht, B. Senf, M.; Schulze, T.: Beanspruchungsanalyse bei Stirnradgetrieben und Planetengetrieben - Haus der Technik e.v., Essen, 09./10. März 2010 [24] Schlecht, B.; Schulze, T.; Hartmann-Gerlach, C.: Berechnung der Lastverteilung in Planetengetrieben unter Berücksichtigung aller relevanten Einflüsse - Zeitschriftenbeitrag Konstruktion 06/2009 S12.ff, DriveConcepts GmbH, 2009 [25] Schulze, Tobias: Getriebeberechnung nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, Vortrag anlässlich des Dresdner Maschinenelemente DMK2007 in Dresden, DriveConcepts GmbH, 2007 [26] Schulze, Tobias: Load Distribution in planetary gears under consideration of all relevant influences, Vortrag anlässlich JSME International Conference on Motion and Power Transmissions, Sendai (Japan), Mai 2009 [27] Schulze, Tobias: Berechnung der Lastverteilung in Planetengetrieben unter Berücksichtigung aller relevanten Einflüsse, Vortrag auf KT2009 in Bayreuth zur Lastverteilung in Planetengetrieben,
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