Anthropogene Spurenstoffe und Krankheitserreger im urbanen Wasserkreislauf

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1 Martin Jekel, Aki Sebastian Ruhl (Hrsg.) Anthropogene Spurenstoffe und Krankheitserreger im urbanen Wasserkreislauf Bewertung, Barrieren und Risikokommunikation (ASKURIS) Universitätsverlag der TU Berlin

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3 Martin Jekel Aki Sebastian Ruhl (Hrsg.) Anthropogene Spurenstoffe und Krankheitserreger im urbanen Wasserkreislauf Bewertung, Barrieren und Risikokommunikation (ASKURIS)

4 Das diesem Bericht zu Grunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 02WRS1278 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren. Partner:

5 Anthropogene Spurenstoffe und Krankheitserreger im urbanen Wasserkreislauf Bewertung, Barrieren und Risikokommunikation (ASKURIS) Martin Jekel 1,2, Nina Baur 4, Uta Böckelmann 5, Uwe Dünnbier 5, Alexander Eckhardt 6, Regina Gnirß 5, Tamara Grummt 6, Daniel Hummelt 5, Thomas Lucke 7, Felix Meinel 2, Ulf Miehe 9, Daniel Mutz 9, Stephan Pflugmacher Lima 3, Thorsten Reemtsma 8, Christian Remy 9, Linda Schlittenbauer 8, Wolfgang Schulz 7, Bettina Seiwert 8, Alexander Sperlich 5, Michael Stapf 9, Patricia Zerball-van Baar 5, Melanie Wenzel 4, Frederik Zietzschmann 2, Aki Sebastian Ruhl 1 1 Innovationszentrum Wasser in Ballungsräumen, Technische Universität Berlin. 2 Fachgebiet Wasserreinhaltung, Technische Universität Berlin. 3 Fachgebiet Ökologische Wirkungsforschung und Ökotoxikologie, Technische Universität Berlin. 4 Fachgebiet Methoden der Empirischen Sozialforschung, Technische Universität Berlin. 5 Berliner Wasserbetriebe. 6 Umweltbundesamt, Bad Elster. 7 Zweckverband Landeswasserversorgung, Langenau. 8 Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Leipzig. 9 Kompetenzzentrum Wasser Berlin. Universitätsverlag der TU Berlin

6 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Universitätsverlag der TU Berlin, Fasanenstr. 88, Berlin Tel.: +49 (0) / Fax: publikationen@ub.tu-berlin.de Alle Texte dieser Veröffentlichung ausgenommen Zitate und Umschlagfoto sind unter der CC-Lizenz CC BY lizenziert. Lizenzvertrag: Creative Commons Namensnennung Umschlagfoto: Luftaufnahme der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage (OWA) Tegel mit Umgebung (Ausschnitt), 2016 Foto: Berliner Wasserbetriebe / Reiner Freese Druck: docupoint GmbH Satz/Layout: Aki Sebastian Ruhl ISBN (print) ISBN (online) Zugleich online veröffentlicht auf dem institutionellen Repositorium der Technischen Universität Berlin: DOI /depositonce

7 Inhalt 1 Einleitung Analyse organischer Spurenstoffe und Resistenzen Weiterentwicklung und Anwendung der Non-Target Analytik Durchführung von Workshops zum Thema Non-Target Analytik Vom Non-Target zum Target am Beispiel von Gabapentin Untersuchungen an einer Pilotanlage zur Ozonung mit nachgeschaltetem Biofilter Auswertung von Non-Target-Daten mit Masse-Retentionszeit-Plots Anwendung auf reale Proben Erweiterte Auswertung mittels van Krevelen-Plot zur Prozessbeschreibung Statistische Auswertung Anwendung der Non-Target Analytik an der Uferfiltrationstransekte Tegel Weiterentwicklung von DAIOS Fazit Quantifizierungen von Spurenstoffen im urbanen Wasserkreislauf Entwicklung und Validierung der UHPLC-MS Messmethoden Ergebnisse des Monitorings Resistenzen im Wasserkreislauf Methoden Ergebnisse der Isolierung und Anreicherung Entwicklung eines Indikatorsystems Diskussion Risikoabschätzung Technische Barrieren Einsatz pulverförmiger und granulierter Aktivkohle Auswahl, Qualitätskontrolle und Adsorptionsphänomene Material und Methoden

8 3.1.3 Vergleich von Aktivkohlen Konkurrenz verursachende Stoffe des gelösten organischen Hintergrunds Prognose der Aktivkohleadsorption unabhängig von der Wasserherkunft Mehrfachbeladung von Pulveraktivkohle im Labormaßstab Methoden zum Testen granulierter Aktivkohlen im Labormaßstab Einfluss des organischen Hintergrunds auf die Adsorption im Festbett Einsatz von Aktivkohle im Pilotmaßstab Randbedingungen und OWA Tegel Rezirkulation der teilbeladenen PAK Variation der PAK-Dosierstelle GAK-Filtration und PAK-Dosierung in den Filterüberstau PAK-Dosierung vor Flockungsfiltration Zusammenfassung Einsatz von Ozon mit anschließender biologischer Filtration Grundlagen Material und Methoden Ergebnisse Vergleich der Reinigungsleistung für weitere Parameter Phosphorentfernung Untersuchungen zur Bildung von Oxidationsnebenprodukten Zusammenfassung zur Ozonung und Nachbehandlung Vergleich der Verfahren anhand ökologischer Kriterien Hintergrund LCA: Definition von Ziel und Untersuchungsrahmen Sachbilanz Wirkungsabschätzung Zusammenfassung Ökonomischer Vergleich der Verfahren

9 3.5.1 Szenarienübersicht Grundlagen Wirtschaftlichkeitsberechnung Ermittlung der spezifischen Kosten zur Spurenstoffentfernung Sensitivitätsanalyse Fazit Biologische Wirkungen Effekte auf aquatische Organismen Untersuchungsprogramm Ergebnisse ökotoxikologischer Untersuchungen Statistik für alle angewendeten Testsysteme Humantoxikologie Toxikologisches Untersuchungsprogramm Nachweis von Präkursor-Ereignissen Nachweis von Gentoxizität Ergebnisse der Toxizitätstestung an den Pilotanlagen Diskussion Fazit Humanbiomonitoring Stoffauswahl Nontarget-Screening Monitoring mit der Multimethode Paraben-Methode Ergebnisse des HBM und Diskussion Schlussfolgerungen Risikowahrnehmung und Verhalten aus soziologischer Perspektive Die soziale Konstruktion von Risiken als Problem Das institutionelle Feld der Trinkwasserversorgung in Deutschland Datenbasis und Methode: Fallstudie der Berliner Wasserversorgung

10 5.4 Bereichsspezifische Diskurse über Risiken und Gefahren Produzenten (Diskursfeld 1) Fachöffentlichkeit (Diskursfeld 2) Mediale Öffentlichkeit (Diskursfeld 4) Konsumenten (Diskursfeld 3) Dominante Diskurse und Homogenität/Heterogenität der Diskursfelder Fazit Risikomanagement Überprüfung der existierenden Systeme zum Risikomanagement Exemplarische Durchführung eines prozessorientierten Risikomanagements Integration existierender Ansätze Entwicklung einer neuen Kommunikationsstrategie Fazit Gesamtfazit Literatur

11 1 Einleitung Organische Spurenstoffe und resistente Krankheitserreger stellen ein potentielles Risiko für Wasserkreisläufe dar. Im Rahmen der Fördermaßnahme Risikomanagement von neuen Schadstoffen und Krankheitserregern im Wasserkreislauf, RiSKWa (Huckele and Track 2013), wurden durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung 12 Verbundprojekte gefördert, die sich dieser Thematik mit unterschiedlichem inhaltlichen und lokalen Fokus gewidmet haben. Im Verbund-projekt Anthropogene Spurenstoffe und Krankheitserreger im urbanen Wasserkreislauf: Bewertung, Barrieren und Risikokommunikation, ASKURIS (Jekel et al. 2013), haben im Zeitraum von Ende 2011 bis April 2015 sechs Partner gemeinsam und interdisziplinär zum urbanen Wasserkreislauf in Berlin an unterschiedlichen Fragestellungen geforscht. Das Auftreten von Spurenstoffen und Krankheitserregern innerhalb teilgeschlossener Wasserkreisläufe ist oftmals nur unvollständig bekannt. Für einen fundierten Überblick ist es notwendig, analytische Methoden weiter zu verbessern. Die Weiterentwicklung von sehr empfindlichen Messmethoden und -strategien zur Detektion und Identifikation unbekannter organischer Wasserinhaltsstoffe war eines der Ziele des Projektes ASKURIS. Neben organischen Spurenstoffen stellen auch gegen Antibiotika resistente Mikroorganismen ein mögliches Risiko dar, insbesondere in teilweise geschlossenen Wasserkreisläufen urbaner Ballungsräume wie in Abbildung 1 schematisch dargestellt. Die geringe räumliche Entfernung zwischen dem Klärwerk Schönerlinde und dem Tegeler See, der eine wichtige Trinkwasserressource für die Hauptstadt darstellt, verdeutlicht die Thematik. Die Methodenentwicklung und die Untersuchung resistenter Mikroorganismen war daher ein weiteres Ziel von ASKURIS. Abbildung 1: Teilweise geschlossener Wasserkreislauf um den Tegeler See in Berlin. In naher Zukunft ist damit zu rechnen, dass zusätzliche technische Barrieren eingesetzt werden müssen, um zukünftige gesetzliche Zielvorgaben für Oberflächengewässer einhalten zu können. Vor dem Hintergrund von Prognosen zum Klimawandel und seinen Folgen für das Berliner Wasserdargebot sowie durch die demographischen Entwicklungen ist abzuleiten, dass die Konzentrationen organischer Spurenstoffe in Gewässern deutlich ansteigen werden. Die Wirksamkeit adsorptiver oder oxidativer 5

12 Verfahren für Kläranlagenabläufe mit sehr hohen Konzentrationen an konkurrierenden Wasserinhaltsstoffen war nicht sicher prognostizierbar. Im Labor- und Pilotmaßstab wurde die Spurenstoffelimination mit unterschiedlichen Verfahrensoptionen für unterschiedliche Stellen des Wasserkreislaufes intensiv erforscht. Da zusätzliche Maßnahmen auch mit Umweltauswirkungen und Kosten verbunden sind, wurden diese Aspekte auf der Grundlage der Ergebnisse der Labor- und Pilotuntersuchungen ebenfalls umfangreich untersucht. Ein weiterer Schwerpunkt von ASKURIS lag auf der Einschätzung der von organischen Spurenstoffen ausgehenden Risiken für Mensch und Umwelt. Dabei wurden mit toxikologischen Methoden Wirkungen auf Mensch und Umwelt untersucht. Zusätzlich wurde an Möglichkeiten geforscht, die Aufnahme organischer Spurenstoffe über den Trinkwasserpfad erfassen zu können. Die Wahrnehmung von organischen Spurenstoffen und Krankheitserregern und deren potentiellen Risiken in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen stand im Fokus sozialwissenschaftlicher Forschung in ASKURIS. Die Überführung der Projektergebnisse in das Risikomanagement und die Kommunikation von Wasserversorgern und Abwasserentsorgern war ein weiterer Arbeitsbereich von ASKU- RIS. Die einzelnen Arbeitspakete von ASKURIS und deren Interaktionen sind in Abbildung 2 schematisch dargestellt. Abbildung 2: Struktur mit einzelnen Arbeitspaketen (AP) des Projektes ASKURIS. Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse der umfangreichen Forschungsarbeiten vorgestellt. Es versteht sich von selbst, dass nicht alle Ergebnisse dargelegt werden können und eine Auswahl getroffen werden musste. Die Projektpartner danken dem Bundesministerium für Bildung und Forschung für die Förderung des sehr spannenden Verbundprojektes ASKURIS und wünschen eine ergiebige Lektüre. 6

13 2 Analyse organischer Spurenstoffe und Resistenzen 2.1 Weiterentwicklung und Anwendung der Non-Target Analytik Die Flüssigkeitschromatographie (HPLC) gekoppelt mit hochauflösender (HR) und akkurat messender Massenspektrometrie (MS), d.h. HPLC-HRMS-Analytik, liefert eine Fülle von Daten als ionisierte Massen oder Massenfragmente, um bekannte chemische Substanzen zuordnen zu können bzw. als Targets zu quantifizieren. Da über den gesamten chromatographischen Lauf stets das volle Spektrum vorliegt, können rein theoretisch im Vergleich zu MS/MS-Geräten mit nominaler Massenauflösung wesentlich mehr Substanzen in einem Analysenlauf analysiert werden. Die chromatographische Trennung ist sehr hoch in ihrer Reproduzierbarkeit, so dass die Retentionszeit über den Retentions-zeitindex neben der Validierung des analytischen Ergebnisses auch zur Substanzidentifizierung genutzt werden kann. Darauf wird hier im Folgenden nicht eingegangen. Eine besondere Herausforderung ist die effiziente Nutzung massenspektrometrischer Daten zur Strukturaufklärung und eindeutigen Substanzzuordnung. Deshalb hatte sich das RiSKWa-Querschnittsthema Non-Target Analytik und Datenbanken zum Ziel gesetzt, die Vorgehensweise bei der sogenannten Non-Target Analytik zu erörtern, zu diskutieren und zu klassifizieren, die genutzte Software zu optimieren und die neu generierte bzw. entwickelte Datenbank StoffIdent bzw. DAIOS sowie den Retentionszeitindex (RTI) den potentiellen Nutzern näher zu bringen. In der Projektphase wurden die Entwicklungen der Software zur Identifizierung von Spurenstoffen und deren Transformationsprodukten verschiedener Gerätehersteller durch die Anwender gemeinsam genutzt und deren Vor- und Nachteile in Workshops mit den Herstellerfirmen diskutiert. Neben den eigenen Datenbanken DAIOS und StoffIdent können im Internet Datenbanken wie ChemSpider, Pub- Chem genutzt werden. Für diese Datenbanksuche ist die entsprechende Geräte-software insbesondere zur Optimierung der Datentreffer und der Auswertezeit von Interesse Durchführung von Workshops zum Thema Non-Target Analytik Die Zusammenarbeit aller Partner in den Projekten und im Querschnittsthema Non-Target Analytik und Datenbanken ermöglichte, dass sich die verschiedenen Tools und Strategien im Bereich der Non- Target Analytik nicht aneinander vorbei entwickelt wurden, sondern eine Vereinheitlichung der Vorgehensweise angestrebt werden konnte. Dazu fanden mehrere Workshops statt, wobei neben den RiSKWa-Partnern auch die Hersteller von Analysegeräten eingebunden wurden (Abbildung 3). Dies diente zum einen der Definition von Schnittstellen zwischen Gerätesoftware und geräteunabhängigen Datenbanken sowie zur Verbesserung und Erweiterung der Auswertemodule für die großen Datenmengen aus der LC-HRMS Non-Target Analytik. Resultierend auf den drei Workshops (Berlin, Langenau und Augsburg) des RiSKWa-Querschnittsthemas Non-Target Analytik haben sich die Partner aus dem RISKWA Verbund und Fachleute aus Forschung und Praxis auf einen allgemeinen Workflow für die Non-Target Analytik verständigt. Wie aus Abbildung 4 hervorgeht sind im Non-Target Bereich zwei Wege (Suspected target screening und Non- Target screening) möglich, die auch parallel bearbeitet werden können. Beim Suspected target Screening erfolgt die Suche nach sogenannten Suspected targets über eigene Datenbanken, die in der Regel in Form von Listen zusammengestellt sind, indem Substanzname, Summenformel, exakte Masse des Mutterions und ggf. Fragmentmassen der Verbindung hinterlegt sind. Beim Non-Target Screening 7

14 wird die Suche nach potentiellen Kandidaten ausgedehnt und online Datenbanken, Spektrenbibliotheken sowie Metadaten müssen hinzugezogen werden. Abbildung 3: Übersicht der am Workshop teilnehmender Partner und Firmen. Als weiteres Tool für die Suspected- und Non-Target Analytik wurde die Datenbank DAIOS (Database Assisted Identification of Organic Substances) eingesetzt, die vom LW entwickelt wurde. Innerhalb der Projekte ASKURIS und RISK-IDENT wurde DAIOS auf die Arbeitsplattform von der Datenbank STOFF- IDENT übertragen. Die grundlegende Stabilität und Kapazität der Internetdatenbank wurde erhöht, während die Funktionalität erhalten blieb. Während STOFF-IDENT überwiegend physikalisch-chemische Daten enthält, ist DAIOS ein Datenpool für Metadaten z. B. Hinweise auf Abbauwege und MS/MS- Fragmente. Abbildung 4: Schematischer Darstellung des Non-Target Workflows. 8

15 Entscheidend für den Anwender ist neben der Spezifikation der hochauflösenden Massenspektrometer (HRMS) die Leistungsfähigkeit der Software des jeweiligen Geräteherstellers. Es werden sehr unterschiedliche Auswertetools zur Verfügung gestellt. Nach Signalerkennung (Peak-Finding), Alignment und Blindwertbereinigung werden die Messungen einer weiteren Datenanalyse unterzogen. Diese hat zum Ziel, Signale (Frames, Features) zu erkennen, den entsprechenden exakten Massen die Summenformeln zuzuweisen und über das Isotopic Pattern Matching die Summenformel zu bestätigen. Unter Nutzung der massenspektrometrischen Fragmentierung und der darin enthaltenen Strukturinformation können interne Spektrenbibliotheken genutzt werden, um die Strukturvorschläge zu bestätigen. Oft sind die Substanzdaten in Listen oder Datenbanken hinterlegt, aber die Verbindungen nicht als Referenzsubstanz vorhanden. So können die Suspected-Targets mit Stoffdatenbanken (wie STOFF- IDENT), analytischen bzw. massenspektrometrischen Datenbanken (wie DAIOS, MassBank, mzcloud oder lokalen Datenbanken) sowie im Abgleich mit In-silico-Vorhersagen (wie der EAWAG-BDD, EPI SuiteTM, MetFrag) weiter charakterisiert werden. Einige Softwarean-wendungen bieten zusätzlich statistische Tools wie die Hauptkomponentenanalyse (PCA) an. Damit können Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten sowie Trends von verschiedenen Proben mit teils gleichen Meta-Daten ermittelt werden. Ergeben diese Parameter (Molekülmasse bzw. MS-Fragmente und RTI) nun eindeutige Ergebnisse, so kann mit Hilfe der Referenzsubstanz anschließend eine Target Analytik durchgeführt werden. Verbindungen, die über diesen Weg nicht identifiziert bzw. zugeordnet werden können, werden weiter als Non-Targets bezeichnet und müssen mithilfe von online Datenbanken (wie Chemspider oder Chemicalize) und Interpretation der MS/MS-Spektren und anderen Techniken oft mühevoll identifiziert werden. Die Verifizierungsmethoden entsprechen wiederum denen des Suspected-Target Screenings. Im ersten Workshop in Berlin (April 2012) wurden die Ergebnisse der Untersuchungen der Abläufe von verschiedenen Berliner Kläranlagen diskutiert. Die Teilnehmer arbeiten mit unterschiedlichen Massenspektrometern und den jeweiligen Gerätesoftwares: Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) mit der Fa. Thermo, der Zweckverband Landeswasserversorgung (LW) mit der Fa. SCIEX, die Technische Universität München (TUM) mit der Fa. Agilent und das Umweltforschungszentrum Leipzig (UFZ) mit der Fa. Waters. Die Anwender zeigten die Defizite im Workflow insbesondere in den jeweiligen Softwares. Im Ergebnis wurde ein erster allgemeingültiger Workflow mit allen Partnern und Geräte-herstellern erarbeitet. Die Wünsche von den Anwendern sollten in der Weiterentwicklung der jeweiligen Software berücksichtig werden. Die nachfolgenden Workshops zeigten die Fortschritte insbesondere im Peakfinding und in einer anwenderfreundlicheren Ergebnisdarstellung z. B. für das Isotopic Pattern und andere Qualitätssicherungsparameter der Non-Target Analytik. Die Vorgehensweise ist exemplarisch am Beispiel des Antiepileptikums Gabapentin demonstriert. Im zweiten Workshop in Langenau (November 2012) waren die Hersteller gefragt ihre Vorgehensweise eines Non-Target Ansatzes anhand von Realproben zu demonstrieren. Hier wurden Ausblicke für die Entwicklung gegeben und intensiv über die Nutzung von externen Datenbanken in den jeweiligen Gerätesoftwares diskutiert. Der dritte Workshop in Augsburg (03/2014) zeigte schließlich die Entwicklung der letzten zwei Jahre in Bereich der Non-Target Analytik sowohl hinsichtlich des Erfahrungsschatzes der Anwender als auch seitens der Softwareentwicklung bei den Geräteherstellern. Erstmals wurden Ansätze einer Validierung des Verfahrens diskutiert. Dazu wurde eine Liste von 20 der vorhandenen Suspects (erwarteten Spurenstoffe) in den jeweiligen Softwares nach Messung mit der HR-MS in der Ergebnisdarstellung bewertet. Die Fortschritte und Probleme aber auch weiterer Bedarf bei der Auswertung und Vorgehensweise der Non-Target Analytik wurden ausgetauscht. 9

16 2.1.2 Vom Non-Target zum Target am Beispiel von Gabapentin Um eine gemeinsame Ausgangsbasis zu erlangen und die Vorgehensweise verschiedener Anwender kennenzulernen wurden vor dem ersten Workshop (April 2012) der Kläranlagenablauf von vier Berliner Klärwerken an die Teilnehmer des Workshops versendet. Im Folgenden wird am Beispiel des neu durch das Projekt in Berlin detektierten Antiepileptikum Gabapentin die Vorgehensweise des Suspected-Target Screenings bei der BWB exemplarisch gezeigt. Abbildung 5: Detektion des Antiepileptikums Gabapentin in einer Klärwerksablaufprobe bei den Berliner Wasserbetrieben. Bei den BWB erfolgte die Messung mittels Ultra-high Performance Flüssigkeitschromatographie gekoppelt mit der hochauflösenden Massenspektrometrie (UHPLC-HRMS). Die UHPLC Messung wurde auf einem Thermo Scientific Equan Max Plus System durchgeführt. Nach der Methode von Wode et al. (2012) wurde 1 ml Probe injiziert, online angereichert und im Anschluss auf die analytische Säule transferiert. Es wurde einen Methanol-Wasser Gradient für die chromatographische Trennung verwendet. Als Detektor wurde das hochauflösende Massenspektrometer Exactive PlusTM (Thermo Fisher Scientific, Bremen, Germany) verwendet. Die Ionisierung erfolgte mittels Elektrospray (ESI). Beim Suspected Screening wurden Fullscan Spektren mit einer Auflösung von aufgenommen, simultan zu einer All Ion Fragmentation (AIF) bei einer Auflösung von Diese Kopplung ermöglicht neben einer 10

17 Identifizierung von Substanzen über den Fullscan im Massenbereich von eine Verifizierung von Fragmenten im AIF-Scan. Der Massenbereich im AIF lag bei Da. Um Empfindlichkeitsverluste zu minimieren, wurde jede Probe jeweils im negativen und positiven Modus gemessen. Die Datenauswertung für das Suspected target Screening erfolgte mit der Software TraceFinder 3.1 (Thermo Scientific). Als Suspect-Datenbank wurde eine Stoffliste mit mehr als 2000 Verbindungen u.a. aus dem Bereich Arzneimittel, Pestizide und Industriechemikalien genutzt. Eine Vielzahl der Verbindungen sind der EFS Datenbank (Thermo Fisher Scientific), weitere der Literatur aus dem Umweltbereich entnommen. Ein Schwerpunkt der hinterlegten Verbindungen lag auf dem vermuteten Vorkommen im Wasserkreislauf. Die Software Trace Finder gleicht alle gefundenen Peaks, deren Intensitätsschwellenwert überschritten wurde, mit den akkuraten Massen der Analyten aus der hinterlegten Datenbank ab. Zusätzlich wurde nach Fragmenten im AIF scan bei gleicher Retentionszeit gesucht. Ein Isotopenmusterabgleich (isotopic pattern matching) wurde mit der Software ebenfalls durchgeführt. Bei der Auswertung wurden nur Ergebnisse mit isotopic pattern score >85 % berücksichtigt. Weitere Verifizierungskriterien waren: Massenabweichung (<5ppm), Peaksymmetrie, Anwesenheit mindestens eines Fragments sowie Plausibilität des vorgeschlagenen Analyten im Untersuchungsgebiet. Für Verbindungen, die auch in der Spektren Bibliothek hinterlegt waren, konnte zudem ein Spektrenabgleich erfolgen Untersuchungen an einer Pilotanlage zur Ozonung mit nachgeschaltetem Biofilter Zur weiteren Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Non-Target-Analytik wurden drei ausgewählte Proben der Pilotanlage zur Ozonung von den Projektpartnern untersucht. Dazu gehörten der Ablauf der Kläranlage, der Ablauf einer nachgeschalteten Ozonungsanlage und der Ablauf eines darauf folgend geschalteten Zweischichtfilters nach einer Flockungsmittelzugabe (vergleiche Abbildung 98). Als Referenzprobe wurde eine spurenstoffarme Leitungswasserprobe mitgeliefert. Jeder Anwender konnte zur Datenprozessierung seine eigene Methode und Vorgehensweise nutzen. Als Aufgabenstellungen wurden 20 Substanzen vorgegeben an Hand derer gezeigt werden sollte wie diese in einem Non-Target Ansatz gefunden werden würden. Dazu konnte zur Absicherung der gefundenen Komponenten die Retentionszeit (bzw. die normierte Retentionszeit RTI), das isotopic pattern und das Resultat eines MS/MS Experimentes oder der All Ion Fragmentation (AIF) genutzt werden. Besonders von Interesse waren hierbei die Vorgehensweisen und der Einsatz unterschiedlicher interner und externer Datenbanken. Um die Vorgehensweise der unterschiedlichen Gerätesoftware besser zu verstehen, sollte der Peakfinding-Algorithmus kurz dargestellt werden und die Verifizierung der gefundenen Masse hinsichtlich zum Vorschlag einer Summenformel, das isotopic pattern und/oder Fragmentbestätigung Neben der Identifizierung der vorgegebenen 20 bekannten Substanzen wurden die Anwender darüber hinaus gebeten weitere gefundenen organischen Verbindungen mit Verifizierung und Qualitätssicherung beispielhaft anzugeben. Auch die Identifizierung von Veränderungen beispielsweise durch die Behandlung mit Ozon (anhand Zu- und Ablauf der Ozonanlage) sollte nach Möglichkeit demonstriert werden. Die Anwender verwendeten entweder 100 µl (Direktinjektion) oder 1 ml (online Anreicherung) als Injektionsvolumen. Als Lösungsmittel wurde entweder H 2 O/MeOH oder H 2 O/ACN verwendet, das beispielsweise mit Ameisensäure oder Essigsäure versetzt wurde. Für eine verbesserte Empfindlichkeit 11

18 erfolgten bei allen Anwendern die Messungen in zwei separaten Läufen (ESI+ und ESI-). Die Messmethode stand im Workshop nicht im Vordergrund, sondern die Vorgehensweise und Möglichkeiten der Software verschiedener Hersteller für den direkten Vergleich. Positiv hervorzuheben war, dass mindestens 18 der 20 vorgegebenen Verbindungen von allen Anwendern nachgewiesen wurden. Neben den vorgegebenen Verbindungen konnten von allen Anwendern eine Reihe weiteren Suspects nachgewiesen werden, die zum Teil sogar über RT und MS/MS bzw. mit einem Referenzstandard verifiziert und quantifiziert wurden. Resultierend aus den Quantifizierungsdaten konnten so Rückschlüsse auf das Verhalten der Verbindungen nach der Ozonung bzw. dem Biofilter gezogen werden (Abbildung 6). Verschiedene statistische Darstellungsformeln wie Venn-Diagramm, Punktwolke-Diagramme, Volcano-Plots usw. ermöglichten eine visuelle Darstellung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den gemessenen Proben. Bei Verbindungen, die nicht quantifiziert wurden, konnten Trends abgeleitet werden durch Vergleich der Response (Fläche, Intensität) in den einzelnen Proben. Tabelle 1: Liste der vorgegebenen 20 Substanzen. Stoffname Summenformel Neutrale Masse logp (ph7) logd (ph7) 1 Acetylaminoantipyrin (AAA) C 13 H 15 N 3 O Aminoantipyrin (AA) C 11 H 13 N 3 O Benzotriazol C 6 H 5 N Bezafibrat C 19 H 20 ClNO Carbamazepin C 15 H 12 N 2 O Diclofenac C 14 H 11 Cl 2 NO Hydroxydiclofenac C 14 H 11 Cl 2 NO Formylaminoantipyrin (FAA) C 12 H 13 N 3 O Gabapentin C 9 H 17 NO Irbesartan C 25 H 28 N 6 O Metoprolol C 15 H 25 NO Oxazepam C 15 H 11 ClN 2 O Phenazon C 11 H 12 N 2 O Phenylethylmalonamid (PEMA) C 11 H 14 N 2 O Primidon C 12 H 14 N 2 O Sotalol C 12 H 20 N 2 O 3 S Sucralose C 12 H 19 Cl 3 O Toluolsulfonamid (TSA) C 7 H 9 NO 2 S Tolyltriazol C 7 H 7 N Valsartansäure C 14 H 10 N 4 O Die Suche nach Transformationsprodukte wurde von alle Anwendern gezeigt. So wurde in der ozonierten Probe (0,7 mg O 3 /mg DOC) verschiedenen Verbindungen in oxidierte Form detektiert (zum Beispiel Amisulprid, Tramadol und andere). 12

19 Tabelle 2: Zusammenfassung der Ergebnisse zur Detektion der vorgebebenen Suspects (x: detektiert; (x): nur unter Einbeziehung von Addukten detektiert; n.d.: nicht detektiert). Nr. Substanz Summenformel BWB LW UFZ Leipzig Tübingen 1 Acetylaminoantipyrin (AAA) C 13 H 15 N 3 O 2 x x x x 2 Aminoantipyrin (AA) C 11 H 13 N 3 O x x x x 3 Benzotriazol C 6 H 5 N 3 x x x x 4 Bezafibrat C 19 H 20 ClNO 4 x x x x 5 Carbamazepin C 15 H 12 N 2 O x x x x 6 Diclofenac C 14 H 11 Cl 2 NO 2 x x x x 7 4-Hydroxydiclofenac C 14 H 11 Cl 2 NO 3 x x n.d. x 8 Formylaminoantipyrin (FAA) C 12 H 13 N 3 O 2 x x x x 9 Gabapentin C 9 H 17 NO 2 x x x x 10 Irbesartan C 25 H 28 N 6 O x x x x 11 Metoprolol C 15 H 25 NO 3 x x x x 12 Oxazepam C 15 H 11 ClN 2 O 2 x x x x 13 Phenazon C 11 H 12 N 2 O x x x x 14 Phenylethylmalonamid (PEMA) C 11 H 14 N 2 O 2 x x x x 15 Primidon C 12 H 14 N2O 2 x x x x 16 Sotalol C 12 H 20 N 2 O 3 S x x x x 17 Sucralose C 12 H 19 Cl 3 O 8 n.d. x x (x) 18 Toluolsulfonamid (TSA) C 7 H 9 NO 2 S x n.d. n.d. n.d. 19 Tolyltriazol C 7 H 7 N 3 x x x x 20 Valsartansäure C 14 H 10 N 4 O 2 x x x x Auswertung von Non-Target-Daten mit Masse-Retentionszeit-Plots Datenstruktur und -bearbeitung: Die Abbildung 4 zeigt schematisch den Target-, Suspect- und Non- Target-Workflow. Ein entscheidender Schritt ist hierbei die Erkennung von sog. Features im Datensatz (LC-HRMS). Die prinzipielle Vorgehensweise ist in Abbildung 7 dargestellt. Das LC-HRMS-Chromatogramm enthält neben der Retentionszeit (Information über die Polarität des Analytmoleküls) auch die Masse (m/z) der jeweiligen Ionen (Information über die Molmasse des Analytmoleküls). Dies kann in einem Contourplot dargestellt werden, bei dem über die Farbe die Signalintensität wiedergegeben wird wie beispielsweise in Abbildung 7 (blau für keine, gelb für geringe und rot für hohe Intensität). Die Aufgabe eines sog. Peak-Finding-Algorithmus ist es, Signale zu detektieren, die in der Zeitachse und in der m/z-achse ein Elutions- bzw. ein Massenprofil aufweisen. Die Schwierigkeit für diesen Peak-Finding-Algorithmus, besonders bei Umweltproben ist es, Features mit geringer Intensität (Abundance) zu extrahieren. Die geringe Intensität kann durch eine schlechte Ionisierbarkeit des Moleküls und/oder durch eine geringe Konzentration in der Probe verursacht werden. Diese Features müssen von ähnlichen Signalen des chemischen Rauschens unterschieden werden. Aufgrund der Entstehung der LC-HRMS-Daten unterscheiden sich die beiden Dimensionen m/z und Retentionszeit hinsichtlich Skala, Ausdehnung und Abweichungen. 13

20 Abbildung 6: Verhalten der quantifizierten Substanzen; als Bezugswert wurde der Kläranlagenablauf genommen. Skala: Die Datenpunkte auf der Retentionszeitachse sind in der Regel äquidistant und durch die Scanrate des Massenanalysators vorgegeben. Die m/z-achse ist dagegen kontinuierlich infolge der Umrechnung der Flugzeiten in die entsprechenden m/z-werte. Die Algorithmen der Feature-Detektion erfordern jedoch Daten in einer diskreten Matrix. Für die m/z-skala ist dies nicht ohne weiteres möglich. Ausdehnung eines Features: Die Ausdehnung eines Features in der Dimension der Retentionszeit beträgt abhängig von der Chromatographie einige Sekunden. Die Ausdehnung infolge von Schwankungen der m/z-werte beträgt weniger als 5 ppm. Abweichungen: Abweichungen zwischen unterschiedlichen LC-HRMS-Datensätzen sind bei der Retentionszeit wenige Sekunden und bei m/z wenige ppm. Diese Abweichungen sind beim Abgleich der Features einer Blindwertmessung im Vergleich zur Probenmessung wichtig. Es gibt drei prinzipielle Vorgehensweisen zur Ermittlung von Features. Die erste Strategie betrachtet die beiden Koordinaten Masse und Retentionszeit unabhängig voneinander. Über die Massen-Achse wird die Schwankung einer Masse betrachtet und über die Retentionszeitachse der Verlauf der Intensität. Die Festlegung einer Schwelle (Threshold) ist ein entscheidendes Kriterium. Die zweite Strategie besteht in der Analyse von extrahierten Ionen-Chromatogrammen innerhalb eines engen m/z-bereichs. Diese Chromatogramme können dann unabhängig voneinander mit einem geeigneten Filter (z.b. Gaußfilter zweiter Ordnung) auf chromatographische Peaks untersucht werden. Bei dieser Strategie wird die Suche nach Peaks im m/z-bereich umgangen. 14

21 Abbildung 7: Auswertung von Non-Target-Daten unter Einbindung des Masse-Retentionszeit-Plots (blau steht für keine, gelb für geringe und rot für hohe Intensität im mittleren Plot). Die dritte Strategie zur Extraktion von Features aus einem LC-HRMS-Datensatz besteht in einer Modellanpassung an die Rohdaten. Ein Modell kann beispielsweise die dreidimensionale Anpassung eines Isotopenmusters beginnend beim intensivsten Peak und anschließender Subtraktion sein. Dieser Prozess wird iterativ bis nur noch Rauschen vorliegt angewendet Anwendung auf reale Proben Die Anwendung des Non-Target-Screenings auf reale Proben und der Vergleich der Ergebnisse zweier unterschiedlicher Messsysteme (Q-TOF und Orbitrap) wurde am Beispiel der Oberflächenwasser-aufbereitungsanlage (OWA) Tegel durchgeführt. In Abbildung 7 sind die ermittelten Komponenten für Zuund Ablauf der OWA (orange/blau) als Masse-Retentionszeit-Plot gegenübergestellt. Die Übereinstimmungen sind jeweils grün eingezeichnet. Die Messung im positiven Elektrospray-Ionisationsmodus (ESI+) ist links und der negative Modus (ESI-) rechts dargestellt. Die Veränderungen durch den Prozess sind deutlich zu erkennen. So reduziert sich die Anzahl der Feature bei ESI+ durch den Behandlungsprozess von 601 auf 487 bei 331 Übereinstimmungen. Bei den Übereinstimmungen kann darüber hinaus eine Reduktion der Intensität (Konzentration) stattfinden. Zudem ist zu erkennen, dass durch den Prozess in der OWA auch neue Features hinzukommen. Mögliche Ursachen sind eingesetzte Chemikalien oder die Bildung von Transformationsprodukten während eines Prozesses. Die Fähigkeit eines Prozesses Spurenstoffe zu entfernen und/oder neue Spurenstoffe zu bilden (Transformationsprodukte) ist für die Auswahl eines Prozesses beispielsweise zur erweiterten Abwasserreinigung wichtig. Deshalb wurde in Verbindung mit dem Projekt TransRisk die Möglichkeit der Prozessbeschreibung auf der Grundlage des Non-Target-Screenings erarbeitet und erprobt. 15

22 Abbildung 8: Veränderungen der Punktwolken von Zu- und Ablauf der OWA Tegel (links ESI+, rechts ESI-). Aufgrund der teils sehr unterschiedlichen Software und der damit verbundenen Herangehensweise sind die Ergebnisse dieser ersten Non-Target-Vergleichsuntersuchung nicht direkt vergleichbar. Ein ausschlaggebender Punkt ist die Berücksichtigung des Blindwertes. Der Blindwert wird bei den derzeit auf dem Markt befindlichen Softwareversionen nahezu nicht berücksichtigt bzw. muss vom Anwender aufwendig manuell eingebunden werden. Im Zuge dieser Vergleichsuntersuchung stellte sich heraus, dass der Peak-Finding-Algorithmus auch falsch positive Features anzeigt. Die sich daraus ergebende Konsequenz war, die Entwicklung einer Strategie zur Validierung der durch den Peak-Finding-Algorithmus gefundenen Features. Dies wird im Folgeprojekt FOR-IDENT eingesetzt und erprobt (RiSKWa-Verbundprojekt FOR-IDENT, gefördert vom BMBF). Beispielhaft sind in Tabelle 3 die Ergebnisse des Non-Target-Screenings für Oberflächenwasserproben aus Berlin mit Abfrage von potenziellen Umweltkontaminanten in den Datenbanken Stoff-Ident (RiS- KWa- Verbundprojekt Stoff-Ident) und DAIOS zusammengestellt Erweiterte Auswertung mittels van Krevelen-Plot zur Prozessbeschreibung Zur Charakterisierung der organischen Substanzen (DOC) im Ablauf der Kläranlage wurde der Ablauf einer Ultrafiltrationsanlage einer zusätzlichen Nanofiltration und einer Umkehrosmose unterzogen (TU Berlin). Das Schema der sequentiellen Filtration ist in Abbildung 9 dargestellt. Durch die Nanofiltration sollen Substanzen mit Molmassen >500 m/z abgetrennt werden. Bei der Umkehrosmose sollen anschließend die bei der Nanofiltration nicht zurückgehaltenen kleinen Moleküle angereichert werden. Diese so erhaltenen Wasserproben werden durch Verdünnung auf einen einheitlichen DOC eingestellt und mit Aktivkohle 30 Minuten und 48 Stunden behandelt. 16

23 Tabelle 3: Ergebnisse (Auszug) des Non-Target-Screenings mit Abfrage von potenziellen Umweltkontaminanten für verschiedene Oberflächenwasserproben der Oberflächenwasseraufbereitung (OWA) Berlin. 17

24 Abbildung 9: Schema der sequentiellen Filtration der Abwasserprobe (UF: Ultrafiltration, NF: Nanofiltration, RO: Umkehrosmose). Die Abbildung 10 zeigt das Totalionenstrom-Chromatogramm der drei Filtrate überlagert. Die hellblaue Spur zeigt einen gemessenen Systemblindwert. Die Unterschiede zwischen den behandelten Proben sind in dieser Darstellung sehr gering. Betrachtet man hierzu Ausschnitte des Massenbereichs, m/z (Abbildung 11) und m/z (Abbildung 12), so werden die Unterschiede in den Proben durch die Filtration deutlich. Die Moleküle mit geringer Masse und damit geringer Größe erscheinen verstärkt im Massenbereich m/z (Abbildung 11) während die Moleküle mit größerer Masse und damit größere Moleküle bei der Nanofiltration verstärkt auftreten. Die Analyse der Wasserproben erfolgte im Labor mittels Non-Target-Screening. Die Masse-Retentionszeit-Plots der drei Proben sind in Tabelle 4 zusammengestellt. Deutlich ist die Veränderung in Form einer Zunahme der Features mit kleinen Massen in der Probe der Umkehrosmose zu erkennen. Bei der nanofiltrierten Wasserprobe erkennt man die Lücken bei kleiner Masse und kleiner Retentionszeit. Hier treten beim Retardat der Umkehrosmose eine Vielzahl von Komponenten auf und ist somit ein Indiz für die Wirkung der Filtration. Zu dieser Prozessbeschreibung wird neben dem Masse-Retentionszeit-Plot auch der van Krevelen-Plot eingesetzt. Die Abbildung 13 zeigt einen van Krevelen-Plot für ausgewählte Komponenten bei der Aktivkohlebehandlung der Filtrate. Den gefundenen Komponenten werden Summenformeln über die exakte Masse und dem Isotopenmuster zugeordnet. Im van Krevelen-Plot werden die Komponenten über das Verhältnis N/C und H/C in das Diagramm (siehe Abbildung 13) eingezeichnet. Dabei sind homologe Reihen deutlich als Geraden zu erkennen. Durch eine farbliche Codierung der Punkte kann die Eliminationsrate R mit veranschaulicht werden. Je größer R desto besser die Entfernung durch den Prozess. Somit zeigt sich im Prozess einer Aktivkohleadsorption in diesem van Krevelen-Plot eine bessere Eliminationsleistung für höhermolekulare Substanzen. Das Ergebnis der Aktivkohlebehandlung der Wasserproben nach 48 h zeigt Abbildung 14. Hier sind die relativen Häufigkeiten der Massenverteilung der Substanzen vor und nach Aktivkohle gegenübergestellt. Die Verschiebungen in den Verteilungen sind relativ gering. Hier sind noch weitergehende Datenanalysen erforderlich. 18

25 Abbildung 10: Totalionenstrom-Chromatogramm für den Massenbereich m/z der Filtrate. Abbildung 11: Totalionenstrom-Chromatogramm für den Massenbereich m/z der Filtrate. Abbildung 12: Totalionenstrom-Chromatogramm für den Massenbereich m/z der Filtrate. 19

26 Tabelle 4: Gegenüberstellung der Masse-Retentionszeit-Scatterplots nach der Fraktionierung. Gereinigtes Abwasser nach Ultrafiltration Nanofiltration Abtrennung von Molekülen mit m/z>500 Umkehrosmose Anreicherung der kleinen Moleküle 20

27 Abbildung 13: Van Krevelen-Plot am Beispiel der Aktivkohleadsorption. Abbildung 14: Darstellung der Masseverteilung vor und nach der Aktivkohlebehandlung Statistische Auswertung Zur weitergehenden Analyse der Daten wurde mit allen Proben (Doppelmessung) eine statistische Auswertung mittels Hauptkomponentenanalyse (PCA) durchgeführt. Durch die PCA sollten mögliche Zusammenhänge der Proben herausgearbeitet werden, die bei mehreren tausend Komponenten nicht 21

28 offensichtlich sind. Die Hauptkomponenten stellen Linearkombinationen der Komponenten zur Reduktion der Dimensionalität des Ausgangsdatensatzes dar. Das Ergebnis mit den Hauptkomponenten PC1 und PC2 zeigt Abbildung 15 (links). Diese beiden PCs erklären 58,1 % der Varianz des Ausgangsdatensatzes. Im Score-Plot ist zu erkennen, dass die Punkte für die Proben der Nanofiltration und für die Proben der Umkehrosmose auf einer Linie (rot bzw. gelb) liegen. Die Reihenfolge ist dabei gleich: Ausgangsprobe 30 min mit Aktivkohle behandelt und 48 h mit Aktivkohle behandelt. Dies zeigt die zusätzliche Entfernung bzw. Reduktion von Komponenten durch eine längere Kontaktzeit bei der Aktivkohleadsorption. Im Loading-Plot sind die Komponenten mit ihrem Beitrag (Loading) zu der jeweiligen Hauptkom-ponente dargestellt. Die linear aufgereihten Komponenten (Abbildung 15, rechts) treten nur in den jeweiligen Proben auf. Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens erfolgte keine weitergehende Auswertung der Daten hinsichtlich der Identifikation dieser Komponenten. Abbildung 15: Score- und Loading-Plot (links bzw. rechts) der Hauptkomponentenanalyse der Wasserproben und mit Aktivkohle behandelten Wasserproben (30 min und 48 h). Anhand dieser Ergebnisse ist zu erkennen, welche Informationen die Non-Target-Analytik zur Beschreibung der Vorgänge bei der Adsorption an Aktivkohle beisteuern kann. Bei diesen Untersuchungen wurde zudem deutlich, dass auch frische Aktivkohle Substanzen an das Wasser abgeben kann. Zur detaillierten Untersuchung des Blindwertes von Aktivkohle wurde im Labor der TU Berlin eine frische Aktivkohle (SAE Super) zum einen mit Laborreinstwasser und zum andern mit einer Puffer-lösung suspendiert und anschließend filtriert. Die erhaltenen Lösungen wurden mittels Non-Target-Screening untersucht. Die Datenauswertung erfolgte durch multivariate Statistik mit der Haupt-komponentenanalyse (PCA). Die Abbildung 16 zeigt den Score- und Loading-Plot des wässrigen Extraktes der Aktivkohle. Deutlich ist die Trennung des Extraktes der Aktivkohle von dem verwendeten Wasser (ELGA) zu erkennen. Bei der Extraktion der Aktivkohle mit gepufferter wässriger Lösung ist eine Unterscheidung im Score-Plot 22

29 von Extraktionsmittel und Extrakt nicht zu erkennen. Dies deutet auf eine bereits vorhandene Kontamination der gepufferten Extraktionslösung hin, die durch die Aktivkohle kaum beeinflusst wird. Abbildung 16: Score- und Loading-Plots der wässrigen Extrakte von Aktivkohle (nach Behandlung mit Aktivkohle SAE Super, Reinstwasser ELGA ). Im Loading-Plot sind deutlich Ketten von Features zu erkennen, die in Richtung der entsprechenden Probe im Score-Plot zeigen. Diese Features sind probenspezifisch, d. h. sie treten nur in dieser Probe nicht aber in den anderen Proben auf. In Abbildung 17 sind für die rot markierten Features die Verläufe der Response (Signalintensität) in den untersuchten Proben dargestellt. Abbildung 17: Score- und Loading-Plot der wässrigen Extrakte von Aktivkohle (oben) mit dem Verlauf der Response von aktivkohlespezifischen Features über die Proben (unten). Die Identifizierung von Komponenten ist sehr aufwendig. In Abbildung 18 sind einige Substanzvorschläge für den Blindwert der Aktivkohle dargestellt. 23

30 Abbildung 18: Ausgewählte Substanzvorschläge von Blindwertkomponenten der Aktivkohle Anwendung der Non-Target Analytik an der Uferfiltrationstransekte Tegel Neben technischen Verfahren wurde auch die natürliche Barriere betrachtet. Hierfür wurde eine am Tegeler See liegende Uferfiltrationstransekte näher untersucht. Die Untersuchungen erfolgten im Labor der Berliner Wasserbetriebe Ergebnisse des Suspect-target-Screenings Mit dem Suspected-target Screening konnten an der Transekte Verbindungen detektiert werden dessen Vorliegen in Berlin nicht bekannt war. Insgesamt konnte 93 Verbindungen als bestätigt angesehen werden, dessen Kriterien die Anforderungen erfüllten. Zu den Kriterien zählten zum einen die Massengenauigkeit (Abweichung <5 ppm) und die Übereinstimmung des Isotopenmusters (Score>85 %). Weiteres Kriterium zur Absicherung der Struktur war der Nachweis mindestens eines Fragments und die Plausibilität des Auftretens im Untersuchungsgebiet. Abbildung 19: Verteilung der detektierten Verbindungen im Tegeler See. Für insgesamt 58 Verbindungen lag ein Referenzstandard vor oder wurde ein Referenzstandard erworben um eine Quantifizierung durchzuführen. Zu den neu detektierten Verbindungen zählten vorwiegend Pharmazeutika, die über das Abwasser in den Tegeler See gelangt sind. Darunter befanden sich u.a. Antiepileptika wie Gabapentin, Lamotrigin sowie Oxcarbazepin sowie die Neuroleptika Venlafaxin und Amisulprid wie auch Blutdrucksenker wie die AT-II-Antagonisten Valsartan, Olmesartan, Candesartan und ihr Metabolit die Valsartansäure. In Abbildung 19 ist die Verteilung der detektierten Verbindungen im Tegeler See abgebildet. 24

31 Non-Target-Screening an der Transekte Zusätzlich zum Suspect-target Screening erfolgte ein Non-Target Screening. Es wurden die intensivsten Peaks im jeweiligen Ionisierungsmodus ausgewertet. In Abbildung 20 sind die Massen der 20 intensivsten Peaks aus dem positiven Ionisierungsmodus abgebildet. Die Reihenfolge der Massen erfolgte nach der summierten Intensität über alle Messstellen. Die Intensität der farblichen Markierungen geben Rückschlüsse auf das Vorliegen und die relative Konzentration der jeweiligen Masse in den entsprechenden Messstellen. So ist aus Abbildung 20 beispielsweise ableitbar, dass die [M+H]+-Massen 189,1021 (Phenazon), 264,1340 (AMDPH) und 231,1127 besonders in der Messstelle 374 vorzufinden sind. Abbildung 20: TOP 20 der intensivsten Peaks im positiven Ionisierungsmodus (ESI+). Unter den TOP 20 konnten im ESI+ 8 der 20 intensivsten Peaks (siehe Abbildung 20) eine Verbindung mittels des Suspect Screening identifiziert werden. Für weitere Massen wurden Summenformeln abgeleitet und nach Strukturen in online Datenbanken (z.b. Chemspider, STOFF-IDENT, DAIOS) gesucht. Für die Masse 154,1227 konnte die Summenformel C 9 H 17 NO 2 hergeleitet werden. Hier lag die Vermutung nahe, dass die Verbindung aus Gabapentin resultiert, da beide Verbindungen sich um die Massendifferenz 18,0106 (Wasser) unterschieden. Bei der Verbindung mit der Masse 154 wurde Gabapentin Lactam vermutet, dass unter Abspaltung von Wasser über einen intramolekularen Ringschluss gebildet wird. Das Lactam wurde in den Proben sowohl als Ausgangsverbindung (andere RT als Gabapentin), als auch als Fragment von Gabapentin (gleicher Retentionszeit RT wie Gabapentin) detektiert. Abbildung 21 zeigt am Beispiel Tegeler See, dass das Gabapentin Lactam mit 5,96 min später als das Gabapentin eluiert. Dass es sich hierbei tatsächlich um das Gabapentin Lactam handelt, konnte mittels eines Referenzstandards bestätigt werden. 25

32 Abbildung 21: Nachweis des Gabapentin Lactams im Tegeler See. Der Suspect mit der Masse 231,1127 lag insbesondere in der Messstelle 374 (siehe Abbildung 32) vor. Es handelt sich hierbei mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein Transformationsprodukt von Phenazon oder einer phenazonartigen Verbindungen. Es wurde für die exakte Masse die Summenformel C 13 H 14 N 2 O 2 (= Phenazon +C 2 H 2 O) ermittelt. Es liegt die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um ein Phenazon-Derivat handelt, dass eine Acetylgruppe trägt und noch nicht in der Literatur beschrieben worden ist. Über die Suche in der online Datenbank STOFF-IDENT konnten für weitere drei Verbindungen ein Suspect vorgeschlagen werden. In Tabelle 5 sind die Vorschläge zusammengefasst. Tabelle 5: Vorschläge aus der Datenbank STOFF-IDENT. M+H Summenformel 249,1848 C 16 H 24 O 2 227,2003 C 14 H 26 O 2 212,1069 C 14 H 13 NO Δm/z Vorschläge aus STOFF-IDENT Verwendung/ Kategorie Tonnage* [t/a] -1, Phenyldecanoid acid By-Products, Impurities & TP -1,0072 3,5-Di-tert-butyl-4-hydroxyacetophenone Sonstiges -1,0070 Surfinol-104 Industriechemikalie, (2,4,7,9-tetramethyldec-5- Sonstige yne-4,7-diol; TMDD) -1,0070 Vinyllaurat Industriechemikalie -1,0070 Isodecylmethacrylat Industriechemikalie -1,0070 decyl methacrylate Industriechemikalie ,0070 (E)-8-Dodecenylacetat Pflanzenschutzmittel -1,0070 (Z)8-Dodecenylacetat Pflanzenschutzmittel -1,0070 (Z)-9-Dodecenylacetat Pflanzenschutzmittel -1,0072 phenylacetanilide Arzneimittel, Sonstiges -1,0072 diphenylacetamide Arzneimittel, Sonstiges 26

33 Abbildung 22: Strukturvorschlag für die Masse [M+H]+ 231,1127 (Acetylphenazon) Weiterentwicklung von DAIOS Database Assisted Identification of Organic Substances (DAIOS 2.0) Wegen der eingeschränkten Eignung für das Non-Target-Screening im Bereich der Umweltanalytik von bereits bestehenden Online-Datenbanken wurde die Datenbank DAIOS speziell auf dieses Aufgabengebiet ausgerichtet. Mit DAIOS soll die Identifizierung unbekannter Stoffe unterstützt werden und ist deshalb bewusst keine Spektrenbibliothek. Die Datenbank wird vom Zweckverband Landeswasserversorgung betrieben und von der Wasserchemischen Gesellschaft unterstützt. Im Rahmen der BMBF- Fördermaßnahme RiSKWa und dem Projekt ASKURIS wurde DAIOS im Jahr 2013 neu programmiert und Anfang 2014 implementiert (Placht 2014). Abbildung 23: Übersicht der verschiedenen Suchmasken (Mass, Meta, Index) in DAIOS. Die Funktionen der bisherigen Version aus dem Jahr 2008 (Muller et al. 2011) sowie das Design von DAIOS wurden modernisiert und erweitert. Dabei wurde besonders auf eine bessere Wartung und Bedienbarkeit geachtet und die Systemgrundlage für zukünftige Entwicklungen gelegt. Die Struktur des Datenmodells in der neuen Version ist dynamisch, so dass sich nachträgliche Änderungen der Daten einfach bewerkstelligen lassen. Zudem kann nun durch die verwendete Drei-Schichten-Architektur beispielsweise das Frontend unabhängig vom Backend modifiziert werden. Das heißt, die grafische Benutzeroberfläche wie die zugrundeliegende Datenbank können leicht ausgetauscht und somit zukünftigen Entwicklungen angepasst werden. Die neue Version von DAIOS ist weiterhin unentgeltlich unter der bekannten Adresse erreichbar. Nach der Registrierung stehen die Grundfunktionen wie beispielsweise das Suchen und Editieren von Einträgen zur Verfügung. Hier wurden an mehreren Stellen Verbesserungen gegen- 27

34 über der alten Version hinzugefügt. Optisch voneinander getrennt können Substanzen über Suchmasken anhand der Masse (Massenbereich, exakte Masse, Precursor, Fragmente), anhand von Metainformationen (Name, CAS-Nr., Summenformel) oder über die Indexsuche recherchiert werden. Die Darstellung der Suchergebnisse ist ebenfalls neu. Mehrere Suchergebnisse können gleichzeitig dargestellt werden und zwischen diesen hin und her gewechselt werden. Eine Historie dokumentiert die vom Benutzer ausgeführten Suchen, so dass diese erneut ausgeführt bzw. selektiert werden können. Innerhalb der Detailansicht wird nun auch die Strukturformel dargestellt, die, falls vorhanden, aus dem zur Substanz hinterlegten Molfile erstellt wird. Die Strukturformel ist zum Download verfügbar. Abbildung 24: Transformation Tree der Substanz Isoproturon. Da DAIOS im Vergleich zu anderen Datenbanken für die Anforderungen im aquatischen Umfeld ausgerichtet ist, berücksichtigt es massenspektrometrische Daten und Transformationsprodukte. So sind in DAIOS die Fragmentmassen aus Ergebnissen von MS/MS-Experimenten hinterlegt, jedoch keine Spektren. Mit der bisher nur von DAIOS bekannten Anwendung Transformation Tree kann der Benutzer jetzt zwischen einer Substanz und all ihren Transformationsprodukten und umgekehrt navigieren (Abbildung 24). Abbildung 25: Bildschirmfoto von DAIOS

35 Abbildung 25 zeigt die Ergebnisdarstellung einer Suche in DAIOS 2.0. Geplant sind weitere Ergänzungen, beispielsweise die Suche von mehreren gemessenen Features und ein Export der Suchergebnisse als csv-file. Derzeit sind 308 User eingetragen; die Anzahl der Datensätze (Substanzen) beträgt Nach Projektende wird die Datenbank weiter gepflegt und durch die LW betrieben. Abbildung 26: Integration von DAIOS im Rahmen von FOR-IDENT. Wichtig ist, eine Arbeitsplattform zu entwickeln (Abbildung 26), an die, neben den beiden Datenbanken, auch andere im Internet zugängliche Datenbanken und Hilfsmittel zur Unterstützung der Identifizierung von Substanzen angekoppelt sind Fazit Deutlich wurde, dass große Fortschritte in der Spurenstoffanalytik während des ASKURIS Projektes im Non-Target Bereich gemacht wurden. Es empfiehlt sich eine Vereinheitlichung der Begrifflichkeiten sowie die Klärung unter welchen Voraussetzungen eine Substanz identifiziert ist. Eine Einteilung in Identifizierungslevel wie beispielsweise nach Schymanski et al. (2014) oder die Beschreibung von Identifizierungsstufen in Form von: charakterisiert über das Isotopic pattern oder/und identifiziert über Spektrenbibliotheken. In Bezug auf die Chromatographie muss gewährleistet sein, dass das Messgerät zu jeder Messung eine entsprechende Trennschärfe und Genauigkeit aufweist, die beispielsweise durch Kontrolle mit einem Set von Referenzstandards möglich wäre. Für eine Austauschbarkeit ist eine Standardisierung der Referenzdatensätze erforderlich. Hierbei ist jedoch zu klären welche Standards sich dabei besonders eignen. Muss ein bestimmter Massen- und Polaritätsbereich abgedeckt sein? Die Massengenauigkeit der hoch auflösenden Massenspektrometer und auch deren analytische Empfindlichkeit ist inzwischen so gut, dass in der Umweltanalytik Anforderungen, wie sie sich beispielsweise aus der Trinkwasseranalytik ergeben, gut abgedeckt werden können. Die Target-analytik wird ebenso empfindlich, sicher und schnell ein Ergebnis liefern wie dies mit Triplequad MS/MS Geräten möglich ist. Dem Analytiker werden durch die Möglichkeiten der Non-Target Analytik viele Wünsche geboren bisher unbekannte Substanzen in den Proben zu erkennen. Leider kann oftmals die Software nicht das leisten, was eigentlich schon möglich sein sollte. Sicher werden da in den kommenden Jahren einige weitere Fortschritte erzielt werden können. Im Folgeprojekt ForIdent kann dieser bisher sehr erfolgreiche Weg weiter beschritten werden. Die Zusammenarbeit im Querschnittsthema über die einzelnen Projekte hinaus und mit den Herstellerfirmen ist eine sehr gute Voraussetzung für schnellere Erfolge. In den gemeinsamen Treffen wurden 29

36 stets kleine oder große Aufträge formuliert, die es bei der Weiterentwicklung der Gerätesoftware umzusetzen galt und gilt. Dazu sind derzeit einige offene Punkte im Ergebnis des letzten Workshops in Augsburg weiter zu bearbeiten. Beispielsweise stand zur Diskussion ob ein oder mehrere Messdurchläufe für eine Probe erforderlich sind, um zufällige Treffer auszuschließen oder wie mit der Blindwertproblematik (Referenzprobe, Null- Injektion, ) umgegangen wird. Eine Vorgehensweise zur Validierung der Daten muss vorgegeben werden. Die Non-Target Analytik muss auch unter zeitlicher Begrenzung in der Abarbeitung einer Probe oder eines Probensets stehen. Am Ende sollte ein unabhängig von der benutzten Software einheitlich gestalteter Report erstellt sein. Diese Aufgabe sollte von mehreren Laboren unter Einbeziehung der Herstellerfirmen und den jeweiligen Softwaren bearbeitet werden. Die Einbeziehung von Datenbanken sollte über die Gerätesoftware nutzbar sein, so dass die Weiterentwicklung von Software der Gerätehersteller sowie Datenbankumfang und -komfortabilität unabhängig voneinander bleiben. Diese Fragen werden im Projekt ForIdent weiter zu beantworten sein. Ziel sollte eine Normung der Non-Target Analytik sein. 30

37 2.2 Quantifizierungen von Spurenstoffen im urbanen Wasserkreislauf Um möglichst viele Spurenstoffe in einem Durchlauf zu erfassen werden diese in Multimethoden zusammengefasst. Der zunächst höhere Aufwand für die Entwicklung dieser Methoden zahlt sich durch die schnelle Analytik (UHPLC) von vielen Verbindungen in relativ kurzer Analysenzeit wieder aus. Triple Quadrupol Massenspektrometer (MS/MS) sind in der Spurenstoffanalytik nicht mehr wegzudenken, aber seit wenigen Jahren spielen high resolution mass spectrometry (HRMS)-Geräte mit herausragender Massengenauigkeit (<2 ppm) und hoher Auflösung eine immer stärkere Rolle. Während mit der MS/MS nur ausgewählte Massenübergänge betrachtet werden können, ist beim HRMS eine theoretisch unbegrenzte Anzahl an Analyten ohne Sensitivitätsverlust messbar. Auch eine nachträgliche Suche von Kontaminanten in schon gemessenen Proben ist möglich. Während der Projektphase wurden zwei Multimethoden entwickelt und für die Matrices Grund-, Oberflächen- und Klarwasser validiert. Bei beiden Methoden wurde gezielt auf eine Probenaufarbeitung verzichtet damit einerseits geringere Probenvolumina benötigt werden und andererseits der Arbeitsaufwand eines Analysendurchgangs verkürzt werden kann. Zudem wird durch die Direktinjektion die Probe unverändert vermessen und zusätzliche Kontaminationen werden vermieden. Letzteres ist insbesondere für die Non-Target Analytik von Bedeutung Entwicklung und Validierung der UHPLC-MS Messmethoden UHPLC-MS/MS Methode mit Direktinjektion Für das Screening verschiedener Aktivkohlen und die Verfahrensbeurteilung der Pilotanlagen wurde ein Analysenverfahren mittels Ultra-Hochleistungsflüssigkeitschromatographie gekoppelt mit der Tandem Massenspektrometrie (UHPLC-MS/MS) erstellt. Hierfür wurde ein Xevo TQ-S System, ausgestattet mit einer Z-Spray Quelle und einem eingebauten Spritzenpumpensystem eingesetzt. Als Ionisierungsquelle wurde eine ESI-Quelle im positiven und negativen Ionenmodus verwendet. Die chromatographische Trennung erfolgte auf einem ACQUITY UPLC-System. Die chromatographische Säule wurde über einen Säulenofen auf 40 C beheizt. Zur Steuerung des Gerätes und zur Auswertung der Daten wurde die MassLynx Software 4.1 (Waters GmbH) eingesetzt. Die Proben wurden nicht gefiltert, sondern ein 0,2 µm inline Filter (ACQUITY Col. Inline Filter, Waters, UK) wurde vor die analytische Säule geschaltet, um Partikel zurückzuhalten. Stark matrixlastige Proben wie beispielsweise gereinigtes Abwasser (Klarwasser) wurden 1:5 verdünnt. Für Verdünnungen wurde ein spuren-stoffarmes Trinkwasser verwendet. Die Proben wurden mittels Direktinjektion gemessen, so dass keine zusätzliche Probenvorbereitung erforderlich war. Tabelle 6: MS-Parameter am Xevo-TQ-S (UHPLC-MS/MS-Methode). Capillary [kv] 3,5 (ESI(+)); 0,7 (ESI(-)) Source Offset [V] 50 Solvation Temperature [ C] 150 Desolvation Temperature [ C] 600 Cone Gas Flow [L/Hr] 150 Desolvation Gas Flow [L/Hr] 1000 Collision Gas Flow [ml/min] 0,15 Nebuliser Gas Flow [bar] 5,5 Gain 1,0 31

38 Als mobile Phase wurde Wasser und Methanol jeweils mit 0,1 % Ameisensäure versetzt verwendet. Zur Trennung der Analyten wurde eine Gradientenelution mit einem LC-Fluss von 0,4 ml/min verwendet. Gestartet wurde bei 95 % Wasser und 5 % Methanol, nach 0,5 min folgte ein linearer Anstieg des Methanolanteils auf 95 % Methanol, gefolgt von einer isokratischen Phase mit 95 % Methanolanteil. Die isokratische Phase bewirkte, dass gut sorbierbare Stoffe von der Säule entfernt wurden. Ab 5,1 min erfolgte eine Reequilibrierung der Säulen auf die Anfangsbedingungen. Die Gesamtlänge der LC-Methode lag bei insgesamt 6 min. Die Injektion erfolgte über Vollschleifenmodus (Full Loop) mit einer 100 µl Probenschleife. Es wurde ein Probenvolumen von 50 µl injiziert. Als schwache Waschlösung wurde Wasser/Methanol (90/10), als starke Waschlösung Methanol/Acetonitril/Wasser/Isopropanol (1:1:1:1; mit 0,1 % Ameisensäure) verwendet. Nach der chromatographischen Säule wurde in der ersten Minute der LC-Fluss über ein Schaltventil in den Abfall gelenkt. Hierdurch wird die Kontamination des MS-Systems, insbesondere durch Salze, minimiert. In der Methode erfolgte ein Polaritätswitching, sodass sowohl positiv als auch negativ ionisierende Verbindungen simultan gemessen werden konnten. Gemessen wurde im Multiple Reaction Monitoring (MRM) Modus, bei dem im ersten Quadrupol das Mutterion selektiert wird, anschließend in die Kollisionszelle fragmentiert wird und im dritten Quadrupol die zwei empfindlichsten spezifischen Fragmente selektiert werden. Die Einstellungen des MS sind in Tabelle 6 wiedergegeben. Die Quantifizierung erfolgte mittels einer externe Kalibrierung, bestehend aus acht Kalibrierlösungen im Konzentrationsbereich µg/l. Pro Analyt wurden jeweils zwei Produkt-Ionen aus dem gleichen Vorläufer-Ion ausgewählt, die zur gleichen RT eluierten. Die empfindlichste Massenspur wurde zur Quantifizierung eingesetzt und eine zweite zur eindeutigen Identifizierung des gesuchten Analyten. Tabelle 7: Spurenstoffauswahl für die Bewertung der Verfahren. # Substanz Summenformel Verwendung 1 Acesulfam C 4 H 5 NO 4 S Süßstoff 2 Amidotrizoesäure C 11 H 9 I 3 N 2 O 4 Röntgenkontrastmittel 3 Benzotriazol C 6 H 5 N 3 Korrosionsschutzmittel 4 Bezafibrat C 19 H 20 ClNO 4 Lipidsenker 5 Carbamazepin C 15 H 12 N 2 O Antiepileptikum 6 Diclofenac C 14 H 11 Cl 2 NO 2 Antirheumatikum 7 4-Formylaminoantipyrin (FAA) C 12 H 13 N 3 O 2 Metamizol-Metabolit 8 Gabapentin C 9 H 17 NO 2 Antiepileptikum 9 Iopromid C 18 H 24 I 3 N 3 O 8 Röntgenkontrastmittel 10 Mecoprop C 10 H 11 ClO 3 Herbizid 11 Metoprolol C 15 H 25 NO 3 Betablocker 12 Primidon C 12 H 14 N 2 O 2 Antiepileptikum 13 Sulfamethoxazol (SMX) C 10 H 11 N 3 O 3 S Antibiotikum Für die Spurenstoffuntersuchungen der Pilotanlagen wurden 13 Substanzen regelmäßig quantifiziert. Dabei wurden geeignete Analyten ausgewählt, um die Eignung der Aktivkohlen für die Adsorption von anthropogenen Spurenstoffen zu bewerten. Die für die Adsorption an Aktivkohle relevanten Spurenstoffe sind damit in einem Analysenverfahren vereint: die sehr polaren Röntgenkontrast-mittel, das Acesulfam als Süßstoff, weitere neutrale Substanzen wie Sulfamethoxazol und Benzotriazol, sowie einige saure Substanzen wie das Pestizid Mecoprop und das Schmerzmittel Diclofenac (siehe Tabelle 7). Die Bestimmungsgrenze der Analyten betrug in der Regel 0,02 µg/l. Die Validierungsdaten zeigten Wiederfindungsraten (WFR) von % in drei verschiedenen Matrizes (Grund-, Oberflächen- und 32

39 Klarwasser). Es konnten auch für die Präzision sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Die relative Standardabweichung lag durchschnittlich bei 10 %. Das Verfahren wurde folglich vollständig validiert, der Akkreditierung unterzogen und als Verfahren der flexiblen Akkreditierung bewertet. Damit ist die Modifizierung und Weiterentwicklung im geregelten Betrieb möglich. Das UHPLC-MS/MS Verfahren ist genormt und im Labor der Berliner Wasserbetriebe in die Routine überführt UHPLC-HRMS Methode mit online Anreicherung Neben der UHPLC-MS/MS Methode wurde eine weitere Multimethode mit der UHPLC erarbeitet. Die Detektion in dieser Methode erfolgte mit hochauflösender Massenspektrometrie (HRMS). Hierbei werden alle Verbindungen, die von der chromatographischen Säule eluieren und in der Ionenquelle ionisieren, durch das HRMS im Fullscan detektiert. Eine Multimethode, bestehend aus 72 Substanzen aus der aquatischen Umwelt, wurde entwickelt, validiert und publiziert (Wode et al. 2012). Die Messungen wurden an einem EQuan Max Plus Chromatographie-System, gekoppelt mit einem Exactive PlusTM Massenspektrometer (beides Thermo Fisher Scientific) durchgeführt. 1 ml Probe wurde injiziert, online angereichert und auf der analytischen Säule chromatographisch bei 30 C getrennt. Die chromatographische Trennung erfolgte auf die ACQUITY UPLC HSS T3 Säule (1,8 µm, 50 mm x 2,1 mm ID, Waters). Als Anreicherungssäule diente die Hypersil Gold C18 (12 µm, 20 mm x 2,1 mm ID, Thermo Fisher Scientific) eingesetzt. Als Laufmittel wurden Wasser und Methanol, jeweils mit 0,1 % Ameisensäure versetzt, verwendet. Die Flussrate lag bei 0,6 ml/min. Der Gradientenverlauf auf der analytischen Säule begann mit 99 % Wasser und 1 % Methanol, nach dem Umschalten von der Anreicherungssäule auf die analytische Säule erfolgte ein linearer Anstieg des Methanolanteils von 1 % auf 95 %. Bis 10,9 min blieb die Zusammensetzung isokratisch. Anschließend erfolgte 2 min, von min, ein Spülvorgang mit Methanol/Millipore Wasser/Acetonitril (Verhältnis 1:1:1; angesäuert mit 0,1 % Ameisensäure) um einerseits sorbierende Stoffe von der Säule zu entfernen und zum anderen durch Zugabe von Acetonitril als toxisches Lösungsmittel die Bildung assimilierter Mikroorganismen zu unterbinden. In den letzten zwei Minuten fand eine Reequilibration der Säule mit den Anfangsbedingungen statt. Die MS-Methode wurde mittels Injektion von Kalibrationsstandards optimiert. Für ESI(+) wurde Pierce LTQ Velos ESI(+) Ion Calibration Solution (Thermo Fisher Scientific, San José, CA, USA) und für ESI(-) der Kalibrationsstandard ProteoMass LTQ/FT-Hybrid ESI Neg. Mode Cal Mix (Supelco Analytical, Bellefonte, USA) eingesetzt. Die optimierten Einstellungen sind in Tabelle 8 aufgelistet. Die verwendete Ionenquelle ist eine HESI II Quelle, als Sheath gas und Aux gas wurde Stickstoff genutzt. Tabelle 8: Optimierte Einstellungen des Exactive PlusTM (Thermo Fisher Scientific). Parameter ESI(+) ESI(-) Sheath gas flow rate Aux gas flow rate Spray voltage [kv] 3,5-3,5 S-Lens RF Level Maximale Sprayspannung [µa] TemperaturIonenquelle [ C] TemperaturIonentransferkapillare [ C] Maximale Injektionszeit [ms] Automatic gain control (AGC) [Ionen] 1x10 6 1x10 6 Die Fullscan Messungen erfolgten bei einer Auflösung von Der Massenbereich lag bei m/z Es erfolgte ein Polaritätswechsel von ESI positiv und negativ in einem Lauf. Zur Identifikation der 33

40 Analyten wurde die Kombination aus akkurater Masse und RT verwendet. Dabei wurden zur Identifikation zwei akkurate Massen pro Analyt herangezogen. Als erste akkurate Masse (Ion 1) wurde i.d.r. das [M+H]+ Addukt im ESI+ und das [M-H]- im ESI- Modus verwendet. Als zusätzliches Ion (Ion 2) wurde in den meisten Fällen das 13C- oder 37Cl-Isotop verwendet, in einigen Fällen auch das Natrium-Addukt. Im Falle der Verwendung des Isotopenions konnte durch zusätzliche Überprüfung des Isotopenverhältnisses von Ion 1/Ion 2 die Richtigkeit der Summenformel abgesichert werden. Zur Kompensation von Matrixeffekten wurden isotopenmarkierte interne Standards (IS) verwendet. Die Quantifizierung erfolgte mittels externer Kalibrierung. Für die Datenauswertung wurde die Software LCQuan 2.7 (Thermo Fisher Scientific) verwendet. Die Validierungsdaten zeigten WFR von % in drei verschiedenen Matrizes (Grund-, Oberflächen- und Klarwasser) und eine Verfahrensstandardabweichung von maximal 12 %. Oft konnten coeluierende Matrixkomponenten chromatographisch vom Analyten getrennt werden. Nur wenige Analyten zeigten Matrixeffekte. Die BG lagen zwischen 0,01 0,1 ng/l Ergebnisse des Monitorings Die Spurenstoffanalytik wurde zum einen an Proben der Pilotanlagen zur Bewertung der Spurenstoffeliminierung durchgeführt. Zum anderen war die Spurenstoffanalytik Bestandteil eines umfangreichen Spurenstoffmonitorings. Das Monitoring fand dabei an folgenden Probenahmestellen statt: 1. Am Kläranlagenablauf (gereinigtes Abwasser) von vier der sechs Berliner Kläranlagen als 24 h Mischproben 2. Als Stichproben von neun Probenahmestellen entlang des Berliner Oberflächen-wasserkreislaufs zur Erfassung der Spurenstoffkonzentrationen innerhalb der Berliner Stadtgrenze vom Zufluss des Oberflächengewässers der Flüsse Spree, Havel und Dahme bis zum Auslauf der Stadt an der Unterhavel. 3. Am urbanen teilgeschlossener Wasserkreislauf rund um den Tegeler See im Nordwesten von Berlin, bestehend aus 24 h Mischproben der Abläufe des Klärwerks Schönerlinde, der Oberflächenaufbereitungsanlage (OWA) Tegel, sowie Stichproben des Tegeler Sees und dem Reinwasser des Wasserwerk Tegels. 4. An einer Uferfiltrationstransekte am Tegeler See gelegen, zur Bewertung der Spurenstoffverlaufs innerhalb der Untergrundpassage unter verschiedenen Redoxbedingungen. Die Messstellen (mit Ausnahme der Uferfiltrationstransekte) sind in Abbildung 27 abgebildet und in Tabelle 9 näher beschrieben. 34

41 Abbildung 27: Berliner Gewässersystem: Lage der Berliner Klärwerke und Oberflächenwassermessstellen (OW-Messstellen); die Transekte Tegel ist nicht mit abgebildet. Tabelle 9: Angaben zu den OW-Messstellen. OW-Messstelle Kurzbeschreibung Probenahmeort 110 bzw. 111 Erpe/Spree Müggelspree Auslauf Müggelsee Einfluss Erpe 121 Spree Fähre Rahnsdorf/Krugallee Spree Zufluss Berlin 225 Dahme Dahme Bammelecke 305 Oberhavel Oberhavel Aalemannufer an der Fähre 325 Spree/Havel Spandau Havel nach Zufluss der Spree (Stresowstr. oder Ruhlebener Str.) 345 Unterhavel Havel am Krughorn, Auslauf Berlin 355 TK/Havel Havel Kohlhasenbrücker Str. (Einfluss Teltowkanal- Wannsee vor dem Kleinen Wannsee) 430 TK Nathanbrücke Teltowkanal vor Einlauf in die Havel O Te abl. OWA-Tegel Ablauf Ergebnisse der Berliner Klärwerke Im Verlauf des Projektes wurden das gereinigte Abwasser (Klarwasser) von vier der sechs Berliner Klärwerke in regelmäßigen Abständen auf Spurenstoffe untersucht um Vorkommen und Konzentration der Spurenstoffe in den Klärwerken zu erfassen. Zum einen diente diese Untersuchung der Ermittlung der Ausgangskonzentration für die Pilotanlagen zum anderen waren die Ergebnisse unterstützend für die Bewertungsgrundlage der Indikatorsubstanzen. In Abbildung 28 sind die Konzentrationen ausgewählter Spurenstoffe in vier der Berliner Klärwerke (KW A-D) abgebildet. 35

42 Abbildung 28: Monitoring der Klärwerke A-D im Zeitraum ; Boxplotdiagramme ausgewählter Spurenstoffe (Konzentration in µg/l); Gabapentin wurde erst in 2013 in das Monitoring-Programm aufgenommen. Zum einen wird an Abbildung 28 die große Konzentrationsspanne der untersuchten Spurenstoffe deutlich: Der Süßstoff Acesulfam wurde in Klärwerk A beispielsweise in Konzentrationen um die 9 µg/l (Medianwert) detektiert, die Konzentration des Antibiotikums Sulfamethoxazol dagegen um ein Vielfaches niedriger (Klärwerk A, Median=0,33 µg/l). Vereinzelt konnten zudem Konzentrations-unterschiede zwischen den Klärwerken festgestellt werden. So wurde das Antiepileptikum Carbamazepin in Klärwerk C in höherer Konzentration detektiert als vergleichsweise in den anderen Klärwerken. Das 36

43 Antiepileptikum Gabapentin und der Süßstoff Acesulfam dagegen tendenziell mehr in Klärwerk A. Metoprolol und Sulfamethoxazol zeigten dagegen in allen Klärwerken vergleichsweise ähnliche Konzentrationen. Die Ursache der (zum Teil größeren) Konzentrationsunterschiede in den Klärwerken wurde nicht nachgegangen, da dieser Punkt nicht im Fokus der Arbeit stand Ergebnisse des Oberflächenwasserkreislaufs Berlin Die Flüsse Spree, Havel und Dahme durchfließen die Stadt Berlin; daneben liegen noch Kanäle und weitere Nebenwasserläufe innerhalb der Stadtgrenze Berlin vor. Insgesamt kann Berlin somit als gewässerreich angesehen werden. Durch die geringen Wasserfließgeschwindigkeiten wird Berlin aber dennoch als wasserarm eingestuft. Der Berliner Oberflächenwasserkreislauf wird durch neun ausgewählte Messstellen abgedeckt. Drei Messstellen (Spree, Dahme, Havel) bilden dabei den Zufluss von Berlin ab. Diese Messstellen sind weitestgehend unbeeinflusst von anthropogenen Spurenstoffen wie beispielsweise Pharmazeutika und weisen folglich nur geringe Spurenstoffkonzentrationen auf. Durch die Einleitung von gereinigtem Abwasser in die Gewässer nimmt die Spurenstoffbelastung innerhalb der Stadt zu, da die Spurenstoffe in der Kläranlage nicht vollständig eliminiert werden können. Insbesondere der Teltowkanal und der Ablauf der OWA Tegel weisen demzufolge eine höhere Spurenstoffbelastung auf, die auf das eingetragene Klarwasser zurückzuführen sind. Im Auslauf von Berlin (Messstelle Unterhavel) nehmen die Konzentrationen durch Verdünnung weiter ab, bevor das Wasser schließlich Berlin wieder verlässt. In Abbildung 29 werden die Konzentrationen von Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA), Carbamazepin, Benzotriazol und Gabapentin gezeigt. EDTA ist der am häufigsten verwendete Komplexbildner und gelangt fast ausschließlich über das Abwasser in die Umwelt. EDTA wird unter normalen Bedingungen nur sehr langsam abgebaut und kann somit in fast allen Wasserproben nachgewiesen werden. Messstellen mit hohem EDTA Anteil weisen demzufolge einen höheren Abwasseranteil auf. Diese Messstellen sind auch stärker mit anthropogenen Spurenstoffen wie Carbamazepin, Gabapentin und Benzotriazol belastet. Neben der Betrachtung der Gesamtheit aller Messstellen, wurde auch das saisonale Verhalten der Spurenstoffe einzelner Messstellen betrachtet. Beispielsweise ist das in Abbildung 30 am Antirheumatikum Diclofenac gezeigt. Diclofenac zeigt in den Sommermonaten eine deutlich niedrige Konzentration als in den Wintermonaten. Das saisonale Verhalten von Diclofenac ist auf Photodegradation zurückzuführen, dass auch in der Literatur vielfach beschreiben worden ist. 37

44 Abbildung 29: Oberflächenwasserkreislauf Berlin mit Teltow-Kanal (TK), Ablauf der OWA Tegel (O Te Abl); Boxplotdiagramme ausgewählter organischer Parameter (Konzentrationen in µg/l). 38

45 Abbildung 30: Saisonale Unterschiede bei Diclofenac in µg/l. Ober- und Unterhavel Berlin (Zeitraum ) Teilgeschlossener urbaner Wasserkreislauf (Tegel) Wie schon im Oberflächenwasserkreislauf Berlin deutlich wurde, werden die meisten der im Monitoring untersuchten Spurenstoffe über das Abwasser in die Gewässer eingetragen. Durch das der Tegeler See einen Abwasseranteil von bis zu 40 % aufweisen kann, liegen hier im Vergleich zum restlichen Berlin deutlich höhere Spurenstoffkonzentrationen vor. In diesem Abschnitt wurde der Spurenstoffverlauf im so genannten teilgeschlossenen urbanen Wasserkreislauf betrachtet. Das gereinigte Abwasser des Klärwerks Schönerlinde (KW SCH) wurde dabei als Ausgangssituation erfasst. Im KW Schönerlinde werden rund 37 Millionen Kubikmeter Abwasser im Jahr gereinigt und über den Nordgraben zur OWA Tegel geleitet. Auf dem Weg zur OWA findet eine Verdünnung der Spurenstoffe statt, die durch die Messstelle OWA Zulauf erfasst wurde. In der OWA Tegel werden dem Wasser durch Flockung, Fällung, Sedimentation und Filtration, die im Klärwerk noch nicht völlig abgebauten abfiltrierbaren Stoffe und Phosphorverbindungen weitestgehend entzogen. Eine Spurenstoffminimierung an dieser Stelle würde durch die Messstelle OWA Ablaufabgebildet werden. Durch 24 Stunden Mischproben beim Ablauf der Kläranlage und an der OWA Tegel wird die Vergleichbarkeit der Spurenstoffkonzentration gewährleistet. Im Tegeler See erfahren die Spurenstoffe anschließend eine weitere Verdünnung (Messstelle Tegeler See nähe Mikrosiebanlage). Letzte Station des Wasserkreislaufs bildet das Wasserwerk Tegel. Das Wasserwerk Tegel ist eins von drei Schwerpunktwerken Berlins mit einer maximalen Förderungsleistung von m³/d. Insgesamt fördern hierfür 131 Brunnen Rohwasser mit hohem Anteil an Uferfiltrat zum Wasserwerk Tegel, wo es belüftet und anschließend einen Schnellfilter durchläuft um als Reinwasser den Berliner Bevölkerung zur Verfügung gestellt zu werden. In Abbildung 31 ist der Konzentrationsverlauf ausgewählter Spurenstoffe dargestellt. In Tabelle 10 sind die Medianwerte weiterer Verbindungen zusammengefasst. 39

46 Abbildung 31: Urbaner Wasserkreislauf: Ablauf Klärwerk Schönerlinde (KW SCH), OWA Zu- und Ablauf, Tegeler See und Reinwasser Tegel. Konzentrationsangabe in µg/l. Anzahl an Messungen in Klammern. 40

47 Tabelle 10: Medianwerte ausgewählter Spurenstoffe im urbanen teilgeschlossener Wasserkreislauf (Zeitraum ), mit AMDOPH (1-Acetyl-1-methyl-2-dimethylox-amoyl-2-phenyl-hydrazid), AMPH (1- Acetyl-1-methyl-2-phenylhydrazid), DP (1,5-Dimethyl-1,2-dehydro-3-pyrazolon), TSA (Toluolsulfonamid). KW SCH OWA-Zulauf OWA-Ablauf Tegeler See Reinwasser Medianwerte: µg/l n µg/l n µg/l n µg/l n µg/l n Aminoantipyrin 5,0 5 0,27 5 0,12 6 0, ,01 8 Acetylaminoantipyrin 1,4 14 1,0 20 0, , ,01 67 Acesulfam 9,1 62 2,4 30 4,0 55 1, ,7 59 AMDOPH 0, , , , ,78 67 Amidotrizoesäure 1,1 37 0, , , ,05 47 AMPH 0, , , , ,13 66 Atenolol 0, , , , ,01 69 Benzotriazol 11,5 54 5,2 28 4,7 57 2, ,23 69 Bezafibrat 0, , , , ,01 67 Carbamazepin 2,3 58 0, , , , ,11-Dihydro-10,11- dihydroxycarbamazepin 2,2 46 0, , , ,10 55 Diclofenac 3,5 72 1,8 38 1,3 68 0, ,01 67 Formylaminoantipyrin 7,9 49 2,2 20 1,3 35 0, ,03 67 Gabapentin 5,7 47 2,4 15 2,7 38 1,8 73 0,87 55 Ibuprofen 0, , , , ,03 50 Iohexol 0, , , , ,03 47 Iomeprol 4,6 36 1,6 31 1,9 46 1, ,01 47 Iopamidol 2,0 37 1,1 31 1,2 46 0, ,17 47 Iopromid 1,2 39 0, , , ,01 47 Koffein 0, ,05 8 0, , ,05 51 Metoprolol 3,1 62 1,2 27 0, , ,01 69 Naproxen 0,17 8 0,06 8 0, , ,01 7 Oxazepam 0, , , , ,03 70 Phenazon 0, , , , ,10 67 Phenobarbital 0, , , , ,02 67 Phenylethylmalonamid 0, , , , ,03 70 Primidon 0, , , , ,09 70 Propranolol 0, , , , ,01 70 Sotalol 0, , , , ,01 68 Sulfamethoxazol 0, , , , ,01 68 Summe p-tsa + o-tsa 1,9 37 0, , , ,06 61 Alle der aufgeführten Verbindungen erfahren eine Konzentrationsabnahme auf dem Weg vom Klärwerk Schönerlinde zur OWA Tegel. Die Konzentrationsänderung liegt dabei zwischen 30 und 400 %, das zum Teil stark von der Konzentration der Analyten abhängt. Die Konzentrationsänderung ist größtenteils auf Verdünnung zurückzuführen. In der OWA Tegel erfahren die meisten Spurenstoffe keine 41

48 Konzentrationsänderung. Lediglich bei den Metamizol Transformationsprodukte FAA und AAA kann eine Konzentrationsänderung von 70 % bzw. 100 % beobachtet werden. Mit einer etwas geringeren Konzentrationsabnahme (33 % bzw. 29 %) wurden die Verbindungen Phenazon und AMPH eliminiert. Diese Aussage bestätigen die Ergebnisse von Zühlke (2004), der die Konzentrationsabnahme auf die Filtrationsprozesse zurückführte. Auch bei den Betablocker Metoprolol und Atenolol sowie Diclofenac war eine Konzentrationsänderung (30 40 %) feststellbar. Im Tegeler See werden die Verbindungen weiter durchmischt und eine weitere Verdünnung der Substanzen ist feststellbar. Die Konzentrationsänderungen liegen hier bei 25 % bis >1000 %. Bei Verbindungen, die im aeroben persistent sind (Carbamazepin, Primidon, usw.) wird die Konzentration um den Faktor 2-3 reduziert. Bei Phenazon lag im See im Vergleich zum OWA Ablauf eine Konzentrationszunahme vor. Die Zunahme ist dabei auf einen zusätzlichen Eintragsweg (ehemalige Produktionsanlage in Oranienburg) zurückzuführen. Gleiches gilt für die beobachteten Konzentrationssteigerungen vom Tegeler See zum Reinwasser bei AMDOPH und AMPH. Hier liegt die Erklärung darin, dass das geförderte Uferfiltrat aus verschiedenen Brunnen rund um den Tegeler See stammt und diese unterschiedlich stark mit Phenazonverbindungen belastet sind. Die Spurenstoffkonzentrationen im Reinwasser unterliegen in ihrer Bewertung der Trinkwasser-verordnung. Das UBA empfiehlt für organische Stoffe im Trinkwasser, deren humantoxikologisch bewertbare Datenbasis nicht gegeben oder unvollständig ist und für die es keinen Grenzwert gibt, einen allgemeinen Vorsorgewert in Höhe von 0,1 µg/l als erste Bewertungsbasis. Weiter werden gesundheitliche Orientierungswerte (GOW) für humantoxikologisch nur teil- oder nicht bewertbare trinkwassergängige Stoffe herausgegeben. Tabelle 11 gibt einem Auszug über die GOW für die in Berlin relevante organische Verbindungen. Die GOW wurden im Reinwasser nicht überschritten. Tabelle 11: Gesundheitliche Orientierungswerte (GOW) laut Umweltbundesamt (UBA). Verbindung GOW [µg/l] 10,11-Dihydro-10,11-dihydroxycarbamazepin 0,3 AMDOPH 3 Amidotrizoesäure 1 Benzotriazol + Tolyltriazol 3 Carbamazepin 0,3 Diclofenac 0,3 1,5-Dimethyl-1,2-dehydro-3-pyrazolon (DP) 3 Gabapentin 1 Iohexol 1 Iomeprol 1 Iopamidol 1 Iopromid 1 Phenazon 0,1 Phenobarbital 0,3 Primidon 3 Propyphenazon 0,1 Sulfamethoxazol 0,1 Toluensulfonsäureamid 0, Uferfiltrationstransekte Tegel Die Transekte Tegel besteht aus 13 Grundwassermessstellen (GWM) zwischen dem Tegeler See und einem Rohwasserbrunnen der Galerie der Berliner Wasserbetriebe (Brunnen 13). Die Transekte dient 42

49 zur Beurteilung der Qualität des Grundwassers auf dem Weg vom See zum Rohwasserbrunnen. Die GWM sind in etwa in Strömungsrichtung angeordnet und in verschiedenen Tiefen (5 25 m) verfiltert (Abbildung 32). Um die von der Uferfiltration unbeeinflusste Hintergrundkonzentration von Spurenstoffen im Grundwasser abzuschätzen, befinden sich landseitig des Brunnens zwei weitere GWM. Die beprobten Messstellen sind mit Bezeichnung in Abbildung 32 gekennzeichnet. Abbildung 32: Hydrogeologischer Profilschnitt der Transekte mit 1. und 2. Grundwasserleiter (gestrichelt Linien), Fließrichtung des Wassers im Untergrund (Pfeile) und Lage der Grundwassermessstellen und Rohwasserbrunnen 13 des Wasserwerks Tegel (modifiziert nach Massmann et al. (2008)). Beprobte Messstellen wurden in der Abbildung gekennzeichnet. Die Transekte Tegel war schon Bestandteil früherer Studien beispielsweise im interdisziplinären Forschungsprogramm NASRI (Natural and Artificial Systems for Recharge and Infiltration) unter Federführung der Berliner Wasserbetriebe und Veolia Wasser. Massmann et al. (2008) untersuchten dabei unter anderem die Fließzeiten zwischen See und GWM mittels verschiedener Umwelttracer, wie Tritiumund Helium-Isotopen (3H, 3He, 4He), stabilen Sauerstoff- und Wasserstoffisotopen (δ18o, δ2h), anthropogenem Gadolinium und einer Reihe an konservativen Abwassertracern (Chlorid, Bor). Zudem erlangten sie hiermit ein umfangreiches Verständnis über Fließpfade und Mischungsverhältnisse der GWM innerhalb der Transekte Tegel. Die Fließzeiten vom Oberflächen-wasser zu den GWM variierten von wenigen Monaten bis zu mehreren Jahrzehnten. Eine starke Altersdifferenzierung des Uferfiltrats konnte festgestellt werden. Während sich in den flacheren GWM die jahreszeitlichen Schwankungen der Tracer wie δ18o, δ2h, Chlorid und Bor mit geringer Amplitudenänderung verfolgen ließen, zeigten die tiefer verfilterten GWM keine oder extrem schwache zeitliche Schwankungen. Aus der 3H/3He Datierung wurde das effektive Alter des Uferfiltrats bestimmt. Die ermittelten 3H/3He-Alter bestätigten die Erkenntnisse aus den Tracer Untersuchungen. Während für die flacheren GWM das 3H/3He-Alter bei kleiner als 6 Monaten lag, lag das Alter der tieferen GWM bei Jahren bis Jahrzehnten. Aus vorangegangenen Studien wurden in Tabelle 12 die Kenndaten der Transekte zusammengetragen. Der Rohwasserbrunnen 13 enthält neben Uferfiltrat noch einen Anteil landseitig beeinflusstes Grundwasser. Die GWM 3304 im Hinterland dagegen führt kein Uferfiltrat. Das Uferfiltrat stammt nicht ausschließlich vom nächstgelegenen Ufer, sondern auch von weiter entfernten, gegenüberliegenden Uferbereichen, was durch die geringe Durchlässigkeit des Seesedimentes ermöglicht wird (Massmann et al. 2007, Massmann et al. 2008). Wiese (2006) konnte diese Aussage mit einer numerischen Modellierung bestätigen. Das geförderte Rohwasser aus Brunnen 13 ist folglich zusammengefasst ein Mix aus jungem und tieferem, deutlich älterem Uferfiltrat, sowie von außen beeinflusstem Grundwasser. 43

50 Tabelle 12: Kenndaten der Grundwassermessstellen und Brunnen 13 der Transekte Tegel (Grunheid et al. 2005, Massmann et al. 2007, Massmann et al. 2008) (u. GOK = unterhalb Geländeoberkante). Fließzeit [Monate] Effektives 3 H/ 3 He-Alter [Jahre] Anteil Uferfiltrat [%] Entfernung vom See [m] Filtertiefe u. GOK [m] 371OP 371UP Brunnen 13 0,8 0,6 3,0-1,5 3,2 2,1 3,2 2,8 4, ,2 3,0 3,2 <0, ,0 1,5 - <0,5 12,0 12, ,3 12,3 16,2 18,2 9,7 11,7 37,0 39,0 21,0 24,0 22,0 25,0 19,0 22,0 19,0 22,0 20,0 30, Spurenstoffquantifizierung Insgesamt wurden 58 Spurenstoffen entlang der Transekte quantifiziert. Hierzu gehörten auch Analyten, die durch das Screening neu in die Quantifizierung aufgenommenen wurden, wie beispielsweise die Sartane (Olmesartan, Candesartan, Irbesartan) und ihr Metabolit die Valsartan-säure. Unter den 58 Parametern waren 34 Pharmazeutika, 9 Pestizide, 2 künstliche Süßstoffe und 13 Sonstige (z.b. Industriechemikalien) vertreten. Die Pharmazeutika Phenobarbital, Sulfamethoxazol, Iomeprol, Iopamidol und Iopromid konnten nicht in die UHPLC-HRMS Multimethode integriert werden, weshalb diese Analyten mittels der UHPLC- MS/MS Methode quantifiziert wurden. Weitere wichtige Analyten für den Wasserkreislauf, die jedoch zu polar für die Detektion mittels Screening Methode waren, wurden ebenfalls mittels UHPLC-MS/MS quantifiziert (z.b. der Süßstoff Acesulfam). Insgesamt wurden 43 Verbindungen mittels UHPLC-HRMS und neun mittels UHPLC-MS/MS quantifiziert. Weitere sechs Analyten wurden anfänglich mittels UH- PLC-HRMS analysiert, im Laufe der Zeit aber auf die UHPLC-MS/MS Methode übertragen. Tabelle 13 zeigt die Ergebnisse im Überblick. Es konnten 46 Stoffe mit einer Konzentration größer der BG im See detektiert werden. Die Konzentrationsspanne reichte von 0,01 µg/l (Temazepam) bis 2,6 µg/l (Acesulfam). Neben dem Süßstoff Acesulfam konnten fünf weitere Substanzen mit Konzentrationen >1 µg/l nachgewiesen werden. Hierzu gehörten das Korrosionsschutzmittel Benzotriazol (2,5 µg/l), das Antiepileptikum Gabapentin (2,4 µg/l), der Metabolit Valsartansäure (2,2 µg/l), das RKM Iomeprol (1,8 µg/l) und der Süßstoff Sucralose (1,2 µg/l). Die phenazonartigen Metabolite 1,5-Dimethyl-1,2-dehydro-3-pyrazolon (DP) und 4-Aminoantipyrin (AA) sowie AMDOPH, Dimethylaminoantipyrin (DMAA), Propyphenazon und Phenazon selbst konnten in auffallend hohen Konzentrationen in der GWM 374 nachgewiesen werden. Auch das Acesulfam lag im Vergleich zum Tegeler See hier in vielfach höherer Konzentration (9,3 µg/l) vor. In dem Rohwasserbrunnen 13 wurden 31 Substanzen mit einer Konzentration größer der BG nachgewiesen, wobei lediglich 11 eine gemittelte Konzentration 0,1 µg/l aufwiesen. Zum einen waren das die Verbindungen Benzotriazol, Carbamazepin, FAA, Iopromid, Acesulfam, Gabapentin, Sucralose und 44

51 Valsartansäure, die im See eine hohe Ausgangskonzentration zeigten. Zum anderen waren dies Phenazon und die strukturverwandten Verbindungen AMDOPH, AMPH und DP, die vor allem über die GWM 374 in Brunnen 13 infiltrierten. Tabelle 13: Quantifizierungsdaten der Transekte Tegel (* Verbindungen, die durch das Suspect Screening neu in die Quantifizierung mit aufgenommenen wurden). Medianwerte [µg/l] n= 4 12 Tegeler See 371 OP UP 3301 Br Phenazon und phenazonartige Verbindungen: AA (4-Aminoantipyrin), AAA (4-Acetylaminoantipyrin), AMDOPH (1-Acetyl-1-methyl-2-dimethylox-amoyl-2-phenyl-hydrazid), AMPH (1-Acetyl-1-methyl-2-phenylhydrazid), DMAA (Dimethylaminoantipyrin), DP (1,5-Dimethyl-1,2-dehydro-3-pyrazolon), FAA (4- Formylaminoantipyrin) AA 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,06 0,05 0,10 0,30 0,01 AAA 0,26 0,03 0,01 0,01 0,01 0,03 0,03 0,01 0,03 0,01 AMDOPH 0,09 0,10 0,09 0,09 0,09 0,17 0,27 0,39 1,20 0,16 AMPH 0,05 0,06 0,02 0,03 0,01 0,19 0,28 0,12 0,33 0,01 DMAA 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,03 0,01 DP 0,03 0,03 0,03 0,03 0,03 0,19 0,24 0,22 0,63 0,03 FAA 0,52 0,25 0,07 0,14 0,06 0,30 0,21 0,12 0,24 0,01 Phenazon 0,13 0,10 0,05 0,05 0,04 0,17 0,29 0,24 1,30 0,01 Propyphenazon 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,05 0,13 0,08 0,33 0,01 Röntgenkontrastmittel Amidotrizoesäure 0,21 0,28 0,07 0,35 0,23 0,18 0,03 0,06 0,01 0,01 Iomeprol 1,80 0,05 0,01 0,01 0,01 0,02 0,06 0,01 0,01 0,01 Iopamidol 0,72 0,46 0,43 0,48 0,36 0,40 0,36 0,22 0,12 0,01 Iopromid 0,32 0,02 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 Künstliche Süßstoffe Acesulfam 1,90 3,10 2,67 2,15 2,53 3,63 5,90 3,60 10,00 0,27 Sucralose* <0.02 Arzneimittelwirkstoffe Carbamazepin 0,67 0,50 0,61 0,45 0,46 0,56 0,22 0,15 0,01 0,01 Diclofenac 0,13 0,09 0,01 0,02 0,01 0,05 0,04 0,02 0,01 0,01 Metoprolol 0,24 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 Phenobarbital 0,02 0,02 0,02 0,02 0,02 0,02 0,03 0,02 0,06 0,02 Primidon 0,13 0,12 0,10 0,09 0,10 0,20 0,19 0,09 0,21 0,03 Sotalol 0,04 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 Sulfamethoxazol 0,11 0,03 0,04 0,03 0,02 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 Gabapentin* 1,97 3,20 2,15 2,09 1,45 2,60 2,60 1,33 1,86 0,02 45

52 Medianwerte [µg/l] n= 4 12 Tegeler See 371 OP UP 3301 Br Amantadin* <0,01 <0,01 Amisulprid* 0.16 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 Bisoprolol* 0.03 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 Candesartan* <0,01 Clindamycin* 0.07 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 Hydrochlorothiazid* <0,01 <0,01 Irbesartan* <0,01 <0,01 <0,01 Lamotrigin* <0,01 <0,01 <0,01 Nortilidin* <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 Olmesartan* <0,01 Oxcarbazepin* <0,01 Temazepam* 0.01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 Torasemid* <0, <0,01 <0,01 <0,01 Tramadol* <0,01 Venlafaxin* 0.12 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 10,11-dihydro- 10,11-dihydroxycarbamazepin* 2-(Methylthio)-benzothiazol* 2-Hydroxybenzothiazol* 2-Ethyl-2-phenylmalonamid Arzneimittelwirkstoffe-Transformationsprodukte 0,19 0,02 0,06 0,07 0,07 0,02 0,07 0,04 0,16 0, <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0, <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0, ,05 0,07 0,06 0,07 0,07 0,07 0,08 0,05 0,11 0,03 Valsartansäure* <0,01 Sonstige (z.b. Industriechemikalien, Repellent): SPS (N-(Phenylsulfonyl)sarkosin), TSA (Toluolsulfonamid), PFOA (Perfluoroctansäure), PFOS (Perfluoroctansulfonsäure), DEET (N-Diethyltoluamid) Benzotriazol 3,00 1,55 1,15 1,10 0,66 0,89 0,56 0,25 0,02 0,01 SPS 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01 0,05 0,01 0,04 p-tsa + o-tsa 0,13 0,11 0,08 0,10 0,07 0,08 0,08 0,05 0,18 0,03 Tolyltriazole 0,84 0,54 0,44 0,40 0,19 0,27 0,13 0,07 0,01 0,01 PFOA* <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0, <0,01 <0,01 PFOS* <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0,01 <0, <0, DEET* Von den Verbindungen, die durch das Suspect Screening neu mit in die Quantifizierung aufgenommen wurden, lagen insbesondere Gabapentin und Valsartansäure in der gesamten Transekte (einschließlich 46

53 dem Rohwasserbrunnen) in überraschend hohen Konzentrationen vor. Für diese Verbindungen erfolgte eine Bewertung nach dem GOW-Konzept durch das UBA Abbauverhalten der (neu) durch das Screening detektierten Substanzen Das Abbauverhalten von Substanzen, die durch das Suspect Screening zum ersten Mal in Berlin detektiert wurden, wurde in der Transekte Tegel näher untersucht. In der Transekte Tegel liegen unterschiedliche Redoxbereiche vor (Tabelle 14), wodurch einen redox-abhängiger Abbau bei einigen Substanzen zu beobachten war. Tabelle 14: Redoxklassifizierung nach Lyngkilde und Christensen (1992) und McMahon and Chapelle (2008) für die Grundwassermessstellen der Transekte (einschließlich Brunnen 13); zusätzlich mit Angabe der Redoxspannung (Mittelwert und Extrema (Min-Max)) für den Zeitraum (n = 8-11). Messstelle Redoxspannung [mv] Redoxklassifizierung Elektronenakzeptor TEGSee 402 ( ) sauerstoffreduzierend O 2 371OP 318 ( ) nitrat/-manganreduzierend NO - 3 /Mn IV (saisonal) 371UP 208 ( ) manganreduzierend Mn IV ( ) sauerstoff-/nitratreduzierend - O 2 /NO 3 (saisonal) ( ) eisen-/manganreduzierend Fe III / Mn IV ( ) manganreduzierend Mn IV ( ) nitratreduzierend - NO ( ) nitrat-/manganreduzierend NO - 3 /Mn IV (30 180) eisen-/manganreduzierend Fe III / Mn IV Brunnen ( ) eisen-/manganreduzierend Fe III / Mn IV Es ließen sich in der Transekte mehrere Trends ableiten, die in Abbildung 33 exemplarisch an ausgewählten Substanzen dargestellt sind. Zum Vergleich wurde Kalium als konservativer Tracer zur Beurteilung des Verdünnungseffektes und die Redoxspannung zur Beurteilung des Redoxmilieus mit abgebildet. Trend 1: Verbindungen, die (zum Teil nur) im See detektiert wurden und bei den in den nachfolgenden Messstellen eine deutliche Konzentrationsminderung (>80 %) feststellbar waren, wurden Trend 1 zugeordnet. Neben dem Metabolit AAA (4-Acetylaminoantipyrin) des Analgetikums Metamizol folgten diesen Trend ebenso Amisulprid, Venlafaxin, Clindamycin und die Betablocker (z.b. Metoprolol und Bisoprolol). Die Konzentrationsminderung bei den Verbindungen dieser Gruppe ist offensichtlich auf Sorption d.h. Wechselwirkung der Stoffe mit dem Aquifermaterial während der Infiltration zurück zu führen, da diesem Trend vorwiegend kationisch vorliegende Verbindungen folgen. Böden bzw. Sedimente weisen im Normalfall überschüssige negative Oberflächenladungen auf, die elektrostatische Wechselwirkungen zwischen den Partikeln und organischen Stoffen auslösen. Eine Wechselwirkung erfolgt dabei hauptsächlich über Kationenaustauschprozesse. Trend 2: Bei Substanzen wie beispielsweise das Korrosionsschutzmittel Benzotriazol (wie es in Geschirrspülmitteln eingesetzt wird) war eine kontinuierliche Konzentrationsabnahme innerhalb der Transekte feststellbar. Dieses Verhalten war auch bei den folgenden Verbindungen zu beobachten: Sulfamethoxazol, Iopamidol, Diclofenac, Tolyltriazol, Tramadol, Lamotrigin, Amantadin, Hydrochlorothiazid sowie Irbesartan. 47

54 Abbildung 33: Konzentrationsverteilung (Mittelwerte, n=4 11) ausgewählter Parameter über den Verlauf der Transekte. Die Reihenfolge der Messstellen erfolgte nach dem vorliegenden Redoxmilieu und durchschnittlicher Fließzeit zur Messstelle; Messstelle 3304 enthält kein Uferfiltrat und dient der Beobachtung der Hintergrundkonzentration. Dass tatsächlich ein Abbau erfolgt und die Konzentrationsabnahme nicht nur auf Verdünnung zurückzuführen war, zeigte der Vergleich mit einem konservativen Tracer. Neben hoch persistenten organischen Spurenstoffen kann auch Kalium als Tracer verwendet werden. Der Konzentrations-verlauf von Kalium ist in Abbildung 33 mit abgebildet. Die vergleichsweise geringere Konzentration des Kaliums in Brunnen 13 ist auf die Grundwasserzusammensetzung zurückzuführen. Brunnen 13 führt nach Grünheid et al. (2005) ca. 75 % Uferfiltrat und 25 % landseitig zufließendes Grundwasser mit niedrigerem Kaliumgehalt. Trend 3: Ein redoxabhängiges Verhalten zeigte beispielsweise das Antiepileptikum Carbamazepin. Carbamazepin ist im aeroben Milieu persistent und nur anaerob abbaubar (deutlich in der Messstelle 374 zu erkennen). Analog hierzu verhielten sich die Blutdrucksenker Olmesartan und Candesartan sowie der Süßstoff Sucralose. Trend 4: Substanzen, die sich nahezu persistent innerhalb der Transekte verhielten, sind Trend 4 zugeordnet. Hierzu zählten die Verbindungen Gabapentin, Primidon, PEMA (Metabolit von Primidon) und die Valsartansäure. Die Untersuchungen zeigten, dass ein großer Teil der organischen Spurenstoffe durch die Uferfiltration eliminiert wurden. Einige persistente Spurenstoffe gelangen aber dennoch unverändert ins Grundwasser. Zur Beurteilung der Qualität des Spurenstoffabbaus während der Uferfiltration wurde ausgehend vom See die prozentuale Konzentrationsänderung zum Rohwasserbrunnen 13 berechnet. Der Tegeler See wurde dabei als Bezugsgröße mit 100 % angegeben. Die Kategorisierung erfolgte entsprechend der prozentualen Konzentrationsänderung: Bildung (<-20 %), Verdünnung bzw. geringer Abbau (25 50 %) und mittlerer (50 80 %) bis hoher Abbau (>80 %). In Abbildung 34 ist eine Auswahl an Stoffen 48

55 nach ihrem Abbauverhalten geordnet. Zur Berücksichtigung der Verdünnung wurde Kalium als konservativer Abwassertracer hinzugefügt. Die hohe prozentuale Konzentrationszunahme bei Phenazon und AMDOPH ist darauf zurückzuführen, dass altes Uferfiltrat von der gegenüberliegenden Seeseite dem Brunnen 13 zugeführt wird. Diese Verbindungen resultieren aus Altlasten einer ehemaligen Produktionsanlage in Oranienburg. Abbildung 34: Konzentrationsänderung ausgewählter organischer Spurenstoffe in der Transekte Tegel ( ; n=2 11). Die Konzentrationen der Spurenstoffe in Brunnen 13 gegenüber der Konzentration im Tegeler See in Prozent (Die Verdünnung ermittelt über die Kaliumkonzentration (Schwarz) als konservativer Tracer). 49

56 2.3 Resistenzen im Wasserkreislauf Methoden Selektive Anreicherung: Die Untersuchungen wurden speziell auf humanrelevante, potenziell pathogene, Antibiotika-Resistenzen bzw. Multiresistenzen ausbildende Mikroorganismen ausgerichtet. Eine selektive Anreicherung eben dieser Mikroorganismen wurde durch die Verwendung von Selektiv-medien erreicht. Die Tabelle 15 zeigt eine Übersicht der verwendeten Medien. Tabelle 15: Übersicht der verwendeten Nährmedien. Name Typ Eigenschaft / Einsatzgebiet Zielorganismen Brilliance TM E. Coli/Coliform- Agar ChromoCult- Enterokokken- Agar Cetrimid-Agar Selektiv-Medium Selektiv-Medium Selektiv-Medium Burkholderia cepacia, Steno-trophomonasmaltophilia R2A-Agar/Boullion Universal-Medium heterotrophe Mikro-organismen LB-Agar/Boullion Universal-Medium Die Fähigkeit der Coliformen, Lactose zu verwerten, ermöglicht ihnen die Spaltung des Chromogens Rose-Gal, was zu einer Rosafärbung der Kolonien führt. E. coli kann durch das exprimieren der β-glucuronidase zusätzlich das Chromogen X-Glu spalten, was zu der charakteristischen Violettfärbung führt Enthält ein Chromogen, welches durch Enterokokken gespalten werden kann. Dies führt zur charakteristischen Rotfärbung der Kolonien Enthält das Chromogen Pyocyanin welches von P. aeruginosa gespalten werden kann. Dies äußert sich in einer blau-grünlichen Färbung der gewachsenen Kolonien. Darüber hinaus fluoreszieren die Kolonien unter UV-Licht Alternativmedien zur Untersuchung von Wasserproben auf die Anwesenheit heterotropher Bakterien Alternativmedien zur Untersuchung von Wasserproben auf die Anwesenheit heterotropher Bakterien E. coli und Coliforme Enterokokken (E. faecali, E. faecium, E. durans, E. hirae) Pseudomonas aeruginosa (P. putida, P. fluoreszenz ) heterotrophe Mikro-organismen eventuelle Begleitflora keine Aerococcus viridans, Strepto-coccus equi Kultivierung: Die isolierten und angereicherten Isolate wurden regelmäßig auf neue Nährmedien überimpft. Dadurch konnte ein kontinuierliches Nährstoffangebot gewährleistet werden. Einige Isolate wuchsen auf dem vergleichsweise mageren R2A-Agar, andere auf dem reichhaltigeren LB-Agar. Die Tabelle 16 zeigt eine Übersicht der für die einzelnen Isolate verwendeten Medien. 50

57 (Kryo-) Konservierung: Bakterien können wie beschrieben auf unterschiedlichen Wegen bestimmte Fähigkeiten erlernen. Wenn aber die Notwendigkeit einer dieser Fähigkeiten nicht mehr vorhanden ist, können Mikroorganismen diese wieder verlieren. Um über den gesamten Zeitraum der Untersuchungen immer mit denselben Bakterien arbeiten zu können, d.h. mit all seinen Eigenschaften zum Zeitpunkt der Isolierung, wurden die Isolate kryokonserviert. 850 µl einer vorbereiteten, d.h. für 24 h in den entsprechenden Nährmedien inkubierten Bakteriensuspensionen, wurden zusammen mit 150 µl Glycerin in 1,5 2 ml Reaktionsgefäße aliquotiert, gut vermischt und mit Hilfe von flüssigem Stickstoff schockgefroren. Die so behandelten Proben wurden anschließend bei -80 C eingelagert. Tabelle 16: Übersicht der für die jeweiligen Isolate verwendeten Nährmedien. Isolat A02 A03 A04 A07 A10 A12 A18 A20 B01 B04 C02 C05 C08 C09 C11 C12 C14 C15 Nährmedium E. coli / Coliforme R2A R2A R2A R2A R2A R2A LB R2A Enterococcus spp. LB LB Pseudomonas spp. R2A R2A LB R2A R2A R2A R2A R2A Antibiogramme: Für die isolierten Reinkulturen wurden Antibiogramme erstellt. Dies erfolgte mit dem Ziel die Antibiotika zu identifizieren, gegen die die unterschiedlichen Isolate Resistenzen ausgebildet haben. Ein Antibiogramm ist das Ergebnis eines Verfahrens zur Bestimmung einer eventuell vorhandenen antimikrobiellen Empfindlichkeit. In diesem Fall handelt es sich um einen Plättchendiffusionstest. Diese Art von Untersuchung ist eine der ältesten zur Empfindlichkeitsprüfung von Mikroorganismen eingesetzten Methoden. Plättchendiffusionstest: Zunächst werden die einzelnen Isolate auf ein unspezifisches Nährmedium (R2A-Agar) überimpft und 24 h inkubiert. Von diesen Platten werden einzelne Zellen entnommen und 51

58 jeweils in einer 85-prozentigen NaCl-Lösung suspendiert. Diese Suspensionen sind auf einen Trübungsgrad entsprechen dem McFarland Standard 0,5 einzustellen. Dies entspricht etwa 1-2 x 10 8 KBE/ml für E. coli (ATCC 25922) (NCCLS 2006). Anschließend werden Mueller-Hinton-Agarplatten mittels Platten-Rotator und sterilen Wattestäbchen gleichmäßig flächig mit den hergestellten Bakteriensuspensionen beimpft und mit Antibiotika beladenen Testplättchen bestückt. Sobald die Plättchen das Medium berühren diffundieren die antimikrobiellen Wirkstoffe in das Nährmedium. Die wie beschrieben behandelten Platten sind für 18±2 h bei 36 C zu inkubieren. Tabelle 17: Übersicht der verwendeten Referenzstämme. Referenzstämme für Plättenchendiffusionstest (EUCAST) DSMZ-Katalognummer E.coli DSMZ 1103 Enterococcus faecalis DSMZ 2570 Staphylococcus aureus DSMZ 2569 Der sich während der Inkubation bildende Bewuchs wird in Abhängigkeit seiner Empfindlichkeit gegenüber den Antibiotika in seiner Entwicklung gehemmt. Je nach Intensität der Empfindlichkeit bilden sich Hemmhöfe unterschiedlicher Größen um die Antibiotikaplättchen. Durch einen Vergleich der durch EUCAST veröffentlichten Hemmhofgrößen für bestimmte Referenzstämme und Antibiotika mit den sich tatsächlich gebildeten Hemmhöfen, kann die Durchführung hinsichtlich ihrer Gültigkeit bewertet werden. Die für diese Untersuchung verwendeten Referenzstämme sind in der Tabelle 17 unter Angabe ihrer aufgeführt. Tabelle 18: Übersicht der verwendeten Antibiotika. Substanzklasse Penicilline Carbapeneme Cephalosporine Monobactame Aminoglycoside Fluorchinolone Makrolide Tetracycline Sulfonamide Glykopeptide Polymixine Einzelsubstanzen Amoxicillin/Clavulansäure, Ampicillin, Azlocillin, Oxacillin, Penicillin G, Piperacin/Tazobactam, Ticarcillin Imipenem, Meropenem, Doripenem Cefepim, Cefoperazon, Cefoxitin, Cefsulodin, Ceftazidim Aztreonam Amikazin, Gentamycin, Netilmycin, Tobramycin Ciprofloxacin, Levofloxacin Clarithromycin, Erythromycin Tetracyclin Trimethoprim/Sulfamethoxazol Vancomycin Colistinsulfat Für die Erstellung der Antibiogramme wurden insgesamt 28 Antibiotika aus 11 verschiedenen Substanzklassen verwendet, wobei für die Antibiotika Netilmycin, Oxacillin und Vancomycin jeweils 2 unterschiedliche Plättchenbeladungen getestet wurden. Der sich während der Inkubation bildende Bewuchs wird in Abhängigkeit seiner Empfindlichkeit gegenüber den Antibiotika in seiner Entwicklung gehemmt. Je nach Intensität der Empfindlichkeit bilden sich Hemmhöfe unterschiedlicher Größen um 52

59 die Antibiotikaplättchen. Durch einen Vergleich der durch EUCAST veröffentlichten Hemmhofgrößen für bestimmte Referenzstämme und Antibiotika mit den sich tatsächlich gebildeten Hemmhöfen, kann die Durchführung hinsichtlich ihrer Gültigkeit bewertet werden. Die für diese Untersuchung verwendeten Referenzstämme sind in der Tabelle 16 unter Angabe ihrer aufgeführt. In Tabelle 18 sind alle für die Antibiogrammerstellung verwendeten Antibiotika entsprechend ihrer Substanzklasse aufgeführt. Identifizierung der Isolate: In Abhängigkeit der Morphologie sowie der mit Hilfe des Plättchen-diffusionstests ermittelten Resistenzspektren wurden insgesamt 11 Isolate für die Identifikation ausgewählt. Zur Identifizierung wird die 16S rrna benötigt. Dazu ist zunächst die Gesamt-DNA zu extrahieren und aus dieser unter Verwendung spezifischer Primer die 16S rrna zu amplifizieren. DNA-Extraktion: Die Gesamt-DNA wurde mittels basischer Lyse ( quick & dirty ) extrahiert. Dazu wurden jeweils einzelne Kolonien von den Agarplatten gepickt und in 100 µl eines sterilfiltrierten basischen Lysepuffers, bestehend aus 0,5 M NaOH und 0,025 % SDS, überführt (2 ml Tube). Diese Lösungen wurden dann für 15 min bei 95 C in einem Thermomixer bei 600 rpm geschüttelt. Anschließend wurde jeweils µl autoklaviertes deionisiertes Wasser hinzugegeben und das Ganze für 15 min bei Umdrehungen/min zentrifugiert. Nach dem Zentrifugieren wurde der Überstand in neue sterile 2 ml Tubes überführt und der Rest verworfen. Die so extrahierte Gesamt-DNA wurde bis zur weiteren Verwendung bei -20 C gelagert. PCR und Identifizierung: Die für die Identifizierung benötigte 16S rrna wurde mittels Polymerase- Kettenreaktion (PCR) amplifiziert. Bei einer PCR durchläuft das Ausgangsmaterial (extrahierte Gesamt- DNA) ein Temperaturprogramm, bei dem unter Verwendung von dntps, MgCl 2, PCR-Wasser, einem speziellen Puffer und spezifischen Primern der gewünschte Abschnitt vervielfältigt wird. Dabei kommt den einzelnen Phasen des Temperaturprogrammes eine besondere Rolle zu. 1) Denaturierung: Durch das Erhitzen auf 95 C werden die Doppelstränge aufgetrennt. Zu Beginn der PCR dient dieser Schritt zur Anfangsdenaturierung. Damit alle DNA-Fragmente aufgetrennt werden, ist eine ausreichende lange Dauer zu wählen. Während der folgenden Zyklen muss jeweils am Anfang die Denaturierung wiederholt werden. Dabei ist eine Dauer von 30 s ausreichend. 2) Annealing: Damit die spezifischen Primer an die entsprechenden Stellen der DNA-Fragmente hybridisieren können wird die Temperatur für eine gewisse Zeit auf beispielsweise 58 C abgesenkt. Die genaue Anealing-Temperatur ist vom Hybridisierungsverhalten der Primer abhängig und muss entsprechend für jeden Primer gesondert bestimmt werden. 3) Elongation: Das Enzym Polymerase, welches die fehlenden komplementären Einzelstränge synthetisiert, hat ein Temperaturoptimum. Um mit der PCR ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen wird während der Elongation die Temperatur auf dieses Optimum von 72 C eingestellt. Zum Abschluss der Zyklen wird eine finale Elongation durchgeführt. Diese dient dazu, alle bisher evtl. unvollständig synthetisierten Fragmente zu vervollständigen. Durch die Auswertung der Sequenzen der 5 Enden der jeweiligen PCR-Produkte (16S rrna) sowie einem Datenbankabgleich können die jeweiligen Isolate identifiziert werden. Entwicklung eines Indikatorsystems: Die Grundlage für die Auswahl des Indikatorerregers bildet das Ergebnis der Antibiotika-Plättchendiffusionstests der aus dem Kläranlagenablauf isolierten Bakterien. Mit der Wahl eines Erregers mit einer vergleichsweise hohen Anzahl an Resistenzen kann ein möglichst großes Resistenzspektrum abgedeckt werden. Um die universelle Anwendbarkeit des Systems zu gewährleisten, sollte der Indikatororganismus ein ubiquitär verbreiteter Keim sein. 53

60 Für eine kombinierte Detektion eines bestimmten Erregers inklusive seines Antibiotikaresistenz-spektrums bzw. eines Teils davon, ist eine Multiplex-PCR entsprechend anzupassen. In der Abbildung 35 ist das Versuchsprinzip dargestellt. Zunächst ist das gesamte Genom des Erregers zu sequenzieren. Anhand des Ergebnisses können anschließend die genomisch codierten Resistenzgene identifiziert werden. Entscheidend für die Umsetzung des Indikatorsystems ist der Ort der Codierung der Resistenzgene. Eine kombinierte Detektion von Erreger und Resistenzgen ist nur bei chromosomaler Codierung der Gene möglich. Eine stammspezifische Detektion von plasmidcodierten Resistenzgenen ist nicht möglich. Des Weiteren müssen stammspezifische Sequenzabschnitte in direkter Nachbarschaft der Resistenzgene ermittelt werden. Die Kombination aus beiden spezifischen Sequenzabschnitten ergibt die bei der PCR zu amplifizierende Zielsequenz. Anschließend werden die entsprechenden Primer berechnet sowie die Bedingungen für die einzelnen Phasen der PCR ermittelt bzw. optimiert. Dieses Prinzip in einer Multiplex-PCR angewendet, ermöglicht die Detektion mehrerer Genabschnitte. So kann die Untersuchung auf ein breites vorher festgelegtes Resistenzspektrum ausgerichtet werden. Abbildung 35: Versuchsprinzip der angepassten Multiplex-PCR. Grundvoraussetzung für dieses Versuchsprinzip ist, dass die Resistenzgene genomisch codiert vorliegen. Es ist nicht möglich einen speziellen Erreger in Verbindung mit plasmidcodierten Resistenz-genen zu detektieren. Da aber viele Resistenzgene plasmidcodiert vorliegen, ist die Auswahl der Resistenzgene dahingehend limitiert. Sequenzierung: Ausgehend von der extrahierten Gesamt-DNA wird eine Shotgun-Sequenzierung durchgeführt. Dabei wird die Gesamt-DNA mit Hilfe von mechanischen Scherkräften in Fragmente, sogenannten Inserts, zerlegt. Mit den so erhaltenen Inserts ist eine Pair-End-Sequenzierung durchzuführen. Dabei werden die jeweiligen Enden der DNA-Fragmente sequenziert. Mit Hilfe dieser ca. 250 bp langen Sequenzabschnitte, den Reads, wird eine Library erstellt, anhand derer die Gesamtsequenz assembliert werden kann. Bei dem sogenannten De-Novo Assembling werden die einzelnen Reads entsprechend ihrer Sequenzüberlappungen zusammengesetzt (Abbildung 36). Je höher die Abdeckung (Coverage) der Sequenzabschnitte, d.h. je höher die Anzahl der Reads für einen Sequenzbereich, desto geringer ist die Fehlerwahrscheinlichkeit. 54

61 Abbildung 36: Prinzip De-Novo Assembling (Gilchrist 2010). Die aus den Reads lückenlos zusammengesetzten Bereiche werden Contigs (= contiguous sequence) genannt. Die Lücken zwischen den Contigs können aber teilweise auch geschlossen werden. Dies ist der Fall, wenn die Lücke den Bereich ausmacht der zwischen den Reads eines Inserts liegt. Um diese Lücke zu schließen kann dieser Bereich sequenziert werden. Auf diese Weise werden die Contigs zu Scaffolds, den nächst größeren zusammenhängenden Sequenzbereiche, verbunden. Aufgrund von Fehlern bei der Vervielfältigung der DNA-Fragmente und somit bei der Erstellung der Reads, erhält man aber immer auch Bereiche mit einer ungenügend hohen Abdeckung. Dies führt dazu, dass zwischen den einzelnen Scaffolds nicht auflösbare Lücken entstehen, und so ihre Position in der DNA nicht eindeutig zuzuordnen ist. Dies kann aber umgangen oder zumindest minimiert werden, indem man sich das Genom des nächsten Verwandten zur Hilfe nimmt. Nun kann, unter der Annahme, dass die Genabschnitte ähnlich abgelegt sind, die Reihenfolge der Scaffolds entsprechend abgeglichen werden. Auf diese Weise erhält man nach und nach die gesamte genomische Sequenz. Die auf diese Weise annotierte DNA kann durch Datenbankabgleich auf das Vorhandensein von Resistenzgenen gescannt werden. Zur Qualitätssicherung der Ergebnisse werden die ermittelten Genabschnitte dahingehend überprüft, ob sie tatsächlich auf dem Genom oder auf einem Plasmid lokalisiert sind. Primerdesign: Im Ergebnis der Sequenzierung und anschließender Identifizierung der Gesamt-DNA werden eine Reihe von Resistenzgenen enthaltenden Sequenzabschnitten ermittelt. Um eine für den Indikatororganismus inklusive eines Teils seines Resistenzspektrums spezifische Nachweismethode zu entwickeln, ist es erforderlich, direkt an den Resistenzgenen angrenzende Bereiche auf ihre Stammspezifität hin zu überprüfen. Für die Erarbeitung des Indikatorsystems ist ein stammspezi-fischer Sequenzbereich je Resistenzgen ausreichend. Nach erfolgtem Abgleich werden für jedes ausgewählte Resistenzgen eine Sequenzkombination aus Resistenzgen und stammspezifischer Sequenz als Zielsequenz für das Primerdesign gewählt. Dabei ist zu beachten, dass die verschiedenen Abschnitte unterschiedliche Basenpaarlängen aufweisen. Nur so wird sichergestellt, dass die mittels Gelelektrophorese zu trennenden PCR-Produkte sauber getrennt werden, und so der Nachweis eindeutig ausfällt. 55

62 Multiplex-PCR: Für den gleichzeitigen Nachweis spezifischer Sequenzabschnitte ist eine Multiplex-PCR geeignet. Der Unterschied zur Standard-PCR liegt in der gleichzeitigen Verwendung mehrerer Primerpaare und dem daraus resultierenden kombinierten Nachweis mehrerer Sequenzabschnitte. Für die Etablierung einer solchen PCR sind zunächst die entwickelten Primer auf ihre Kompatibilität zueinander zu testen, d.h. die Prozessbedingungen, bei denen die parallel verwendeten Primer weitgehend störungsfrei funktionieren, zu ermitteln. Dies betrifft insbesondere die Anealing-Temperatur, welche für alle Primer geeignet sein muss. Das Bestimmen dieser optimalen Temperatur kann mit Hilfe eines Termocyclers und ein Temperaturgradienten-Programm erfolgen. Die zur Identifizierung notwendigen unterschiedlichen Basenpaarlängen der einzelnen zu amplifizierenden Sequenzabschnitte sind bei der Wahl der Elongationsdauer zu berücksichtigen. Gelelektrophorese: Die Auswertung der PCR erfolgt mittels Gelelektrophorese. Dabei wandern die amplifizierten DNA-Abschnitte aufgrund ihrer negativen Ladung durch eine Gelmatrix (Agarosegel) in Richtung Anode der Elektrophoresekammer. Die Trennung der einzelnen Sequenzabschnitte beruht auf ihren unterschiedlichen Moleküllängen und den daraus resultierenden unterschiedlichen Lauf-geschwindigkeiten. Im Ergebnis erhält man für jedes in den Proben enthaltende DNA-Molekül eine diskrete Zone bzw. Bande. Diese werden mit Ethidiumbromid angefärbt und somit unter UV-Licht sichtbar gemacht. Zur Identifizierung der einzelnen Banden wird bei der Gelelektrophorese ein Mix aus DNA- Molekülen (Marker oder Ladder) bekannter Größen mitgeführt. Da die Basenpaarlängen der amplifizierten DNA-Abschnitte bekannt sind, können sie durch Abgleich mit den standardisierten Marker- Banden identifiziert werden. Durchführung: Die Wasserproben wurden über Membranfilter (0,2 µm) sterilfiltriert. Bei den Proben mit hohen Schwebstoffanteilen erfolgte eine stufenweise Filtration, d.h. die Proben wurden zunächst mit 0,45 µm Filter und anschließend mit 0,2 µm Filter filtriert. Die auf diese Weise beaufschlagten Filter wurden geachtelt und zusammen mit 4 ml PCR-Wasser sowie durch Abflammen sterilisierte Glaskugeln in 50 ml Tubes gegeben. Zum Ablösen der auf der Filteroberfläche anhaftenden Stoffe wurden die Tubes für 3 min auf maximaler Stufe gevortext. Die erhaltenen Suspensionen wurden durch Zentrifugieren, Abnehmen des Überstandes und Resuspendieren auf 250 µl reduziert und standen nun für die DNA-Extraktion zur Verfügung Ergebnisse der Isolierung und Anreicherung Auf dem Brilliance TM E. Coli/Coliform-Agar konnten 8, auf dem ChromoCult-Selektiv-Agar 2, und auf dem Cetrimid-Selektiv-Agar 8 makroskopisch unterschiedliche Kolonien ausbildende Stämme isoliert werden Antibiogramme Die Einstufung der einzelnen Organismen als resistent gegenüber den jeweiligen Antibiotika wurde ausschließlich bei jenen Isolaten vorgenommen, bei denen sich nach Ablauf der vorgeschriebenen Inkubationszeit keine Hemmhöfe ausbildeten. Bei den Antibiotika, deren Auswirkungen auf das Wachstum der Isolate mit zwei unterschiedlichen Konzentrationen getestet wurden, wurden nur die Isolate als resistent eingestuft, bei denen beide Konzentrationen keinen Einfluss auf das Wachstum zeigten. Das entspricht zwar nicht exakt den EUCAST-Vorgaben und es werden sicherlich einzelne tatsächlich ausgebildete Resistenzen nicht in die Betrachtungen mit einbezogen, dafür werden aber falsch-positiv Ergebnisse ausgeschlossen. 56

63 Tabelle 19: Auswertung Antibiotika-Plattendiffusionstests. Antibiotika Code Beladung der Antibiotika-Plättchen [µg] Resistenzhäufigkeit Penicilline Amoxicillin/Clavulansäure AUG 20 / 10 3 (Augmentan) Ampicillin AMP 10 3 Azlocillin AZ 30 2 Oxacillin OX 1 9 Oxacillin OX 5 8 Penicillin G PG 10 1 Piperacillin/Tazobactam PTZ 30 / 6 1 Ticarcillin TC 75 2 Carbapeneme Doripenem DOR 10 - Imipenem IMI 10 - Meropenem MEM 10 - Cephalosporine Cefepim CPM 30 - Cefoperazon CPZ 30 - Cefoxitin FOX 30 3 Cefsulodin CFS 30 3 Ceftazidim CAZ 30 1 Monobactame Aztreonam ATM 30 - Aminoglycoside Amikacin AK 30 1 Gentamycin GEN 10 - Netilmicin NET 10 2 Netilmicin NET 30 1 Tobramycin TN 10 2 Fluorchinolone Ciprofloxacin CIP 5 - Levofloxacin LEV 5 - Makrolide Clarythromycin CLA 15 - Erythromycin E 15 - Tetracycline Tetracyclin T 30 1 Sulfonamide Trimethoprim/Sulfamethoxazole TS 1,25 / 23,75 5 Glykopeptide Vancomycin VA 5 0 Vancomycin VA 30 0 Polymyxine Colistinsulfat CO 25 1 Antibiotika deren Wirkspektren sich ausschließlich auf gram-positive oder gram-negative Erreger beschränken, wurden bei der Auswertung ebenso berücksichtigt, wie vorhandene intrinsische Resistenzen. 57

64 Nach Auswertung der Antibiotika-Plattendiffusionstests konnte eine Vielzahl von Resistenzen nachgewiesen werden. Darüber hinaus wurden bei einigen Isolaten das Auftreten von Multi-resistenzen, d.h. eine Resistenz gegenüber zwei oder mehreren Antibiotika derselben oder unterschiedlicher Substanzklassen, festgestellt. Tabelle 19 zeigt eine quantitative Auswertung der durchgeführten Untersuchungen. Angegeben sind die Antibiotika mit den entsprechenden Codes und Plättchenbeladungen, sowie die Häufigkeit der gegenüber den antimikrobiellen Wirkstoffen aufgetretenen Resistenzen Identifizierung der Isolate und Zuordnung der Resistenzen Auf Grundlage der durchgeführten Antibiotika-Plättchendiffusionstests sowie morphologischer Unterschiede wurden 10 Isolate mittels Sequenzierung identifiziert. Die dafür erforderliche PCR für die Amplifizierung der 16S rrna und die eigentliche Sequenzierung wurden extern durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass die angebliche Selektivität des Brilliance TM E. Coli/Coliform- und des Cetrimid- Agars nicht mit den Ergebnissen in Übereinstimmung stand. Da das Ziel der Isolierung aus dem Kläranlagenablauf jedoch erreicht wurde, muss dieser Tatsache keine große Bedeutung zugemessen werden. Die Tabelle 20 zeigt die Ergebnisse unter Angabe der Anzahl der jeweils nachgewiesenen Resistenzen. Tabelle 20: Ergebnisse der Identifizierung sowie Angabe der Anzahl an Resistenzen. Isolat / Kürzel Name des Isolates Anzahl der nachgewiesenen Antibiotikaresistenzen A03 Enterobacter cancerogenus strain G2 3 A10 Pseudomonas aeruginosa 4 A20 Escherichia coli 1 B01 Enterococcus faecium 8 B04 Enterococcus faecium 3 C02 Citrobacter murliniae 7 C05 Serratia marcescens 3 C09 Enterobacter oryzae strain S36(1)R 2 C12 Pseudomonas aeruginosa 4 C15 Pseudomonas aeruginosa 4 Um eventuell vorhandene Beziehungen zw. den ermittelten Resistenzen ableiten zu können, wurden den Bakterienstämmen die jeweiligen Resistenzen von Antibiotika der gleichen Substanzklasse zugeordnet. Die Tabelle 21 zeigt das Ergebnis dieser Betrachtungsweise. Wie der Tabelle 21 zu entnehmen ist, konnten für die Substanzklassen der Monobactame, der Fluorchinolone, der Makrolide und der Glykopeptide keine Resistenzen nachgewiesen werden. Die Untersuchungen mit den Antibiotika Cefepim, Cefoperazon und Gentamycin aus den Klassen der Cephalosporine bzw. Aminoglycoside zeigten das gleiche Ergebnis. Die aus diesen Substanzklassen stammenden neunantimikrobiellen Substanzen werden daher in der Folge nicht weiter betrachtet. Für die Substanzklassen der Penicilline und Sulfonamide konnten sowohl bei den E. coli/coliformen, den Enterokokken als auch bei den Pseudomonaden Resistenzen nachgewiesen werden. Bei den Aminoglycosiden und Carbapenemen waren ausschließlich Enterokokken in der Lage Resistenzen auszubilden. Für die Cephalosporine konnten bei E. coli/coliforme und den Pseudomonaden Resistenzen nachgewiesen werden. Enterokokken besitzen für die Antibiotikagruppe der Cephalo-sporine eine intrinsische, d.h. natürliche Resistenz (Dancer 2001, Matothi et al. 2005, Murray 1990). Bei Tetracyclin, wiesen 58

65 ausschließlich die E. coli/coliformen die Fähigkeit der Resistenzausbildung auf. Bei den Polymixinen, vertreten durch Colistinsulfat, ist die Resistenzausbildung beiden Pseudo-monaden aufgetreten Entwicklung eines Indikatorsystems Die Sequenzierung des gesamten Genoms wurde von einer externen Firma realisiert. Die mit Hilfe der Illumina Next Generation Technology durchgeführte Sequenzierung ergab insgesamt 79 Contigs mit Längen von bis Basenpaaren. Die Abbildung 37 zeigt exemplarisch einen Ausschnitt der Gene Map. Abbildung 37: Ausschnitt assemblierter DNA-Abschnitt. Die Gesamtsequenz wurde mittels Datenbankabgleich auf das Vorhandensein von Resistenzgenen gescannt. Die so ermittelten Resistenzgene wurden anschließend auf den Ort ihrer Codierung, chro-mosomal und plasmidial, hin überprüft. In der Tabelle 22 sind die nachgewiesenen und für die Entwicklung eines Indikatorsystems als geeignet eingestuften Antibiotikaresistenzgene aufgeführt. Bei den Genen lmrb, dinf und glcu handelt es sich um Efflux-Transportsysteme, welche unspezifisch, zum Teil auch strukturfremde antimikrobiell wirksame Substanzen aus den Zellen ausschleusen. Insgesamt gibt es 5 unterschiedliche Gruppen von Transportsystemen dieser Art. Durch die Verwendung dieser Resistenzgene werden in der Entwicklung des Indikatorsystems davon 3 berücksichtigt. Die Fähigkeit von Erregern mittels unspezifischer Efflux-Systeme Antibiotika aus ihren Zellen heraus zu schleusen, kann bereits eine Multiresistenz darstellen. Besonders interessant war, dass im Sequenzbereich des Resistenzgens tetm (Tetracyclin) ein Resistenzgen für Trimethoprim eingeschlossen war. Dadurch ist die Resistenz gegenüber Tetracyclin zwar nicht mehr gegeben, als Zielsequenz für die PCR aber weiterhin geeignet. 59

66 Tabelle 21: Antibiotika-Substanzklassen den Resistenzen zugeordnet. Antibiotika- Substanzklassen Wirkspektrum Escherichia coli (gram -) Citrobacter murliniae (gram -) Häufigkeit der nachgewiesene Resistenzen bei Serratia marcenscens (gram -) Enterobacter cancerogenus (gram -) Enterobacter oryzae (gram -) Pseudomonas aeruginosa (gram -) Pseudomonas aeruginosa (gram -) Pseudomonas aeruginosa (gram -) Enterococcus faecium (gram +) Enterococcus faecium (gram +) A20 C02 C05 A03 C09 A10 C12 C15 B01 B02 Penicilline gram +/ Carba-peneme gram +/ Cephalosporine gram +/(-) Monobactame gram Amino-glycoside gram (+)/ Fluor-chinolone gram +/ Makrolide gram +/(-) Tetracycline gram +/ Sulfonamide gram +/ Glyko-peptide gram Polymixine gram Tabelle 22: Zusammenfassung der nachgewiesenen Antibiotikaresistenzgene. Resistenzgen lmrb GI: dinf GI: glcu GI: tetm GI: Bleomycin GI: Charakterisierung des Wirkprinzips Major FacilitatorSuperfamily (MFS): Efflux-Transporter zur Verringerung der Antibiotika-Konzentration am Wirkort MultidrugandToxicCompound Extrusion (MATE): Efflux-Transporter zur Verringerung der Antibiotika-Konzentration am Wirkort Drug/Metabolite Transporter (DMT): Efflux-Transporter zur Verringerung der Antibiotika-Konzentration am Wirkort Veränderung der Antibiotika-Zielstruktur zum Schutz der Proteinbiosynthese Glyoxalase/Bleomycinresistanceprotein/Dihydroxybiphenyldioxygenase, membrangebundenes Transportprotein Für die Gene lmrb, dinf, glcu und Bleomycin wurden jeweils 2 Primerpaare designt. Jeweils eines für den Anfangs- und eines für den Endbereich der Sequenzen. Dabei wurden für die Zielsequenzen Bereiche der Resistenzgene gekoppelt mit stammspezifischen Sequenzabschnitten gewählt (siehe auch Abbildung 35). Da bei Tetracyclin ein Sequenzeinschluss vorliegt, der in dieser Form ebenfalls stammspezifisch ist, konnten für diesen Sequenzbereich 3 Primerpaare designt werden. 60

67 Für den Nachweis der oben genannten Resistenzgene wurden die in der Tabelle 23 aufgeführten Primerpaare entwickelt. Angegeben sind die vollständigen Bezeichnungen, die Basenpaarlängen sowie die im Laufe der Arbeit verwendeten Abkürzungen. Tabelle 23: Verwendete Primer. Resistenzgen, Antibiotika Primerpaar Basenpaarlänge Abkürzung Bleomycin EfBWBleoR708fw EfBWBleoR1429rv 721 Bleo I EfBWBleoR1261fw EfBWBleoR2186fw 925 Bleo II dinf EfBWBdinF314fw EfBWBdinF1423rv 1109 dinf I EfBWBdinF2338fw EfBWBdinF3417rv 1079 dinf II glcu EfBWBglcU1061fw EfBWBglcU1606rv 545 glcu I EfBWBglcU2139fw EfBWBglcU2676rv 537 glcu II lmrb EfBWBlmrB939fw EfBWBlmrB1951rv 1012 lmrb I EfBWBlmrB2546fw EfBWBlmrB3699rv 1153 lmrb II Tetracyclin EfBWBtetR777fw EfBWBtetR1579rv 802 Tet I EfBWBtetR1312fw EfBWBtetR2133rv 821 Tet II EfBWBtetR4682fw EfBWBtetR5448rv 766 Tet III Multiplex-PCR Zunächst wurden alle Primer mittels eines Temperaturgradienten-Programmes bei Anealing-Temperaturen von 55 C bis 61 C getestet. Dabei stellte sich heraus, dass der optimale Kompromiss bei 56 C lag. Darüber hinaus wurden die in der Tabelle 24 dargestellten PCR-Bedingungen ermittelt, bei denen theoretisch 5 Primerpaare, je Resistenzgen eines, zusammen in einer Multiplex-PCR funktionieren müssten. Tabelle 24: Übersicht PCR-Bedingungen. Reaktionsschritt Temperatur [ C] Dauer [sec] Start Denaturation Denaturation Anealing Elongation Finale Elongation Zyklen Nachdem die Reaktionsbedingungen für die PCR festgelegt waren, wurden eine Reihe verschiedener Primerkombinationen getestet. Dabei stellte sich heraus, dass das Resistenzgen dinf mit Hilfe der entsprechend dafür designten Primern in Kombination mit den anderen Primern nicht nachgewiesen werden konnte. Es kam zu unerwarteten Störreaktionen zw. den Primerpaaren, welche eine gemeinsame Verwendung nicht zuließen. Die Abbildung 38 zeigt das Ergebnis zweier Tests mit unterschiedlichen Primerpaaren, (lmrb II, Bleo II, tet III, glcu I und dinf II, sowie lmrb I, Bleo II, tet I, glcu I und dinf I) wobei die Banden für die dinf-sequenz jeweils fehlen. Im Ergebnis mehrerer Testreihen und in Anbetracht der Unverträglichkeit der für das dinf-resistenzgen designten Primern mit den anderen Primern, wurde die 5-fach Multiplex-PCR in eine 4-fach Multiplex-PCR und eine Single-PCR aufgesplittet. Für die Multiplex-PCR erwiesen sich die Primerpaare lmrb II, Bleo II, tet I und glcu I als geeignet. In der Single-PCR kommt das Primerpaar dinf II zum Einsatz. Da 61

68 die Bedingungen für beide Ansätze identisch sind, kann trotz der Entkopplung eines Gens der angestrebte Nachweis eines Indikatorerregers mit seinen Antibiotikaresistenzen mit einer Untersuchung erfolgen. Nach Abschluss der Optimierung der Reaktionsbedingungen konnte diese Methode unter Laborbedingungen, d.h. mit DNA des isolierten und als Indikatororganismus festgelegten Stammes Enterococcus faecium, etabliert werden Abbildung 38 (rechts). Abbildung 38: Test zweier unterschiedlicher Kombinationen von je 5 Primerpaaren unter Angabe der Basenlänge (links) und kombinierte Multiplex- und Single-PCR (rechts) Untersuchung von Realproben Nachdem die Methode unter Laborbedingungen etabliert werden konnte, wurden unterschiedliche Proben untersucht. Die Abbildung 39 (links) zeigt das Ergebnis mit Proben des Ablaufes der Klär-anlage Schönerlinde vom , und sowie einer Klärschlammprobe vom Zur Kontrolle wurde ein DNA-Extrakt des Indikatorerregers Enterococcus faecium mitgeführt. Abbildung 39: Ergebnisse des Kläranlagenablaufs und Klärschlammes aus Schönerlinde (links) und weiterer Kläranlagen (rechts). 62

69 Des Weiteren wurden Proben verschiedener Kläranlagenabläufe beprobt und ebenfalls auf den Indikatorerreger analysiert. Die Abbildung 39 (rechts) zeigt das Ergebnis dieser Untersuchung. Wie den beiden Abbildungen zu entnehmen ist, konnte der Indikatorerreger Enterococcus faecium nicht detektiert werden. Auch in allen weiteren durchgeführten Untersuchungen viel der Nachweis negativ aus Diskussion Kultivierungsverfahren versus Molekularbiologie In der vorliegenden Studie wurden sowohl Kultivierungsmethoden als auch molekularbiologische Untersuchungen durchgeführt. Beide Methoden haben ihre Vorteile und Grenzen Kultivierungsverfahren Für die erste Anreicherung der pathogenen Bakterien wurden die nach Trinkwasserverordnung zugelassenen Selektivmedien verwendet. Diese erlauben eine Koloniezahlbestimmung spezifischer Bakteriengruppen, wie z.b. coliforme Bakterien oder Enterokokken als Indikatoren der Wasserqualität. Als Reinkulturen wurden diese Isolate identifiziert und ihre Antibiotikaresistenzmuster erfasst. Für die Antibiotikaresistenz-Testungen wurde das genormte Verfahren nach EUCAST (European Commitee on Antimicrobial Susceptibility Testing) eingesetzt. Ein wichtiger Parameter hierfür ist die minimale Hemmkonzentration (MHK) eines Antibiotikums gegenüber einem Erreger. Die MHK ist definitionsgemäß die niedrigste Konzentration des Antibiotikums, die das Wachstum des untersuchten Keims in vitro vollständig hemmt. Grenzwerte (sog. Breakpoints) erlauben die Interpretation, ob der untersuchte Erreger gegenüber dem Antibiotikum als sensibel, intermediär oder resistent einzustufen ist. Sie bilden somit die Grundlage für die Erstellung der Antibiogramme. Die Festlegung derartiger Breakpoints hängt sowohl von den definierten Bedingungen der MHK-Bestimmung selbst, als auch von der erreichbaren Serumkonzentration im Patienten ab. Im Zuge einer europaweiten Harmonisierung der antibiotischen Resistenztestung erarbeitete EUCAST einheitliche Standards für die Bestimmung und Interpretation von MHK-Werten (Details und weitere Hinweise zur EUCAST-Norm unter Ein wichtiger Vorteil der EUCAST-Standards ist dabei, dass bei der Normerstellung mehr auf klinische und pharmakokinetische Aspekte geachtet wurde und dabei in Europa übliche Therapieschemata berücksichtigt wurden. Aufgrund der europaweiten Gültigkeit bietet die EUCAST-Norm darüber hinaus auch die Möglichkeit eines länderübergreifenden Vergleichs von Resistenzstatistiken. Für bestimmte Erreger wurden für einige Antibiotika keine EUCAST-Grenzwerte definiert, da die Korrelation zwischen in vitro-testung und der therapeutischen Wirksamkeit umstritten ist. Dies bedeutet, es gibt keine Evidenz, dass die Therapie des Erregers mit dem betreffenden Antibiotikum erfolgreich ist. Beispiele hierfür sind Tetracyclin bei Enterobakterien und die β-laktamantibiotika bei Acinetobacter. Es ist bekannt, dass mit Kultivierungsverfahren überwiegende Teil der in der Umwelt (also auch im Trinkwasser bzw. in der Trinkwasser-Aufbereitung) vorhandenen Bakterien nicht erfasst wird. Etwa 90 % der natürlichen Bakterienpopulation können auf synthetischen Medien nicht kultiviert werden. Diese Bakterien können sich z.b. in einem vorübergehend nicht kultivierbaren (viable but not cultivable; VBNC) Zustand befinden. Es sind inzwischen eine ganze Reihe von pathogenen Bakterien bekannt, die in den VBNC-Zustand übergehen können (vergleiche aktuelle Übersicht von Li et al. (2014)). Fast alle trinkwasserrelevanten Bakterien mit krankheitserregenden Eigenschaften fallen in diese Katego- 63

70 rie. Ihr Risikopotential bleibt jedoch erhalten, da sie unter geeigneten Bedingungen ihre Vermehrungsfähigkeit wiedererlangen. Weiterhin können Anaerobier und langsam wachsende Bakterien, wie zum Beispiel Mykobakterien, nur schwer aus Umweltproben isoliert werden, da sie häufig von der Begleitflora im Wachstum behindert oder überwachsen werden (Exner und Schwartz, 2015). Nach Exner und Schwartz (2015) haben Kultivierungsverfahren für den spezifischen Nachweis von Antibiotika-Resistenzen von Umweltbakterien die Einschränkung, dass sie die natürlicherweise vorhandenen (intrinsischen) Resistenzen nicht von erworbenen Resistenzen unterscheiden können, da oftmals die entsprechenden Wildtyp-Stämme der Umweltisolate nicht charakterisiert sind. Auf der anderen Seite sind derzeit Kultivierungsmethoden notwendig, um Multiresistenzen nachzuweisen. Der wesentliche Vorteil der kulturbasierten Methode ist dabei, dass die detektierten Resistenzen genau einem Isolat zugeordnet werden können Molekularbiologie Während man bei den herkömmlichen Kultivierungsmethoden die Wachstumsfähigkeit von Bakterien und ihre Stoffwechselleistung beurteilt, zielen die molekularen Methoden auf die Erfassung der genomischen Daten ihrer DNA ab. Daher sind beide Methoden nicht unmittelbar miteinander zu vergleichen. Wie Exner und Schwartz (2015) ausführen ist ein großer Vorteil von molekularen Nachweismethoden der direkte Nachweis von Mikroorganismen oder Resistenzen in Umweltkompartimenten über spezifische Markergene ohne vorherige selektive Anreicherung auf Kulturnährmedien. Damit werden auch Mikroorganismen erfasst, die nicht unter Laborbedingungen wachsen können (z.b. VBNC-Stadien) oder nur sehr langsam wachsen aber zur Resistenz in spezifischen Kompartimenten beitragen können. Genetik-basierte Nachweisverfahren bieten einige Vorteile gegenüber Antibiogrammen (Kulturverfahren), wenn es darum geht, die epidemiologische Verbreitung von Antibiotikaresistenzgenen in einem Krankenhaus oder Abwassersystem zu verfolgen, da neben den taxonomischen DNA-Markergenen zur Bakterienidentifizierung eben auch die Spezies-relevanten Resistenz- oder Virulenzgene im Parallelansatz nachgewiesen werden können (Microbial Source Tracking). Aus einem DNA-Extrakt einer Bakteriengemeinschaft können aus verschiedenen Umwelthabitaten direkt, ohne kulturelle Anzucht, sowohl hygienisch relevante Bakterien detektiert und deren Antibiotikaresistenzdeterminanten erfasst werden. Mit Hilfe der quantitativen PCR (qpcr) ist es sogar möglich, die Abundanzen von Bakterienspezies und Resistenzen in den originalen Proben zu beschreiben und damit umfassend eine Resistenzsituation bzw. ein Risikopotential abzuschätzen. Als großer Nachteil der Molekularbiologie gilt die fehlende Unterscheidung zwischen lebenden und toten Zellen. Die Weiterentwicklung der Molekularbiologie bietet jedoch kommerziell erhältliche Verfahren an, die genau dieses Dilemma lösen. Eine mögliche Methode ist die Kombination der PCR mit vorheriger Bestrahlung der Probe mit dem Fluoreszenzfarbstoff PMA (Propidium Monoazid) (Dacke und Weber, 2013). PMA kann biologisch intakte Zellmembranen nicht durchdringen und somit nur in die membrangeschädigten Zellen (tote Keime) gelangen. Einmal in der Zelle binden und verlinken sich die PMA-Moleküle nach der Photoreaktion irreversibel mit der doppelsträngigen DNA und behindern die anschließende Polymerase-Kettenreaktion. Die unverlinkte DNA der lebenden Zellen hingegen ist weiterhin nachweisbar. Dennoch können die Besonderheiten der Umweltanalytik die molekularbiologischen Nachweis-systeme auch negative beeinflussen. Dazu zählen mögliche Kreuzreaktionen der PCR-Verfahren mit biotischen Bestandteilen einer nicht charakterisierten Umweltprobe (Begleitflora) oder die Wirkungen von 64

71 wasserlöslichen abiotischen Inhaltsstoffen, die eine Inhibition der PCR bedingen und damit die Ergebnisse verfälschen können. Eine weitere Limitierung der molekularbiologischen Nachweis-verfahren ist die fehlende Standardisierung und Validierung der Verfahren im Ringversuch für die Anwendungen im Bereich der Umweltanalytik. Der Nachweis von Multiresistenzen in hygienisch relevanten Mikroorganismen ist allein durch die Verwendung von DANN-basierten Nachweisen aus Gesamt-DNA einer Umweltprobe nicht zu bewerkstelligen. Hier ergänzen sich konventionelle Verfahren der Anreicherung und Antibiogramm-testung sinnvoll mit den molekularbiologischen Ansätzen, um gezielt die Anwesenheit von Mehrfach-Resistenzen phänotypisch und genotypisch in einem Isolat zu belegen (Exner und Schwartz, 2015) Indikatorsysteme Bei der allgemeinen mikrobiologischen Trinkwasseruntersuchung hat sich das sogenannte Indikatorprinzip durchgesetzt, bei dem man gezielt spezifische Indikatorkeime nachweist, die stellvertretend für andere Mikroorganismen eine fäkale Verunreinigung des Wassers anzeigen können. In der Krankenhaushygiene werden immer mehr Schnelldiagnose-Testverfahren entwickelt. Von Poirel und Nordmann (2014) wurde beispielsweise 2014 der neue Schnelldiagnose-Test entwickelt. Dieser erkennt Multiresistenzen gegen Breitspektrumantibiotika und ist in der Lage, die Bakterienstämme des Acinetobacter baumannii, einem im klinischen Alltag besonders gefürchteten Krankheitserreger, innerhalb von zwei Stunden festzustellen. Diese Tests existieren bereits für resistente Enterobakterien und Pseudomonas aeruginosa. Die Verwendung dieser Diagnosetests könnte auch zur besseren Kontrolle der Verbreitung bestimmter Antibiotikaresistenzen beitragen. Im Verbundprojekt RISKWA wurden in den Projekten TransRisk und SchussenAktivplus für Abwasser bakterielle Indikatoren und Indikatoren für Antibiotikaresistenzen ausgewählt, die für die Beschreibung von Belastungssituation als geeignet erscheinen. Auf der taxonomischen Ebene sind dies E- scherichia coli und fäkale Enterokokken, die bereits als Indikatoren für die mikrobiologische Überprüfung der Wasserqualität genutzt werden. Als Indikatoren für die Abundanzen von klinisch relevanten Antibiotikaresistenzen wurden folgende Resistenzdeterminanten für den Bereich Abwasser ausgewählt: Sulfonamid-Resistenz (sul1 und sul2), Imipenem-Resistenz bei P. aeruginosa (blavim1), Beta- Laktam-Resistenz bei Enterobacteriaceae (blactx-m, blatem), Vancomycin-Resistenz bei Enterokokken (vana), Erythromycin-Resistenz bei Streptokokken (ermb), und Methicillin-Resistenz bei Staphylokokken (meca). Die ausgeführten Indikatororganismen und Indikatorgene, die im Rahmen von RiSKWa von den Teilprojekten eingesetzt wurden, entsprechen größtenteils auch den Vorschlägen eines europäischen COST-DARE-Konsortiums (Rizzo et al. 2013), dessen Thema die Entwicklung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen in Abwasserbereichen war. Abweichend von den anderen Verbundpartnern, die wie geschildert häufig Antibiotika-Resistenzgene als Indikatoren verwendet haben, wurde in ASKURIS der multiresistente, aus dem Ablauf des Klärwerks Schönerlinde isolierte Enterococcus faecium Stamm als möglicher Indikator ausgewählt. Enterococcus faecium fungiert, wie beschrieben, bereits in der Trinkwasseruntersuchung als Indikator für eine fäkale Verunreinigung. Daneben wird er auch aufgrund seiner intrinsischen Resistenz als Indikator für eine vorliegende Vancomycin-Resistenz verwendet. Als Bio-Indikator zur mikrobiologischen Validierung und Routinekontrolle von Reinigungs- und Desinfektionsprozessen im Temperaturbereich von >35 C wird er ebenso eingesetzt wie als Indikator für die Wirkung eines Probiotikums auf den Gesundheits- und Immunstatus von Tieren (Weiß, 2003). 65

72 Die in der vorliegenden Arbeit erfolgreich entwickelte Multiplex-PCR mit dem Stamm Enterococcus faecium zeigt in einer vorhandenen Probe gleichzeitig den Stamm als auch seine Antibiotika-Resistenzen an. Leider konnte in den bisher untersuchten Proben aus dem gesamten Wasserauf-bereitungskreislauf Tegel der Indikatorkeim nicht detektiert werden. Die Annahme, dass der Erreger nachzuweisen sein sollte, beruht auf verschiedene Aussagen anderer RiSKWa-Projekte, dass unabhängig vom Kläranlagenzulauf die Resistenzsituation im Ablauf weitestgehend identisch sei. Geplant sind weitere Untersuchungen mit einer größeren Anzahl unterschiedlicher Proben. Bei der Sequenzierung des Stammes war aber auch aufgefallen, dass es viele Gene gab, die für eine Effluxpumpe codiert haben. Pumpsysteme sind keine neue Erfindung der Natur. Sie sind nicht aufgrund des Selektionsdrucks durch die breite Anwendung von Antibiotika entstanden; vielmehr besitzen Bakterien seit jeher Proteine, die die Aufgabe haben, das Bakterium vor einer breiten Palette schädlicher Substanzen zu schützen. Als Beispiel seien hier Darmbakterien (wie Escherichia coli) genannt, welche die im Darm allgegenwärtigen Gallensalze aus der Bakterienzelle herauspumpen und somit das Überleben in diesem Habitat sichern. Charakteristisch für solche Pumpsysteme ist die breite Substratspezifität: Eine Vielzahl strukturell sehr unterschiedlicher Moleküle kann von ein und demselben System transportiert werden. Normalerweise ist die Tätigkeit dieser Pumpen durch Regulationssysteme gedrosselt, und es sind relativ wenige Pumpen vorhanden. Unter dem Selektionsdruck bei Anwesenheit von Antibiotika geschieht es jedoch häufig, dass diese Pumpen hochreguliert werden und dem Bakterium eine massiv erhöhte Resistenz gegenüber einer ganzen Reihe von Antibiotika verleihen. Heute stellen multiresistente Pathogene, bei denen unter anderem Pumpsysteme eine zentrale Rolle spielen, bei Patienten mit einer Immunschwäche (bedingt beispielsweise durch Chemotherapie oder HIV) ein sehr ernst zu nehmendes Problem dar, und es existieren Bakterien, die man mit keinem Antibiotikum mehr bezwingen kann. Alternativ könnte die Methode also auch dahingehend modifiziert werden, dass eine Multiplex-PCR für verschiedene Effluxpumpen-gene entwickelt wird (Pos, 2009) Risikoabschätzung Nach Auswertung der im Projekt ASKURIS ermittelten Ergebnisse ist ein generelles Risiko für die Verunreinigung des Trinkwassers im untersuchten Gebiet der naturnahen Trinkwasseraufbereitung in Berlin durch Antibiotikaresistenz-Gene bzw. multiresistente Keime nicht gegeben. Die im Bereich der OWA Tegel installierten Barrieren sind nach derzeitigem Kenntnisstand geeignet, etwaige Belastungen mit multiresistenten Erregern aus dem Wasser zu entfernen bzw. zurückzuhalten. Nichtsdestotrotz wird die Gesamtlage durch das RiSKWA Querschnittsthema (Exner und Schwartz, 2015) und ASKURIS wie folgt diskutiert: Ein einheitliches Bewertungskonzept zur Darstellung von Antibiotikaresistenzlagen für unterschiedliche aquatische Kompartimente ist schwierig umzusetzen, da derzeitig keine standardisierten Vorgehensweisen definiert sind. Einige wesentliche Parameter für die separaten Bewertungskonzepte sind (i) die Gesamt-Bakterienfracht, (ii) Nachweisverfahren (Kultur-basiert und/oder DNA/RNA-basiert) (iii) Abundanzen von hygienisch relevanten Mikroorganismen, (iv) Abundanzen von klinisch-relevanten Resistenz-determinanten inklusive mobile genetische Elemente; (v) Nachweis von Multi-Resistenzen, vi) Wirkung der Aufbereitungstechniken (Reduktionspotentiale) etc. Für jede dieser vorgeschlagenen Komponenten sollte eine Bewertung im Einzelfall vorgenommen werden und in eine skalierbare Matrix (Punktesystem/Ampelprinzip) überführt werden. 66

73 Aus diesem Ansatz heraus wird deutlich, wie wichtig es ist, Nachweisverfahren zum Auftreten von Antibiotika-resistenten Bakterien und Resistenzgenen für den Umweltbereich zu definieren und Indikatoren für die Resistenzproblematik festzulegen, um eine Vergleichbarkeit von Studien zu gewährleisten. Es müssen dafür jedoch allgemein gültige Grenzwerte geschaffen werden, die ähnlich wie bei chemischen Komponenten, bei Überschreitung ein Risikopotential definieren. Solche Angaben existieren für den klinischen Bereich, wenn es darum geht, Antibiotikaresistenz bei Bakterienisolaten aus Patienten zu charakterisieren. Dieser Ansatz ist aber für den Umweltbereich nicht definiert (Exner und Schwartz, 2015). 67

74 3 Technische Barrieren 3.1 Einsatz pulverförmiger und granulierter Aktivkohle Die Aktivkohleadsorption ist ein bewährtes Verfahren, um unerwünschte gelöste organische Wasserinhaltsstoffe zu entfernen. Dabei werden die Zielstoffe an die Aktivkohlepartikel oder -körner konvektiv herantransportiert und diffundieren dann innerhalb der Aktivkohle hin zur typischerweise großen inneren Aktivkohleoberfläche, an welche sie sich adsorptiv anlagern. Aktivkohle zur Entfernung organischer Spurenstoffe aus verschiedenen Wassermatrices (Trinkwasser, Abwasser, ) kann in zwei verschiedenen Verfahrensvarianten eingesetzt werden. Einerseits kann Pulveraktivkohle (PAK) im zu behandelnden Wasser suspendiert und nach Ablauf einer bestimmten Adsorptionszeit wieder vom Wasser abgetrennt werden. Andererseits kann granulierte Aktivkohle (GAK), als Festbett in einen Filter eingebracht werden, welcher vom zu behandelnden Wasser durchströmt wird. Welches der beiden Verfahren im Einzelfall zu bevorzugen ist, muss jeweils geprüft werden und hängt von den jeweiligen Gegebenheiten ab (Platzbedarf, Investitionskosten, kontinuierliche gegenüber diskontinuierlicher Wasserbehandlung uvm.). Die Versuche in ASKURIS sollten Verfahren mit PAK und GAK einbeziehen und deren Eignung zur Entfernung organischer Spurenstoffe beurteilen. Es wurden einerseits umfangreiche Laborversuche unternommen, um verschiedene Aktivkohleprodukte unter definierten Bedingungen zu vergleichen und die auftretenden Adsorptionsphänomene detailliert zu untersuchen. Andererseits wurden Pilot-versuche durchgeführt, um die Verfahren unter praxisnahen Bedingungen zu testen und geeignete Betriebseinstellungen zu identifizieren Auswahl, Qualitätskontrolle und Adsorptionsphänomene Der Aktivkohlemarkt umfasst viele Hersteller und eine große Anzahl unterschiedlicher Produkte, die laut Herstellern jeweils bestimmte Einsatzbereiche haben. Wie die Zuordnung zu diesen Einsatzbereichen erfolgt, ist meistens unklar, da die Hersteller in der Regel restriktiv mit genaueren Informationen hinsichtlich der Ausgangsmaterialien, Eigenschaften und Leistungen ihrer Aktivkohlen umgehen. Daher muss üblicherweise vor jeder Aktivkohleanwendung geprüft werden, ob die verfügbaren Produkte verschiedener Hersteller für das jeweilige Entfernungsziel geeignet sind, respektive müssen leistungsstarke Produkte identifiziert werden. Im Rahmen von ASKURIS sollte ein umfangreicher Aktivkohlevergleich durchgeführt werden, um einen detaillierten und fundierten Überblick über geeignete und ungeeignete Produkte zu erhalten. Die gewonnenen Informationen sollten auch dazu dienen, generell abschätzen zu können, mit welchen Spurenstoffentfernungen zu rechnen sei und welche PAK- oder GAK-Mengen eingesetzt werden müssten, um vorgegebene Entfernungsziele zu erreichen. Mit diesen Kenntnissen und den Ergebnissen aus den Pilotversuchen konnten dann Szenarien ausgearbeitet werden, die bestimmte Zielentfernungen erfüllen würden. Damit sollte den Teilprojekten zu ökologischen und ökonomischen Bewertungen zugearbeitet werden. Neben dem Vergleich verschiedener Aktivkohleprodukte zur Leistungsbeurteilung sollten die beobachteten Adsorptionsphänomene weitergehend untersucht werden. Die zu erwartende unterschiedliche Adsorbierbarkeit verschiedener Spurenstoffe sollte in Anbetracht möglicher in näherer Zukunft vom Gesetzgeber festgelegter Spurenstoffgrenzwerte beurteilt werden. Zum einen ist bekannt, dass sich verschiedene Spurenstoffe generell in ihren Adsorptionsverhalten unterscheiden. Zum anderen liegen in natürlichen Wässern (Trinkwasser, Abwasser, Oberflächenwasser, ) unzählige andere organische 68

75 Verbindungen vor, die neben den zu entfernenden Spurenstoffen ebenfalls an Aktivkohle adsorbieren können. Diese größtenteils unbekannten Hintergrund-verbindungen führen dazu, dass nicht die komplette Aktivkohlekapazität für die Spurenstoffe zur Verfügung steht. Somit herrscht Konkurrenz zwischen den Spurenstoffen und den organischen Hintergrundverbindungen. Je nach Spurenstoff kann sich diese Konkurrenz unterschiedlich stark auswirken. Im Rahmen der Untersuchungen sollten auch mögliche Parameter getestet werden, mithilfe derer die Spurenstoffadsorption einfach beschrieben werden kann. Mögliche Surrogat-parameter, die direkte Spurenstoffmessungen einsparen könnten, hätten einen großen praktischen Nutzen, da die üblichen Verfahren zur Messung von Spurenstoffen einen hohen Aufwand mit sich bringen und nicht in Echtzeit durchführbar sind Material und Methoden Untersuchte Wässer: Bei den untersuchten Wässern handelte es sich in den meisten Fällen um Ablauf der Nachklärung der Kläranlage Berlin Schönerlinde, da diese eine zentrale Bedeutung für den im Rahmen von ASKURIS erforschten urbanen Wasserkreislauf spielt. Diese Kläranlage hat eine Trockenwetterkapazität von m 3 /d und verfügt über eine mechanisch-biologische Reinigung. Teils wurden auch Trinkwasser, der Ablauf der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage (OWA) Tegel sowie die Abläufe der Kläranlagen Berlin Ruhleben, Waßmannsdorf und Münchehofe untersucht. Für spezielle Versuche zur Untersuchung bestimmter Adsorptionsmechanismen wurde das Wasser mittels verschiedener Verfahren im Labor vorbehandelt. Dazu gehörten Ultrafiltration zur Entfernung von Schwebstoffen und Mikroorganismen (Zietzschmann et al. 2014c), Nanofiltration und Umkehrosmose zur Konzentrierung bestimmter organischer Wasserinhaltsstoffe (Zietzschmann et al. 2014d), Ozonierung zur oxidativen Veränderung der organischen Wasserinhaltsstoffe (Zietzschmann et al. 2015b), Verdünnung von Wässern mittels Reinstwasser, sowie Dotierung von Spurenstoffen zur Erzeugung höherer Konzentrationen. In weiteren Versuchen wurden auch Trink- und Abwässer anderer Regionen Deutschlands untersucht. Schüttelversuche: Die verschiedenen Aktivkohlen wurden getrocknet, in Reinstwasser eingewogen und nach ausreichender Benetzungszeit aus homogenisierten Suspensionen mittels Laborpipetten in variablen Volumina zum jeweiligen Versuchswasser dosiert. Granulierte Aktivkohlen wurden vor dem Herstellen der Suspensionen in einer Mühle pulverisiert. Die mit Aktivkohle versetzten Ansätze der Versuchswässer wurden auf einem horizontalen Laborschüttler platziert, um eine gründliche Durchmischung zu gewährleisten. Nach Ablauf der jeweiligen Versuchszeit wurden die Ansätze vom Schüttler genommen und durch Membranfilter (regenerierte Zellulose, 0,45 µm Porendurchmesser) filtriert, um die suspendierte Aktivkohle zu entfernen. Daraufhin wurden Proben für die Analysen entnommen (Zietzschmann et al. 2014a). Abwandlungen dieses Versuchsdesigns beliefen sich darauf, die Versuchsansätze in Zentrifugenröhrchen herzustellen, da dadurch die pulverförmige Aktivkohle abzentrifugiert werden konnte. Dies ermöglichte eine Wiederverwendung des untersuchten Wassers und der untersuchten Aktivkohle (Zietzschmann et al. 2015a). Kleinsäulenversuche: Kleinsäulenversuche (engl. rapid small-scale column test, RSSCT) wurden gemäß Literatur durchgeführt (Crittenden et al. 1991). Hierfür wurden die untersuchten granulierten Aktivkohlen gemahlen und auf definierte Größen ( µm, µm, µm) gesiebt. Die mittleren Korndurchmesser der klassierten Mahlgüter wurden mittels digitaler Partikelmesstechnik am Fachgebiet Ingenieurgeologie der Technischen Universität Berlin abgesichert. Mit den gesiebten Fraktionen wurden dann speziell angefertigte Glassäulen (Durchmesser 7 oder 8 mm) auf Längen zwischen 69

76 0,5 und 4 cm befüllt. Die so hergestellten Filter wurden dann mit Trinkwasser oder den membranfiltrierten Abläufen der oben genannten Kläranlagen bzw. der OWA Tegel beliefert und über bis zu Leerbettvolumen betrieben. Für eine kontinuierliche Beprobung der Filterabläufe wurde ein programmierbarer Fraktionssammler umgebaut, mithilfe dessen eine zeitlich hochauf-gelöste Probenahme mehrerer Filterabläufe gleichzeitig möglich war (Zietzschmann et al. 2014c). Analytik: Die Auswahl der in die Messungen aufgenommenen Spurenstoffe belief sich auf die wesentlichen bekannten in Berliner Wässern anzutreffenden organischen Spurenstoffe, die Konzentrationen im oberen ng/l-bereich bis in den µg/l-bereich aufweisen. Für die Messung dieser organischen Spurenstoffe wurde eine Methodik basierend auf Hochleistungsflüssigchromatographie mit Tandem-Massenspektrometrie (HPLC-MS/MS) entwickelt. Es wurde eine Umkehrphasen-HPLC mit einem Lösungsmittelgradienten von wässrigem zu organischem Eluenten genutzt. Zum Einsatz kamen HPLC-Säulen der Typen Thermo Scientific Hypersil Gold und Waters XSelect HSS T3, teils in Kombination mit einer online-anreicherungssäule des Typs Thermo Scientific Hypersil Gold aq. Die Ionisierung der Analyten erfolgte mittels Elektrosprayionisierung (positiver und negativer Modus). Als Massenspektrometer wurde ein Thermo Scientific TSQ Vantage eingesetzt. Die einzelnen Analyten wurden jeweils über zwei Fragmente identifiziert, die mit der DAIOS-Datenbank abgeglichen wurden. Zur Quantifizierung wurden deuterierte interne Standards verwendet. Die Auswertung erfolgte mit der Software Thermo Scientific Xcalibur 2.1. Der gelöste organische Kohlenstoff (DOC) wurde mit einem elementar Analysensysteme variotoc Cube gemessen. Der fraktionierte DOC wurde mittels Flüssigchromatographie mit online-kohlenstoffdetektion (LC-OCD) der Firma DOC-Labor Huber gemessen (Huber et al. 2011). Die UV- Absorption bei 254 nm wurde auf einem Perkin-Elmer Lambda 12 UV/vis-Spektrometer gemessen. Berechnungen und Modellierung: Für die Berechnung der Aktivkohlebeladung wurden typische Massenbilanzen verwendet. Dabei wird die Konzentrationsdifferenz vor und nach der Adsorption durch die im Lösungsmittelvolumen befindliche Aktivkohlemasse dividiert. Als Modell für den mathematischen Zusammenhang zwischen Beladung und Konzentration wurde die Freundlich-Isotherme (vgl. Gleichung 1) herangezogen, die üblicherweise bei der Aktivkohleadsorption gut geeignet ist (Worch 2012). Gleichung 1 Gleichung 1 gilt jedoch genau genommen nur in Reinstoffsystemen und die untersuchten natürlichen Wässer sind komplexe Mehrstoffsysteme, in denen eine Vielzahl verschiedener und größtenteils unbekannter Substanzen um die Adsorptionsplätze auf der Aktivkohleoberfläche konkurriert. Um die Adsorptionskonkurrenz abzubilden, wurde das sog. Equivalent Background Compound Model (EBCM) verwendet. Das EBCM erzeugt ein fiktives Zweikomponentensystem, wobei eine Komponente der jeweilige Spurenstoff ist und die zweite Komponente fiktiv ist und für die gesamte dem Spurenstoff gegenüber auftretende Adsorptionskonkurrenz aufkommt. Somit kann die in einem Adsorptions-versuch beobachtete Adsorptionskonkurrenz anhand der fiktiven zweiten Komponente beschrieben werden (Najm et al. 1991). In Anlehnung an die Literatur wurden hier verschiedene iterative Tabellenroutinen entwickelt (Zietzschmann et al. 2015a, Zietzschmann et al. 2014d). Des Weiteren wurden sogenannte Adsorptionsanalysen (Frick and Sontheimer 1983) durchgeführt, die ähnlich dem oben beschriebenen EBCM ein fiktives Mehrkomponentensystem erzeugen. Dabei wurden bis zu vier unterschiedlich gut adsorbierbare Komponenten des DOC vorgegeben. Durch iterative 70

77 numerische Berechnung werden den fiktiven Komponenten jeweils verschiedene Anfangskonzentrationen zugeordnet. Detaillierte Gleichungen können der Literatur entnommen werden (Johannsen and Worch 1994, Sontheimer et al. 1988, Worch 2012). Teilweise wurde eine von Worch entwickelte Software verwendet (Worch 2009). Zusätzlich wurde auch im Rahmen von ASKURIS eine Tabellenroutine entwickelt, mit der Adsorptionsanalysen einfach durchführbar sind (Zietzschmann et al. 2015b). Für die Modellierung der Adsorptionskinetik, die insbesondere in Filtern mit granulierten Aktivkohlen eine wesentliche Rolle spielt wurde die auf dem Homogeneous Surface Diffusion Model (HSDM) basierende Software FAST 2.0 und FAST 2.1 verwendet (Schimmelpfennig and Sperlich 2009). Damit konnten zeitliche Verläufe der Spurenstoffkonzentration in Schüttelversuchen und Filtern mit granulierter Aktivkohle abgebildet werden. Die dabei durchgeführten Berechnungen basierten auf pseudo-einstoff- Adsorptionsgleichgewichten, was das übliche Vorgehen bei der Kinetikberechnung in Mehrstoffsystemen ist (To et al. 2008) Vergleich von Aktivkohlen Mehrere verschieden umfangreiche Screening-Versuchsreihen wurden durchgeführt, um eine fundierte Beurteilung der am Markt verfügbaren Aktivkohlen durchzuführen. Kostenlose Produktproben wurden von einer Reihe von Aktivkohleherstellern (Carbon Service and Consulting, Norit, Jacobi, DonauCarbon, Chemviron, Blücher) angefordert. Bei der Auswahl sollten verschiedene Ausgangsmaterialien mit einbezogen werden. Informationen zu den unter anderem untersuchten Pulveraktivkohlen (PAK) und granulierten Aktivkohlen (GAK) sind in Tabelle 25 Tabelle 26 und zusammengestellt. Für die Batchversuche wurden die granulierten Aktivkohlen aufgemahlen. Im Folgenden wird vornehmlich auf Ergebnisse eingegangen, die in einem breit angelegten Screening-versuch mit den 17 Aktivkohlen, die in Tabelle 25 und Tabelle 26 aufgeführt sind, und einer modifizierten (ultrafiltriert, aufgestockt mit Spurenstoffen) Probe des Kläranlagenablaufs Schönerlinde gewonnen wurden. Da alle Aktivkohlen mit Teilen derselben Probe getestet wurden, ergibt sich eine direkte Vergleichbarkeit der Ergebnisse; Charakteristika und Spurenstoff-konzentrationen der Kläranlagenablaufprobe sind in Tabelle 27 dargestellt. Tabelle 25: Untersuchte Pulveraktivkohlen und Herstellerangaben zu den Produkteigenschaften. Hersteller Carbon Service & Consulting Norit Jacobi Donaucarbon Chemviron Carbon Produkt PHC HK 950 PHC HKP 1050 PHC AZ 1050 SAE Super Aquasorb 5000 P-f Carbopal AP Carbopal CCP 90 D Carbopal MB 4 Pulsorb WP 235 Ausgangsmaterial Holzkohle Holzkohle Steinkohle Mischung Braunkohle Braunkohle Kokosnussschale Holzkohle Steinkohle BET-Oberfläche >950 > Die von den untersuchten Aktivkohlen bei Dosen von 20 mg/l und verschiedenen Adsorptionszeiten erreichten prozentualen Entfernungen des gelösten organischen Kohlenstoffs (DOC) und der UV- Absorption bei 254 nm (UV 254 ) sind in Abbildung 40 dargestellt. Generell zeigt sich eine höhere Entfernbarkeit der UV 254 als des DOC, da UV-absorbierende organische Moleküle in der Regel über ungesättigte Elektronensysteme (π-doppel- und -Dreifachbindungen und aromatische Bindungen) verfügen, deren Affinität zu Aktivkohleoberflächen tendenziell höher ist als die von gesättigten organischen Verbindungen. Aktivkohlen, die den DOC vergleichsweise gut entfernen, erreichen auch vergleichsweise gute UV 254 -Entfernungen. Die meisten getesteten Produkte kommen nach 2 h Adsorptionszeit auf 71

78 knapp 20 % DOC und % UV 254 -Entfernung. Sechs der Testkandidaten erzielen schwächere Leistungen. Es ist auch festzuhalten, dass vermeintlich typenähnliche PAK und GAK nicht zwangsläufig ähnliche Entfernungsleistungen erreichen. So erzielen die PAK HK 950 und SAE Super deutlich bessere Ergebnisse als die GAK HK 1100 und Hier liegen vermutlich Produkte vor, die verschiedenen Ausgangsmaterialien und/oder Herstellungsprozessen entspringen, obwohl die Hersteller eine Leistungsähnlichkeit dieser PAK/GAK-Produktpaare prognostiziert hatten. Bei den Produkten AZ 1050, 5000, AP / Epibon erreichen PAK und GAK vergleichbare Entfernungen. Abbildung 40: Entfernungen des gelösten organischen Kohlenstoffs (DOC) und der UV-Absorption bei 254 nm (UV 254 ) bei Aktivkohledosen von 20 mg/l und verschiedenen Adsorptionszeiten. Tabelle 26: Untersuchte granulierte Aktivkohlen (pulverisiert) und Herstellerangaben zu den Produkteigenschaften; *Iodzahl (äquivalent zu B.E.T.-Oberfläche (Worch, 2012, Zietzschmann et al., 2014a)) Hersteller Carbon Service & Consulting Norit Jacobi Donau-carbon Chemviron Carbon Blücher Produkt HC HK 1100 HC AZ Aquasorb 5000 Aquasorb CS Epibon A Cyclecarb 401 Saratech Ausgangsmaterial Holzkohle Steinkohle Mischung Braunkohle Kokosnussschale Steinkohle, Reaktivat Synthetik BET-Oberfläche 1100 > >900*

79 Entfernung [%] mg AK/L 10 min 30 min 2 h 48 h Benzotriazol Entfernung [%] Carbamazepin 100 Entfernung [%] Diclofenac Sulfamethoxazole 75 Entfernung [%] Carbon Service & Consulting Donaucarbon Carbon Service & Consulting Jacobi Chemviron Norit Jacobi Chemviron Norit Donaucarbon Blücher Pulveraktivkohlen granulierte Aktivkohlen Abbildung 41: Entfernungen verschiedener Spurenstoffe bei Aktivkohledosen von 20 mg/l und verschiedenen Adsorptionszeiten. 73

80 Tabelle 27: Charakterisierung des im Aktivkohlevergleich untersuchten Kläranlagenablaufs (organische Spurenstoffe in µg/l). UV 254nm [1/m] DOC [mg/l] Acesulfam Amidotrizoesäure Benzo-triazorat Beza-fib- Carbamazepin Diclofenac 4-Formylaminoantipyrin Gabapentin Iome-prol Iopromid Methylbenzo-triazol Metoprolol Primidon Sulfamethoxazol 26,1 10, , ,3 12 1,7 2,1 Zur Diskussion der Spurenstoffentfernungen, die von den getesteten Produkten erreicht werden, wird im Folgenden auf die weit verbreiteten Spurenstoffe Benzotriazol (Korrosionsschutzmittel), Carbamazepin (Antiepileptikum), Diclofenac (Schmerzmittel und Entzündungshemmer) sowie Sulfamethoxazol (Antibiotikum) näher eingegangen. Die von den Testkandidaten bei Dosen von 20 mg/l nach verschiedenen Adsorptionszeiten erreichten Entfernungen der oben genannten Spuren-stoffe sind in Abbildung 41 zusammengefasst. Es zeigt sich, dass die Aktivkohlen je nach Spurenstoff unterschiedlich gut abschneiden. Beispielsweise entfernt die PAK 90 D Benzotriazol besonders gut, erreicht jedoch bei Diclofenac und Sulfamethoxazol nur sehr schwache Entfernungen. Die Produkte AZ 1050, SAE Super, 5000 P-f, AP und die GAK AZ 1050, 5000, Epibon liefern bei allen Spurenstoffen vergleichsweise gute Entfernungen. Die GAK Saratech ist ein synthetisches Produkt und wird wegen der sehr hohen Kosten hier nicht bewertet. Abbildung 41 zeigt außerdem, dass die Aktivkohlen unterschiedlich schnell in der jeweiligen Adsorption sind. Die PAK HK 950 erreicht zum Beispiel bereits nach 10 min Entfernungen, die nahe an denen nach 48 h Adsorptionszeit (Adsorptionsgleichgewicht) liegen. Dagegen liegen die Unterschiede zwischen den getesteten Adsorptionszeiten bei den anderen Produkten wesentlich weiter auseinander. Dies ist je nach Szenario für die praktische Anwendung von erheblicher Bedeutung, da in Anlagen im Pilot- oder Großmaßstab in der Regel nicht ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um das Adsorptionsgleichgewicht zu erreichen. Bereits vor dem hier dargestellten Vergleich von 17 Aktivkohlen konnte in einem kleineren Screening gezeigt werden, dass gängige Kennzahlen (B.E.T.-Oberfläche, Iodzahl, Nitrobenzolzahl) zur Leistungscharakterisierung von Aktivkohlen wenig hilfreich sind, wenn die Fähigkeit zur Spurenstoffentfernung abgeschätzt werden soll. Mittels der Nitrobenzolzahl konnten immerhin Rückschlüsse auf die Entfernungsleistung bezüglich des Stoffes Benzotriazol gezogen werden. Allerdings sind Benzotriazol und Nitrobenzol von ähnlicher Struktur und vergleichsweise sehr gute Adsorptive. In diesen Versuchen konnte auch gezeigt werden, dass unabhängig vom Aktivkohleprodukt die Entfernungen vieler der gemessenen Spurenstoffe mit der Entfernung von UV 254 korrelieren (Zietzschmann et al. 2014a, Zietzschmann et al. 2014b). In Abbildung 42 ist dieser Zusammenhang anhand der Stoffe Diclofenac und Sulfamethoxazol unter Einbeziehung aller 17 Aktivkohlen gezeigt. Die Abbildung enthält die Datenpunkte aller Produkte bei allen getesteten Dosen und einer Adsorptionszeit von 30 min. Für Diclofenac ergibt sich ein enger Bereich, in dem UV und Diclofenac-Entfernung liegen. Der Bereich ist im Falle von Sulfamethoxazol weiter. Gemäß Abbildung 42 kann mittels der UV 254 -Entfernung die Spurenstoff-Entfernung unabhängig vom Aktivkohleprodukt abgeschätzt werden. Beispielsweise kann bei einer UV 254 -Entfernung von 20 % mit Diclofenac-Entfernungen von % gerechnet werden. Der Schwankungsbereich hängt dabei vom betrachteten Spurenstoff ab. Für die Spurenstoffe Bezafibrat, Carbamazepin und Metoprolol ergeben sich ähnliche Zusammenhänge wie für Diclofenac, für 4- Formylaminoantipyrin, Iomeprol, Iopromid, Methylbenzotriazol, Primidon und Valsartan liegen die Graphen in einem ähnlichen Streuungsbereich wie bei Sulfamethoxazol. Bei Spurenstoffen, die sehr schlecht adsorbierbar sind (Acesulfam, Amidotrizoesäure, Gabapentin) oder vergleichsweise kleine Molekülgrößen haben (Benzotriazol), streuen die Datenpunkte teils sehr stark. Für diese Spurenstoffe gibt es keine vom Aktivkohleprodukt unabhängigen Zusammenhänge. Allerdings gibt es im Falle von 74

81 Benzotriazol für jede Aktivkohle einzeln betrachtet eine Korrelation zwischen Spurenstoffentfernung und UV 254 Entfernung. Werden alle gemessenen Spurenstoffe einbezogen, wird ein Zusammenhang zwischen der gemittelten Spurenstoffentfernung der Aktivkohlen und der UV 254 -Entfernung erkenntlich. Folglich kann die durchschnittliche Spurenstoffentfernungsleistung einer Aktivkohle über ihre UV Entfernungs-leistung abgeschätzt werden (Sperlich et al. 2014, Zietzschmann et al. 2014a). Diclofenac-Entfernung [%] Diclofenac 30 min UV 254 -Entfernung [%] Sulfameth.-Entfernung [%] Sulfamethoxazol 30 min UV 254 -Entfernung [%] Aktivkohle: HK 950 HKP 1050 AZ 1050 SAE Super 5000 P-f AP CCP 90 D MB 4 PS 235 HK 1100 AZ CS Epibon A CC 401 Saratech Abbildung 42: Entfernungen der Spurenstoffe Diclofenac (links) und Sulfamethoxazol (rechts) aufgetragen gegen die UV 254 -Entfernungen, die von den getesteten Produkten bei allen untersuchten Aktivkohledosen und einer Adsorptionszeit von 30 min erreicht wurden Konkurrenz verursachende Stoffe des gelösten organischen Hintergrunds Modellsubstanzen als fiktiver gelöster organischer Hintergrund Weitergehende Versuche mit Reinstwasser zielten auf die Konkurrenz zwischen Spurenstoffen und organischen Modellstoffen, wobei letztere als fiktive gelöste organische Hintergrundverbindungen fungierten. Damit sollten die maßgeblichen Eigenschaften der konkurrenzverursachenden Stoffe näher eingegrenzt werden. Es wurden 23 Modellverbindungen einzeln zu jeweils 10 mg C/L kohlenstoffäquivalent in spurenstoffhaltigem Reinstwasser gelöst und Adsorptionsbatchversuche durchgeführt. Die als fiktiver Hintergrund eingesetzten Modellverbindungen variierten in den Eigenschaften Molekülgröße/Struktur, Hydrophilie/Polarität und Aromatizität/Bindungscharakter. Die Entfernung der Modellverbindungen, ausgedrückt über die DOC-Entfernung, ist für eine PAK-Dosis von 75 mg/l und Adsorptionszeiten von 0.5 und 48 h in Abbildung 43 dargestellt. Anhand verschieden großer Polyethylenglycole (PEG) wird ersichtlich, dass eine steigende Molekülgröße bei sonst weitgehend gleichbleibenden Moleküleigenschaften zu gesteigerter Adsorbierbarkeit führt. Durch den Vergleich der Entfernungen bei 0.5 und 48 h zeigt sich eine höhere Adsorptions-geschwindigkeit bei kleineren PEG ( ) als bei größeren PEG ( ). Ähnliches lässt sich auch bei verschieden langen Alkanolen beobachten (Pentanol, Hexanol, Heptanol). Die größere Kompaktheit des Cyclohexanolmoleküls gegenüber dem Hexanolmolekül führt zu einer geringeren Adsorbierbarkeit von Cyclohexanol. Analog lässt sich dies bei Cyclohexandiol/Hexandiol beobachten. Die Daten zu Monoaromaten mit unterschiedlicher Anzahl an Carbonsäuregruppen (Benzoesäure, Phthalsäure, Trimesinsäure, Tetracarbonsäure) zeigen, dass eine steigende Hydrophilie/Polarität zu geringerer Adsorbierbarkeit führt. Dies verdeutlicht sich auch an der besseren Adsorbierbarkeit von Hexanol gegenüber Hexandiol/Hexantriol. Die Unterschiede der Entfernungen zwischen Pentanol, Pentenol und Pentynol fallen vergleichsweise gering aus der Bindungscharakter scheint hier einen untergeordneten Einfluss zu haben. Allerdings sind 75

82 die Größen dieser Moleküle so gering (Molekülgewichte 88,2 g/mol), dass generell wenig Möglichkeiten für Wechselwirkungen mit der Aktivkohleoberfläche bestehen. Die Adsorptionsunterschiede zwischen Phenol, Dibenzol und Tribenzol lassen sich mithilfe von Unterschieden der jeweils auftretenden mesomeren Effekte (+M-Effekt) und Hydrophilie erklären. Einerseits fungieren Alkoholgruppen aktivierend auf das aromatische Elektronensystem, andererseits erhöhen sie die Hydrophilie der jeweiligen Verbindung. Beim Dibenzol scheint die zweite Alkoholgruppe eine ausgeprägtere Mesomerie zu bewirken, welche die erhöhte Hydrophilie überwiegt. Beim Tribenzol wiederum führt die dritte Alkoholgruppe wohl zu einer verstärkten Hydrophilie während die zusätzliche Mesomerie untergeordnet ist. Der Vergleich von Phenol mit Cyclohexanol und Di-benzol mit Cyclohexandiol zeigt, dass Aromatizität einen starken Effekt auf die Adsorbierbarkeit hat. Die Grundstruktur von Aktivkohle ist von aromatischer Natur, weswegen aromatische Adsorptive besonders gut mit ihr wechselwirken können und sich bevorzugt an sie anlagern. DOC-Entfernung [-] mg PAC/L 0.5 h 48 h 0 Abbildung 43: Entfernung der als fiktiver organischer Hintergrund eingesetzten Modellsubstanzen, ausgedrückt über die DOC-Entfernung, bei einer PAK-Dosis von 75 mg/l (SAE Super); PEG: Polyethylenglycol. Die nach 0.5 und 48 h bei einer Aktivkohledosis von 2,5 mg/l erreichten Entfernungen der Spurenstoffe Benzotriazol, Carbamazepin, Iopromid und Sulfamethoxazol vor den verschiedenen als fiktiver organischer Hintergrund eingesetzten Modellsubstanzen sind in Abbildung 44 gezeigt. Die zwei am weitesten links befindlichen Säulen geben die Referenzadsorption der Spurenstoffe in Reinstwasser ohne zusätzliche organische Modellkonkurrenten wieder. Bei guten Adsorptiven wie Carbamazepin (ähnlich verhalten sich Bezafibrat und Diclofenac) wird die Adsorption durch die meisten konkurrenzverursachenden Modellstoffe gegenüber der Referenz nur wenig verschlechtert. Bei den schwächeren Adsorptiven Iopromid und Sulfamethoxazol fallen die negativen Beeinträchtigungen stärker aus. Benzotriazol als gutes Adsorptiv aber sehr kleines Molekül wird vergleichsweise stark von kleineren Konkurrenten an der Adsorption gehindert. Tendenziell gilt, dass die Spurenstoffe einer größeren Adsorptionskonkurrenz ausgeliefert sind, wenn die konkurrierenden Modellverbindungen gut adsorbieren (vgl. Abbildung 43). Allerdings zeigen sich teils auch davon abweichende Adsorptionsverhalten. So adsorbieren beispielsweise Phenol, Dibenzol und Tribenzol vergleichsweise gut, stören die Adsorption der gut adsorbierbaren Spurenstoffe aber nur relativ schwach. Zum Beispiel adsorbiert Heptanol schlechter als Phenol oder Dibenzol. Dennoch verursacht Heptanol eine stärkere Konkurrenz gegenüber der Adsorption von beispielsweise Carbamazepin. Schwache Adsorptive wie Sulfamethoxazol und Iopromid hingegen werden durch die Adsorption von Phenol/Dibenzol/Tribenzol weitaus stärker beeinträchtigt. Zudem 76

83 wirkt sich eine steigende Anzahl an Alkoholgruppen an diesen Aromaten negativ aus, was anhand der reinen DOC-Daten der Modellstoffadsorption (vgl. Abbildung 43) nicht erkenntlich ist. Es zeigt sich ferner, dass die Adsorption des üblicherweise guten Adsorptivs Benzotriazol vergleichsweise stark durch die Anwesenheit der fiktiven Modellstoffe verschlechtert wird. Dies ist vermutlich auf die geringe Molekülgröße des Benzotriazols zurückzuführen, die im Bereich der Molekülgrößen der meisten untersuchten Modellkonkurrenten liegt. Dementsprechend konkurrieren diese Modellstoffe mit Benzotriazol stärker um ähnliche Adsorptionsplätze auf der Aktivkohleoberfläche als mit Spurenstoffen von höherer Molekülgröße. Dies zeigt sich insbesondere bei den aromatischen Modell- Konkurrenzverursachern (Benzoesäure, Phenol, Dibenzol, ), welche neben einer ähnlichen Molekülgröße auch eine ähnliche Molekülstruktur wie das Benzotriazol aufweisen. Dass Benzotriazol teilweise in sehr kleine Poren der Aktivkohle eindringen kann, wird auch anhand der Adsorption in Gegenwart verschieden großer PEG deutlich. Die Adsorbierbarkeit der PEG selbst steigt deutlich mit zunehmender Größe. Auf die Benzotriazol-Adsorption scheint dies jedoch weitgehend folgenlos zu bleiben die Benzotriazolentfernungen liegen bei allen PEG in einem ähnlichen Bereich Natürlicher gelöster organischer Hintergrund Neben den als fiktive Konkurrenzverursacher eingesetzten Modellstoffen wurden insbesondere natürliche organische Wasserinhaltsstoffe als Adsorptionskonkurrenten gegenüber den Spurenstoffen intensiv untersucht. Hier dienten verschiedene Vorbehandlungen dazu, die organische Wassermatrix gezielt zu verändern, um im Anschluss Versuche zur Spurenstoffadsorption durchzuführen. Außerdem wurden Adsorptionstests an verschiedenen Wässern (Trinkwasser, Abwasser, Oberflächenwasser) durchgeführt, wodurch weitere Rückschlüsse auf die natürlichen organischen konkurrenz-verursachenden Stoffe gezogen werden konnten. Mittels verschiedenen Membranfiltrationstechniken (Ultrafiltration, Nanofiltration, Umkehrosmose), Abreicherung, Verdünnung und Spurenstoffaufstockung wurde Kläranlagenablauf so modifiziert, dass die organischen Wasserinhaltsstoffe der Größe nach getrennt wurden, die Gesamtkonzentration der enthaltenen Organik aber nahezu unverändert belassen wurde. Durch die Wahl einer geeigneten Nanofiltrationsmembran wurde die Trennung im Molekülgrößenbereich der untersuchten Spurenstoffe vorgenommen. Demzufolge konnte ein Wasser, das vornehmlich vergleichsweise kleine organische Moleküle enthielt, mit einem Wasser, das hauptsächlich große Organik beinhaltete, verglichen werden. Als Referenz wurde der nicht nanofiltrierte Kläranlagenablauf ebenfalls in Adsorptionsversuchen mitgeführt. Mit diesen Versuchen konnte untersucht werden, wie stark die Adsorptionskonkurrenz durch verschieden große organische Wasserinhaltsstoffe, die im Kläranlagen-ablauf enthalten sind, ausfällt. Mittels Adsorptionsanalysen, die anhand der Aktivkohlebeladungen mit gelöstem organischem Kohlenstoff (DOC) für das jeweilige Wasser modelliert wurden, konnte außerdem die Adsorbierbarkeit der erzeugten DOC-Fraktionen beschrieben werden. Außerdem wurde die gemessene Spurenstoffadsorption mittels des Equivalent Background Compound Models (EBCM) modelliert, wodurch eine quantitative Bewertung der Adsorptionskonkurrenz ermöglicht wurde. 77

84 Entfernung [%] Benzotriazol 2,5 mg PAC/L 0,5 h 48 h 0 Entfernung [%] Carbamazepin 2,5 mg PAC/L 0,5 h 48 h Entfernung [%] Iopromid 2,5 mg PAC/L 0,5 h 48 h 0 Entfernung [%] Sulfamethoxazol 2,5 mg PAC/L 0,5 h 48 h 0 Abbildung 44: Entfernung von Spurenstoffen in Anwesenheit verschiedener organischer Modellstoffe bei einer Pulveraktivkohledosis von 2,5 mg/l (SAE Super) und Adsorptionszeiten von 0,5 und 48 h; PEG: Polyethylenglycol. Die Chromatogramme der Flüssigchromatographie mit online-kohlenstoffdetektion (LC-OCD), die für die untersuchten Wässer gemessen wurden, sind Abbildung 45 dargestellt. Zusätzlich werden auch Chromatogramme dargestellt, die nach Aktivkohleadsorption ermittelt wurden. Die Abbildung enthält auch die Bezeichnungen der typischen Fraktionen (Huber et al. 2011). Mit steigender Molekülgröße eluieren die organischen Verbindungen wegen Größenausschluss auf der Chromatographiesäule früher. Anhand dieses Effekts wird die durch die Vorbehandlung hervorgerufene Trennung der gelösten Organik des Kläranlagenablaufs in verschieden große Fraktionen deutlich. Das Nanofiltrationsretentat 78

85 enthält hauptsächlich früh eluierende große Huminstoffe und Building Blocks und wenig niedermolekulare Stoffe. Demgegenüber stehen vergleichsweise spät eluierende Verbindungen des Umkehrosmoseretentats, die vor allem aus niedermolekularen Säuren und Neutralstoffen bestehen. Die Chromatogramme nach Adsorption zeigen, dass zwischen 0.5 und 48 h größeren Unterschiede im ursprünglichen Kläranlagenablauf und im Nanofiltrationsretentat bestehen als im Umkehrosmoseretentat. Dies deutet auf eine schnellere Adsorption der niedermolekularen gegenüber den höhermolekularen Verbindungen hin. Die Ergebnisse der Adsorptionsanalysen, die die Adsorbierbarkeit des DOC charakterisieren, sind in Abbildung 46 dargestellt. Für die höhermolekularen Verbindungen des Nanofiltrationsretentats wurden höhere Konzentrationen an schwächer adsorbierbaren Verbindungen (niedrige Freundlich- Koeffizienten K F ) modelliert als für die ursprüngliche Organik des Kläranlagenablaufs. Im Gegensatz dazu ergeben die Modellrechnungen im Fall der niedermolekularen Organik des Umkehrosmoseretentats höhere Konzentrationen an gut adsorbierbaren Komponenten (hohe Freundlich-Koeffizienten K F ). Damit wird die These belegt, dass kleinere organische Hintergrundverbindungen des Kläranlagenablaufs tendenziell besser adsorbierbar sind als größere. 15 verdünntes NF-Retentat 10 blind 75mg/L 0.5h 75mg/L 48h Kläranlagenablauf OC-Signal [-] 10 5 Biopolymere Huminstoffe Building Blocks Niedermol. Säuren Niedermol. Neutralstoffe 0 15 UO-Retentat Retentionszeit [min] Abbildung 45: LC-OCD-Chromatogramme der per Kombination von Membranfiltrationstechniken erzeugten Wässer, vor und nach PAK-Adsorption, mit Fraktionsbezeichnern; NF: Nanofiltration, UO: Umkehrosmose (nach Zietzschmann et al. (2014d)). 79

86 Anteil am DOC [%] n=0.25 K F : NF-Ret. verd. UO-Ret. NF-Ret. verd. Kläranabl. Kläranabl. UO-Ret. 0.5 h 48 h Abbildung 46: Anteile verschieden adsorbierbarer fiktiver Komponenten am gelösten organischen Kohlenstoff (DOC) in den per Kombination von Membranfiltrationstechniken erzeugten Wässern gemäß Adsorptionsanalyse; NF: Nanofiltration, UO: Umkehrosmose (nach Zietzschmann et al., 2014d). Entfernung [%] mg PAK / L 48 h NF-Retentat verd. Kläranlagenablauf UO-Retentat 0 Abbildung 47: Entfernungen ausgewählter Spurenstoffe in den per Kombination von Membranfiltrationstechniken erzeugten Wässern bei einer PAK-Dosis von 20 mg/l und 48 h Adsorptionszeit; NF: Nanofiltration, UO: Umkehrosmose (nach Zietzschmann et al., 2014d). Die Entfernungen ausgewählter Spurenstoffe in den fraktionierten Wässern und dem ursprünglichen Kläranlagenablauf sind in Abbildung 47 für eine Aktivkohledosis von 20 mg/l und eine Adsorptionszeit von 48 h dargestellt (nach Zietzschmann et al. (2014d)). Die Entfernung der Spurenstoffe nimmt vom Umkehrosmoseretentat über den ursprünglichen Kläranlagenablauf zum Nanofiltrationsretentat zu. Dieser Effekt ist insbesondere bei schwachen Adsorptiven wie Iopromid und Sulfamethoxazol stark ausgeprägt. Die kleinere Hintergrundorganik des Umkehrosmoseretentats sorgt für eine Verschlechterung der Spurenstoffadsorption gegenüber der Organik des ursprünglichen Kläranlagen-ablaufs, während die größere Hintergrundorganik des Nanofiltrationsretentats zu einer allgemein besseren Adsorption der Spurenstoffe führt. Dementsprechend kann geschlussfolgert werden, dass niedermolekulare Verbindungen die Hauptverursacher der Adsorptionskonkurrenz in Kläranlagen-ablauf sind. Diese Beobachtung kann auch dahingehend gedeutet werden, dass eine direkte Konkurrenz um Adsorptionsplätze auf der Aktivkohleoberfläche bedeutendere Effekte hat als eine indirekte Konkurrenz, die durch Verblockung von Zuleitungsporen im inneren Porensystem der Aktivkohle verursacht wird. Beim sehr schwachen Adsorptiv Gabapentin (Daten nicht gezeigt) unterscheiden sich die Entfernungen in 80

87 den verschiedenen Wässern kaum. Hier ist die generell extrem schlechte Adsorbierbarkeit ausschlaggebender als die Adsorptionskonkurrenz, die von Verbindungen des organischen Hintergrunds hervorgerufen wird. q [µg/mg] 10 1 K F c 0 NF-Ret. verd Kläranlabl UO-Ret Benzotriazol NF-Ret. verd. Kläranlabl. UO-Ret K F c 0 NF-Ret. verd Kläranlabl UO-Ret Diclofenac q [µg/mg] 10 1 K F c 0 NF ret. dil raw water RO retentate Iopromid 10 1 K F c 0 NF-Ret. verd Kläranlabl UO-Ret Sulfamethox c [µg/l] c [µg/l] Abbildung 48: Gemessene und mit dem EBCM modellierte Isothermen ausgewählter Spurenstoffe in den per Kombination von Membrantechniken erzeugten Wässern, mit modellierten Freundlich- Koeffizienten KF und Ausgangskonzentrationen der EBC c 0 in [nmol/l]; NF: Nanofiltration, UO: Umkehrosmose (nach Zietzschmann et al., 2014d). Abbildung 48 zeigt die gemessenen und die mit dem EBCM errechneten Spurenstoffbeladungen der Aktivkohle über den korrespondierenden Konzentrationen nach 48 h Adsorptionszeit. Die Abbildung enthält auch die im Modell errechneten Charakteristika der fiktiven Konkurrenzkomponente in den einzelnen Wässern. In allen Fällen werden über den gesamten Konzentrationsbereich die höchsten Beladungen im Nanofiltrationsretentat erreicht. Im Umkehrosmoseretentat werden durchweg die niedrigsten Beladungen erzielt. Die Beladungen im ursprünglichen Kläranlagenablauf liegen zwischen denen der beiden fraktionierten Wässer. Dies spiegelt sich auch in den errechneten Modelldaten wider. Die Konzentrationen der Konkurrenzkomponenten sind im Umkehrosmoseretentat in allen Fällen mindestens doppelt so hoch wie im Nanofiltrationsretentat. Bei den schwachen Adsorptiven Iopromid und Sulfamethoxazol gilt ähnliches auch für den Freundlich-Koeffizienten der Konkurrenz-komponente. Im Fall von Sulfamethoxazol werden die Unterschiede insbesondere im Bereich hoher Konzentrationen erkenntlich, da starke Unterschiede in der Form der Isothermen ermittelt wurden. Dies führt bei Konzentrationen >10 µg/l zu Beladungsunterschieden von beinahe einer 10er-Potenz. Die Ozonierung ist ein weiteres im Rahmen von ASKURIS untersuchtes Verfahren zur Veränderung der natürlichen organischen Wasserinhaltsstoffe und der damit einhergehenden Veränderung der Spurenstoffadsorption an Aktivkohle. Durch die Oxidation mit Ozon verändern sich die physiko-chemischen Eigenschaften organischer Moleküle. Einerseits entstehen sauerstoffhaltige Gruppen in den ozonierten Molekülen. Andererseits können Strukturen aufgebrochen werden und größere Verbindungen in kleinere Fragmente zerlegt werden. Ozon greift bevorzugt elektronenreiche Molekülstrukturen an, 81

88 zum Beispiel aromatische Systeme und Doppelbindungen. Dementsprechend verändert sich die Bindungsstruktur ozonierter Moleküle und die Aromatizität verringert sich. Um weitgehend konstante Konzentrationen der gelösten Organik zu erhalten und somit rein den Einfluss der Ozonierung untersuchen zu können, wurde eine Probe des Kläranlagenablaufs Berlin Ruhleben ultrafiltriert. Daraufhin wurden verschiedene spezifische Ozonzehrungen auf den Kläranlagenablauf angewendet. Damit wurden unterschiedlich starke Oxidationsgrade der gelösten Organik erreicht. Nach der Ozonierung wurden die verschieden ozonierten Wässer mit einer Auswahl an Spurenstoffen aufgestockt, so dass alle Wässer vergleichbare Ausgangskonzentrationen dieser Spurenstoffe enthielten. Anschließend wurden Adsorptionsbatchversuche durchgeführt mg PAK / L Huminstoffe Building Blocks Säuren mg PAK / L sp. O 3 -Zehrung [mg O 3 / mg DOC] Biopolymere Neutralstroffe mg PAK / L 0.5 h mg PAK / L, 0.5 h OC-Signal [-] 6 4 UV-Signal [-] mg PAK / L 48 h mg PAK / L, 48 h Retentionszeit [min] Retentionszeit [min] Abbildung 49: Kohlenstoff- (OC) und UV 254 -Chromatogramme verschieden stark vorozonierter Wässer vor (oben) und nach (Mitte & unten) Aktivkohleadsorption; mit Fraktionsbezeichnern (nach Zietzschmann et al. (2015b)). Die Kohlenstoff- und UV 254 -Chromatogramme der Flüssigchromatographie mit online-kohlenstoff-detektion (LC-OCD) vor und nach Aktivkohleadsorption sind für zwei unterschiedlich stark ozonierte Wässer sowie das nicht ozonierte Ausgangswasser in Abbildung 49 dargestellt. Anhand der Kohlenstoffsignale wird erkenntlich, dass die Konzentrationen früh eluierender großer organischer Verbindungen durch die Ozonierung verringert werden. Dadurch steigen die Intensitäten der Fraktionen, die länger 82

89 in der Chromatographie zurückgehalten werden und damit kleiner sind, insbesondere der niedermolekularen Säuren. Daran wird ersichtlich, dass die Ozonierung generell zu einer Verkleinerung der gelösten Organik führt und vor allem Verbindungen entstehen, die polarer sind als die ursprünglichen Stoffe. Die UV 254 -Chromatogramme zeigen eine über alle Retentionszeiten erfolgende weitgehend einheitliche Abnahme der UV-Aktivität als Folge der Ozonierung. Dies unterstreicht die Veränderung der chemischen Bindungsstruktur der ozonierten Organik. Da UV 254 vor allem von aromatischen organischen Verbindungen hervorgerufen wird, geht mit der UV 254 -Verringerung eine Abnahme der Aromatizität der im Wasser enthaltenen Organik einher. Somit lassen sich die Effekte der Ozonierung zusammenfassen als Verringerung der Größe und Aromatizität und Erhöhung der Hydrophilie/Polarität. Diese Effekte haben direkten Einfluss auf die Adsorbierbarkeit der Organik an Aktivkohle, was mittels der Chromatogramme nach Aktivkohleadsorption sowie der Ergebnisse der Adsorptionsanalysen, die in Abbildung 50 aufgeführt sind, sichtbar wird. Mit steigender spezifischer Ozonzehrung adsorbiert die Organik schlechter. Außerdem adsorbieren die organischen Moleküle nach Ozonierung schneller die Unterschiede zwischen 0,5 und 48 h Adsorption nehmen mit steigender spezifischer Ozonzehrung ab. Dies ist auf eine begünstigte Kinetik der kleineren Moleküle, die durch die Ozonierung entstehen, zurückzuführen. c/c DOC [%] K F [(mg/g)*(l/mg) n ] Spezifische O 3 -Zehrung [mg/mg] Abbildung 50: Anteile verschieden adsorbierbarer fiktiver Komponenten am gelösten organischen Kohlenstoff (DOC) in den verschieden stark vorozonierten Wässern gemäß Adsorptionsanalyse (nach Zietzschmann et al. (2015b)). Die adsorptive Entfernung mehrerer Spurenstoffe in den verschieden vorozonierten Wässern ist in Abbildung 51 für 0,5 und 48 h Adsorptionszeit und eine Aktivkohledosis von 20 bzw. 10 mg/l dargestellt. Mit zunehmender spezifischer Ozonzehrung steigt die Entfernung der Spurenstoffe. Somit verringert sich die von den organischen Hintergrundverbindungen hervorgerufene Adsorptionskonkurrenz je stärker diese vor der Aktivkohleadsorption der Ozonoxidation ausgesetzt werden. Diese Effekte werden hervorgerufen durch die verringerte Aromatizität und die erhöhte Hydrophilie/Polarität der ozonierten Organik. Wie weiter oben gezeigt wurde (vgl. Abschnitt zur Nanofiltrations-basierten Veränderung der Hintergrund-Organik), sind Verbindungen geringerer Größe tendenziell stärkere Konkurrenzverursacher. Die mit der Ozonierung einhergehende Zerkleinerung der Organik scheint in diesem Effekt jedoch von der Aromatizitätsverringerung und der Polaritätserhöhung mehr als aufgewogen zu werden. Insbesondere bei schwachen Adsorptiven wirkt sich die durch Ozon-induzierte Veränderung der Konkurrenzsituation zuträglich auf die Aktivkohle-adsorption aus. So können die Entfernungen der mäßig bis schwach adsorbierbaren Spurenstoffe Iopromid und Sulfamethoxazol bei gleicher PAK-Dosis durch die Vorbehandlung mit Ozon mehr als verdoppelt werden. Ähnliches zeigt sich auch für andere, hier nicht gezeigte Spurenstoffe wie 4-Formylaminoantipyrin. Dies kann bei Verfahrenskombinationen aus Ozonierung und Aktivkohle-adsorption eine Rolle spielen. Beispielsweise werden Ozonstufen oft um nachgeschaltete Aktivkohle-filter erweitert, da so eine weitgehende Zehrung des durch das Ozon 83

90 eingetragenen Sauerstoffs erreicht werden soll. Außerdem können Transformationsprodukte der Ozonierung mithilfe der Aktivkohle dem Wasser entzogen werden (Guzzella et al. 2002). Die hier gezeigten Daten belegen, dass auch bei der Spurenstoffentfernung Synergien zu erwarten sind. Dies bestätigen auch die gemessenen und per EBCM modellierten Adsorptionsisothermen (Daten hier nicht gezeigt). Insbesondere bei guten Adsorptiven wie Benzotriazol und Diclofenac haben bereits geringe spezifische Ozonzehrungen einen deutlichen begünstigenden Effekt auf die Adsorption. Ähnliche Vorteile werden bei Sulfamethoxazol erst bei höheren spezifischen Ozonzehrungen in der Vorbehandlung erreicht (Zietzschmann et al., 2015b) Carbamazepin Entfernung [%] h 20 mg PAK/L (Gabapentin: 150 mg/l) h 10 mg PAK/L (Gabapentin: 75 mg/l) Benzotriazol Iopromid Gabapentin Sulfamethoxazol sp. O 3 -Zehrung [mg/mg] sp. O 3 -Zehrung [mg/mg] Abbildung 51: Entfernungen verschiedener Spurenstoffe in den verschieden stark vorozonierten Wässern nach Aktivkohlebehandlung (nach Zietzschmann et al. (2015b)). Neben den oben beschriebenen künstlichen Veränderungen der organischen Wassermatrix wurden auch verschiedene Wassertypen verwendet, um Unterschiede in der Zusammensetzung der Organik untersuchen zu können. Dabei wurden Trinkwässer, Wasser des Tegeler Sees, Ablauf der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage (OWA) Tegel und Kläranlagenabläufe miteinander verglichen. Um eine möglichst hohe Vergleichbarkeit zu erreichen, wurden die Wässer durch Verdünnung in ihren Konzentrationen an gelöstem organischem Kohlenstoff (DOC) angeglichen. Außerdem wurden die Wässer so mit Spurenstoffen aufgestockt, dass vergleichbare Ausgangskonzentrationen vorlagen. Damit konnte direkt der Einfluss verschiedener Typen an organischer Wassermatrix auf die Spurenstoffadsorption getestet werden. Die in den verschiedenen Wassermatrices ermittelten Adsorptionsisothermen (Aktivkohlebeladung mit Spurenstoff über Konzentration des Spurenstoffs in der wässrigen Phase) der Spurenstoffe Benzotriazol, Diclofenac und Sulfamethoxazol sind in Abbildung 52 zusammengefasst. Generell liegen die Isothermen in Trinkwasser am höchsten, gefolgt von denen in Seewasser und denen im Ablauf der OWA Tegel. Die Isothermen in den vier getesteten Kläranlagenabläufen befinden sich darunter. Aufgrund der vor den Versuchen durchgeführten Maßnahmen zur Angleichung der gelösten organischen Stoffe (DOC) und der untersuchten Spurenstoffe lassen sich die Unterschiede in der Spurenstoffadsorption, die in den Wässern beobachtet werden können, direkt auf verschieden starke Konkurrenzsituationen zurückführen. Die Adsorptionskonkurrenz in Trinkwasser ist tendenziell günstiger für die Spurenstoffadsorption als in Oberflächenwasser oder Kläranlagenablauf. Ausgehend vom Kläranlagenablauf über den OWA-Ablauf über Seewasser hin zum Trinkwasser verlängert sich die jeweilige Aufenthaltszeit der Wässer in natürlicher Umgebung. Mit dieser Verlängerung steigen die Möglichkeiten, dass noch nicht abgebaute Verbindungen des organischen Kohlenstoffs mikrobiell und/oder chemisch umgewandelt werden. Üblicherweise steigert sich durch den Umbau die Bioverfügbarkeit 84

91 chemischer Verbindungen, was in der Regel mit einer Steigerung der Hydrophilie einhergeht. Dies erklärt, warum die Spurenstoff-adsorption in den Wässern mit längerer natürlicher Verweilzeit günstiger abläuft. Ferner erklärt dies auch, warum die Isothermen der vier getesteten Kläranlagenabläufe in einem sehr ähnlichen Bereich liegen. Offenbar erreichen die Kläranlagen beim Ab- und Umbau gelöster organischer Verbindungen vergleichbare Ergebnisse. Dies schlägt sich darin nieder, dass die nach Aufbereitung enthaltenen gelösten organischen Verbindungen in allen Fällen eine vergleichbare Adsorptionskonkurrenz gegen die Spurenstoffe ausüben. q [µg/mg] q [µg/mg] Benzotriazol, 48h c 0 ~30µg/L DOC 0 ~5mg/L c [µg/l] Trinkwasser 6Tegeler See OWA Tegel 4Schönerlinde Ruhleben Münchehofe 2 Wassmannd. 0 Diclofenac, 48h c 0 ~30µg/L DOC 0 ~5mg/L q [µg/mg] c [µg/l] 2 Trinkwasser Tegeler See 1.5 OWA Tegel Schönerlinde 1 Ruhleben Münchehofe 0.5 Sulfameth., 48h Wassmannd. c 0 ~30µg/L DOC 0 ~5mg/L c [µg/l] Trinkwasser Tegeler See OWA Tegel Schönerlinde Ruhleben Münchehofe Wassmannd. Abbildung 52: Adsorptionsisothermen von Benzotriazol, Diclofenac und Sulfamethoxazol bei einer Startkonzentration von 30 µg/l in verschiedenen Wässern mit einem Ausgangs-DOC von jeweils 5 mg/l Prognose der Aktivkohleadsorption unabhängig von der Wasserherkunft Fünf Trink- und sieben Abwässer aus verschiedenen Regionen Deutschlands wurden gefroren an das Fachgebiet Wasserreinhaltung der TU Berlin transportiert, um in Adsorptionsversuchen miteinander verglichen zu werden. Dies sollte Aufschluss über regionale Unterschiede bei der Adsorptionskonkurrenz zwischen organischen Spurenstoffen und gelösten organischen Hintergrundverbindungen geben. Vor den Adsorptionsversuchen wurden die Spurenstoffkonzentrationen so eingestellt, dass in allen Wässern das gleiche Verhältnis zwischen der Konzentration des jeweiligen Spurenstoffs und der Konzentration des gelösten organischen Kohlenstoffs (DOC) herrschte. Dies erhöhte die Vergleichbarkeit der Ergebnisse, da in früheren Publikationen gezeigt wurde, dass die Aktivkohlebeladung maßgeblich vom Verhältnis der Konzentrationen des jeweiligen Spurenstoffs und der organischen Hintergrundverbindungen (in der Regel per DOC ausgedrückt) abhängt (Knappe et al. 1998, Najm et al. 1991). Da dieser Zusammenhang in den genannten Publikationen nur für einzelne Wässer gezeigt wurde, sollten die in ASKURIS durchgeführten Versuche prüfen, inwiefern auch Wässer völlig unterschiedlicher Herkunft unter der Voraussetzung eines konstanten Spurenstoff-zu-DOC-Verhält-nisses in ihrer Adsorptionskonkurrenz vergleichbar sind. In weitergehenden Versuchen mit drei der Abwässer wurde auch geprüft, welche Einflüsse Erhöhung und Erniedrigung des Spurenstoff-zu-DOC-Verhältnisses auf die beobachtete Adsorptionskonkurrenz haben. Die Ergebnisse zeigen, dass bei einem Großteil der untersuchten Spurenstoffe jeweils unabhängig vom Abwasser ein allgemeiner Zusammenhang zwischen Beladung und Konzentration gültig ist, wenn in den verglichenen Abwässern das gleiche Spurenstoff-zu-DOC-Verhältnis vorliegt. Wird dieses Verhältnis verringert/erhöht, liegen die Datenpunkte aus Konzentration und Beladung nach unten/oben verschoben im Koordinatensystem. Analoge Beobachtungen konnten bei den verglichenen Trinkwässern gemacht werden. Diese Ergebnisse zeigen die weitgehende Ähnlichkeit der meisten Abwässer (bzw. Trinkwässer), wenn die adsorptive Konkurrenzsituation, der Spurenstoffe ausgesetzt sind, betrachtet wird. Mit den hier gewonnenen Erkenntnissen kann davon ausgegangen werden, dass in den meisten 85

92 Abwässern (bzw. Trinkwässern) bei bekannten Spurenstoff- und DOC-Konzentrationen die mit einer bestimmten Kohle nach einer gegebenen Kontaktzeit erreichbaren Aktivkohlebeladungen abgeschätzt werden können. Die Erkenntnisse stellen einen maßgeblichen Schritt in der Verallgemeinerbarkeit von Ergebnissen, die in Pulveraktivkohle-Batchversuchen gewonnen werden, dar. Bislang konnten solche Ergebnisse kaum miteinander verglichen werden, da davon ausgegangen werden musste, dass in unterschiedlichen Abwassermatrices (bzw. Trinkwassermatrices) nicht vergleichbare Adsorptionsbedingungen für organische Spurenstoffe vorliegen. Mithilfe der im Projekt ASKURIS gewonnenen Erkenntnisse gilt dies nur noch bedingt. Voraussetzung für eine Vergleichbarkeit ist, dass die gleiche Aktivkohlesorte und die gleiche Kontaktzeit eingesetzt werden. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass die Entfernung vieler Spurenstoffe mit der Entfernung von UV 254 unabhängig vom Abwasser (bzw. Trinkwasser) korreliert, wie in Abbildung 53 gezeigt ist. Dabei gelten für bestimmte Spurenstoffe PAK-spezifische Zusammenhänge (z.b. Benzotriazol), für andere Spurenstoffe gelten die Zusammenhänge weitgehend unabhängig von der PAK-Sorte (z.b. Diclofenac) Benz.-Entfernung [%] UV 254 -Entfernung [%] Benzotriazol, 0.5 h SAE HK950 90D R 2 =0.98 R 2 =0.96 R 2 =0.94 Diclo.-Entfernung [%] Diclofenac, 0.5 h SAE HK950 90D UV 254 -Entfernung [%] R 2 =0.99 R 2 =0.98 R 2 =0.97 Abbildung 53: Spurenstoff-Entfernungen über UV 254 -Entfernungen für die Spurenstoffe Benzotriazol und Diclofenac, bei drei verschiedenen Aktivkohlen und 0,5 h Kontaktzeit, mit Bestimmtheitsmaßen der zugehörigen linearen Korrelationen und Winkelhalbierenden (gleiche UV und Spurenstoffentfernung) Mehrfachbeladung von Pulveraktivkohle im Labormaßstab Da in der Praxis üblicherweise nicht die gesamte Aktivkohlekapazität innerhalb der zur Verfügung stehenden Kontaktzeit ausgenutzt werden kann, wird in der Regel eine Wiederverwendung bereits beladener Aktivkohle angestrebt. Dies wird erreicht, indem die Aktivkohle hinter dem Kontaktbecken vom behandelten Wasser abgetrennt und mit einem Rücklaufschlammstrom an den Anfang des Kontaktbeckens zurückgeführt wird. Dieses Verfahren wurde im Labormaßstab bislang nicht untersucht, da ein geeignetes Versuchsdesign fehlte, das die Trennung und anschließende Wiederverwendung von Wasser und Aktivkohle ermöglicht. Diese Problemstellung konnte im Rahmen der ASKURIS-Laborversuche gelöst werden. Zum Einsatz kamen vergleichsweise große Zentrifugenbehältnisse, in denen direkt PAK- Schüttelversuche durchgeführt werden konnten. Somit konnte nach Ablauf der gewünschten Kontaktzeit per Zentrifugation die Trennung von Wasser und Aktivkohle direkt im Batch-Gefäß erfolgen. Der Überstand wurde mit einer modifizierten Vollpipette abgezogen. Der Versuchsaufbau wurde primär für die Wiederverwendung einer festgelegten PAK-Menge verwendet. Des Weiteren konnten auch Versuche zur Wiederverwendung des Wassers und Desorptionsversuche durchgeführt werden. 86

93 100 Benzotriazol 0.5 h effekt. Entfernung [%] Stufen Benzotriazol 24 h Stufen effekt. Entfernung [%] Diclofenac 0.5 h Diclofenac 24 h Sulfamethoxazol 0.5 h Sulfamethoxazol 24 h effekt. Entfernung [%] DOC 0.5 h DOC 24 h effekt. Entfernung [%] effekt. PAK-Dosis [mg/l] effekt. PAK-Dosis [mg/l] Abbildung 54: In verschiedenen Stufen der Mehrfachverwendung von PAK erreichte effektive Entfernungen gegen effektive PAK-Dosen bei ausgewählten Spurenstoffen und dem DOC, nach 0.5 h (links) und 24 h (rechts) (nach Zietzschmann et al. (2015a)). Die bei verschiedener Anzahl an Mehrfachverwendungsstufen erreichten effektiven Entfernungen sind in Abbildung 54 aufgetragen gegen die korrespondierenden effektiven PAK-Dosen. Es zeigt sich, dass eine Wiederverwendung der PAK dazu führt, dass effektiv höhere Entfernungen als in einer PAK-Einfachverwendung erzielt werden können. Insbesondere bei kürzeren (also praxisnahen) Adsorptionszeiten pro Stufe sind die Unterschiede deutlich. So können beispielsweise bei einer effektiven PAK- Dosis von 30 mg/l im einstufigen Verfahren gut 40 % Sulfamethoxazol nach 0.5 h entfernt werden, wohingegen bei den mehrstufigen Verfahren ca. 55 % entfernt werden. Unter praktischen Gesichtspunkten würde dies einer Einsparung von PAK entsprechen, da für bestimmte Entfernungsziele weniger PAK eingesetzt werden müsste, falls eine Wiederverwendung stattfindet. In den Versuchen konnte desweiteren gezeigt werden, dass in allen Wiederverwendungsstufen die effektiven Entfernungen der untersuchten Spurenstoffe und des DOC mit den effektiven Entfernungen der UV-Absorption bei 254 nm korrelieren (Daten hier nicht gezeigt). Somit kann auch bei mehrfacher Wiederverwendung von 87

94 PAK die stattfindende Spurenstoffentfernung mittels des einfach messbaren Parameters UV 254 abgeschätzt werden. Werden die berechneten Spurenstoff-Beladungen der PAK aufgetragen gegen die gemessenen Spurenstoff-Konzentrationen, so zeigt sich, dass für alle Wiederverwendungsstufen der funktionale Zusammenhang der ersten Stufe bestehen bleibt (Daten hier nicht gezeigt, nach Zietzschmann et al. (2015a). Somit können mittels eines einstufigen Versuchs Beladungen und Entfernungen in mehrstufigen Versuchsabläufen berechnet werden. Bei der Wiederverwendung von PAK, die wiederholt mit Teilen des gleichen Wassers in Kontakt gebracht wird und dies zu immer gleichen Kontaktzeiten, adsorbieren Spurenstoffe und organischer Hintergrund gleichermaßen. Da mit jeder neuen Adsorptionsstufe sowohl die Konzentrationen der organischen Spurenstoffe als auch der gelösten organischen Hintergrundverbindungen auf das ursprüngliche Niveau gebracht werden, bleibt das Konzentrationsverhältnis zwischen einem bestimmten Spurenstoff und den organischen Hintergrundverbindungen konstant. Somit herrscht in allen Adsorptionsstufen eine vergleichbare Konkurrenzsituation, was dazu führt, dass in der zweiten, dritten, usw. Stufe die Spurenstoffe weder bevorzugt noch benachteiligt adsorbieren, sondern ein zur ersten Stufe analoges Adsorptionsverhalten zeigen. Diese Beobachtung wurde genutzt, um die mehrstufige Adsorption mittels der Erweiterung des Equivalent Background Compound Models (EBCM) über bis zu 50 PAK-Wiederverwendungsstufen zu modellieren. Für Diclofenac ist beispielhaft die errechnete zusätzliche Entfernung, die mittels mehrstufiger PAK- Wiederverwendung im Vergleich zur einstufigen PAK-Verwendung bei gleicher effektiver PAK Dosis erreicht werden kann, in Abbildung 55 dargestellt. Je höher die anfangs eingesetzte PAK-Dosis gewählt wird, desto mehr Wiederverwendungszyklen sind nötig, um in einen Bereich optimaler zusätzlicher Entfernung zu gelangen. Dies liegt daran, dass die effektive PAK-Dosis mit steigender Zahl an Wiederverwendungszyklen sinkt: Mit jedem zusätzlichen Zyklus wird neues Wasser behandelt, jedoch ist die eingesetzte PAK-Menge konstant. Gemäß Gleichung 2 gilt: je höher die Zyklenanzahl, desto geringer die vergleichbare PAK-Dosis eines einstufigen Verfahrens. Gleichung 2 mit D eff. als effektiver und D abs. als absoluter PAK-Dosis und z als Anzahl der Zyklen. zusätzl. Entfernung [%] Diclofenac, 0.5h K F = 20.2 n = 0.3 c 0,EBC = 7.9 µmol/l PAK-Dosis [mg/l] Zyklus Abbildung 55: Gemäß Equivalent Background Compound (EBC) Model errechnete zusätzliche Entfernungen der mehrstufigen PAK Wiederverwendung gegenüber der einstufigen PAK-Verwendung mit gleicher effektiver PAK-Dosis für Diclofenac bei 0.5 h Kontaktzeit pro Stufe; mit errechneten Freundlich- Charakteristika und Ausgangskonzentration der EBC (nach Zietzschmann et al. (2015a)). 88

95 3.1.7 Methoden zum Testen granulierter Aktivkohlen im Labormaßstab Neben den in den obigen Abschnitten geschilderten Versuchen mit Pulveraktivkohle (PAK) wurden in ASKURIS auch Untersuchungen mit granulierter Aktivkohle (GAK) durchgeführt. Das Versuchsdesign für diese Versuche mit GAK ist prinzipiell aufwendiger als für PAK-Versuche. Dies liegt primär daran, dass GAK im Gegensatz zu PAK aus wesentlich größeren Körnern besteht, sodass Adsorptions-gleichgewichte zwischen wässriger Phase und Aktivkohle sich erst nach wesentlich längeren Zeitspannen einstellen. Desweiteren bedingt der Einbau von GAK in Festbettfiltern, dass eine laborbasierte Verkleinerung des Versuchsmaßstabs nur unter genau definierten Bedingungen zu aussagekräftigen Ergebnissen führen kann. Hier findet das Konzept der rapid small-scale column tests (RSSCT) Anwendung (Crittenden et al. 1991). Da RSSCTs für die Untersuchung von GAK zur Trinkwasseraufbereitung entwickelt wurden, wurde im Rahmen von ASKURIS zunächst geprüft, inwieweit das RSSCT-Konzept auch auf andere Wässer, insbesondere Kläranlagenabläufe, übertragen werden kann. Desweiteren wurden Tests zur Robustheit möglicher Versuchsaufbauten durchgeführt und die Konkurrenzeffekte, die von der Adsorption des organischen Hintergrunds gegenüber der Adsorption der Spurenstoffe verursacht werden, untersucht. UV 254 / UV 254,0 [-] UV 254 UV 254,0 = 29.3 /m Durchsatz [Bettvolumen] c/c 0 [-] Carbamazepin c 0 = 1.5 µg/l a b a b Durchsatz [Bettvolumen] Abbildung 56: Relative UV 254 -Absorptionen und relative Carbamazepin-Konzentrationen in RSSCTs mit Kläranlagenablauf Berlin-Ruhleben und zwei GAK ( Norit 1240 und Jacobi Aquasorb 5000 ), jeweils in parallelen Filterläufen; Leerbettkontaktzeit 2,2 s, GAK-Fraktion µm (nach Zietzschmann et al., 2014c). Zunächst wurde geprüft, inwieweit eine Vorbehandlung von Kläranlagenablauf mittels Membran-filtration zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Aktivkohleadsorption führt. Die Membranfiltration war nötig, um die Verblockung von RSSCT-Filterbetten weitgehend zu verhindern. Die eingesetzte GAK musste für eine akzeptable Durchführbarkeit der RSSCTs vergleichsweise klein sein ( 120 µm), sodass unfiltrierter Kläranlagenablauf schnell zu Verblockungen der Filterbetten führen würde, was unbrauchbare Ergebnisse zur Folge hätte. Es konnte gezeigt werden, dass eine Vorbehandlung des Kläranlagenablaufs keinerlei Auswirkungen auf das Durchbruchsverhalten der untersuchten Spurenstoffe hat (Daten hier nicht aufgeführt). Dies liegt daran, dass die hier verwendeten Mikro- oder Ultrafiltrationsmembranen hauptsächlich suspendierte, kolloidale und sehr große gelöste Stoffe abtrennen, die auf die Spurenstoffadsorption ohne Einfluss sind. Die Überprüfung der Reproduzierbarkeit und weitere Versuche konnten demzufolge mit vorfiltriertem Wasser durchgeführt werden. Für zwei GAK-Sorten und jeweils zwei parallel durchgeführte RSSCT-Filterläufe sind die Durchbruchskurven von UV 254 und Carbamazepin in Abbildung 56 dargestellt. Es zeigt sich, dass die mit dem gewählten Versuchsaufbau parallel durchgeführten Tests sehr ähnliche Durchbrüche ergeben. Somit ergibt sich eine hohe Reproduzierbarkeit der in ASKURIS durchgeführten kleinskaligen Versuche mit GAK (Zietzschmann et al. 89

96 2014c). Außerdem können mit dem Versuchsdesign Vergleiche von verschiedenen GAK-Sorten durchgeführt werden. Beispielsweise erreicht die in Abbildung 56 gezeigte GAK Jacobi Aquasorb 5000 bessere Rückhalte von UV 254 und Carbamazepin als die GAK Norit Neben einer hohen Reproduzierbarkeit des Versuchsaufbaus sollte der Einfluss des äußeren Stofftransports in den RSSCTs möglichst gering sein. Ein langsamer äußerer Stofftransport an die GAK-Körner heran kann hemmend auf die eigentliche Adsorption wirken und dadurch die Erscheinung der ermittelten Durchbruchskurven beeinflussen. Dies kann die Aussagefähigkeit der gewonnenen Ergebnisse einschränken, insbesondere, wenn die RSSCTs verwendet werden sollen, um Durchbrüche in größer skalierten GAK-Filtern abzubilden. Daher wurden RSSCTs mit gleicher Kontaktzeit aber unterschiedlich langen Filterbetten und unterschiedlicher Filtergeschwindigkeit, resultierend in verschiedenen äußeren Stofftransportbedingungen, durchgeführt. Die verschiedenen Strömungs-bedingungen können mithilfe der Reynolds-Zahl ausgedrückt werden, welche ein Maß für die Turbulenz einer Strömung ist. Bei sehr niedrigen Reynolds-Zahlen verfrühen sich die Spurenstoff-durchbrüche, wie in Abbildung 57 gezeigt. Allerdings ist auch ersichtlich, dass die Durchbruchskurven des RSSCT mit der höchsten Reynolds-Zahl (1,4) ab einem Durchsatz von 7500 Bettvolumen abflachen. Dies ist auf eine kontinuierlich steigende Kontaktzeit zurückzuführen, bedingt durch einen mit der Zeit abnehmenden Volumenstrom. Grund sind Verblockungen des Filterbetts, das bei diesem RSSCT vergleichsweise lang ist (die Membran-Vorfiltration des Versuchswassers kann eine Verblockung nicht vollständig verhindern). Durch den hohen initialen Volumenstrom ist die Beschickung des langen Filterbetts mit sich potentiell ablagernden Stoffen übermäßig stark. Durch die kontinuierliche Kontaktzeitverlängerung sind die Ergebnisse dieses RSSCTs nur bedingt brauchbar (Kontaktzeitverlängerungen treten in der Praxis nicht auf). Dies belegt, dass RSSCTs in der hier angewendeten Dimensionierung (Korngrößen im Bereich 120 µm, Bettlängen im unteren Zentimeterbereich) mit reduzierter Reynolds-Zahl betrieben werden sollten, um eine Verblockung und die damit verbundene kontinuierliche Kontaktzeitverlängerung weitgehend ausschließen zu können. Andererseits unterstreichen die Versuche, dass die Reynolds-Zahl nicht beliebig niedrig gewählt werden kann. Ein zusätzlicher Vergleich von RSSCT-Durchbrüchen der Stoffe Benzotriazol und Diclofenac bei Reynolds-Zahlen von 0,5 und 1 ist in Abbildung 58 wiedergegeben. Die gezeigten Durchbrüche sind für den jeweiligen Spurenstoff weitgehend identisch. Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass der äußere Stofftransport unter den hier verwendeten Versuchs-bedingungen einen vernachlässigbaren Einfluss auf die GAK-Durchbrüche hat (Zietzschmann et al., 2014c). Praktikable RSSCTs, die verlässliche Ergebnisse leisten, sollten den Ergebnissen zufolge mit Reynoldszahlen zwischen 0.5 und 1 durchgeführt werden. c/c 0 [-] Reynoldszahl Diclofenac c/c 0 [-] Primidone Durchsatz [Bettvolumen] Durchsatz [Bettvolumen] Abbildung 57: Relative Diclofenac- und Primidon-Konzentrationen in vier RSSCTs mit Ablauf der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage Tegel und verschiedenen Bettlängen, gleicher Leerbettkontaktzeit (9 s) und verschiedenen Reynolds-Zahlen; GAK: Norit 1240, µm. 90

97 1 0.8 Benzotriazole c 0 = 10 µg/l Diclofenac c 0 = 3.3 µg/l c/c 0 [-] c/c 0 [-] Durchsatz [Bettvolumen] cm 2 cm Durchsatz [Bettvolumen] Abbildung 58: Relative Benzotriazol- und Diclofenac-Konzentrationen in zwei RSSCTs mit Kläranlagenablauf Berlin-Ruhleben und verschiedener Bettlänge, gleicher Leerbettkontaktzeit (6 s) und Reynolds-Zahlen von 0.5 und 1; GAK: Norit 1240, µm (nach Zietzschmann et al., 2014c). In weitergehenden Versuchen wurde außerdem gezeigt, dass das für die Auslegung der durchgeführten RSSCTs angewendete constant-diffusivity-konzept zu realistischen Ergebnissen führt (Zietzschmann et al., 2014c). Für die Durchbruchskurven von Sulfamethoxazol in zwei RSSCTs mit verschieden großen GAK-Fraktionen und einer korrespondierenden Kontaktzeit, die über die Gleichungen des constant-diffusivity-rssct-ansatzes verknüpft sind, ist dies in Abbildung 59 (links) dargestellt. Desweiteren wurde der Einfluss der Kontaktzeit zwischen Wasser und GAK auf die sogenannte Carbon Usage Rate (CUR, dt.: Aktivkohleverbrauch) bei festgelegten Spurenstoff-Durchbruchszielen geprüft. Hierfür wurden RSSCTs mit unterschiedlichen Leerbettverweilzeiten bei sonst gleichen Versuchsbedingungen durchgeführt. Die gewonnenen Durchbruchskurven wurden mittels der constant-diffusivity-rssct- Gleichungen auf fiktive großskalige Filter übertragen und mittels der Software FAST 2.0 (Schimmelpfennig and Sperlich 2009) nachmodelliert. Damit konnten praxisnahe CURs für einen zehprozentiigen Spurenstoffdurchbruch ermittelt werden. c/c Sulfamethoxazol c 0 = 0.5 µg/l µm, 3.5 s µm, 14.5 s Durchsatz [Bettvolumen] CUR [kg/m 3 ] Diclofenac Benzotriazol Leerbettverweilzeit [min] Abbildung 59: Durchbruchskurven für Sulfamethoxazol bei verschiedenen GAK-Korngrößen und korrespondierenden Leerbettverweilzeiten (links) und modellierte Carbon Usage Rates (CURs) für Benzotriazol und Diclofenac in Abhängigkeit der Leerbettverweilzeit fiktiver großskaliger Filter. Diese modellierten CURs sind in Abhängigkeit der jeweiligen Leerbettverweilzeit für Benzotriazol und Diclofenac in Abbildung 59 (rechts) dargestellt. Die Modellierung zeigt, dass der Aktivkohleverbrauch mit steigender Kontaktzeit zwischen Wasser und Aktivkohle stark reduziert werden kann. Dies liegt an einer günstigeren Form der Durchbruchskurven bei längerer Leerbettverweilzeit, wodurch eine bessere Ausnutzung der Aktivkohlekapazität erreicht werden kann. Diese Ergebnisse zeigen, dass sich zu kurze Verweilzeiten in praktischen Anwendungen extrem negativ auf den Aktivkohleverbrauch auswir- 91

98 ken können. Die insbesondere bei kurven Kontaktzeiten ungünstige Durchbruchskurvenform der meisten Spurenstoffe bei der GAK-Filtration von Kläranlagenablauf ist vornehmlich auf eine starke Adsorptionskonkurrenz durch die in hoher Konzentration vorhandenen organischen Hintergrund-verbindungen zurückzuführen. Messungen des größenfraktionierten gelösten organischen Kohlenstoffs per LC- OCD zeigen, dass vor allem niedermolekulare organische Verbindungen gut in GAK-Filtern zurückgehalten werden (Daten hier nicht gezeigt). Dies legt nahe, dass vor allem diese Stoffe besonders stark mit den organischen Spurenstoffen konkurrieren (Zietzschmann et al. 2014c). Diese Beobachtung deckt sich mit den obigen Analysen hinsichtlich der Adsorptionskonkurrenz bei der Adsorption an Pulveraktivkohle Einfluss des organischen Hintergrunds auf die Adsorption im Festbett Die starke Adsorptionskonkurrenz, die durch die Verbindungen des organischen Hintergrunds natürlicher Wässer zustande kommt, wurde auch bei der Spurenstoffadsorption im Aktivkohlefestbett weitergehend untersucht. Dies erfolgte unter Einsatz verschiedener natürlicher Wässer (Trink-, Oberflächen-, Abwasser), unterschiedlicher Vorbehandlungen und variabler Ausgangskonzentrationen der untersuchten Spurenstoffe. Die Effekte verschiedener Vorbehandlungen auf das Durchbruchs-verhalten der Spurenstoffe wurden in unverändertem sowie vorher mit PAK- oder Ozon-vorbehan-deltem Kläranlagenablauf der Kläranlage Münchehofe untersucht. Dabei wurden vergleichsweise geringe PAKund Ozon-Dosen eingesetzt (5 mg PAK/L bei 30 min bzw. 0.1 mg O 3 /mg DOC), um den Aufwand, den die Vorbehandlungen praktisch darstellen würden, gering zu halten. Für eine höhere Vergleichbarkeit wurden die Ausgangskonzentrationen der untersuchten Spurenstoffe in den Wässern angeglichen. Die Durchbruchskurven der Spurenstoffe Carbamazepin, 4-Formylaminoantipyrin und Primidon in RSSCTs mit Kläranlagenablauf mit und ohne Vorbehandlungen sind in Abbildung 60 dargestellt. c/c 0 [-] Carbamazepin Durchsatz [Bettvolumen] 4-Formylaminoantipyrin unbehandelt PAK Ozon Durchsatz [Bettvolumen] Primidon Durchsatz [Bettvolumen] Abbildung 60: Durchbruchskurven verschiedener Spurenstoffe in drei RSSCTs mit unbehandeltem sowie PAKund Ozon-vorbehandeltem Kläranlagenablauf; man beachte die unterschiedlichen Achsenskalierungen. Wie ersichtlich ist, liegen die relativen Ablaufkonzentrationen der Spurenstoffe bei gleichem Durchsatz in den drei RSSCTs weitgehend aufeinander. Teils können leichte Verbesserungen des Rückhalts durch die PAK- und Ozon-Vorbehandlungen erreicht werden. Beispielsweise sind die relativen Carbamazepin-Ablaufkonzentrationen der RSSCTs mit Vorbehandlungen ab Bettvolumen um 0,1 niedriger als die des RSSCT ohne Vorbehandlung. Jedoch zeigen insbesondere die Durchbruchskurven der schwächeren Adsorptive 4-Formylaminoantipyrin und Primidon nahezu keine Verbesserungen durch Vorbehandlung. Diese Adsorptive unterliegen einer stärkeren Konkurrenz, die durch die geringfügigen Veränderungen der Hintergrundorganik, die durch die gering dosierten Vorbehandlungen herbeigeführt werden, kaum reduziert wird. 92

99 Der Einfluss der Hintergrundorganik verschiedener Wassermatrices wurde anhand von RSSCTs mit Ablauf der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage Tegel und Berliner Trinkwasser verglichen. Dabei wurden die beiden Wässer so mit den untersuchten Spurenstoffen aufgestockt, dass relativ zur Konzentration des gelösten organischen Kohlenstoffs (DOC) die gleichen Spurenstoff-Ausgangskonzentrationen herrschten (Kennedy et al. 2015). Die Durchbruchskurven von Benzotriazol, Diclofenac und Sulfamethoxazol der beiden RSSCTs sind in Abbildung 61 dargestellt. In den Fällen von Benzotriazol und Diclofenac unterscheiden sich die Durchbruchskurven zwischen den beiden Wässern; beispielsweise erreicht Benzotriazol bei Bettvolumen eine relative Ablaufkonzentration von 0,1 in Trinkwasser und von 0,25 in Oberflächenwasser. Bei Sulfamethoxazol liegen die Durchbruchs-kurven weitgehend aufeinander (z.b. c/c 0 0,7 bei Bettvolumen). Allerdings stellt Sulfamethoxazol den einzigen untersuchten Spurenstoff dar, bei dem dies der Fall ist. In allen anderen Fällen werden Unterschiede wie bei Benzotriazol und Diclofenac deutlich. Dementsprechend fällt die Adsorptionskonkurrenz durch die in den beiden Wässern vorhandene Hintergrundorganik unterschiedlich aus. 1 Benzotriazol 1 Diclofenac 1 Sulfamethoxazol c/c 0 [-] Oberflächenwasser Trinkwasser Durchsatz [Bettvolumen] Durchsatz [Bettvolumen] Durchsatz [Bettvolumen] Abbildung 61: RSSCT-Durchbruchskurven verschiedener Spurenstoffe in Oberflächenwasser und Trinkwasser bei gleicher DOC-proportionaler Ausgangskonzentration; man beachte die unterschiedlichen x- Achsenskalierungen. Das von der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage Tegel behandelte Wasser besteht zu einem erheblichen Anteil aus Ablauf der Kläranlage Schönerlinde. Dieses Wasser hat zwar die wesentlichen Aufbereitungsschritte durchlaufen (aerobe und anaerobe Stufen, Flockung), weist aber im Vergleich zum Trinkwasser eine geringere Verweilzeit in natürlicher Umgebung auf. Während der Passage durch Oberflächengewässer und vor allem durch den Untergrund werden offenbar Hintergrund-verbindungen, die konkurrierend bei der Aktivkohleadsorption wirken können, ab- oder umgebaut, wodurch die Effekte der Adsorptionskonkurrenz in Trinkwasser reduziert sind. Dies verdeutlicht, dass eine Aktivkohleadsorptionsstufe bei jungen Wässern weniger effizient ist als bei alten Wässern. Es muss allerdings beachtet werden, dass die absolute Menge an organischen Verbindungen, die über die RSSCT- Betten geleitet wurde, im Falle des Oberflächenwassers höher ist als im Falle des Trinkwassers, da die Konzentrationen der Hintergrundorganik unterschiedlich sind (DOC: 7,5 mg/l gegenüber 4,5 mg/l). Somit verringert sich die GAK-Kapazität im Falle des Oberflächenwassers schneller. Der starke Einfluss der Hintergrundorganik auf die GAK-Kapazität für Spurenstoffe wird deutlich, wenn Teile desselben Wassers unterschiedlich hoch mit Spurenstoffen aufgestockt werden und jeweils Durchbruchskurven mittels RSSCTs aufgezeichnet werden. Für die Spurenstoffe Benzotriazol, 4- Formylaminoantipyrin und Sulfamethoxazol ist eine derartige Variation der Ausgangskonzentration in dem gleichen Wasser (Ablauf der Kläranlage Schönerlinde) in Abbildung 62 dargestellt. Die Durchbruchskurven der jeweiligen Spurenstoffe liegen nahezu vollständig aufeinander. Lediglich bei Ben- 93

100 zotriazol können ab ca Bettvolumen geringe Unterschiede festgestellt werden, welche allerdings auch auf unterschiedlicher Verblockung der Säulen während des Versuchslaufs beruhen können. Insbesondere bei Sulfamethoxazol ist die höchste untersuchte Konzentration beinahe 100mal so hoch wie die niedrigste, was jedoch nicht zu einem unterschiedlichen Durchbruchs-verhalten dieses Stoffs führt. Dies bedeutet, dass der Spurenstoffdurchbruch weitgehend unabhängig ist von der Ausgangskonzentration des jeweiligen Spurenstoffs. Desweiteren ist damit gezeigt, dass die GAK Kapazität für einen Spurenstoff in natürlichen Wässern, in denen Adsorptionskonkurrenz durch die Hintergrundorganik vorliegt, nicht fix ist, sondern variabel: Je höher die Ausgangs-konzentration eines Spurenstoffs, desto höher die GAK-Kapazität für diesen Stoff. Eine Analyse der ermittelten Messdaten ergab, dass jeweils für das verwendete Versuchswasser ein linearer Zusammenhang zwischen der Ausgangskonzentration eines Spurenstoffs und der GAK-Kapazität für diesen Spurenstoff existiert (Daten nicht gezeigt). Daneben ist die GAK-Spurenstoffkapazität, wie in Abbildung 61 gezeigt, von der Konzentration der Hintergrundorganik eines Wassers abhängig. Wird die Spurenstoff-Ausgangskon-zentration durch die Konzentration der niedermolekularen Säuren und Neutralstoffe dividiert, ergibt sich eine zur niedermolekularen Organik relative Spurenstoffkonzentration der Einheit [µg/mg]. Die niedermolekularen Säuren und Neutralstoffe sind die Hauptkonkurrenten bei der Spurenstoff-adsorption, wie in den obigen Abschnitten gezeigt wurde. Daher haben diese Stoffe einen maßgeblichen Einfluss auf die GAK- Kapazität für Spurenstoffe (Zietzschmann et al., 2016). c/c 0 [-] Benzotriazol c 0 [µg/l] Durchsatz [Bettvolumen] Formylaminoa. c 0 [µg/l] Durchsatz [Bettvolumen] Sulfamethox. c 0 [µg/l] Durchsatz [Bettvolumen] Abbildung 62: RSSCT-Durchbruchskurven verschiedener Spurenstoffe bei jeweils variierter Ausgangskonzentration in Kläranlagenablauf; man beachte die unterschiedliche x-achsenskalierung. 94

101 3.2 Einsatz von Aktivkohle im Pilotmaßstab Randbedingungen und OWA Tegel Die Oberflächenwasseraufbereitungsanlage (OWA) Tegel behandelt Oberflächenwasser aus dem Nordgraben und der Oberhavel, das über eine Druckleitung in das Einlaufbauwerk der OWA gelangt. Besonders im Wasser des Nordgrabens finden sich hohe Konzentrationen an DOC, Phosphaten und Spurenstoffen, da es zu ca % aus gereinigtem Abwasser des Klärwerks (KW) Schönerlinde besteht. In der OWA Tegel wird gelöster Phosphor mit Flockung/Fällung, Sedimentation und Filtration entfernt. Als Flockungsmittel (FM) wird Fe 2 (SO 4 ) 3 in Dosiermengen von ca. 10 mg/l Fe eingesetzt, zur Makroflockenbildung wird als Flockungshilfsmittel anionisches Polymer in Konzentrationen von 0,3 mg/l dosiert. Nach der Sedimentation (t Sed = 30 min) werden ca. 1,6 mg/l FM als Nachflockung in die Klarwasserphase dosiert. In der Zweischichtfiltration (Bims, Sand) werden die dort gebildeten Flocken entfernt. Die mittlere TP-Konzentration (Gesamtphosphor) wird so im Mittel von 202 µg/l auf 17,3 µg/l gesenkt, das entspricht einer P-Elimination von 91 % (2012). In der OWA Tegel wurden verschiedene Verfahren zur Entfernung organischer Spurenstoffe (OMP, organic micropollutants) untersucht. Es ist davon auszugehen, dass die OMP im OWA-Zulauf ausschließlich aus dem Klarwasser des Klärwerks stammen, was in der Folge untersucht wurde. Tagesgenaue Volumenströme des Ablaufs KW Schönerlinde und des Zulaufs OWA Tegel der Jahre 2013 und 2014 wurden ausgewertet, um einen mittleren Verdünnungsfaktor des Klärwerksablaufes und damit der enthaltenen Spurenstoffe zu bestimmen. Die Ergebnisse sind als Summenhäufigkeiten in Abbildung 63 und als zweijährige Zeitreihe in Abbildung 64 dargestellt. Der mittlere Verdünnungs-faktor ist 2,24 mit einer Standardabweichung von 0,43, der Median ist 2,24. Es sind keine jahreszeitlichen Schwankungen erkennbar. 2,28 Abbildung 63: Summenhäufigkeit des rechnerischen Verdünnungsfaktors zwischen KW Schönerlinde und OWA Tegel (Tageswerte ); der Median ist angegeben. 95

102 Abbildung 64: Zeitreihe des rechnerischen Verdünnungsfaktors zwischen KW Schönerlinde und OWA Tegel (Tageswerte ); die gestrichelte Linie markiert den Mittelwert (2,24). Weitere Verdünnungsfaktoren wurden als Quotient von gemessenen Carbamazepin- (CBZ) und Primidon-Konzentrationen (PRI) im Klarlauf Schönerlinde und im OWA-Zulauf bestimmt. CBZ und PRI sind unter aeroben Bedingungen persistent und dauerhaft in messbaren Konzentrationen enthalten. Da die Beprobung von Klarlauf Schönerlinde und OWA-Zulauf häufig nicht am selben Tag stattfand, wurden Verdünnungsfaktoren aus Quotienten mittlerer monatlicher Konzentrationen gebildet. Da weiterhin die Messintensität über den Zeitraum sehr unterschiedlich war, wurden die Monatswerte ohne Gewichtung gemittelt. Die so errechneten Verdünnungsfaktoren betragen 2,34 für CBZ und 2,32 für PRI. Dies entspricht sehr genau den aus den Durchflüssen ermittelten Verdünnungsfaktoren und bestätigt die Hypothese, dass die Spurenstoffe in der OWA Tegel ausschließlich aus dem Klarlauf der Klärwerks Schönerlinde stammen. Tabelle 28 zeigt mittlere Zulaufkonzentrationen von Wasserqualitätsparametern inklusive der Phosphorparameter. Die Phosphorkonzentrationen sowie die TSS-Konzentration unterliegen großen Schwankungen, wohingegen die gelöste Organik (CSB, DOC) recht konstant ist. Tabelle 28: Zulaufkonzentrationen der OWA Tegel (Werte von 2011). TP sp srp TSS CSB DOC μg/l μg/l μg/l mg/l mg/l mg/l Mittelwert , Max Min , Das Hauptaugenmerk der vorliegenden Untersuchungen liegt auf einer separaten Adsorptionsstufe mit PAK-Dosierung und Rezirkulation im halbtechnischen Maßstab, wie sie in Süddeutschland und der Schweiz bereits großtechnisch Verbreitung gefunden hat. Die Spurenstoffentfernung in einem solchen System soll unter den speziellen Berliner Randbedingungen untersucht werden. Im Mittelpunkt stehen dabei die effiziente Nutzung der eingesetzten PAK vor dem Hintergrund vergleichsweise hoher Konzentrationen an konkurrierenden gelösten organischen Wasserinhalts-stoffen sowie die Untersuchung von Einflussgrößen und Steuerparametern für den Anlagenbetrieb. Weiterhin wurde die Dosierstelle der Kohle variiert, um eine teilweise oder vollständige Immobilisierung der Kohle im Filter zu erreichen. Eine vergleichende Untersuchung von GAK und PAK wurde durch- 96

103 geführt, um die Potentiale der GAK-Filtration aufzuzeigen. Anschließend wurde PAK simultan zur Flockung vor dem Filter dosiert (PAK-Dosierung vor Flockungsfiltration), um gleichzeitige Phosphorentfernung und Immobilisierung der PAK zu erreichen. Abbildung 65: Übersicht über die Pilotanlage zur Spurenstoffentfernung mit PAK-Dosierung. Nach einem Grobrechen (2 3 cm) und einem Feinrechen (0,6 cm) wird ein Teilstrom des Zulaufs der OWA Tegel entnommen. Parallel zur Rohrflockung mit 10 mg Fe 3+ /L, als Fe 2 (SO 4 ) 3 wird eine PAK-Suspension mit Zielkonzentrationen von mg/l vor einem statischen Mischer direkt ins Rohr dosiert. Die Suspension wird in Konzentrationen von 5 10 g/l batchweise und manuell aus Leitungswasser und angefeuchteter PAK angesetzt. In der dreistufigen Mischkaskade mit hydraulischen Aufenthaltszeiten (HRT) von insgesamt min, je nach Durchfluss und Rezirkulationsrate, finden parallel Flockung und Adsorption statt. Je nach gewünschter HRT können keine, eine, zwei oder alle drei Stufen betrieben werden. In die zweite Stufe (bei ausschließlicher Nutzung der ersten Stufe in ebendiese) werden 0,3 mg/l anionisches Polymer als Flockungshilfsmittel dosiert. Die Dosierung der Betriebsmittel PAK, FM und FHM wird täglich mit einer Kontrolle der Füllstände in den Vorlagebehältern überprüft. Nach der Flockung werden die Feststoffe mittels Sedimentation in einem Absetzzyklon abgetrennt. Hier erfolgt eine konventionelle Sedimentation, die durch den tangentialen Einstrom und die resultierende Kreisströmung ggf. leicht verbessert wird. Der abgesetzte Schlamm wird in die erste Kammer der Mischkaskade zurückgeführt, während die Klarwasserphase über einen Vorlagebehälter zum Filter geleitet wird. Das Rezirkulationsverhältnis wird stufenweise zwischen 0 % (keine Rezirkulation) und 100 % (Rezirkulation von 100 % des Zulaufvolumenstroms) variiert, um unterschiedliche Feststoffgehalte in der Mischkaskade zu erreichen. Überschüssiger Schlamm wird diskontinuierlich manuell abgezogen. Der Filter enthält Bims (2,0 3,0 mm) als obere und Sand (0,71 1,25 mm) als untere Filterschicht. Die Rückspülung erfolgt je nach Versuchsphase nach Stunden und die Filtergeschwindigkeit beträgt 8,5 m/h bei einem Volumenstrom von 600 L/h. Die Probenahme erfolgt an 3 4 Tagen pro Woche am Zulauf zur Pilotanlage, Filterzulauf und Filterablauf. Es werden jeweils 24-h-Mischproben genommen. 97

104 Zusätzliche Stichproben zur Überprüfung der Feststoffkonzentration (TSS) wurden aus der Mischkaskade und der Rezirkulationsleitung entnommen. Die Betriebsphasen der Pilotanlage werden in Abbildung 66 in einer grafischen Übersicht dargestellt. Die Betriebsphasen unterscheiden sich im Wesentlichen in der Rezirkulationsrate, der Dosiermenge und -stelle der PAK, sowie im Durchfluss. Abbildung 66: Übersicht über die Betriebsphasen der Pilotanlage zur Pulveraktivkohledosierung. Zur besseren Erkennbarkeit sind die Linien z. T. leicht verschoben. Es wurden zunächst unterschiedliche Verfahrenstechniken bei einer PAK-Dosierung von 20 mg/l untersucht. Als Referenz diente die lineare Betriebsweise ohne Rezirkulation, mit simultaner Flockung und Adsorption und anschließender Sedimentation und Filtration, die zweimal unabhängig voneinander untersucht wurde. Ein Schwerpunkt war die Variation der TSS-Konzentration der Mischkaskade, die einen wesentlichen Einflussfaktor auf die adsorptive Spurenstoffentfernung darstellt (s.u.). Weiterhin wurde untersucht, welchen Einfluss die Dosierstelle der PAK auf die Spurenstoffentfernung hat. Hier wurden bei gleichbleibender Flockung und Sedimentation zunächst die Aktivkohledosierung aufgeteilt und zu gleichen Teilen vor der Mischkaskade und direkt in den Filterzulauf dosiert, anschließend wurden die 20 mg/l PAK vollständig direkt vor den Filter dosiert. Die Verfahrenstechnik, in der eine maximale Spurenstoffelimination beobachtet wurde, wurde anschließend mit unterschiedlichen PAK- Dosierungen (10 30 mg/l PAK) detaillierter getestet Rezirkulation der teilbeladenen PAK Ziel der Rezirkulation ist die Rückführung der in den Schlammflocken gebundenen PAK, um deren Aufenthaltszeit im System und damit die Ausnutzung der Adsorptionskapazität zu erhöhen. Der Schlamm setzt sich aus Feststoffen aus dem Zulauf, Eisenhydroxidflocken aus der Flockung und dosierter PAK zusammen. Bei gleichbleibender PAK-Dosierung von 20 mg/l, gleichbleibender FM-Dosierung von 10 mg/l sowie einer ungefähr konstanten TSS-Zulaufkonzentration ist der Anteil der PAK am TSS im Rezirkulationsschlamm und in der Mischkaskade konstant. Damit ist bei maximaler TSS-Konzentration im System eine maximale Spurenstoffentfernung zu erwarten. Die gemessenen TSS-Konzentrationen in der Mischkaskade sind neben anderen Betriebsparametern in Tabelle 29 dargestellt. 98

105 Tabelle 29: Rezirkulationsraten, Durchflüsse, hydraulische Aufenthaltszeiten (HRT), Schlammalter und TSS- Konzentrationen während der Referenz- und Rezirkulationsphasen mit 20 mg/l PAK. HRT [min] Rezirkulationsrate Durchfluss [L/h] TSS-Konzentration [mg/l] Schlammalter [d] Anzahl Stichproben 0 % ,13±0, % ,66±0,20 11, % ,95±0,18 9, % ,03±0,31 7, % ,83±0,24 18, Abbildung 67 zeigt die Elimination ausgewählter Wasserqualitätsparameter in der Pilotanlage (inkl. Filtration) in Abhängigkeit von der TSS-Konzentration in der Mischkaskade. Organische Summen-parameter (CSB, DOC, SAK 254 ) weisen i. d. R. leicht höhere Eliminationen bei höheren TSS-Konzentrationen in der Mischkaskade auf. Die Eliminationen der Phosphorparameter TP, sp und srp zeigen keine Anhängigkeit von der TSS-Konzentration und bewegen sich auf konstant hohem Niveau. Bei konstantem Zulauf und gleichen Tankvolumina bleibt die HRT unabhängig von der Rezirkulationsrate konstant: Bei 100 % Rezirkulation ist die Retentionszeit im Kontaktreaktor halbiert, aber das Wasser durchläuft den Reaktor zweimal. Da in den untersuchten Versuchsphasen nur zwei unterschiedliche HRT untersucht wurden, ist keine Aussage über deren Einfluss auf die Spurenstoff-entfernung möglich. Abbildung 67: Entfernung ausgewählter Wasserqualitätsparameter mit 20 mg/l PAK und 10 mg/l Fe 3+ in Abhängigkeit der Feststoffkonzentration in der Mischkaskade bei Phasen mit Rezirkulation sowie den zusammengefassten Referenzphasen ohne Rezirkulation (jeweils linke Säule). Dargestellt sind Mittelwerte und Standardabweichungen, die angezeigten Zahlen geben die jeweilige Anzahl der Proben an. Jede Variation der Rezirkulation ändert gleichzeitig den Feststoffgehalt in der Mischkaskade und das Schlammalter (siehe Tabelle 29). Letzteres wird indirekt über die Feststoffmassen im System beeinflusst. Es errechnet sich als Quotient aus Feststoffmasse im System und Schlammzuwachs und gibt die mittlere Aufenthaltszeit eines Schlammpartikels im Rezirkulationssystem an. 99

106 Im Betrieb der Pilotanlage ist eine separate Betrachtung der genannten Parameter nicht möglich. Die Einflüsse beider Größen werden im Folgenden dargestellt. Weitere Einflussgrößen wie Zulaufkonzentrationen von DOC und Spurenstoffen sind Schwankungen unterworfen. Spurenstoffkonzentrationen können daneben Tages-, Wochen- bzw. Jahresgänge aufweisen. Die Abhängigkeit der Spurenstoff-entfernung von einzelnen Parametern wird im Folgenden beleuchtet. Beispielhaft werden die als Indikatorsubstanzen für Adsorptionsprozesse ausgewählten Stoffe Sulfamethoxazol (mäßig adsorbierbar) und Carbamazepin (gut adsorbierbar) gezeigt (Jekel et al., 2015). Spurenstoffeliminationen sind in Übersichtsgrafiken sowohl als optimistische als auch als konservative Schätzung angegeben. Ablaufkonzentrationen unterhalb der Bestimmungsgrenze (BG) werden bei der konservativen Schätzung mit der Bestimmungsgrenze angenähert. Bei der optimistischen Schätzung wird die Ablaufkonzentration gleich 0 gesetzt. Die reale Elimination liegt dazwischen. Bei der Darstellung einzelner Konzentrationen wird als Näherung die Hälfte der Bestimmungsgrenze genutzt. Abbildung 68 und Abbildung 69 zeigen die Eliminationen von Carbamazepin, Sulfamethoxazol und DOC als Funktion der TSS-Konzentration in der Mischkaskade. In allen Fällen sind Korrelationen sichtbar, wobei ohne Rezirkulation höhere Schwankungen auftreten. SMX ist größeren Schwankungen unterworfen, da die Zulaufkonzentrationen niedrig sind und somit die Ablaufkonzentrationen häufig unter die Bestimmungsgrenze (BG) fallen (s.u.). Abbildung 68: CBZ- und SMX-Elimination in Abhängigkeit von der TSS-Konzentration in der Mischkaskade. Jeder Datenpunkt repräsentiert eine 24 h-mischprobe. Abbildung 70 zeigt CBZ-, SMX- und DOC-Eliminationen in Abhängigkeit vom Schlammalter. Die oben beschriebene Korrelation zwischen den Eliminationen und der TSS-Konzentration ist erkennbar, ein Effekt des Schlammalters hingegen nicht. Das Schlammalter ist mit 7 19 Tagen wesentlich größer als die Adsorptionszeit, die zur Einstellung des Gleichgewichts in einem Batchsystem nötig wäre (ca. 1 Tag). Weiterhin wird davon ausgegangen, dass aufgrund der kontinuierlichen Rezirkulation die Aktivkohle mit den Ablaufkonzentrationen der Spurenstoffe im Gleichgewicht steht (Meinel et al. 2016). Deshalb wird der Einfluss des Schlammalters als marginal erachtet; etwaige Effekte sind so gering, dass sie vom Einfluss der TSS-Konzentration überlagert werden. 100

107 Abbildung 69: DOC-Elimination in der Pilotanlage in Abhängigkeit der TSS-Konzentrationen in der Mischkaskade. Abbildung 70: CBZ-, SMX- und DOC-Eliminationen in Abhängigkeit vom Schlammalter (Mittelwerte und Standardabweichungen). Abbildung 71 und Abbildung 72 zeigen OMP- und DOC-Eliminationen in Abhängigkeit der DOC-Zulaufkonzentrationen (8,4 13,1 mg/l). Es ist kein Einfluss erkennbar. Ein möglicher moderater Anstieg der DOC-Konzentration im Rohwasser um wenige mg/l würde die relative Spurenstoff-elimination folglich nicht negativ beeinflussen. Eine Veränderung der DOC-Zulaufkonzentration könnte allerdings auch mit einer Änderung der DOC-Zusammensetzung einhergehen, die zu einer Veränderung des Adsorptionsverhalten führen kann (Zietzschmann et al., 2014). Solange eine qualitative Änderung des DOC nicht ausgeschlossen werden kann, bleibt die Prognose zukünftiger Spurenstoffeliminationen auf dieser Datenbasis unscharf. Der DOC zeigt hier ein unerwartetes Verhalten: bei der gemeinsamen Auswertung aller Rezirkulationsphasen wird eine geringe positive Korrelation zwischen der DOC-Elimination und den DOC-Zulaufkonzentrationen sichtbar. Betrachtet man die einzelnen Versuchsphasen, aufgeschlüsselt nach der TSS- Konzentration in der Mischkaskade (Abbildung 73), zeigt sich, dass auch innerhalb der einzelnen Phasen die DOC-Entfernungen bei steigenden Zulaufkonzentrationen bis auf wenige Ausnahmenleicht steigen. Vermutlich ist dieser Effekt auf Schwankungen in der DOC-Zulaufqualität zurückzuführen. Besonders stark konkurrierende niedermolekulare DOC-Fraktionen, die aus dem Kläranlagenablauf stammen (EfOM: effluent organic matter) sind über die Dauer des Anlagenbetriebs in vergleichsweise konstanten Konzentrationen enthalten, während weniger gut adsorbierbare DOC-Anteile wie die höhermolekularen Huminstoffe stärkeren witterungsbedingten Schwankungen unterliegen. 101

108 Abbildung 71: CBZ- und SMX-Eliminationen in Abhängigkeit von DOC-Zulaufkonzentrationen. Abbildung 72: DOC-Eliminationen in Abhängigkeit von DOC-Zulaufkonzentrationen. Abbildung 73: DOC-Ablauf- vs. Zulaufkonzentrationen, aufgeschlüsselt nach mittleren TSS-Konzentrationen der entsprechenden Versuchsphasen. Die gestrichelten Linien stellen verschiedene Eliminationsgrade dar. Abbildung 74 zeigt CBZ- und SMX-Eliminationen in Abhängigkeit der entsprechenden Zulaufkonzentrationen. Bei CBZ ist keine Korrelation sichtbar. SMX zeigt einen positiven Zusammenhang mit einer ausgeprägten Obergrenze, die von einer 55-prozentigen Elimination bei einer Zulaufkonzentration 0,11 µg/l bis hin zu einer 87-prozentigen Elimination bei einer Zulaufkonzentration von 0,38 µg/l an- 102

109 steigt. Dieser Effekt ist auf die Werte unterhalb der BG zurückzuführen und hat keine Ursache in Adsorptionseigenschaften. Dies wird in Abbildung 75 deutlich, wo CBZ- und SMX-Ablaufkonzentrationen gegen die entsprechenden Zulaufkonzentrationen aufgetragen sind. In beiden Fällen liegt ein deutlicher Teil der Ablaufkonzentrationen unter der BG, aber aufgrund höherer CBZ-Zulaufkonzentrationen können für diesen Stoff für fast alle Datensätze exakte Eliminationen >80 % errechnet werden. Abbildung 74: CBZ- und SMX-Eliminationen in Abhängigkeit der entsprechenden Zulaufkonzentrationen. Abbildung 75: CBZ- und SMX-Ablauf- vs. Zulaufkonzentrationen aufgeschlüsselt nach mittleren TSS- Konzentrationen der jeweiligen Versuchsphasen. Gestrichelte Linien stellen unterschiedliche prozentuale Eliminationsgrade dar, wie in der Abbildung angegeben. Phasen mit Rezirkulation sind in der Legende gekennzeichnet. Die höchsten Eliminationen sowohl an Spurenstoffen als auch an SAK 254 und DOC wurden bei maximalen TSS-Konzentrationen in der Mischkaskade erreicht. Deshalb wurde diese Versuchsein-stellung intensiver mit unterschiedlichen PAK-Dosierungen von mg/l getestet. Die erreichten Spurenstoffeliminationen sind in Abbildung 76 dargestellt. Die Werte bewegen sich zwischen 20 % und 100 % und auch für schlecht adsorbierbare Stoffe wie ATS, GAB, ACS wurden vergleichsweise hohe Eliminationen beobachtet. Bei vielen Stoffen liegen die Ablaufkonzentrationen bereits bei einer PAK-Dosierung von 10 mg/l vollständig (BZF) oder nahezu vollständig (SMX, PRI, CBZ, MTP, BTA) unter der BG. Deshalb kann für diese Stoffe keine Aussage über eine eventuelle Verbesserung der Eliminationen durch eine Steigerung der PAK-Dosis getroffen werden. Weitere Stoffe wie ATS, ACS und IOP sind schlecht adsorbierbar und unterliegen hohen Schwankungen. Auch hier ist keine Aussage möglich. 103

110 Bei den übrigen Stoffen (GAB, FAA, DCF) hat eine Erhöhung der PAK-Dosis von 10 mg/l auf mg/l keinen sichtbaren Einfluss auf die Elimination. Dieser Effekt beruht auf einer deutlichen Steigerung der PAK-Kapazität bei geringen Aktivkohledosen durch den Rezirkulationsbetrieb, wie Meinel et al. (2016) im Labormaßstab nachgewiesen haben. Es zeigt sich das enorme Einsparungspotential an Betriebskosten, das der Rezirkulationsbetrieb mit sich bringt. Bei ausreichender Feststoff-konzentration in der Adsorptionsstufe kann somit die Aktivkohledosis ohne signifikante Einbußen in der Spurenstoffentfernung deutlich reduziert werden. Abbildung 76: Spurenstoffeliminationen bei max. TSS-Konzentrationen in Abhängigkeit von der PAK- Dosierung (Mittelwerte und Standardabweichungen). Bei Ablaufkonzentrationen unterhalb der Bestimmungsgrenze stellen die dunklen farbigen Säulen die konservative Schätzung der Spurenstoffeliminationen dar (Ablaufkonzentration definiert als BG) und halbtransparente farbige Säulen die optimistische Schätzung (Ablaufkonzentration definiert als 0). Die PAK-Dosierung wurde tagesgenau kontrolliert und anhand gemittelter täglicher IST-Dosiermengen und Standardabweichungen ausgewertet. Sie betrugen 10,9±2,7 mg/l, 18,6±8,3 mg/l bzw. 30,8±1,9 mg/l. Nur Tage mit stabiler Spurenstoffentfernung wurden in die Auswertung einbezogen. Da im Rezirkulationsbetrieb Störungen der PAK-Dosierung langfristige Folgen haben können, wurde hier neben der tagesgenauen Erfassung die mittlere PAK-Dosierung über die gesamten Phasen bilanziert. Sie betrugen 10,6 mg/l, 20,7 mg/l bzw. 30,0 mg/l. Gabapentin zeigt darüber hinaus ein unerwartetes Verhalten mit höheren Eliminationen bei geringeren PAK-Dosen. Dies könnte bedeuteten, dass neben der Adsorption ein weiterer Faktor eine wesentliche Rolle bei der GAB-Elimination spielt. Während der Rezirkulationsphasen betrug das Schlammalter zwischen 7 und 25 Tagen. Bei mittleren monatlichen Zulauftemperaturen bis 21 ist mikrobielles Wachstum aller Wahrscheinlichkeit nach im gesamten System präsent. Da einige der Spurenstoffe unter aeroben Bedingungen (zumindest teilweise) biologisch abbaubar waren, können die gemessenen Eliminationen zusätzlich zur adsorptiven Entfernung eventuell zum Teil auf biologischen Abbau zurückgeführt werden. Besonders Gabapentin, das für seine sehr schlechten Adsorptionseigenschaften bekannt ist, wurde in Phasen mit maximaler Rezirkulation bis zu % entfernt. 104

111 3.2.3 Variation der PAK-Dosierstelle Eine Übersicht der Versuchsanlage zur Variation der PAK-Dosierstelle ist in Abbildung 77 zu sehen. Parallele Untersuchungen in einem Berliner Klärwerk haben gezeigt, dass die Immobilisierung, also Einlagerung der PAK im Filter, zu vergleichsweise hohen Entfernungsleistungen führt (Altmann et al. 2014a). Die Aufenthaltszeit der Kohle im System ist signifikant höher als die hydraulische Aufent-haltszeit (HRT) des Wassers. Damit ist die Adsorptionszeit deutlich erhöht, was eine weitergehende Ausnutzung der Adsorptionskapazität der PAK ermöglicht. Weiterhin kann die Effizienz der PAK durch höhere Beladungen gesteigert werden, da die PAK ähnlich einem GAK-Filter während des gesamten Filtrationsintervalles mit der konstant hohen Zulaufkonzentration im Kontakt ist (Ruhl et al. 2014). Im Folgenden sind die Ergebnisse der linearen Betriebsphase (Dosierung von 20 mg/l PAK vor der Adsorptionsstufe), der Zweipunktdosierung (je 10 mg/l PAK vor der Adsorptionsstufe und vor der Filtration) und der Direktdosierung (20 mg/l PAK nach Flockung und Sedimentation, vor der Filtration) nebeneinandergestellt. Während aller Phasen wurden 10 mg/l Fe 3+ als Flockungsmittel und 0,3 mg/l anionisches Polymer als Flockungshilfsmittel dosiert. Die Überschusskohle wurde diskontinuierlich manuell abgezogen. Abbildung 77: Übersicht über die Pilotanlage zur Immobilisierung der PAK im Filter. PAK-Suspension wurde einzeln bzw. kombiniert an den Punkten A und B dosiert. Die Entfernung von Wasserqualitätsparametern in Abhängigkeit der PAK-Dosierstelle ist in Abbildung 78 dargestellt. Während zweiten und dritten Betriebsphase wurde die PAK über die gesamte Laufzeit des Filters (24 h bei der Zweipunktdosierung, h während der Direktdosierung) im Filterbett eingelagert. Es zeigt sich, dass die adsorptiv entfernbaren Summenparameter CSB, DOC und SAK bei einer teilweisen oder vollständigen PAK-Dosierung vor dem Filter in leicht steigendem Maße entfernt werden. Höchste Entfernungen sind dabei bei der vollständigen Immobilisierung der PAK messbar. Die Unterschiede sind im Vergleich zu den Standardabweichungen jedoch relativ gering. Die Phosphorparameter TP, sp und srp werden ausschließlich durch die Flockung entfernt. Da diese in allen Betriebsphasen gleich ist, ist keine Veränderung sichtbar und die TP-Elimination ist auf konstant hohem Niveau >90 %. Abbildung 79 zeigt die Spurenstoffelimination in Abhängigkeit von der PAK-Dosierstelle. Es zeigt sich, dass die Elimination nahezu aller untersuchten Spurenstoffe durch die teilweise bzw. vollständige PAK- Dosierung vor den Filter z. T. erheblich gesteigert werden kann. Höchste Eliminationen ergeben sich bei der Direktdosierung. Nicht ganz eindeutige Ergebnisse ergeben sich lediglich für Bezafibrat, dessen 105

112 Ablaufkonzentrationen jedoch in einem Großteil der Messungen unter der Bestimmungsgrenze liegen. Weiterhin wird deutlich, dass die Schwankungsbreite abnimmt; die sehr großen Standardabweichungen aus dem linearen Betrieb werden in der zweiten bzw. dritten Phase geringer. Die erreichten Eliminationen erreichen jedoch nicht das Niveau des Rezirkulationsbetriebes. Abbildung 78: Entfernung von Wasserqualitätsparametern (Mittelwerte und Standardabweichungen) in Abhängigkeit der PAK-Dosierstelle bei einer Gesamtdosis von 20 mg/l PAK. Die angezeigten Zahlen geben jeweils die Anzahl der Proben an. Abbildung 79: Spurenstoffelimination in Abhängigkeit von der PAK-Dosierstelle (Mittelwerte und Standardabweichungen, dunkle farbige Säulen: Messwerte bzw. konservative Schätzung, halbtransparente farbige Säulen: optimistische Schätzung). 106

113 Feststoffabscheidung Die Feststoffabtrennung geschieht in zwei aufeinanderfolgenden Stufen, Sedimentation und Filtration. Bei den Versuchsphasen mit Rezirkulation sowie der Referenzphase ohne Rezirkulation wird die klare Phase aus dem Absetzzyklon (Sedimentation) direkt zur Filtration geleitet. Tabelle 30 zeigt Sedimentationsparameter für den Absetzzyklon der Pilotanlage im Vergleich zu großtechnischen Anlagen mit PAK-Dosierung und Rezirkulation. Es zeigt sich, dass der Absetzzyklon hinsichtlich der Auslegungsparameter Flächenbeschickung und hydraulische Aufenthaltszeit in einer vergleichbaren Größenordnung liegt wie die anderen Anlagen. Tabelle 30: Vergleich von Sedimentationsparametern der PA mit großtechnischen Anlagen in Süddeutschland (Metzger et al. 2014) (Böbl.: Böblingen-Sindelfingen, Mannh.: Mannheim, St. A.: StockacherAach, Kress.: Kressbronn-Langenargen). Parameter Einheit Pilotanlage Lahr Böbl. Mannh. St. A. Kress. Flächenbeschickung m/h 0,6 1,4 1,4 1,9 1,1 0,8 1,6 Hydr. Aufenthaltszeit min Die Feststoffflüsse der Rezirkulationsphase mit der maximalen Spurenstoffentfernung werden in Abbildung 80 exemplarisch gezeigt. Es zeigt sich, dass die Zulauffrachten gegenüber den rezirkulierten Feststofffrachten sehr klein sind. Leichte Abweichungen sind auf Messungenauigkeiten zurückzuführen. Abbildung 80: Tagesbezogene Feststofffrachten in Phase 8 (Rezirkulationsbetrieb mit 20 mg/l PAK) als Sankey-Diagramm. Bis auf Zufluss Zyklon und Rezirkulation sind alle Pfeile zur besseren Erkennbarkeit überproportional dick dargestellt. Durch Zusammenfassen von Mischkaskade und Zyklon werden die Systemgrenzen der Bilanz weiter gefasst (Abbildung 81). So wird die gesamte Adsorptionsstufe abgebildet und es werden die Massenflüsse über die Systemgrenzen hinweg sichtbar: Eintrag von Feststoffen aus PAK und dem Zulauf, Entstehung von Eisenhydroxidflocken aus FM sowie Austrag von Feststoffen durch Schlamm-abzug und Klarwasser der Sedimentation. 107

114 Abbildung 81: Feststoffbilanz der Adsorptionsstufe in Phase 8 (20 mg/l PAK, Rezirkulationsbetrieb). Den größten Anteil am Feststoffzuwachs in der Adsorptionsstufe haben PAK und FM. Der Anteil des Anlagenzulaufs fällt dagegen gering aus. Die Darstellung gibt einen Hinweis auf die Zusammensetzung des Schlamms, da er eine in allen Anlagenteilen gleiche Schlammqualität vorausgesetzt im gleichen Verhältnis wie die Feststoffquellen zusammengesetzt ist; hier zu 51 % aus Eisenhydroxidflocken, zu 44 % aus PAK und zu ca. 5 % aus im Abwasser enthaltenen Feststoffen. Tabelle 31 zeigt prozentuale TSS-Entfernungen der Sedimentation und Filtration der Rezirkulationssowie der Referenzphase an. Die Gesamtentfernung (Ablauf Filter vs. Zulauf Sedimentation) ist in allen Fällen >99 %. Es zeigt sich, dass die relative TSS-Abscheidung in der Sedimentation trotz steigender TSS-Konzentrationen steigt. Es wurde deutlich, dass die schwebenden Schlammflocken im Absetzzyklon zur Abscheidung von Flocken und Trübstoffen beitrugen und damit ähnlich einem Schlammkontaktverfahren wirkten (Schatten 2015). Tabelle 31: Mittlere TSS-Entfernungsgrade in der Sedimentation, Filtration und Gesamt mit Standardabweichung (gerundete Werte) in Abhängigkeit der TSS-Konzentration in der Mischkaskade (die Gesamtentfernung ergibt sich hier durch den Vergleich der Konzentrationen aus der Mischkaskade mit dem Filterablauf). Feststoffkonzentration in der Adsorptionsstufe Sedimentation [%] Filtration [%] Gesamt [%] 0,12 g/l TSS (n=7) 91,4±1,8 90,4±3,6 99,2±0,5 0,11 g/l TSS (n=11) 88,6±5,5 93,0±9,3 99,5±0,3 0,66 g/l TSS (n=8) 99,5±0,3 78,9±7,0 99,9±0,1 1,95 g/l TSS (n=8) 99,8±0,1 84,5±7,3 99,9±0,0 2,03 g/l TSS (n=16) 99,9±0,0 72,6±23,7 100,0±0,0 2,83 g/l TSS (n=12) 99,9±0,0 64,6±40,4 100,0±0,0 Beim Vergleich der Feststoffabscheidung im Filter in den verschiedenen Phasen zeigen sich größere Schwankungen. Wie Tabelle 32 zeigt, hängt dies mit den TSS-Zulaufkonzentrationen im Filter zusammen. Durch die überproportional steigenden relativen Entfernungen in der Sedimentation sinken die TSS-Konzentrationen im Filterzulauf mit steigenden TSS-Konzentrationen in der Mischkaskade. Obwohl die relativen TSS-Entfernungen im Filter schwanken, werden in allen Phasen mittlere TSS-Konzentrationen <1mg/L eingehalten. 108

115 Tabelle 32: Mittlere TSS-Konzentrationen und Standardabweichungen in Anlagenzulauf, Rezirkulationsschlamm, Filterzulauf und Filterablauf in Abhängigkeit der TSS-Konzentration in der Mischkaskade. Mischkaskade [g/l] Anzahl Proben Zulauf [mg/l] RS [g/l] F zu [mg/l] F ab [mg/l] 0,12±0,04 7 5,36±1,8-10,0±1,4 0,93±0,3 0,11±0, ,78±3,4-11,9±2,3 0,47±0,1 0,66±0,2 8 7,65±3,2 8,18±3,4 3,18±1,4 0,68±0,4 1,95±0,2 8 5,79±5,3 5,88±2,1 2,94±2,1 0,36±0,1 2,03±0,3 16 4,39±3,4 4,16±0,7 2,74±0,9 0,65±0,5 2,83±0,2 12 4,32±4,2 0,63±0,4 2,40±1,1 0,68±0,6 Abbildung 82 zeigt exemplarisch anhand eines überdurchschnittlich langen Filtrationsintervalles, wie mit zunehmender Filterlaufzeit der Druckverlust im Filter steigt. Der Vergleich der beiden Kurven nach den Filterspülungen am und zeigt, dass die eingelagerten Feststoffe durch die Spülung vollständig entfernt werden. Durch den konstruktiv bedingten hohen Filterüberstau kommt es nicht zur Verblockung des Filters, obwohl der Druckverlust auf über 400 mbar steigt und Feststoffkonzentration und Trübung im Filterablauf nach Durchbruch deutlich ansteigen. Abbildung 82: Druckverlauf im Filter über das Filtrationsintervall von bis zum (Micheau-Diagramm). Dargestellt sind 24-stündlich gemessene Drücke eines 5-tägigen Filtrationsintervalles ohne Rückspülung in verschiedenen Höhen des Filterbettes (Dreiecke bzw. Rauten) sowie die Drücke nach der anschließenden Filterspülung (Kästchen). Die höchsten Druckverluste sind in den oberen Teilen der beiden Filterschichten sichtbar. Entlang der jeweiligen Filterschicht lässt der Druckverlust kontinuierlich nach. Größere Partikel werden in der gröberen Bimsschicht abgelagert, feinere im darunterliegenden Filtersand. In Abbildung 83 wird die Filterbeladung (ermittelt aus Mischproben von Filterab- und -Zulauf über die Filterlaufzeit) und das Rückspülintervall von April bis Dezember dargestellt (Schatten, 2015). Ein Bemessungswert für die Grenzbeladung je Filtrationsintervall für Raumfilter mit Flockung liegt bei 2,5 kg/m³ Filtermaterial (Barjenbruch 2007). 109

116 Abbildung 83: Rückspülintervall, Filterbeladung, Grenzbeladung und Filterdurchbrüche als Zeitreihe. Vertikale gestrichelte Linien trennen die verschiedenen Versuchsphasen. Der Arbeitsbereich des Filters liegt bei den gewählten Laufzeiten zumeist unterhalb der Grenzbeladung; der Filter könnte länger ohne Rückspülung betrieben werden. Üblicherweise hat der Filter nach 48 h noch % Restkapazität. In Phasen mit 24 h Filterlaufzeit liegt die mittlere Beladung bei 0,89 kg/m³. Bei 48 h Filterlaufzeit liegt sie bei 0,94 kg/m³. Filterdurchbrüche, hier definiert als Trübungen im Filterablauf von mehr als 0,5 TE/F zum Ende des Filtrationsintervalles, sind mit Kreuzen markiert. Vom bis zum wurde ein Teil der PAK bzw. die gesamte PAK direkt vor dem Filter dosiert, was zu hohen Beladungen des Filters führte. Es fällt auf, dass Filterdurchbrüche z. T. auch bei geringen Beladungen auftreten. Im September 2014 kam es z. B. zu Problemen bei der FM-Dosierung, weswegen die Trübung häufig über 0,5 TE/F lag (Kreuzsymbole). Grundsätzlich zeigen sich höhere Beladungen in der Referenzphase ohne Rezirkulation, da dort die höchsten Feststoffgehalte im Filterzulauf aufgetreten sind (s. o.). Weiterhin konnte gezeigt werden, dass vor allem bei Betriebsphasen mit Rezirkulation die Feststoffentfernung in der Pilotanlage deutlich die der Großanlage überschritt (Asmuß 2014). Abbildung 84 vergleicht die Feststoffkonzentrationen von Pilotanlage und OWA im Zu- und Ablauf als Summenhäufigkeiten. Dargestellt sind alle Werte der Phasen mit Rezirkulation sowie der Referenzphase. Die TSS-Zulaufkonzentrationen stimmen gut überein. Die Ablaufkonzentrationen der Pilotanlage weisen ein breiteres Spektrum als die der OWA auf, was auf die unterschiedlichen Versuchseinstellungen und z. T. sehr lange Filterlaufzeiten mit Durchbrüchen zurückzuführen ist. Der Median der TSS-Konzentrationen beider Anlagen liegt bei ca. 0,5 mg/l übereinander. Es wird deutlich, dass die Pilotanlage die TSS-Ablaufkonzentrationen der OWA bei optimierten Bedingungen unterschreitet. 110

117 Abbildung 84: Suspendierte Feststoffe als Summenhäufigkeit im Zulauf (a) und Ablauf (b) der OWA sowie der Pilotanlage während des Rezirkulationsbetriebes inklusive Referenzphase Vergleich mit anderen Anlagen In Süddeutschland sind in einigen Klärwerken großtechnische Adsorptionsstufen mit vergleichbarer Verfahrenstechnik (PAK-Adsorption, simultane Flockung, Sedimentation, Rezirkulation und Filtration) in Betrieb (Q = 0,25 1,0 m³/h, außer die halb-technische Anlage in Lahr). Die TSS-Konzentrationen in der Adsorptionsstufe bewegen sich zwischen 2,5 und 4 g/l bei einer PAK-Dosierung von jeweils 10 mg/l und hydraulischen Aufenthaltszeiten unter einer Stunde (Metzger et al. 2014). Die Anlage in Lausanne mit kombinierter Adsorption und Flockung ist einem kommunalen Klärwerk nachgeschaltet und wurde mit mg/l PAK (Median: 12 g/l) bei einer minimalen Adsorptionszeit von Minuten betrieben. Der Feststoffgehalt in der Adsorptionsstufe beträgt hier 1 2 g/l (Margot et al., 2013). Die Spurenstoffeliminationen dieser Anlagen sind in Abbildung 85 im Vergleich zu den erzielten Ergebnissen der Pilotanlage im Rezirkulationsbetrieb mit 10 mg/l PAK dargestellt. Bei SMX, CBZ und MTP sind die Ablaufkonzentrationen der PA z. T. deutlich unter der Bestimmungsgrenze. Für den Vergleich wurde als Ablaufkonzentration die halbe Bestimmungsgrenze angesetzt, was zu einer eventuellen Unterschätzung der Eliminationsraten für diese Stoffe führt. Es zeigt sich, dass die Pilotanlage bei vielen Spurenstoffen sehr gut mit den vergleichbaren Adsorptionsstufen übereinstimmen, mit tendenziell etwas höheren Eliminationen in der Pilotanlage. Die Ergebnisse sind jedoch aufgrund der nicht identischen Auslegungsgrößen (Aufenthaltszeit in Adsorptionsstufe, Sedimentation, etc.) nicht vollständig vergleichbar GAK-Filtration und PAK-Dosierung in den Filterüberstau Zwei Pilotfilter mit Durchmessern von je 30 cm werden im Anschluss an Sedimentation und Nachflockung der OWA Tegel betrieben. In einen Filter wird granulierte Aktivkohle (GAK) in einer Schichthöhe von 1,5 m eingesetzt, um zusätzlich zu den suspendierten Feststoffen (TSS) anthropogene Spurenstoffe (OMP) zu entfernen (GAK-/Sandfilter). Der zweite Filter enthält Bims in einer Schichthöhe von 1,3 m und dient als Referenz, um die Filter der OWA Tegel zu repräsentieren (Details in Der OMP-Durchbruch ist in Abbildung 87 exemplarisch anhand von Benzotriazol-Konzentrationen dargestellt. Es sind schwankende Zulaufkonzentrationen sichtbar. Der Ablauf des Referenzfilters entspricht ungefähr dem Filterzulauf. Im Ablauf des GAK-Filters sind ansteigende Konzentrationen zu beobachten, die sich den Zulaufkonzentrationen annähern. 111

118 ). Die Filterspülung erfolgt nach 30 bzw. 32 Stunden, die Filtergeschwindigkeit beträgt 8,5 m/h bei einer Leerbettverweilzeit (EBCT) von 10,6 min bezüglich der GAK-Schicht. Die Filter werden über einen Zeitraum von 108 Tagen beprobt. In Abbildung 86 ist der Versuchsaufbau schematisch dargestellt. Abbildung 85: Spurenstoffeliminationen (Mittelwerte) der Pilotanlage (10 mg/l PAK, Rezirkulationsbetrieb) im Vergleich zu ausgewählten Deutschen und Schweizer Anlagen (*(Metzger et al. 2014), **(Margot et al. 2013)). Die Ergebnisse der GAK-Filtration sind in Tabelle 34 dargestellt. Da im GAK-/Sandfilter bereits nach sehr kurzer Zeit keine adsorptive Entfernung von DOC bzw. SAK 254 messbar ist (früher Durchbruch), werden die Mittelwerte des durchgebrochenen Filters gezeigt. Der Vergleich zeigt, dass die GAK die Filtration nicht beeinträchtigt. Suspendierte Feststoffe (TSS), DOC und Phosphor werden in beiden Filtern gleichwertig entfernt. Der SAK 254, ein Maß für die gelösten organischen Wasserinhaltsstoffe, wurde durch Adsorption im GAK-Filter in etwas höherem Maße entfernt als in der Referenz. Tabelle 33: Aufbau der Pilotfilter. Obere Filterschicht Untere Filterschicht GAK-/Sandfilter Referenzfilter GAK (Jacobi Aquasorb 5000) Bims 2,00 3,35 mm 1,5 2,5 mm h = 1,5 m h = 1,3 m Sand Sand 0,71 1,25 mm 0,71 1,25 mm h = 0,7 m h = 0,6 m 112

119 Abbildung 86: Vereinfachtes Fließschema der Pilotfilter mit Anbindung an die OWA Tegel. Der OMP-Durchbruch ist in Abbildung 87 exemplarisch anhand von Benzotriazol-Konzentrationen dargestellt. Es sind schwankende Zulaufkonzentrationen sichtbar. Der Ablauf des Referenzfilters entspricht ungefähr dem Filterzulauf. Im Ablauf des GAK-Filters sind ansteigende Konzentrationen zu beobachten, die sich den Zulaufkonzentrationen annähern. Tabelle 34: Mittelwerte und Standardabweichungen ausgewählter Filterparameter während der GAK- Filtration (n=16-21). DOC SAK 254 TP TSS [mg/l] [1/m] [µg/l] [mg/l] Zulauf 7,5±1,2 18,5±1,9 90±60 17,9±9,6 Ablauf GAK-/ Sandfilter 6,5±0,9 15,9±1,8 15±3 0,3±0,2 Ablauf Referenzfilter 6,6±1,0 17,4±1,7 15±3 0,3±0,1 Abbildung 87: Benzotriazol-Konzentrationen im während der Filterlaufzeit im Filterzulauf und den Filterabläufen. Durchbruchskurven für Sulfamethoxazol (SMX), Carbamazepin (CBZ) und BTA sind in Abbildung 88 dargestellt. Es zeigt sich, dass Spurenstoffe anfangs zum Großteil entfernt werden, allerdings erfolgt der 113

120 Durchbruch rasch. Die größten Eliminationen zeigen sich für CBZ und BTA. Bei SMX und anderen analysierten OMP (Diclofenac, DCF; Bezafibrat, BZF; Iomeprol, IOM) brach der Filter kurze Zeit nach dem Start der Filterlaufzeit durch. Die Carbon Usage Rate (CUR) für eine 50-prozentige Entfernung beträgt 142 mg/l für CBZ bzw. 58 mg/l für BTA, für die anderen Stoffe >142 mg/l. Vergleicht man diese mit üblichen Dosiermengen von Pulveraktivkohle (10-30 mg/l), wird die geringe Effizienz sichtbar, was einen häufigen Austausch des GAK-Bettes mit sich bringt. Aufgrund der kurzen Kontaktzeit und vergleichsweise grobkörnigen GAK kann die Kapazität der Kohle vermutlich nicht vollständig genutzt werden. Das führt zu raschen und verzögerten Durchbrüchen (Meinel et al. 2015). Abbildung 88: Durchbruchskurven des GAK-/Sand-Filters für Sulfamethoxazol, Carbamazepin und Benzotriazol. Abbildung 89: Vereinfachtes Fließschema der Pilotfilter mit Anbindung an die OWA Tegel. In einer erweiterten Pilotanlage wird die Dosierung von Pulveraktivkohle in den Filterüberstau getestet. Das Verfahrensfließbild ist schematisch in Abbildung 89 dargestellt. Hierfür wird Rohwasser aus dem Zulauf der OWA Tegel entnommen und mit einer reduzierten Dosis von 1,4 mg/l FM geflockt. Zur Spurenstoffentfernung wird PAK als Suspension in Konzentrationen von 10, 20 und 30 mg/l dosiert. Über einen statischen Mischer gelangt das so behandelte Wasser zur Schnellfiltration. Die Kontaktzeit 114

121 von Wasser und Kohle vor Eintritt in das Filterbett beträgt ca. 25 min. Die Filterschichtenbestehen aus Bims (Korngrößen von 2,0 3,0 mm bzw. 1,4 2,5 mm) und Sand (0,71 1,25 mm). Die Rückspülung erfolgt alle 12 Stunden bei einer Filtergeschwindigkeit von 8,5 m/h und einem Durchfluss von 600 L/h. Die PAK-Konzentration im Filterablauf und damit der PAK-Rückhalt im Filter werden mit einer Kalibrierreihe beladener Filterpapiere abgeschätzt. Dazu wird ein Set aus Glasfasermembranen mit Filterablauf beladen, in den zuvor verschiedene, definierte Massen an PAK gegeben wurde. Der Filterablauf wird in einer Versuchsphase ohne PAK entnommen und spiegelt die Hintergrundfärbung des Wassers wider. Nach der Filtration werden die Membranen bei 105 C getrocknet. In den Versuchsphasen wird dann je ein Filterpapier mit einer Stichprobe Filterablauf beladen und mittels eines visuellen Vergleichs der Färbung mit der Kalibrierreihe verglichen. Tabelle 35 zeigt die Ergebnisse der PAK-Adsorption. DOC- und SAK-Entfernung im Filterablauf sind gleich oder besser als bei der GAK-Filtration, die Trübung liegt in der gleichen Größenordnung. Trotz der niedrigen Eisendosierung von 1,4 mg/l konnte die sp-konzentration auf unter 50 µg/l gesenkt werden, die srp-konzentration auf unter 20 µg/l. Dies hängt mit den auffallend niedrigen Zulaufkonzentrationen von durchschnittlich 106 g/l zusammen. Die über die Phasen gemittelte Entfernung der DOC- und SAK 254 -Konzentration (14,6 % bzw. 23,0 %) ist höher als während der GAK-Filtration (13,1 % bzw. 13,9 %). Die Ablauftrübung liegt bei PAK-Dosierungen von mg/l unter 0,5 NTU und steigt bei 30 mg/l PAK teilweise über 1 NTU. Im Vergleich dazu beträgt die Trübung im Ablauf der OWA Tegel im Jahresmittel ,53 NTU. Die abgeschätzte PAK-Konzentration im Filterablauf ist in allen Phasen <0,2 mg/l. Untersuchungen an einer anderen Anlage bestätigen einen weitgehenden PAK-Rückhalt in der Filtration. Die Spurenstoffentfernung als Funktion der PAK-Dosis ist in Abbildung 90 dargestellt. Eine 50-prozentige Entfernung von CBZ und BTA wird bereits mit ca. 10 mg/l PAK erreicht, für SMX sind es ca. 38 mg/l. Die benötigten Dosen sind signifikant geringer als die Carbon Usage Rates (CUR) in der GAK- Filtration. Tabelle 35: Mittelwerte und Standardabweichungen ausgewählter Filterparameter während der PAK- Adsorption (n=6 außer Zulauf, zeitversetzte Stichproben). DOC [mg/l] SAK 254 [1/m] srp [µg/l] sp [µg/l] Zulauf (n = 9) 9,6±1,3 21,8±1,6 106±12 154±22 Ablauf 10 mg L -1 PAK 8,8±1,0 17,6±1,1 11,5±1,6 46±34 Ablauf 20 mg L -1 PAK 8,3±0,9 17,2±1,7 11,8±3,2 36±10 Ablauf 30 mg L -1 PAK 7,4±1,2 15,6±1,3 15,4±3,7 35±10 Trotz der sehr geringen Dosiermenge an Flockungsmitteln von 1,4 mg/l Fe kann bei niedrigen Zulaufkonzentrationen eine zufriedenstellende P-Elimination erreicht werden. Um das Verhalten bei höheren P-Zulaufkonzentrationen zu untersuchen, wird diese Versuchseinstellung in der Folge mit höherer Eisendosierung wiederholt. Es werden längere Versuchsphasen mit 24 h-mischproben statt der zeitversetzten Stichprobendurchgeführt und die Filterdurchbrüche detailliert ausgewertet. 115

122 Abbildung 90: Spurenstoffentfernung in Abhängigkeit von der PAK-Dosis PAK-Dosierung vor Flockungsfiltration Es wurden PAK und FM ohne Sedimentation direkt vor den Filter dosiert. Die Adsorptionszeit vor dem Filter wurde in zwei Stufen variiert; einerseits wurde zusätzlich zum Filterüberstau (24 min HRT inkl. Rohrleitungen) ein Reaktionsraum mit 25 min HRT genutzt, andererseits wurde ausschließlich der Filterüberstau verwendet. Flockung und Adsorption finden simultan statt. Die FM-Dosis wurde im Vergleich zum Rezirkulationsbetrieb auf 4 mg/l reduziert, um einen verfrühten Durchbruch des Filters zu verhindern. Der Zielwert für die PAK-Dosierung war 20 mg/l (reale Werte: 20,5±3,9 mg/l mit zusätzlichem Reaktionsraum (zrr), 22,9±1,5 mg/lohne zrr). Flockungshilfsmittel kam nicht zum Einsatz. Abbildung 91: Fließschema der Pilotanlage zur PAK-Dosierung vor Flockungsfiltration. Die Dosierstellen für PAK und FM wurden variiert, um in b) einen gegenüber a) zusätzlichen Reaktionsraum für eine höhere Adsorptionszeit zu schaffen. Eisen- und Feststoffkonzentrationen zeigt Tabelle 36. Trotz gleicher FM-Dosierung ist die Fe-Konzentration im Ablauf mit zrr nahezu doppelt so hoch wie ohne zrr. Bei gleicher Zulauf-konzentration ist auch die Ablaufkonzentration der Feststoffe ohne zrr ungefähr verdoppelt. 116

123 Tabelle 36: Eisen- und Feststoffkonzentrationen bei der PAK-Dosierung vor Flockungsfiltration. Betriebsphase mit zus. Reaktionsraum (n=16-19) ohne zus. Reaktionsraum (n=19) Fe-Konz. Ablauf [mg/l] 0,13±0,04 0,24±0,09 Feststoffkonz. Zulauf [mg/l] 3,9±1,9 3,8±1,9 Feststoffkonz. Ablauf [mg/l] 0,6±0,2 1,3±0,5 Abbildung 92 zeigt die Entfernung ausgewählter Parameter bei der PAK-Dosierung vor Flockungsfiltration mit bzw. ohne den zusätzlichen Reaktionsraum. Es zeigt sich, dass die Phosphor-elimination ohne zrr verringert ist. Allerdings liegen die TP-Ablaufkonzentrationen mit 27±2 µg/l (mit zrr) und 25±6 µg/l (ohne zrr) sehr nah beieinander; die Unterschiede liegen in den Zulaufkonzentrationen: 172±55 µg/l (mit zrr) und 102±27 µg/l (ohne zrr). Abbildung 92: Entfernung ausgewählter Wasserqualitätsparameter bei 20 mg/l PAK-Dosierung (Zielwert) mit Flockungsfiltration (mit bzw. ohne zusätzlichen Reaktionsraum; zrr). FM-Dosierung: 4 mg/l Fe 3+ ; die angezeigten Zahlen geben die jeweilige Anzahl der Proben an. In der Entfernung der Summenparameter der gelösten Organik zeigen sich nur unwesentliche Unterschiede, einzig die DOC-Elimination ist ohne zusätzlichen Reaktionsraum etwas geringer. Die verringerte relative P-Elimination ohne zrr und die erhöhte Fe-Konzentration zeigen, dass die Flockung unter den gegebenen Bedingungen nicht optimal funktioniert hat. Aus konstruktiven Gesichtspunkten steht zu vermuten, dass die Turbulenz an der FM-Dosierstelle für eine optimale Einmischung nicht ausreichend war. Dennoch konnte mit der geringen Fe-Dosierung von 4 mg/l Fe 3+ in beiden Fällen eine P-Ablaufkonzentration 30 µg P/L stabil eingehalten werden. Die Spurenstoffeliminationen sind in Abbildung 93 dargestellt. Gegenüber der Referenz zeigt sich eine etwas geringere Entfernung der schlecht adsorbierbaren Stoffe und eine etwas erhöhte Entfernung der mäßig bis gut adsorbierbaren Stoffe bei vergleichsweise großen Standardabweichungen. Die Unterschiede zwischen den Phasen mit und ohne zrr sind zumeist gering; die zusätzliche Adsorptionszeit konnte unter den gegebenen Randbedingungen keine wesentliche Erhöhung der Spurenstoffelimination bewirken. 117

124 Abbildung 93: Spurenstoffelimination mit 20 mg/l PAK (Zielwert) bei PAK-Dosierung mit Sedimentation (Referenz ohne Rezi) und PAK-Dosierung vor Flockungsfiltration (mit bzw. ohne zusätzlichen Reaktionsraum; zrr). Gezeigt sind Mittelwerte und Standardabweichungen. Bei Ablaufkonzentrationen unterhalb der Bestimmungsgrenze stellen die dunklen farbigen Säulen die konservative Schätzung der Spurenstoffeliminationen dar (Ablaufkonzentration definiert als BG) und halbtransparente farbige Säulen die optimistische Schätzung (Ablaufkonzentration definiert als 0). Es wird deutlich, dass die PAK-Dosierung vor der Flockungsfiltration in der Lage ist, eine mindestens gleichwertige Spurenstoffentfernung gegenüber einer PAK-Dosierung mit Sedimentation zu erreichen. Die Einmischung der PAK sowie eine ausreichende Turbulenz für die Flockung sind wichtige Voraussetzungen, um auch mit kurzen Adsorptionszeiten von 25 Minuten vor der Filtration zuzüglich zur Immobilisierung im Filterbett bessere OMP-Eliminationen zu erreichen als mit PAK-Dosierung und Sedimentation bei deutlich längeren Aufenthaltszeiten von 45 Minuten + Sedimentation. Die z.t. geringen Stichprobenanzahlen, insbesondere ohne zrr, rühren aus Zulaufkonzentrationen unter der Bestimmungsgrenze; betreffende Datensätze können nicht ausgewertet werden. Die niedrigen Zulaufkonzentrationen sind auch der Grund für die teils sehr hohen Eliminationen in der optimistischen Schätzung: Bei Zulaufkonzentrationen kurz oberhalb der BG klaffen die relativen Entfernungen der optimistischen und konservativen Schätzung weit auseinander Einhaltung zukünftiger Zielwerte Für einige Spurenstoffe können künftig im Rahmen von Umweltqualitätsnormen (UQN) der Wasserrahmenrichtlinie Zielwerte definiert werden. Um die Einhaltung dieser Zielwerte vorherzusagen, werden im Folgenden die Ablaufkonzentrationen betrachtet. Da UQN-Zielwerte für die Konzentration im Oberflächengewässer liegen, bildet die Betrachtung der Ablaufkonzentrationen nur einen Teilaspekt ab. Verdünnung und eventuelle Abbauprozesse können die Ablaufkonzentrationen auf dem Weg zum See verringern, so dass im See z. T. deutlich geringere Konzentrationen erwartet werden können als im Ablauf der OWA. 118

125 Abbildung 94 zeigt die Ablaufkonzentrationen für den Betrieb mit maximalen TSS-Konzentrationen in der Mischkaskade bei 20 mg/l PAK. Es zeigt sich, dass viele Stoffe bis unter die Bestimmungsgrenze eliminiert werden, darunter BZF, PRI, SMX, CBZ, MTP, BTA. DCF wird im Schnitt auf 0,14 µg/l gesenkt, bei FAA und IOP sind die mittleren Ablaufkonzentrationen 0,5 µg/l, bei ATS, GAB und ACS sogar 1,0 µg/l. Hier zeigen sich vergleichsweise hohe Schwankungsbreiten. Abbildung 94: Absolute Ablaufkonzentrationen der gemessenen Spurenstoffe im Pilotanlagenbetrieb mit 2,8 g/l TSS bei 20 mg/l PAK. Gezeigt sind die 0,25- und 0,75-Quantile (rot bzw. grün dargestellt), der Median (dazwischenliegend), der Mittelwert (beschriftete Kreuze) sowie die Minimal- und Maximalwerte (untere bzw. obere Whisker). Die roten Quadrate geben die jeweiligen Bestimmungsgrenzen an. n=12. Tabelle 37 zeigt die Ablaufkonzentrationen der Pilotanlage im Vergleich zu den möglichen zukünftigen Zielwerten. Carbamazepin- und Sulfamethoxazol-Zielwerte werden sowohl im Rezirkulationsbetrieb als auch bei 2stufiger PAK-Dosierung, Direktdosierung und bei der PAK-Dosierung vor Flockungsfiltration zumeist eingehalten. Der Diclofenac-Zielwert wird dagegen fast immer überschritten. Allerdings zeigt Abbildung 94, dass im Rezirkulationsbetrieb der Mittelwert bei 0,14 µg/l und der Maximalwert bei 0,24 µg/l liegen. Bei einer Verdünnung um den Faktor 1,5 2 hin zum See könnte im Mittel der UQN-Zielwert eingehalten werden, zumal Diclofenac als sehr gut photochemisch abbaubar gilt (Tixier et al. 2003). Tabelle 37: Prozentualer Anteil der CBZ-, DCF- und SMX-Ablaufkonzentrationen größer oder gleich den möglichen zukünftigen Zielwerten in Abhängigkeit von den Versuchseinstellungen. Zielstoff Zielwert CBZ 0,50 µg/l DCF 0,10 µg/l SMX 0,15 µg/l 20 mg/l PAK, keine Rezi., 0,11 g/l TSS (n = 16-17) 25 % 0 % 71 % 10 mg/l PAK, max. Rezi., 3,0 g/l TSS (n = 13) 100 % 0 % 85 % 20 mg/l PAK, max. Rezi., 2,8 g/l TSS (n = 12) 100 % 17 % 100 % 30 mg/l PAK, max. Rezi., 3,6 g/l TSS (n = 12) 100 % 0 % 100 % 2x10 mg/l PAK, 2-stufige Dosierung (n = 11) 91 % 9 % 82 % 20 mg/l PAK, Direktdosierung (n = 10) 100 % 40 % 100 % 20 mg/l PAK, PAK-Dos. Flockungsfiltration m. zrr (n = 16) 63 % 0 % 94 % 20 mg/l PAK, PAK-Dos. vor Flockungsfiltration o. zrr (n = 19) 84 % 0 % 100 % 119

126 Es konnte gezeigt werden, dass bei keiner der untersuchten Versuchsphasen (mit und ohne Rezirkulation, 2-stufige und Direktdosierung sowie Flockungsfiltration mit unterschiedlichen Reaktionszeiten) die relativen Spurenstoffentfernungen von steigenden OMP-Zulaufkonzentrationen beeinträchtigt werden (Meinel et al. submitted). Welche Ablaufkonzentrationen bei einer Verdopplung der Spurenstoffkonzentrationen zu erwarten sind, wird im Folgenden untersucht. Zulaufkonzentrationen aus Langzeitmessungen ( ) wurden bestimmt und verdoppelt. Für die unterschiedlichen Adsorptionsverfahren wurden mit den in der Pilotanlage bestimmten Eliminationen Ablaufkonzentrationen modelliert. Dies ist in Tabelle 38 dargestellt. Für die zu erwartenden Werte sind grobe Rahmen angegeben, da die Zulaufkonzentrationen z. T. starken Schwankungen unterliegen. Tabelle 38: Zulauf- und zu erwartende Ablaufkonzentrationen der untersuchten Adsorptionstechniken auf der Basis verdoppelter Zulaufkonzentrationen bei einer gesamten PAK-Dosis von 20 mg/l. Spurenstoff CBZ DCF SMX Zulaufkonzentrationen mittlere Zulaufkonzentration [µg/l] (n=192) 1,9 2,0 0,20 Standardabweichung [µg/l] 1,2 1,2 0,07 erwartete Zulaufkonzentration (verdoppelt) [µg/l] 3,9 4,1 0,40 Ablaufkonzentrationen ohne Rezirkulation (0,1 g/l TSS) 1,4 2,6 1,9 3,5 0,20 0,30 mit maximaler Rezirkulation (2,8 g/l TSS) 0,1 0,2 0,2 0,4 0,07 0,13 2-stufige PAK-Dosierung (2x10 mg/l) 0,3 0,6 0,6 1,1 0,14 0,24 Direktdosierung PAK vor Filter(nach Flockung und Sedi.) 0,2 0,3 0,3 0,6 0,10 0,15 Direktdosierung PAK vor Flockungsfiltration 0,6 1,7 1,4 3,2 0,16 0, Zusammenfassung In der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage (OWA) Tegel wurden an einer Pilotanlage zwischen Mai 2013 und April 2015 unterschiedliche Verfahrenstechniken zur Entfernung von organischen Spurenstoffen untersucht. Im Zentrum standen dabei Verfahren mit Pulveraktivkohle (PAK), daneben wurde eine Variante mit granulierter Aktivkohle (GAK) getestet. Einflussfaktoren auf die Spurenstoffelimination wurden identifiziert und systematisch untersucht. Ein zentrales Verfahren war die Rezirkulation des PAK-Schlammes zur Effizienzsteigerung der Adsorption. Es wurde eine separate Adsorptionsstufe mit PAK-Dosierung, Sedimentation und Rezirkulation des PAK-Schlammes betrieben. Im Rezirkulationsbetrieb zeigt sich eine starke Abhängigkeit der Spurenstoffelimination von der TSS-Konzentration im Kontaktreaktor mit höchsten Eliminationen bei maximaler TSS-Konzentration. Ein solches Verfahren kann trotz kürzerer hydraulischer Verweilzeiten im Vergleich zum Betrieb ohne Rezirkulation auch schlecht bzw. mäßig adsorbierbare Spurenstoffe entfernen. Bei einem Feststoffgehalt von 2,8 3,6 g/l im Kontaktreaktor zeigt sich kein wesentlicher Einfluss der PAK-Dosis; die Spurenstoffeliminationen liegen bei mg/l PAK auf konstant hohem Niveau. Mit geringen PAK-Dosen kann somit eine sehr effiziente Entfernung vieler Spurenstoffe erreicht werden. Biologische Effekte spielen bei der Elimination einiger Stoffe potentiell eine wesentliche Rolle. Unter den untersuchten Bedingungen zeigt sich kein negativer Einfluss steigender DOC-Zulaufkonzentrationen (zwischen 8,4 mg/l und 13,1 mg/l) auf die Spurenstoff- und DOC-Entfernung. Folglich ist bei gleichbleibender DOC-Zusammensetzung und moderat steigenden DOC-Zulaufkonzentrationen keine 120

127 Verschlechterung der Spurenstoffelimination zu erwarten. Bei weiter steigenden DOC-Konzentrationen kann mit höheren PAK-Dosierungen reagiert werden (Altmann et al. 2014b). Wenn die Konzentrationen im Wasser steigen, aber die DOC-Frachten gleichbleiben, ist bei einer DOC-normalisierten PAK- Dosierung keine Kostensteigerung zu erwarten. Bei steigenden Spurenstoffkonzentrationen (Annahme: Verdopplung der Zulaufkonzentrationen) ist ebenfalls keine Verschlechterung der relativen Eliminationen zu erwarten. Allerdings steigen damit die Spurenstoffablaufkonzentrationen und die Einhaltung eventueller zukünftiger Zielwerte im Rahmen der Umweltqualitätsnormen ist zu prüfen. Eine weitere Option zur Spurenstoffentfernung ist die Immobilisierung der PAK im Filter. Hierbei wird nach Flockung und Sedimentation PAK dosiert, die sich während des Filtrationsintervalles im Filter einlagert und somit lange im System verbleibt. Die Spurenstoffentfernung kann durch dieses Verfahren bei gleichbleibender PAK-Dosierung gegenüber der PAK-Dosierung ohne Rezirkulation erhöht werden, erreicht jedoch nicht das hohe Niveau des Rezirkulationsbetriebes. Alternativ wurde die Adsorption an GAK untersucht. Als obere Filterschicht eingesetzt, kann diese Spurenstoffkonzentrationen verringern, ohne die Filterleistung zu beeinträchtigen. Die Entfernung ist jedoch deutlich geringer als in Batch-Tests mit vergleichbaren Konzentrationen Pulveraktivkohle, was auf die Auslegung des GAK-Filters zurückzuführen ist. PAK kann in der Pilotanlage unter den gegebenen Bedingungen Spurenstoffe effizienter entfernen und wird im Filter zurückgehalten. Bei der Filtration über granulierte Aktivkohlegibt es viele Einflussfaktoren auf die OMP-Elimination. Es wird vermutet, dass kurze Kontaktzeiten, hohe DOC-Zulaufkonzentrationen und vergleichsweise grobe Kohle Ursachen dafür sind, dass die OMP-Entfernung in der Pilotanlage nur in dem beobachteten geringen Maße verlief. Im Gegensatz dazu konnten die feinen PAK-Partikel und die längere Kontaktzeit die Anzahl real verfügbarer Adsorptionsplätze deutlich erhöhen und die OMP-Entfernung effizienter gestalten. Eine Untersuchung von GAK unter optimierten Bedingungen wäre wünschenswert, um das Potential der GAK-Filtration für den Standort abzuschätzen. Weiterhin kann die Immobilisierung der PAK im Filter mit der Flockungsfiltration gekoppelt werden. Hierbei finden Flockungsfiltration und Adsorption simultan statt. Die Flocken werden im Filter abgetrennt, es wird keine Sedimentationsstufe benötigt. Die Dosierung von PAK und FM in den Filterüberstau ist an Standorten mit bestehender Filtration unter Umständen kostengünstig umsetzbar. Es zeigen sich gegenüber dem deutlich aufwändigeren Referenzverfahren (PAK-Dosierung mit Sedimentation, ohne Rezirkulation) vor allem im Bereich der mäßig bis gut adsorbierbaren Spurenstoffe leicht erhöhte Eliminationen; die schlecht adsorbierbaren Spurenstoffe werden bei großen Standardabweichungen etwas weniger gut eliminiert. Die Ergebnisse der PAK-Dosierung vor Flockungsfiltration erweisen sich damit denen des Referenzverfahrens gegenüber trotz des geringeren Aufwandes insgesamt als gleichwertig. Eine Steigerung der Reaktionszeit von 24 auf 49 Minuten erreicht keine Verbesserung der Spurenstoffelimination. Mit dem hohen Eliminationsniveau des Rezirkulationsverfahrens kann auch die PAK-Dosierung vor Flockungsfiltration nicht mithalten. 121

128 Abbildung 95: Zusammenstellung der effizientesten Verfahrenstechniken zur Spurenstoffelimination mit Pulveraktivkohle in der OWA Tegel: PAK-Dosierung vor Flockungsfiltration (24 min Reaktionszeit vor Filtration), PAK-Direktdosierung vor den Filter (der Flockung und Sedimentation nachgeschaltet; 49 min Reaktionszeit vor Filtration) und maximale Rezirkulation des PAK-Schlammes (2,8 g/l TSS; 18 min hydraulische Verweilzeit vor Sedimentation). Gezeigt sind Mittelwerte und Standardabweichungen. Bei Ablaufkonzentrationen unterhalb der Bestimmungsgrenze stellen die dunklen farbigen Säulen die konservative Schätzung der Spurenstoffeliminationen dar (Ablaufkonzentration definiert als BG) und halbtransparente farbige Säulen die optimistische Schätzung (Ablaufkonzentration definiert als 0). Abbildung 95 fasst die effizientesten der getesteten Verfahren zur Spurenstoffelimination mit Pulveraktivkohle an der OWA Tegel zusammen. Es zeigt sich, dass die PAK-Dosierung vor der Flockungsfiltration als Variante mit dem geringsten baulichen Aufwand unter den gezeigten die geringsten Eliminationen erreicht. Dies wird insbesondere bei schlecht bis mäßig adsorbierbaren Spurenstoffen deutlich. Die Varianten mit Sedimentation PAK-Direktdosierung und PAK-Dosierung mit Rezirkulation erreichen höhere Spurenstoffeliminationen, wobei letztere die besten Ergebnisse erzielt. Die zu erwartenden Ablaufkonzentrationen unterschreiten die diskutierten UQN-Zielwerte für Oberflächengewässer von 0,15 µg/l für Sulfamethoxazol und 0,5 µg/l für Carbamazepin sowohl im Rezirkulationsbetrieb als auch mit PAK-Direktdosierung und mit PAK-Dosierung vor Flockungs-filtration. Der Zielwert von 0,1 µg/l für Diclofenac wird mit diesen Verfahren nicht erreicht; bei einer Verdünnung um den Faktor 1,5 2 im See würde der UQN-Zielwert auch hier eingehalten. In allen untersuchten Verfahrenstechniken bleibt die Rangfolge der Spurenstoffe im Wesentlichen gleich kein Stoff wurde im Verfahrenskomplex Adsorption-Flockung-Sedimentation-Filtration gegenüber anderen bevorzugt oder benachteiligt. Dies unterstreicht die Anwendbarkeit des Indikatorprinzips, nachdem anhand weniger ausgewählter Spurenstoffe stellvertretend für viele andere das Potential einer Eliminationstechnik abgeschätzt werden kann (vergleiche (Jekel et al. 2015)). 122

129 3.3 Einsatz von Ozon mit anschließender biologischer Filtration Grundlagen In diesem Kapitel werden die Grundlagen der Ozonung wie die Wirkungsweise und die Auswirkungen auf die Wasserinhaltsstoffe erläutert und die notwendigen Begrifflichkeiten und Bezugsgrößen definiert Einsatzbereiche und Wirkungsweise von Ozon Aufgrund seiner starken Oxidationseigenschaften wird Ozon seit vielen Jahren in der Trinkwasseraufbereitung zur Desinfektion und zur Verbesserung von Geruch, Geschmack und zur Entfärbung eingesetzt (von Gunten 2003). In Versuchen im Pilotmaßstab (z.b. (Abegglen et al. 2009, Bahr et al. 2007, Schaar and Kreuzinger 2011)) konnte bereits der praktische Einsatz von Ozon im Abwasserbereich zur Elimination von Spurenstoffen erfolgreich getestet werden. Basierend auf den Ergebnissen wurden in den letzten Jahren zur weiteren Entlastung der Oberflächengewässer und im Rahmen des präventiven Trinkwasserschutzes auch großtechnisch Ozonungsanlagen auf Klärwerken gebaut oder sind zurzeit in Planung (u.a. KA Duisburg-Vierlinden, KA Neugut (CH)). In Wasser gelöst vorliegendes Ozon reagiert mit den Wasserinhaltsstoffen im Wesentlichen über zwei verschiedene Reaktionswege: Beim direkten Reaktionsweg reagiert das Ozonmolekül sehr selektiv vor allem mit elektronenreichen Verbindungen wie sie beispielsweise bei C=C Doppelbindungen und aromatischen Strukturen vorliegen (siehe Abbildung 96). Bei dem indirekten Reaktionsweg werden über eine Kettenreaktion OH -Radikale gebildet, die anschließend unselektiv mit Wasserinhaltstoffen reagieren. Eine ausführliche Beschreibung des Kettenreaktionsprozesses kann aus (Schumacher 2006) entnommen werden. Abbildung 96: Vereinfachte Darstellung der Ozonolyse: Angriff des Ozons auf eine C-C-Doppelbindung, direkte Reaktion, nach (Criegee 1975), entnommen aus (Schumacher 2006). Welcher der beiden Reaktionswege im bestimmten Anwendungsfall bei einer Einzelsubstanz dominiert, wird im Wesentlichen von der stoffspezifischen Reaktionsgeschwindigkeit (K O3 bzw. K OH ) und dem Vorhandensein anderer Reaktionspartner bestimmt. In Tabelle 39 sind die Reaktions-konstanten für einige der in diesem Projekt untersuchten Spurenstoffe aufgeführt. Bei den Reaktionskonstanten der direkten Reaktion mit Ozon sind große Unterschiede festzustellen: Die Reaktionsgeschwindigkeit K O3 variiert von <1 bis >10 6 M -1 s -1. Diese Unterschiede ergeben sich aus 123

130 den unterschiedlichen Molekülstrukturen. So reagieren die Spurenstoffe Carbamazepin, Diclofenac und Sulfamethoxazol sowie das Hormon 17a-Ethinylestradiol mit einer K O3 >10 6 M -1 s -1 sehr schnell mit Ozon, während das Röntgenkontrastmittel Iopromid mit einer K O3 <1 M -1 s -1 kaum direkt durch Ozon oxidiert wird. Bei diesen schlecht oxidierbaren Substanzen findet fast ausschließlich eine Reaktion mit den OH Radikalen statt. Um eine verbesserte Elimination solcher Substanzen zu erreichen, kann durch sogenannte advanced oxidation processes (AOP) eine verstärkte Radikalbildung und somit verstärkt unspezifische Reaktionen initiiert werden. Dies kann beispielsweise durch die Zugabe von Wasserstoffperoxid erreicht werden, was jedoch zusätzliche Kosten, Platzbedarf und Sicherheitsvorkehrungen verursacht. Bei der Ozonung von Abwasser ergibt sich jedoch schon aufgrund der Abwassermatrix automatisch ein AOP, wobei insbesondere der DOC (gelöster organischer Kohlenstoff) als Initiator wirkt. Eine Verbesserung der Radikalbildung durch die Zugabe von H 2 O 2 wird daher nur bei einer hohen H 2 O 2 -Zugabe oder bei hohen eingesetzten Ozondosen erwartet (Buffle et al. 2006). Zudem können andere Einflussfaktoren wie die Wassertemperatur, der ph-wert sowie das Vorhandensein von Scavengern die OH Radikalbildung beeinflussen. Scavenger wie beispielsweise Carbonat- und Bicarbonationen sind Wasserinhaltsstoffe, welche aufgrund Ihrer relativ hohen Konzentration im Wasser effektive Radikalfänger sind (DVGW 2002). Die Desinfektionswirkung wird hauptsächlich durch die direkte Ozonung verursacht; die OH Radikale haben nur einen geringen Effekt (DVGW 2002, von Gunten 2003). Tabelle 39: Übersicht der k 03 und k OH Reaktionskonstanten verschiedener, Daten bei unterschiedlichen ph- Werten und Wassertemperaturen. Reaktivität Substanz k O3 (M -1 s -1 ) k OH (10 9 M -1 s -1 ) Quelle Langsam Mittel Hoch Iopromid <0,8 3,3±0,6 (Huber et al. 2003) Ibuprofen 9,6±1 7,4±1,2 (Huber et al. 2003) Acesulfam 88 4,55 (Kaiser et al. 2013) 20 >8,6 (Vel Leitner and Roshani 2010) Benzotriazol (Zimmermann et al. 2011) 7,1 8,1 (Naik and Moorthy 1995) Bezafibrat 590±50 7,4±1,2 (Huber et al. 2003) Carbamazepin ,8±1,2 (Huber et al. 2003) Diclofenac ,5±1,5 (Huber et al. 2003) Sulfamethoxazol 2, ,5±0,7 (Huber et al. 2003) 3,7 10 Nitrit 5 (Hoigné et al. 1985) 6 (Loegager and Sehested 1993) 17a-Ethinylestradiol ,8±1,2 (Huber et al. 2003) Oxidationsprodukte und Ökotoxikologie Im Gegensatz zu der Behandlungsmethode mit Aktivkohle werden bei der Ozonung die Spurenstoffe nicht physikalisch aus dem Wasser entfernt, sondern durch einen oder mehrere Reaktionsschritte zu einer neuen (ggf. unbekannten) Substanz transformiert. Eine vollständige Mineralisierung zu stabilen anorganischen Verbindungen findet bei den in der Abwasserbehandlung üblicherweise eingesetzten spezifischen Ozondosen (0,4 1,0 mg O3 /mg DOC ) nicht statt. Im Allgemeinen sind die entstehenden Oxidationsprodukte kleiner, polarer und besser biologisch Abbaubar als ihre Ausgangsverbindungen (Bahr et al. 2007). Typische Oxidationsprodukte sind beispielsweise Aldehyde, Ketone und Carbonsäuren (DVGW 2002). 124

131 Ein wichtiger Diskussionspunkt bei der Ozonung ist die Entstehung von potentiell gesundheitsschädlichen Oxidationsprodukten. So sind beispielsweise aus den Erfahrungen der Trinkwasseraufbereitung Transformationsprodukte wie N-Dimethylnitrosamin (NDMA) oder Bromat bekannt. Da beide Stoffe in höheren Dosen als potentiell krebserregend eingestuft werden, gilt für Bromat der Trinkwassergrenzwert von 10 µg/l (TrinkwV) und für NDMA ein gesundheitlicher Orientierungswert (GOW) von 10 ng/l. Jedoch ist aufgrund der komplexen Transformationsprozesse und der großen Anzahl an möglichen Ausgangssubstanzen im zu behandelnden Abwasser, eine vollständige Angabe der entstandenen Transformationsprodukte nicht möglich. Um abschätzen zu können, ob die positiven oder negativen Effekte der Ozonung auf Wasser-organismen oder Menschen überwiegen, werden häufig biologische Testverfahren (Bio-Assays) wie beispielsweise Ames-Test, umuc-test, FELST (= Fish Early Life Stage Toxicity Test ) oder YES (= Yeast Estrogen Screen ) verwendet. Dazu wird die Wasserqualität nach verschiedenen Behandlungs-stufen (Ozonung und Ozonung mit weiterer Nachbehandlung) mit dem Referenzzustand (nicht ozoniert) verglichen. So wurden bei Pilotversuchen auf dem Klärwerk Regensdorf (Abegglen et al. 2009) negative Auswirkungen nach der Ozonung bei dem FELST-Test mit Regenbogenforellen (Oncorhynchus mykiss) sowie bei Reproduktionstests mit dem Glanzwurm (L. variegatus) festgestellt. Bei einer Nachbehandlung des ozonierten Abwassers mit einem nachgeschalteten Sandfilter verschwanden diese Effekte jedoch wieder. Daraus wurde geschlossen, dass die Toxizität wahrscheinlich v.a. auf leicht abbaubare Oxidationsprodukte (z.b. Ketone) ausgelöst wurde Begriffe, Parameter und Bezugsgrößen der Ozonung In diesem Abschnitt werden die wichtigsten Begriffe, Parameter und Bezugsgrößen zur Ozonung, basierend auf dem Arbeitspapier der RiSKWa-Arbeitsgruppe Abwassertechnik (Pinnekamp et al. 2015), dargestellt. Unter Ozonung wird die Behandlung eines Wassers mit Ozon, d.h. das Zusammenbringen von gasförmigem Ozon oder eines an Ozon hochkonzentrierten Teilwasserstroms mit Wasser, verstanden, während unter Ozonisierung die Reaktion von Ozon und/oder seiner reaktiven Folgeprodukte mit Wasserinhaltsstoffen verstanden wird. Das unter Normalbedingungen gasförmige, aber aufgrund seiner hohen Reaktivität sehr instabile, Ozon muss für technische Anwendungen stets vor Ort mit Hilfe eines Ozonerzeugers aus Sauerstoff erzeugt werden. Der benötigte Sauerstoff kann bei kleineren benötigten Ozonmengen direkt der Umgebungsluft entnommen oder beispielsweise durch ein Druckwechseladsorptionsverfahren angereichert werden, während bei größeren Anlagen Flüssigsauerstoff verwendet wird. Die Ozondosierung, also der Vorgang der Ozonzugabe ins Wasser, kann über unterschiedliche Eintragssysteme wie Diffusoren oder Venturi-Injektoren erfolgen. Als Betriebsparameter wird die Ozonmenge pro m³ behandeltes Wasser als Ozondosis, Ozoneintrag oder Ozonzehrung angegeben. Die Ozondosis(D) entspricht der dem Reaktor zugeführten Ozonmenge pro m³. Jedoch kann ein Teil des zudosierten Ozons den Reaktor als sogenanntes Restozonüber die Abluft oder in der wässrigen Phase als gelöstes Ozon verlassen und steht dann nicht für die Ozonisierung zur Verfügung. Wird das Restozon in der Abluft bei der Bilanzierung abgezogen, so erhält man den Ozoneintrag (E), was der Ozonmenge entspricht, die von der gasförmigen in die wässrige Phase überführt wurde. Die Effizienz des Stoffübergangs kann als Quotient aus dem Ozoneintrag und der Ozondosis als Ozoneinbringungsgrad angegeben werden. Dieser ist von verschiedenen Randbedingungen abhängig, wie beispielsweise dem Eintragssystem, der Wassertemperatur oder der Kontaktzeit zwischen Gas und Wasser. Ein Ozoneinbringungsgrad von 1 entspricht somit dem Optimalfall, in welchem das gesamte zugeführte Ozon 125

132 in das Wasser eingemischt wird. Das nun eingetragene Ozon benötigt einige Zeit, um mit den Wasserinhaltsstoffen zu reagieren. Als mittlere Aufenthaltszeit im Reaktor wird eine Zeitspanne von Minuten angegeben (Mikroschadstoffe.NRW 2015). Vereinfacht kann als Verweilzeit als hydraulische Aufenthaltszeit (HRT), aus dem Quotient des effektiven Reaktorvolumens und des aktuellen Durchflusses berechnet werden. Bei kleinen Reaktoren und hohen Durchflüssen kann sich die HRT so stark verringern, dass die Verweilzeit im Reaktor nicht mehr ausreicht, um den Oxidationsprozess vollständig abzuschließen. Dies kann, wie bei einer Überdosierung von Ozon, zu Restozon im Ablauf führen. Wird dieses Restozon von dem Ozoneintrag abgezogen, so ergibt sich die Ozonzehrung (Z). Die Ozonzehrung entspricht somit der Ozonmenge, die effektiv für den Reaktionsprozess zur Verfügung steht. Sollte kein gelöstes Ozon im Ablauf des Reaktors vorliegen, so entspricht der Ozoneintrag der Ozonzehrung (E = Z) Wasserqualität Die Ozonzehrung bzw. der für ein Aufbereitungsziel notwendige Ozoneintrag ist abhängig von der Wasserqualität. Die wichtigsten Parameter sind nachfolgend aufgeführt. Der gelöste organische Kohlenstoff (DOC, dissolved organic carbon) ist ein Maß für die Gesamtheit aller gelösten, organischen Verbindungen und von wesentlicher Bedeutung bei der Bestimmung des notwendigen Ozoneintrags. Häufig werden die Betriebsparameter Ozondosis, -eintrag und -zehrung auf den DOC bezogen. Daraus ergeben sich die folgenden Bezugsgrößen: Spezifische Ozondosis:D spez [mg O3 /mg DOC ] Spezifischer Ozoneintrag: E spez [mg O3 /mg DOC ] Spezifischer Ozonverbrauch: Z spez [mg O3 /mg DOC ] Nitrit kann selbst bei gut funktionierender Nitrifikation im Ablauf von Klärwerken in geringen Mengen (<1 mg-n/l) auftreten. Durch die schnelle Reaktion mit Ozon und der stöchiometrischen Ozonzehrung von 3,43 g O3 /g NO2-N, können schon geringe Nitritkonzentrationen das Ozonungsergebnis negativ beeinflussen. Bereits eine Nitrit-N-Konzentration von 0,3 mg NO2-N /L kann zu einer zusätzlichen Ozonzehrung von ca. 1 mg O3 /L führen. Im Rahmen der Prozesskontrolle ist Nitrit als Störgröße zu berücksichtigen, weswegen in dieser Arbeit auch der nitritkorrigierte spezifische Ozoneintrag E DOC,kor angegeben wird. Der spektrale Absorptionskoeffizient bei 254 nm (SAK 254 bzw. nur SAK) kann als Indikator für den Gehalt an aromatischen Verbindungen und Huminstoffen verwendet werden. In mehreren Arbeiten wurde ein Zusammenhang zwischen dem Eliminationsgrad verschiedener Spurenstoffe und der Verringerung des SAK 254 gezeigt (Bahr et al. 2007, Nanaboina and Korshin 2010, Wert et al. 2009) Formeln Alle notwendigen Formeln für die nachfolgenden Berechnungen wesentlicher Größen sind in Abbildung 97 dargestellt. 126

133 Abbildung 97: Bilanzrahmen für Ozonanlagen und Formeln für Prozessgrößen Material und Methoden Beginnend mit dem Versuchsstandort und dem Aufbau der Pilotanlage wird nachfolgend der Ablauf des Standardbetriebes und einzelner Versuchsreihen dargestellt. Versuchsstandort: Die Versuchsanlage befand sich am Ablauf der Nachklärung (=Klarlauf) eines Berliner GK 5 Klärwerks. Die Abwasserbehandlung des Klärwerksbesteht aus einer mechanischen und biologischen Reinigungsstufe (Nitrifikation/Denitrifikation + biologische Phosphorentfernung). Die Wasserqualität des Klarlaufs während der Projektlaufzeit ist in der nachfolgenden Tabelle 40 zusammengefasst. 127

134 Tabelle 40: Wasserqualität Ablauf Klärwerk während der Projektlaufzeit (18-24-h Mischproben). Parameter Einheit 25 %-Quantil Median 75 %-Quantil n SAK 254 [1/m] 28,7 30,9 32,1 106 DOC [mg/l] 11,4 12,5 13,6 105 CSB [mg/l] CSB filtriert [mg/l] Ammonium [mg-n/l] 0,10 0,60 1,95 40 Nitrit [mg-n/l] 0,13 0,31 0,49 77 Nitrat [mg-n/l] 7,6 9,1 10,9 40 Phosphat gesamt [mg-p/l] 0,32 0,39 0,46 92 Phosphat ortho [mg-p/l] 0,04 0,08 0, Eisen [mg/l] 0,19 0,25 0,30 80 Suspendierte Stoffe [mg/l] 4,6 6,4 8,4 94 ph [-] 7,4 7,5 7,6 65 Abgesehen von stärkeren Verdünnungseffekten bei Mischwasserzulauf, war die Wasserqualität des Kläranlagenablaufs während der Projektzeit sehr stabil. Variierende Nitritkonzentrationen mit Spitzenwerten bis zu 0,8 mg-n/l (Median: 0,31 mg-n/l) verursachten eine nicht zu vernachlässigende Ozonzehrung. Aufbau der Pilotanlage: Die Ozonungsanlage im Pilotmaßstab zur Elimination von Spurenstoffen im Klärwerksablauf war zwischen August 2012 und September 2013 in Betrieb und bestand aus den Verfahrensstufen Ozonung und (Flockungs-)Filtration (Abbildung 98). Abbildung 98: Schematische Darstellung der Ozonungsanlage (Pilotmaßstab). Ozonung: Die Ozonungsanlage bestand aus einem Ozonerzeuger mit einer nominalen Ozonproduktion von 100 g O3 /h (GSO 30, Xylem-Wedeco, Deutschland) und einem Reaktor bestehend aus drei baugleichen Säulen mit einem Gesamtvolumen von 1,92 m³ und einer Höhe von 5 m (Abbildung 99, links). Die maximale Behandlungsmenge lag bei 10 m³/h, so dass eine hydraulische Aufenthaltszeit zwischen 12 und 58 Minuten gewährleistet werden konnte. Der für die Ozonerzeugung benötigte Sauerstoff wurde 128

135 vor Ort über zwei Sauerstoffgeneratoren (Topaz-Ultra, AirSep) mittels Druckwechseladsorption aus der Umgebungsluft gewonnen (Abbildung 99, rechts). Der Eintrag des ozonhaltigen Produktgases erfolgte im Gegenstromverfahren über einen Keramikdiffusor am Boden der ersten Reaktorsäule. Überschüssiges Gas (Sauerstoff und Restozon) verließ den Reaktor über Entgasungsventile und wurde einer thermischen Restozonvernichtung zugeführt. Da in der Ozonungsstufe mehr Wasser als in der nachgeschalteten Filtrationsstufe behandelt wurde, wurde der überschüssige Anteil abgeschlagen. Steuerung der Ozonungsanlage: Die im Ozonerzeuger zu produzierende Ozonmenge ṁ O3,soll [g O3 /h] berechnet sich aus dem Produkt des Soll-Ozoneintrags E soll [mg O3 /L] und der zu behandelnden Wassermenge Q aq [m³/h]. Um einen konstanten Ozoneintrag zu gewährleisten, wurde ein Korrekturterm für die über die Abluft ausgetragene Restozonmenge hinzugefügt: Gleichung 3 Mit Hilfe der Ozonkonzentrationsmessungen im Produktgas (C O3,gas,zu ), in der Abluft (C O3,gas,ab ) sowie im Ablauf des Reaktors (C O3,aq,ab ) konnte eine vollständige Ozonbilanz erstellt werden. Im regulären Betrieb war kein gelöstes Ozon im Ablauf des Reaktors messbar, so dass der Ozoneintrag mit der Ozonzehrung gleichgesetzt werden kann. Der Ozoneinbringungsgrad lag im Mittel bei η O3 >98 %. Abbildung 99: Reaktor der Ozonungsanlage (links) und Ozongenerator mit Ozonkonzentrationsmessgerät im Hintergrund (rechts). Die Steuerungsstrategie während des Projektzeitraums lässt sich in zwei Phasen einteilen: 1. Phase (Konstanter Ozoneintrag): In der ersten Phase von Oktober 2012 bis Februar 2013 wurde die Ozonproduktion so geregelt, dass stets ein konstant eingestellter Ozoneintrag erfolgte. Der konkrete Soll-Ozoneintrag E DOC,Soll,konst berechnete sich über die Vorgabe der DOC spezifischen Ozonzehrung Z DOC,Soll von 0,5 bzw. 0,7 mg O3 /mg DOC und der langjährigen mittleren DOC-Konzentration im Ablauf des Klärwerks von 12,9 mg/l. 129

136 Durch die Verwendung der mittleren DOC-Konzentration wurde bei dieser Steuerungsstrategie die real vorliegende Wasserqualität (DOC, Nitrit) nicht berücksichtigt, was zu einer nicht optimalen Ozondosierung führte. Daher wurde in der zweiten Phase ab Februar 2013 eine andere Steuerungsstrategie verwendet. 2. Phase (SAK-proportionaler Ozoneintrag): Vor der zweiten Phase wurde die Ozonungsanlage umgerüstet und ein Spektralphotometer (Spectro::lyzer, S::can, Österreich) zur Onlinemessung des DOC und SAK 254 im Zulauf der Ozonungsanlage installiert. Nach einer intensiven Kalibrierungsphase des Spektralphotometers wurde in der Arbeit von Hartkopp (Hartkopp 2013) gezeigt, dass sich beide Messwerte als Steuerungsparameter für die frachtproportionale Ozondosierung eignen. Da die DOC-Messung des Spectro::lyzer im Wesentlichen auf einer SAK-Messung beruht, wurde direkt der SAK-Messwert als Eingangsgröße zur Berechnung des Soll-Ozoneintrags benutzt. Die Berechnung von E Soll,SAK erfolgte mit dem durchschnittlichen spezifischen SAK 254 Absorption (SUVA). Der aus Laboranalysen ermittelte SUVA lag bei 2,5±0,2 L/(mg m). Während beiden Steuerungsphasen fand keine Online-Messung von Nitrit im Zulauf der Ozonanlage statt, so dass die zusätzliche Ozonzehrung durch auftretendes Nitrit nicht durch die Steuerung kompensiert werden konnte. Schnellfilter (ZSF, BAK): Der Ozonungsanlage waren zwei baugleiche Schnellfilter mit unterschiedlichem Filtermaterial nachgeschaltet. Der Zweischichtfilter (ZSF) bestand aus einer Anthrazit- und einer Sandschicht, wohingegen der biologischer Aktivkohlefilter (BAK) mit einer Schicht aus granulierter Aktivkohle befüllt wurde (Abbildung 100). Zur Beibehaltung einer konstanten Filtergeschwindigkeit wurde eine mechanische Regelung verwendet, die den über die Filtrationszeit zunehmenden Druckverlust kompensierte. Zusätzlich erfolgte durch Zugabe von Eisen(III)Chlorid (3 mg Fe /L) eine weitergehende Phosphorentfernung. Die Dosierung erfolgte hinter einer Lochblende im Filterzulauf, um die nötige Turbulenz zur Einmischung zu erzeugen. Tabelle 41: Verwendetes Filtermaterial und Filtrationsparameter. Zweischichtfilter (ZSF) Biol. Aktivkohlefilter (BAK) Langsamsandfilter (LSF) Wasserspiegel 3,4 m 3,4 m 1,4 m Form/Abmessung Säule d i =0,3 m Säule d i =0,3 m Rechteckiger Tank L=1,5m, B=0,73m Filtermaterial/Körnung Anthrazit: 1,4-2,5 mm Sand: 0,71 1,25 mm Granulierte Aktivkohle (AquaSorb CS, Jacobi) Sand: 0,71 1,25 mm Kies: 3,15 5,6 mm 6 x 12 mesh Filtermaterialhöhe Anthrazit: 120 cm Sand: 85 cm GAK: 185 cm Sand: 100 cm Kies: 20 cm Filtergeschwindigkeit/ Leerbettverweilzeit 6 10 m/h min m/h min 1 3 m/d 27 9 h Standardmäßig wurden die Filter mit Filtergeschwindigkeiten zwischen 6 bis 10 m/h betrieben. Die Details zu den Filterparametern und dem verwendeten Filtermaterial kann Tabelle 41 entnommen werden.

137 Die abwärts durchströmten Schnellfilter wurden unter der Woche mit einem optimierten Spülprogramm (Lardon 2013) werktäglich manuell rückgespült. Da das Filtrat nicht zwischen-gespeichert werden konnte, wurde zur Spülung nicht ozonierter Klarlauf verwendet. Die Filtergeschwindigkeit wurde an den Wochenenden reduziert, so dass keine Spülung erforderlich war. Das Spülprogramm beider Filter umfasste eine Luftspülung mit anschließender Aufstau- und Durchlaufspülung. Eine Klassierspülung war nur bei dem ZSF notwendig. Abbildung 100: Zweischichtfilter (linkes Foto, links) und biologischer Aktivkohlefilter (linkes Foto, rechts) und Langsamsandfilter (rechtes Foto). Langsamsandfilter (LSF): Ab April 2013 wurde ein Langsamsandfilter (LSF) als Modell einer Grundwasseranreicherung zur Einschätzung der Abbaubarkeit des verbliebenen DOC im Ablauf des ZSF betrieben. Der LSF bestand aus einem rechteckigen Tank mit einer Sand- und Drainageschicht aus Kies (Abbildung 100). Das filtrierte Wasser wurde über ein eingelassenes Drainagerohr aus dem Filter abgeleitet, wobei die Einstellung der Filtergeschwindigkeit (1 bis 3 m/d) über ein Ventil im Ablauf des Filters erfolgte. Überschüssiges Wasser wurde über einen Überlauf abgeführt. Durch die vorherige Filtrationsstufe konnte ein schneller Aufbau der Schmutzschicht auf dem LSF vermieden werden, so dass bis zum Projektende keine Abschälung durchgeführt werden musste. Abbildung 101: Betriebsarten der Schnellfilter, entnommen aus (Wiedemann 2014). Parallel- und Reihenbetrieb von ZSF und BAK: Der Parallelbetrieb der beiden Schnellfilter konnte optional auf einen Reihenbetrieb umgeschaltet werden, so dass der BAK mit dem Ablauf des ZSF beschickt wurde (Abbildung 101). Dazu wurde der Ablauf des ZSF in einem Puffertank zwischengespeichert und von dort über einen Bypass in den Zulauf des BAK gepumpt. Das Spülintervall für den BAK wurde bei Reihenschaltung auf 1/Woche und die Filtergeschwindigkeit auf 5 m/h reduziert, um die 131

138 biologische Aktivität im Filter zu erhöhen. Der LSF war stets dem ZSF nachgeschaltet unabhängig von der Betriebsweise der Schnellfilter. Regulärer Betrieb und Probenahme: Der Betrieb der Versuchsanlage lässt sich grob in zwei Versuchsphasen einteilen: Phase 1 mit konstantem Ozoneintrag und Phase 2 mit frachtproportionalem Ozoneintrag. In der Startphase (34. bis 40. KW) wurden die Filter mit nicht ozoniertem Klarlauf beschickt, um den Aufwuchs einer biologisch aktiven Schicht auf dem Filtermaterial zu forcieren. Gleichzeitig sollte parallel dazu die Adsorptionskapazität der Aktivkohle bezüglich des DOC weitestgehend erschöpft werden, so dass eine DOC-Elimination in beiden Filtern nur noch auf den biologischen Abbau und der Flockung zurückzuführen war. Bis zur 2. Versuchsphase erfolgte die Ozondosierung mit einem konstanten Ozoneintrag mit einem spezifischen Soll-Ozoneintrag von E DOC,Soll,konst von 0,5 bzw. 0,7 mg O3 /mg DOC (Tabelle 42). Zudem wurde in dieser Zeit sowohl die Filtergeschwindigkeit als auch der Betrieb mit und ohne Flockungsmittel variiert, um den Einfluss der beiden Parameter zu untersuchen. Während zwei Zeiträumen (KW 51+1 und KW 6) wurde ein reduzierter Betrieb gefahren. In dieser Zeit wurden der ZSF und der BAK mit nicht-ozoniertem Klarlauf ohne Flockung mit 4 m/h beschickt. Die Ozonung war außer Betrieb. Tabelle 42: Regulärer Betrieb in Versuchsphase 1 mit konstantem Ozoneintrag. Kalenderwoche [-] E DOC,Soll [go3/gdoc] 0 0,5 0,7 0 0,7 0,5 Steuerung [konst. / DOC / SAK] konstant konstant konst. Filterbetrieb [Parallel / Reihe] Parallel * 1 P Reihe * 2 Parallel Flockung [mg-fe/l] V Schnellfilter [m/h] * 1 reduzierter Betrieb über Weihnachten * 2 Umbaumaßnahmen Nach dem Umbau der Ozonungsanlage und der erfolgreichen Kalibrierung des Spektralphotometers im Zulauf der Ozonungsanlage wurde zwischen der 9. und der 14. Kalenderwoche ein Vergleich zwischen konstantem Ozoneintrag und einem SAK bzw. DOC-proportionalem Ozoneintrag untersucht (Tabelle 43). Aufgrund der Erfahrungen während der Kalibrierungsphase und dieser Vergleichsphase wurde der SAK als Steuergröße für die langfristige Untersuchung des frachtproportionalen Ozoneintrags genutzt. Tabelle 43: Regulärer Betrieb in Versuchsphase 2 mit frachtproportionalem Ozoneintrag. Kalenderwoche [-] E DOC,Soll [go3/gdoc] 0,5 0,7 Steuerung [konst. / DOC / SAK] konstant SAK DOC SAK Filterbetrieb [Parallel / Reihe] Parallel Reihe Flockung [mg-fe/l] V Schnellfilter [m/h] * * Während der Reihenschaltung wurde der BAK mit 5 m/h betrieben Ab der 18. Kalenderwoche wurde bis zum Projektende ein langfristiger Vergleich der Nachbehandlung durchgeführt. Die Hauptziele dieses Vergleichs waren: Untersuchung der Leistungsfähigkeit der beiden Schnellfilter hinsichtlich des DOC-Abbaus sowie der Spurenstoffeliminierung von Substanzen, die durch die Ozonung nicht vollständig eliminiert wurden Vergleich des DOC-Abbaus im ZSF und im BAK (EBCT 15 min) mit dem LSF (EBCT 10 h) Untersuchung des Einflusses der Flockung bzw. einer möglichen Phosphorlimitation auf das biologische Wachstum auf dem nachgeschalteten BAK 132

139 3.3.3 Ergebnisse Spurenstoffe In diesem Kapitel werden nur die Spurenstoffkonzentrationen im Klarlauf und nach den jeweiligen Behandlungsstufen wie der Ozonung und den nachgeschalteten Filtern berücksichtigt. Die Elimination einzelner Spurenstoffe in der mechanisch-biologischen Reinigungsstufe des Klärwerks wurde nicht näher untersucht. Die Spurenstoffelimination ist hier definiert als Primärelimination, also die endgültige Entfernung einer Ausgangssubstanz aus dem jeweils betrachteten System (meistens aus der wässrigen Phase) durch biologische, chemische oder physikalische Prozesse (DWA 2014). Transformations- oder Abbauprodukte wurden nicht untersucht. Die Auswahl der in diesem Projekt untersuchten Spurenstoffe erfolgte sowohl nach den im RiSKWa- Leitfaden (Jekel and Dott 2013) aufgeführten Indikatorsubstanzen als auch über die gemessenen Konzentrationen im Klarlauf (siehe Abbildung 102). Abbildung 102: Gemessene Spurenstoffkonzentrationen im Ablauf des Klärwerks; rote Linien sind die Bestimmungsgrenzen (0,02 bzw. 0,1 µg/l); Messungen von Acesulfam (ACE) erst ab 2013; Mecoprop (MEC) 25/48 Messwerte <BG. In Abbildung 102 sind zwei unterschiedliche Bestimmungsgrenzen (BG) eingezeichnet, da diese während der Projektzeit von 0,02 auf 0,1 µg/l angehoben wurde. Dies betrifft vor allem das Herbizid Mecoprop (MEC), welches nur in geringen Konzentrationen auftritt. In 25 Fällen wurde die BG nach ihrer Anhebung unterschritten, so dass der Median nun der höheren BG entspricht. Die fünf Spurenstoffe mit den höchsten Konzentrationen sind Gabapentin (GAB, Antiepileptikum), Benzotriazol (BTA, Industriechemikalie), Acesulfam (ACE, künstlicher Süßstoff), Iopromid (IOP, Röntgenkontrast-mittel) und Formylaminoantipyrin (FAA, Metabolit des Schmerzmittels Metamizol) Elimination der Spurenstoffe durch die Ozonungsstufe Die durch die Ozonung erzielte Spurenstoffelimination bei mittleren spezifischen Ozoneinträgen von 0,45 bzw. 0,65 mg O3 /mg DOC ist in Abbildung 103 dargestellt. Die Elimination der einzelnen Verbindungen erfolgt gemäß ihrer Reaktivität mit Ozon (vgl. Tabelle 39, z.b. Diclofenac>Benzo-triazol>Iopromid). 133

140 Bei Spurenstoffen mit nur geringer bis mittlerer Reaktivität mit Ozon konnte bei höherem Ozoneintrag auch eine deutliche Erhöhung der Elimination erzielt werden, wohingegen bei Diclofenac (DCF) oder Carbamazepin (CAB) bereits bei 0,45 mg O3 /mg DOC die Mehrzahl der Messwerte nach der Ozonung unter der Bestimmungsgrenze lagen). Für Verbindungen deren Konzentration bereits vor der Ozonung nicht weit oberhalb der BG lag, ergibt eine Auswertung hinsichtlich des optimistischen und konservativen Eliminierungsgrades große Unterschiede bezüglich der prozentualen Elimination. Bei der konservativen Betrachtung werden alle Messwerte <BG der BG gleichgesetzt, weswegen der Eliminationsgrad eher gering ausfällt. Die optimistische Variante setzt alle Werte <BG auf null und ergibt somit deutlich höhere Eliminationsgrade (z.b. Sulfamethoxazol <80 % vs. >99 % bei 0,65 mg O3 /mg DOC ). Insgesamt stimmen die Ergebnisse gut mit anderen Studien zur Ozonung überein (Abegglen et al. 2009, Bahr et al. 2007), so dass generell bei einer Auswertung über den spezifischen Ozoneintrag von einer guten Übertragbarkeit auszugehen ist. Ein bisher weniger beschriebener Stoff, der in hohen Konzentrationen im Klarlauf auftrat, ist Gabapentin (Median=9,4 µg/l). Der Stoff zeigte eine nur geringe Reaktivität mit Ozon. Für eine Konzentrationsverringerung um 50 % waren im Mittel 0,65 mg O3 /mg DOC notwendig. Abbildung 103: Erzielter Eliminationsgrad im Ablauf der Ozonungsanlage bezogen auf die Konzentration im Kläranlagenablauf Elimination der Spurenstoffe in der Nachbehandlung Im Rahmen von Betriebsphase 2 wurde bei einem konstanten Soll-Ozoneintrag von 0,7 mg O3 /mg DOC die Auswirkung der nachgeschalteten Filter auf die Spurenstoffelimination untersucht. Für die deutliche Mehrzahl der Stoffe fand in den Filtern keine weitere Absenkung der Konzentration statt. Nur für Iopromid konnte eine zusätzliche Elimination durch den ZSF (im Mittel etwa 10 %) verzeichnet werden. Benzotriazol wurde während der gesamten Untersuchungsphase im BAK besser entfernt als im ZSF. Für fünf (im ZSF) bzw. sechs (im BAK) Stoffe wurde beim eingesetzten Ozoneintrag eine Elimination >80 % erzielt (Abbildung 104). 134

141 Abbildung 104: Auswirkung der nachgeschalteten Filter auf die Spurenstoffelimination nach einer Ozonung (Soll-Ozoneintrag 0,7 mg O3 /mg DOC, Betriebszeitraum KW in 2013). Auf die Konzentrationsverläufe von drei Stoffen soll exemplarisch eingegangen werden, um die möglichen Auswirkungen der Nachbehandlung zu verdeutlichen (Abbildung 105). Benzotriazol wurde auch nach über BV im BAK adsorbiert, wohingegen im ZSF keine Konzentrationsverringerung durch biologische Prozesse zu verzeichnen war. Acesulfam wurde im ZSF nicht, jedoch im BAK bis hin zu ca BV entfernt. Nach BV lag die Konzentration von Acesulfam im Ablauf des BAK über der Zulaufkonzentration bzw. der Ablaufkonzentration des ZSF, so dass eine Desorption des Stoffes von der Aktivkohle als wahrscheinlich scheint. Für Iopromid ergab sich in den ersten BV kein Unterschied zwischen ZSF und BAK, danach jedoch tendierten die Ablaufkonzentration des ZSF zu Werten unterhalb der Zulaufkonzentration. Ein biologischer Abbau in geringem Umfang wird hier als Ursache vermutet, da Iopromid als aerob abbaubar gilt (Kalsch 1999). 135

142 Abbildung 105: Verlauf der relativen Ablaufkonzentrationen von Benzotriazol, Acesulfam, Iopromid über den gesamten Versuchszeitraum (gestrichelte Linie: Start der Ozonung). 136

143 Desinfektion Die Desinfektionswirkung der Ozonung und der nachgeschalteten Filtrationsstufen soll hier anhand der regelmäßig gemessenen Parameter Escherichia Coli (E. Coli) und Intestinalen Enterokokken (E. kokken) bewertet werden. Abbildung 106: Messergebnisse der intestinalen Enterokokken- und E. Coli-Untersuchungen vor und nach der Ozonung. Die Messwerte wurden nach dem korrigierten Ozoneintrag bzw. dem erzielten SAK254 sortiert. Die Wahl der Intervallgrenzen erfolgte in 20 %-Quantilschritten. Ozonungsstufe: Die Desinfektionswirkung der Ozonung stieg mit dem spezifischen Ozoneintrag bzw. der verursachten relativen SAK254-Differenz an (Abbildung 106). Dabei erwies sich die SAK254-Differenz (ΔSAK254=1-SAK254,ab/SAK254,zu) als zuverlässig zur indirekten Verfolgung der Desinfektions-wirkung, da die Variabilität die Ozonzehrung durch die Wasserinhaltsstoffe (DOC, Nitrit etc.) direkt mit einfließt. Die Anforderungen für eine gute Badegewässerqualität für E. Coli (1000 MPN/100 ml) kann ab einem Ozoneintrag von EDOC,korr>0,58 mgo3/mgdoc in den meisten Fällen erreicht werden. Allerdings können auch bei höheren Ozoneinträgen von EDOC,korr>0,7 mgo3/mgdoc erhöhte Zulaufwerte für E. Coli dazu führen, dass eine alleinige Ozonungsstufe für die Desinfektion nicht ausreichend wäre. Für den Indikator Enterokokken ist der Zusammenhang zwischen dem Ozoneintrag und der Desinfektions-wirkung weniger ausgeprägt als bei den E. Coli. und Überschreitungen der Anforderungen an die gute Badegewässerqualität (400 MPN/100 ml) kommen auch bei höheren Ozoneinträgen vor. Ein möglicher Grund dafür könnte die Einlagerung der E.kokken in die suspendierten Stoffe sein. Durch die Einlagerung kann das angreifende Ozon nicht an das Bakterium gelangen und seine Desinfektionswirkung entfalten. 137

144 Eine künstliche Zugabe von Nitrit (bis zu 1 mg-n/l, (Wiedemann 2014)) in den Zulauf der Ozonungsanlage führte zu einer Reduktion der Desinfektionsleistung durch die so verursachte zusätzliche Ozonzehrung. Eine Darstellung der Desinfektionsleistung über E DOC führt zu einer Spannbreite von 2 log-stufen für die E. Coli-Reduktion bei E DOC von 0,6 mg O3 /mg DOC, wohingegen erst die Darstellung über E DOC,korr zu einer interpretierbaren Dosis-Wirkungs-Beziehung führt (Abbildung 107). Um eine zuverlässige Desinfektionswirkung zu erreichen, sollte daher die zusätzliche Ozon-zehrung durch Nitrit-N in der Steuerung berücksichtigt werden. Dies könnte durch eine Online-Messung der Nitrit-N-Konzentration vor der Ozonung oder durch Anwendung eines Regelungs-konzeptes auf Basis einer SAK 254 -Differenzmessung erfolgen (Stapf & Miehe 2015). Abbildung 107: Einfluss von Nitritspiking auf die Desinfektion bzw. die Abweichung von E DOC,korr zu E DOC. Abbildung 108: Messergebnisse der Enterokokken und E. Coli Untersuchungen an allen Probenahmestellen bei einem spezifischen Soll-Ozoneintrag von 0,5 und 0,7 mg O3 /mg DOC. Die roten Linien entsprechen den jeweiligen Anforderungen der guten Badegewässerqualität nach EU Badegewässerrichtlinie (2006/07/EG). Filtrationsstufe: Wie in Abbildung 108 dargestellt, verringern die nachgeschalteten Schnellfilter die Ablaufkonzentrationen an Intestinalen Enterokokken um etwa eine weitere log-stufe, während sich 138

145 die Konzentration an Escherichia Coli nur geringfügig verringerte. Bei einem Solleintrag von 0,7 mg O3 /mg DOC lagen die Ablaufwerte nach den Schnellfiltern unterhalb der in (2006/07/EG) geforderten Konzentrationen für eine gute Badegewässerqualität, abgesehen von einzelnen Messwerten, die sich nicht auf Zulauf- oder Nitritspitzen zurückführen ließen. Nach dem Zweischichtfilter lagen 22 von 26 Messwerten für die intestinalen Enterokokken auf oder unter der BG von 15 MPN/100 ml. Zusammenfassend zeigt sich, dass eine alleinige Ozonung mit Soll-Ozoneinträgen von 0,7 mg O3 /mg DOC nicht sicher ausreichte, um die Messwerte von E. Coli und Intestinale Enterokokken unter die Richtwerte für eine gute Badegewässerqualität zu senken. Erst in Kombination mit einer nach-geschalteten Filtration lagen mehr als 95 % der Messwerte unter den Richtwerten der EU-Badegewässerrichtlinie Vergleich der Reinigungsleistung für weitere Parameter Abbauprozess in den Schnellfiltern Verschiedene Autoren fordern eine biologische Nachbehandlung nach einer Ozonung für die Abwasserreinigung (u.a. (Mikroschadstoffe.NRW 2015)). Daher wurden in diesem Projekt die Wirksamkeit eines Zweischichtfilters und eines biologischen Aktivkohlefilters miteinander verglichen. Wie in Abbildung 109 dargestellt, erfolgt die Verringerung von DOC und CSB in den beiden Schnellfiltern in gleichem Umfang. In der Startphase ohne Ozon (aber mit Flockung) war die DOC-Reduktion im BAK höher als im ZSF, da neben Flockung und biologischem Abbau auch Adsorption stattfand. Zum Zeitpunkt des Starts der Ozonung war die Adsorptionskapazität des BAK (bis auf Benzotriazol, siehe Abbildung 105) erschöpft. Die DOC-Entfernung nach der Ozonung war in beiden Filtern vergleichbar hoch. Zwischen den einzelnen Probennahmen schwankte die DOC-Entfernung in beiden Filtern jedoch erheblich (1 bis 7 mg/l, siehe Abbildung 109A). Ein ähnliches Bild zeigte sich für den CSB: Die Entfernung war in beiden Schnellfiltern vergleichbar hoch (Abbildung 109B). Die Ozonung hatte einen deutlichen Effekt auf die CSB-Reduktion. Nur durch Flockung und Filtration wurde der CSB um durchschnittlich 22 % verringert, in Kombination mit einer Ozonung um 38 %. Neben der Verminderung der Summenparameter DOC und CSB wurde für beide Filter auch das Nitrifikations-vermögen untersucht. Der absolute Umsatz von Ammonium war in beiden Filter identisch (Abbildung 109C), schwankte jedoch deutlich in Abhängigkeit von der Konzentration im Kläranlagenablauf. Durch die hohe Verfügbarkeit von Sauerstoff (>28 mg/l) aufgrund des Einsatzes von technischem Sauerstoff bei der Ozonung konnten hohe Ammoniumumsätze von bis zu 4 mg-n/l erzielt werden. Bei parallelem Betrieb der Schnellfilter war auch die Sauerstoffzehrung in den Filter gleich hoch. In keinem Fall fand eine vollständige Sauerstoffzehrung statt, so dass im Ablauf der Filter noch 4 29 mg/l Sauerstoff enthalten waren. Die niedrigsten Sauerstoffwerte im Ablauf lagen bei Ammoniumspitzen vor. Die Nitrifikation verursachte bei Ammoniumwerten <1 mg/l im Mittel 25 % der Sauerstoffzehrung. Bei Ammoniumspitzen >2 mg/l war die Nitrifikation für im Mittel 77 % der Sauerstoffzehrung verantwortlich. 139

146 Abbildung 109: Vergleich von Zweischichtfilter und biol. Aktivkohlefilter; DOC (A), CSB (B), Ammonium (C), Sauerstoffzehrung (D) Einfluss von Flockung und Kontaktzeit auf Abbauprozesse Die Flockung vor den Schnellfiltern reduziert den Gehalt an ortho-phosphat auf eine mittlere Konzentration von 10 µg P/L. Daher ist eine Phosphorlimitierung durch den Abbau von Kohlenstoffverbindungen in den Filtern denkbar. Weiterhin sind biologische Prozesse in Filtern über die Aufenthaltszeit im Festbett (EBCT) limitiert. Um beide Fragen zu klären, wurde sowohl bei parallelem Betrieb als auch bei der Reihenschaltung von ZSF und BAK der Abbau des DOC untersucht (Wiedemann 2014). Sowohl bei Reihen- als auch bei Parallelschaltung war die DOC-Entfernung mit Flockung stets höher als ohne Flockung. Auch im nachgeschalteten Langsamsandfilter war die DOC-Entfernung bei vorheriger Flockung höher als ohne. Da der DOC-Gehalt direkt nach der Flockung nicht gemessen wurde, können Abbau und Mitfällung des DOC nicht voneinander getrennt werden. Es lässt sich lediglich schlussfolgern, dass der möglicherweise erhöhte DOC-Abbau durch eine höhere Phosphorverfügbarkeit geringer ausfällt als die zusätzliche DOC-Entnahme durch die Flockung. Auch der Sauerstoffverbrauch als Indikator für die biologische Aktivität im Filter wurde durch die Flockung nicht wesentlich verringert (ohne Flockung: 140

147 23,5 mg/l; mit Flockung: 22,6 mg/l im Ablauf des ZSF), sodass insgesamt eine Phosphorlimitierung unwahrscheinlich scheint. Der Einfluss der Kontaktzeit wird v.a. für den Langsamsandfilter deutlich (9 27 h HRT). Die DOC-Verringerung war im LSF unter allen Betriebsbedingungen am höchsten. Auch die Reihenschaltung von ZSF (8 m/h) und BAK (5 m/h) führte durch die Verlängerung der Kontaktzeit zu höherem DOC-Abbau, verglichen mit dem ZSF allein. Eine Variation der Filtergeschwindigkeit des ZSF auf den Stufen 6/8/10 m/h führte nicht zu einer messbaren Abnahme des DOC-Abbaus. Abbildung 110: Abnahme des DOC in den Filter (Versuchsreihe Mai bis September 2013, Vergleich von Reihen- bzw. Parallelschaltung) (entnommen aus (Wiedemann 2014)) Phosphorentfernung Neben der biologischen Wirksamkeit der Schnellfilter wurde auch ein möglicher (negativer) Einfluss der Ozonung auf die Phosphorentfernung untersucht. Die Konzentration für Gesamtphosphor in den Mischproben lag bei beiden Filterabläufen stets unter 90 µg P/L (Abbildung 111D). Bei Betrieb ohne Ozonung lagen die Ablaufwerte im Mittel bei 54,2 µg P/L beim Zweischichtfilter und 64,8 µg P/L beim BAK (C 0 = 444 µg/l). Beim Betrieb mit Ozonung lagen die Ablaufwerte bei 48,1 µg P/L beim Zweischichtfilter und 49,5 µg P/L beim BAK (C 0 = 402 µg P/L). Ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden Filtern war nicht erkennbar. Im Vergleich zu einer vorherigen Studie zur weitergehenden Phosphorentfernung am gleichen Standort (Miehe 2010) ergaben sich keine Hinweise für eine Verschlechterung der Phosphorentfernung durch eine vorherige Ozonung. Beim Rückhalt der abfiltrierbaren Stoffe schnitt der BAK deutlich schlechter ab als der ZSF (Abbildung 111B). Im Mittel lagen die Ablaufwerte beim ZSF bei 0,6 mg/l und beim BAK bei 1,2 mg/l. Die Maximalwerte lagen bei 2,6 mg/l beim ZSF und bei 3,5 mg/l beim BAK. Die Ursache ist hier in der feineren Körnung des Filtermaterials im ZSF zu sehen. Der schlechtere Rückhalt feiner Partikel schlug sich auch in höheren Flockungsmitterestgehalt im Ablauf des BAK nieder (Abbildung 111C). Aus den erhöhten Eisengehalten lässt sich schließen, dass die durchbrechenden Feststoffe wahrscheinlich Eisenflocken sind. 141

148 Abbildung 111: Abnahme des DOC in den Filter (Versuchsreihe Mai bis September 2013, Vergleich von Reihenbzw. Parallelschaltung) (entnommen aus (Wiedemann 2014)) Untersuchungen zur Bildung von Oxidationsnebenprodukten NDMA An drei Tagen wurden Proben extern auf N-Nitrosodimethylamin (NDMA) untersucht. Am ersten Tag ( ) wurde die mögliche Bildung von NDMA nach der Ozonung überprüft, was durch die Analytik bestätigt wurde (Abbildung 112). An den anderen beiden Tagen wurde auch die Elimination von NDMA in den Filtern untersucht. Durch die Ozonung stieg der NDMA-Gehalt auf bis zu 29 ng/l an. Die nachgeschalteten Filtrationsvarianten (ZSF, BAK, ZSF+LSF) verringerten die Konzentration gleichermaßen. Bereits der ZSF allein senkte den NDMA-Gehalt unter den Trinkwassergrenzwert von 10 ng/l. 142

149 Abbildung 112: Bildung und Elimination von NDMA durch Ozonung und Filtration Bromat Die Bildung von Bromat (Trinkwassergrenzwert von 10 µg/l) im Zuge der Ozonung wurde ebenfalls untersucht. Dies ist in Anbetracht des teilgeschlossenen Wasserkreislaufs in Berlin von Bedeutung, da Bromat in der Uferfiltration bzw. Grundwasseranreicherung unter aeroben Bedingungen nicht entfernbar ist (s. Projekt OXIRED (Hübner et al. 2011b)). Die Entfernung ist unter reduzierenden Bedingungen möglich, aber die Umsatzgeschwindigkeit wurde bisher nicht abschließend geklärt. Insgesamt wurden 55 Proben im Ablauf der Ozonung auf Bromat untersucht. Bis auf eine Probe (8,3 µg/l) lagen bei einem Ozoneintrag von maximal 0,83 mg O3 /mg DOC alle Messwerte unter 5 µg/l (Abbildung 113). Studien mit Ozoneinträgen über 1 mg O3 /mg DOC (Bahr et al. 2007, Hübner et al. 2011b) zeigten, dass die Bromatbildung bei den in Berlin vorliegenden Bromidkonzentration um 0,1 mg/l (Hübner et al. 2011a) ab einem Ozoneintrag von 0,9 mg O3 /mg DOC stark zunimmt. Der Ozoneintrag sollte daher auf maximal 0,8 mg O3 /mg DOC begrenzt werden. Abbildung 113: Konzentration von Bromat nach der Ozonung. 143

150 Akute Toxizität (Leuchtbakterientest) Eine mögliche akute Toxizität der durch die in der Ozonung gebildeten Oxidationsnebenprodukte wurde mit Hilfe des Leuchtbakterientests (Hach Lange-LumisTox, Vibrio Fischeri) untersucht. Das Testprotokoll wurde dabei um eine vorherige Belüftung mit Umgebungsluft ergänzt (5 min), um die unterschiedliche Übersättigung der Proben mit Sauerstoff zu beseitigen. Im Projekt PILOTOX war bei hohen Ozondosen eine Hemmung der Leuchtkraft bis hin zu den Verdünnungsstufen G3-4 zu verzeichnen (Bahr et al. 2007). Diese ökotoxikologischen Befunde konnten im Rahmen des Projektes ASKURIS nicht bestätigt werden. Beim Ansatz der Proben ohne Verdünnung (G1) wurde direkt nach der Ozonung die Schwelle für einen positiven Toxizitätsbefund (20 % Hemmung) nur in zwei von insgesamt 31 Proben knapp überschritten (Abbildung 114). In den zugehörigen Proben nach den Filtern war die Hemmung nicht mehr nachzuweisen. Generell war nach den Filtern überwiegend eine Zunahme der Leuchtintensität gegenüber der Kontrolle zu verzeichnen. Abbildung 114: Hemmung der Leuchtbakterien. Balken entsprechen der minimalen bzw. maximalen Hemmung (n ist in der Abb. angegeben; alle Proben ohne Verdünnung) Zusammenfassung zur Ozonung und Nachbehandlung Spurenstoffe: Die Elimination der untersuchten Spurenstoffe wird maßgeblich vom eingesetzten spezifischen Ozoneintrag und der Reaktivität der Stoffe mit Ozon bestimmt. Stoffe mit sehr hohen Reaktionskonstanten (k O3 >10 5 M -1 s -1 ) wie Diclofenac oder Carbamazepin wurden auch bei geringen Ozoneinträgen von 0,45 mg O3 /mg DOC zu über 90 % eliminiert und die Bestimmungsgrenze wurde für die Mehrzahl der Proben von DCF und CAB erreicht. Für Stoffe mit mittlerer Reaktivität (k O M -1 s -1 ) wie z.b. Benzotriazol oder Primidon konnte mit Ozoneinträgen von 0,65 mg O3 /mg DOC eine Transformation von ca % erzielt werden. Der Beitrag der nachgeschalteten Filter zur Spurenstoffelimination war gering im Vergleich zum Effekt der Ozonung. Eine Ausnahme ist die Substanz Benzotriazol, für die der BAK eine konstant höhere Aufbereitungsleistung erzielte. 144

151 Desinfektion: Die Desinfektionswirkung hängt stark vom eingesetzten Ozoneintrag ab und wird wie auch die Spurenstoffelimination durch das Auftreten von Nitrit im Kläranlagenablauf deutlich beeinträchtigt. Für den untersuchten Standort reichte eine alleinige Ozonung mit Soll-Ozoneinträgen von 0,7 mg O3 /mg DOC nicht sicher aus, um über die Parameter Escherichia Coli und Intestinale Enterokokken die gute Badegewässerqualität nach (2006/07/EG) sicher einzuhalten. Erst in Kombination mit einer nachgeschalteten Filtration erfüllten mehr als 95 % der Messwerte die Erfordernisse der guten Badegewässerqualität nach EU-Badegewässerrichtlinie (2006/07/EG). Wirkung der nachgeschalteten Filter: Die Eignung des Zweischichtfilters und des biologischen Aktivkohlefilters zur Nachbehandlung von ozoniertem Kläranlagenablauf ist gleichermaßen gegeben. Für die untersuchten Parameter wie DOC, CSB und Phosphor war die Aufbereitungsleistung der eingesetzten Filter vergleichbar. Hinsichtlich des Rückhalts von Feststoffen schnitt der Zweischichtfilter aufgrund der feineren Körnung des Filtermaterials besser ab. Oxidationsnebenprodukte: Die Bildung von Oxidationsnebenprodukten in der Ozonung war insgesamt gering ausgeprägt. Die Konzentration an NDMA wurde durch die Ozonung erhöht, jedoch lag die Konzentration nach den Schnellfiltern wieder unter 10 ng/l. Eine Bromatbildung mit Werten oberhalb von 10 µg/l wurde bei den eingesetzten Ozoneinträgen von maximal 0,83 mg O3 /mg DOC nicht beobachtet. Die mögliche Bildung akut toxischer Stoffe durch die Ozonung konnte für unverdünnte Proben (G1) in 2 von 32 Proben in sehr geringem Umfang nachgewiesen werden. 145

152 3.4 Vergleich der Verfahren anhand ökologischer Kriterien Hintergrund Die in ASKURIS betrachteten Verfahren zur spezifischen Elimination von anthropogenen organischen Spurenstoffen werden nachfolgend in ihren ökologischen und ökonomischen Auswirkungen bewertet. Die Aufbereitung über Oxidation durch Ozon bzw. Adsorption an Aktivkohle verursacht einen hohen Verbrauch an Strom bzw. Betriebsmitteln (Sauerstoff, Aktivkohle) und können so zu einem signifikant höheren Energie- und Ressourcenverbrauch in der Abwasseraufbereitung beitragen. Diese Verfahren werden im teilgeschlossenen urbanen Wasserkreislauf am Tegeler See in Berlin (Abbildung 1) mithilfe der Ökobilanz-Methodik (engl. Life Cycle Assessment (LCA)) nach ISO 14040/44 (ISO 2006; ISO 2009), hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Umwelt untersucht. Hierbei werden sowohl die zusätzlichen ökologischen Belastungen (u.a. durch Produktion der Betriebsmittel und Infrastruktur) als auch der ökologische Nutzen (Verbesserung der Wasserqualität) herausgearbeitet. Durch die umfassende Betrachtungsweise aller relevanten Prozesse und Emissionen (direkt am Tegeler See, aber auch indirekt z.b. bei der Produktion der Betriebsstoffe) in der LCA kann so eine Gesamtbilanz der verschiedenen Optionen erfolgen. Eine weitergehende Aufbereitung zur Spurenstoffelimination wird dabei sowohl am Ablauf des Klärwerks Schönerlinde (KW Schö) als auch an der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage Tegel (OWA Tegel) in Betracht gezogen, um damit das Ziel des vorsorgenden Gewässerschutzes für den Tegeler See zu realisieren LCA: Definition von Ziel und Untersuchungsrahmen Ziel und Zielgruppe Das Ziel der Ökobilanz in ASKURIS ist ein Vergleich der ökologischen Auswirkungen der in AP 2 untersuchten Verfahren zur Elimination anthropogener organischer Spurenstoffe in der großtechnischen Umsetzung im System des teilgeschlossenen Wasserkreislaufs in Berlin am Tegeler See. Die Entfernung der Spurenstoffe wird an folgenden Orten in der großtechnischen Umsetzung untersucht: 1) Weitergehende Aufbereitung des Ablaufs des Klärwerks Schönerlinde (KW Schö) ( 4. Reinigungsstufe ) 2) Erweiterung der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage Tegel (OWA Tegel) Ziel der großtechnischen Umsetzung an den beiden alternativen Standorten ist der Gewässerschutz des Tegeler Sees (Schutzgut Umwelt) und nachfolgend ein vorsorgender Schutz der Trinkwasserqualität (Schutzgut Mensch), da der Tegeler See in dem System über die Uferfiltration als Trinkwasserressource dient. Als mögliche Verfahren der Spurenstoffelimination werden grundsätzlich betrachtet: a) Oxidation durch Ozonung b) Adsorption durch Einsatz von Pulveraktivkohle (PAK) c) Adsorption durch Einsatz von Filtern mit granulierter Aktivkohle (GAK) Die Ergebnisse dieser Ökobilanz stellen die potentiellen ökologischen Auswirkungen in einer holistischen Betrachtungsweise von der Wiege bis zur Bahre (Klöpffer and Grahl 2009) dar. Sie sollen in zukünftigen Planungen einer möglichen Spurenstoffelimination im teilgeschlossenen Wasserkreislauf Entscheidungsträgern als zusätzliche Kriterien für ökologische Folgen dienen. Da sich die Studie spezi- 146

153 fisch auf die regionalen Gegebenheiten in Berlin beziehen, sind als Zielgruppen die Berliner Wasserbetriebe (Abteilungen Forschung und Entwicklung, BWB-FE, Abwasser und Energie, BWB-AE) und der Berliner Senat (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt) von vorrangiger Bedeutung. Darüber hinaus kann diese Ökobilanz als zusätzliche Informationsquelle für Fachkräfte, Betreiber und Planer im Bereich der Abwasserreinigung mit Fokus auf die 4. Reinigungsstufe genutzt werden Funktion und funktionelle Einheit Die primäre Funktion der betrachteten Verfahren ist die weitergehende Elimination abwasserbürtiger anthropogener organischer Spurenstoffe, gemessen am Ablauf der OWA Tegel bzw. im entsprechenden Zulauf zum Tegeler See. Als weitere Randbedingungen für die Umsetzung der Maßnahmen wird für die Einleitung in den Tegeler See ein Verschlechterungsverbot in den Phosphoremissionen (derzeit 17 µg l -1 TP im Ablauf der OWA Tegel) und hinsichtlich der mikrobiellen Belastung (Einhaltung der derzeitigen guten Badegewässerqualität nach EU-Badegewässerrichtlinie (2006/7/EG)) festgelegt. Hieraus ergibt sich folgende Definition der funktionellen Einheit als Bezugsgröße für die Ökobilanz: Einleitung eines Kubikmeters Wasser aus der OWA Tegel in den Tegeler See [m³ OWA Ablauf ] -1 Von der OWA Tegel werden jährlich m³ a -1 = m³ d -1 (Jahresdurchschnitt ) in den Tegeler See geleitet. Das oberhalb der OWA Tegel liegende KW Schö soll inklusive geplanter Klärwerkserweiterung (8. Linie) einen durchschnittlichen Tagesvolumenstrom von m³ d -1 behandeln (Trockenwetter) Systemgrenzen und Referenzflüsse Für diese Studie werden die großtechnische Umsetzung der Verfahren zur Spurenstoffelimination als vierte Reinigungsstufe des KW Schö oder auf der OWA Tegel betrachtet. Eine wesentliche Eingangsgröße für die Bilanz ist der Ablauf des KW Schö inklusive der geplanten Klärwerkserweiterung. Zusätzlich speisen der Nordgraben, der Tegeler Fließ sowie eine vorhandene Seeleitung, kommend von der Havel, den Zulauf der OWA Tegel (Abbildung 115). Volumenströme bei Regenwetterspitzen oberhalb der Kapazität der OWA Tegel (Q max = 2,7 m³/s) werden unbehandelt über die vorhandene Seeleitung zur Havel (am Tegeler See vorbei) sowie zum geringen Teil über das vorhandene Wehr im Einlaufbauwerk der OWA Tegel direkt in den See abgeschlagen. Filterspülwässer aus der Rückspülung ggf. notwendiger Filtrationsstufen werden am KW Schö hydraulisch nur für die 4. Reinigungsstufe berücksichtigt (d.h. Erhöhung des jährlichen Durchflusses bei gleichbleibender Qualität). Neben den direkten Emissionen in den Tegeler See werden in der Ökobilanz auch die indirekten Emissionen und Ressourcenverbräuche bilanziert. Indirekte Effekte auf die Umwelt entstehen hierbei durch den Bau der betrachteten Verfahren (= Infrastruktur) sowie vor allem durch deren Verbrauch an Strom und Betriebsstoffen, aber auch durch die Behandlung von zusätzlich entstehendem Schlamm. Die Entsorgung dieses Schlamms, der nur bei einigen hier betrachteten Verfahren entsteht (vor allem abgetrennte Pulveraktivkohle, aber auch zusätzlich eingesetztes Flockungsmittel (Fe)), wird mit einer vereinfachten Schlammbehandlung und Entsorgung modelliert. Das vereinfachte Modell der Schlammbehandlung enthält die Strom- und Polymerverbräuche in der Eindickung, Faulung und Entwässerung sowie Transport und thermische Behandlung in der Klärschlammmonoverbrennung (KSVA). 147

154 Tabelle 44. Ablauf KW Schönerlinde und Zulauf OWA Tegel (Jahresdurchschnitt ). Parameter Abk. Ablauf KW Schö Zulauf OWA Tegel Konzentration Fracht Konzentration Fracht Volumen Q d 48,2 Mio. m³ a -1 86,4 Mio. m³ a -1 Suspendierte Stoffe SS 3 mg l t a -1 3,4 mg l t a -1 CSB CSB 35 mg l t a -1 30,4 mg l t a -1 DOC DOC 12 mg l t a mg l t a -1 Phosphor, gesamt TP 280 µg l -1 13,5 t a µg l -1 18,1 t a -1 Cadmium Cd 0,25 µg l -1 # 12,1 kg a -1 0,25 µg l -1 # 21,6 kg a -1 Chrom Cr 0,50 µg l -1# 24,1 kg a -1 0,50 µg l -1 # 43,2 kg a -1 Kupfer Cu 4,85 µg l kg a -1 6,93 µg l kg a -1 Quecksilber Hg 0,05 µg l -1# 2,4 kg a -1 0,05 µg l -1 # 4,3 kg a -1 Nickel Ni 3,40 µg l kg a -1 2,27 µg l kg a -1 Blei Pb 2,00 µg l -1# 96 kg a -1 2,00 µg l -1 # 173 kg a -1 Zink Zn 14,00 µg l kg a -1 14,89 µg l kg a -1 Benzotriazol BTA 11,35 µg l kg a -1 6,33 µg l kg a -1 Bezafibrat BEZ 0,36 µg l -1 17,4 kg a -1 0,20 µg l -1 17,4 kg a -1 Carbamazepin CAB 2,42 µg l kg a -1 1,35 µg l kg a -1 Diclofenac DCF 3,6 µg l kg a -1 2,01 µg l kg a -1 Iopromid IOP 1,89 µg l -1 91,6 kg a -1 1,05 µg l -1 91,6 kg a -1 Metoprolol MET 2,97 µg l ,2 kg a -1 1,66 µg l ,2 kg a -1 Sulfamethoxazol SMX 0,29 µg l -1 14,0 kg a -1 0,16 µg l -1 14,0 kg a -1 # Konzentrationen <Bestimmungsgrenze (BG) und daher mit 0,5*BG angegeben Vereinfacht wird angenommen, dass die Fracht der Spurenstoffe aus dem Ablauf KW Schö die einzige Quelle im Zulauf der OWA Tegel ist (Konzentration der Spurenstoffe = 0 in Havel und Tegeler Fließ). Mögliche Abbaureaktionen sind ebenfalls nicht berücksichtigt. Nordgraben (Kanal) Tegeler Fließ Seeleitung Havel Seeleitung zur Havel & Wehrüberlauf (Regenwetterspitzen ) PAK, Fe, Hydraulik Ablauf KW Schönerlinde Strom Chemikalien Infrastruktur OWA Tegel Rückspülwasser m³/d m³/d 4. Stufe Systemgrenzen Schlammbehandlung PAK, Fe Strom Chemikalien Infrastruktur Ablauf OWA Tegel Abbildung 115: Systemgrenzen der Ökobilanz. Die für die Wirkung bzw. Bemessung der Verfahren der Spurenstoffelimination relevanten Ströme sind der Ablauf des KW Schö und der Zulauf zur OWA Tegel. Diese Referenzflüsse sind in Menge und Qualität in Tabelle 44 dargestellt. 148

155 Beschreibung der ausgewählten Szenarien Nachfolgend wird der Referenzzustand sowie die betrachteten Szenarien zur Spurenstoffelimination beschrieben. Diese Szenarien werden in Abbildung 116 schematisch dargestellt. Die spezifischen Dosiermengen (Ozon, PAK, GAK) der Verfahren sind in Tabelle 45 aufgeführt. Referenzzustand Im Referenzzustand wird der Volumenstrom des Ablaufs des KW Schö mit der bereits geplanten Erweiterung des Klärwerks von insgesamt Q d = m³ d -1 berücksichtigt (Abbildung 115). Die Qualität des Ablaufs wird der heutigen Situation (Jahresdurchschnittsdaten von ) gleichgesetzt, d.h. die Konzentrationen bleiben mit den heutigen identisch. Die Kapazität der OWA Tegel verändert sich nicht, so dass die zukünftige Erhöhung der Abwassermenge am KW Schö dazu führt, dass die regelbare Seeleitung von der Havel zur OWA Tegel entsprechend angepasst wird und sich ankommende- und abgehende Volumenströme auf der OWA Tegel nicht verändern. Ebenfalls wird eine unveränderte Ablaufqualität der OWA Tegel bezüglich TP aufgrund der überstöchiometrischen Fällmitteldosierung (10 mg l -1 Fe) angenommen. Neben den Volumenströmen werden die Betriebsmittel der OWA Tegel, d.h. Strom- und Chemikalienverbrauch, sowie der Schlammanfall und die -entsorgung berücksichtigt (vereinfachte Schlammbehandlung). Da es an der OWA Tegel um größtenteils anorganischen Schlamm aus der Eisenfällung handelt, wird vereinfacht angenommen, dass kein zusätzliches Biogas bei der Faulung dieses Schlamms entsteht. Szenarien am Klärwerk Schönerlinde 1) Ozon (Q TW ) Ozonung dimensioniert auf die Trockenwetterspitze von Q TW = 2,3 m³ s -1. Volumenströme >2,3 m³ s -1 (Q RW bis ca. 6,0 m³/s) werden über einen Bypass um die Ozonung geführt, dies entspricht 2,7 % des Volumens im Kläranlagenablauf (Jahresdurchschnitt). 2) Ozon (Q TW ) + Filter (Q TW ) Analog des vorgehenden Szenarios wird die Ozonung auf Q TW dimensioniert. Zusätzlich wird als biologische Nachreinigungsstufe eine Raumfiltration (ohne Flockung) betrachtet, die ebenfalls auf Q TW dimensioniert wurde. 3) PAK (Q TW ) + Filter (Q TW ) Dosierung von PAK in den Überstau eines Raumfilters. Die Dosierung der PAK wird auf die Trockenwetterspitze von Q TW = 2,3 m³ s -1 begrenzt. Für einen höheren Abscheidungsgrad der PAK im Filter wird Fällmittel (Eisensalze) dosiert. Aufgrund der höheren TS-Fracht muss je nach PAK-Dosierung das Spülintervall angepasst werden. 4) PAK Simultandosierung (Q TW ) Simultandosierung von PAK in die Belebungsstufe des KW Schö. Hierbei werden die gleichen Dosierungen an PAK betrachtet wie in Szenario 3. Die Belebung wird hier vereinfacht als ideal durchmischter Reaktor angenommen, so dass die spezifische PAK-Dosis auf die DOC-Konzentration im Ablauf der Belebung berechnet wird. Eine zusätzliche Filtration im Ablauf des KW Schö ist hierbei nicht vorgesehen. 149

156 Szenarien an der OWA Tegel 5) Ozon (Q max ) Ozonung im Zulauf der OWA Tegel nach dem Einlaufbauwerk. Folglich wird die Dimensionierung auf den Vollstrom der OWA Tegel (Q max = 2,7 m³ s -1 ) vorgenommen. 6) PAK (Q max ) Direktdosierung von PAK vor den vorhandenen Filtern der OWA Tegel. PAK wird nach der Fällmitteldosierung zur TP-Entfernung dosiert. Daher wird hier die spezifische Dosierung der PAK auf die DOC-Ablaufkonzentration der OWA bezogen (DOC = 8 mg l -1 ). 7) GAK-Filter (Q max ) Neubau von nachgeschalteten Filter mit GAK als Filtermaterial. Die Dimensionierung der GAK-Filter bezieht sich auf eine Leerbettverweilzeit (= empty bed contact time, EBCT) von 30 min. Anders als bei den Szenarien mit PAK und Ozonung werden beim GAK-Filter keine konstanten Eliminationsgrade erreicht, sondern ein Filterdurchbruch nach gewissen behandelten Wasservolumina (=Bettvolumen, BV) erwartet. 8) GAK als 2. Filterschicht (Q max ) Analog dem vorangegangenen Szenario wird eine Adsorption von Spurenstoffen an einer GAK-Filterschicht betrachtet. Hierbei wird lediglich die vorhandene Bims-Filterschicht in den Filtern der OWA Tegel durch GAK ausgetauscht. Hierdurch verkürzt sich die EBCT auf 14 min. Bei gleichen BV wie in Szenario 7 erhöht sich somit die Frequenz des Filterbettaustauschs. 4. Reinigungsstufe KW Schönerlinde Erweiterung OWA Tegel 1+2 Ozon (+ Filter) Ablauf KW Schö O 3 Raumfilter FM+FHM+ Sediment. Filtration Ablauf OWA Tegel OWA Tegel KW Schö PAK + Filter PAK Simultandosierung Ozon PAK GAK-Filter Ablauf KW Schö Ablauf KW Schö Ablauf KW Schö Ablauf KW Schö KW Schönerlinde VKB PAK + FM PAK Belebung Raumfilter NKB O 3 PAK FM+FHM+ Sediment. FM+FHM+ Sediment. FM+FHM+ Sediment. FM+FHM+ Sediment. FM+FHM+ Sediment. Filtration Filtration Filtration Filtration Filtration GAK Filter Ablauf OWA Tegel Ablauf OWA Tegel Ablauf OWA Tegel Ablauf OWA Tegel Ablauf OWA Tegel 8 GAK, 2. Filterschicht Ablauf KW Schö FM+FHM+ Sediment. GAK Filtration Ablauf OWA Tegel FM = Fällmittel Eisen(III)sulfat, Fe 2 (SO 4 ) 3 FHM = Flockungshilfsmittel, Polymer Abbildung 116. Schematische Übersicht der betrachteten Verfahren in der Ökobilanz. Dosierungsstrategie in den betrachteten Szenarien Für die Elimination von organischen Spurenstoffen aus dem Abwasser existieren bisher noch keine legislativen Zielvorgaben für die Effizienz der Verfahren hinsichtlich der Entfernungsraten. Daher sind 150

157 in dieser Studie für die jeweiligen Szenarien definierte Dosierungsspannen für Ozon und Pulverkohle bzw. Standzeiten von GAK-Filtern betrachtet worden. Dabei wird jeweils eine niedrige, mittlere und hohe Dosierung für jedes Szenario gerechnet. Die spezifischen Dosiermengen für alle betrachteten Fälle sind in Tabelle 45 abgebildet und beziehen sich für Ozon und PAK jeweils auf die entsprechende DOC-Konzentration des zu behandelnden Abwassers. Tabelle 45: Dosierung von Ozon, PAK und GAK in den betrachteten Szenarien; # der spezifische Ozoneintrag bezieht sich auf den Zulauf (10 mg l -1 DOC) und der spezifische PAK-Eintrag auf den Ablauf von 8 mg l -1 DOC. KW Schönerlinde OWA Tegel MIN MITTEL MAX MIN MITTEL MAX DOC [mg l -1 ] 12 Zulauf: 10 / Ablauf: 8 # Ozonung [g O 3 /g DOC] 0,4 0,7 1,0 0,4 0,7 1,0 PAK [g PAK/g DOC] 1,0 2,5 4,0 1,0 2,5 4,0 GAK [BV] Tabelle 46: Datenqualität der verwendeten Daten für die Ökobilanz. Art Herkunft Qualität Referenzzustand: Abwasserqualität, Strom- und Betriebsmittel, Volumenströme BWB-FE aktuelle Primärdaten des Systems am Tegeler See (Jahresdurchschnitt ) Schlammbehandlung vorangegangene Studien, Basis: Betriebsdaten BWB aktuelle Daten (2009) zur Schlammbehandlung in Berlin Planung großtechnische Umsetzung der Verfahren Planung von BWB-AE Planungsdaten der BWB (Berliner Randbedingungen) Effizienz der Verfahren in der Elimination von Spurenstoffen Großtechnische Umsetzung Ozonung (Strom und Betriebsmittel) Herstellung und Reaktivierung von Aktivkohle Basismaterialien: Strom, Chemikalien, Baustoffe Datenqualität Pilot- und Laborergebnisse (AP 2) Herstellerangaben, Berichte zu großtechnischen Anlagen Literatur und wissenschaftliche Veröffentlichungen Ökobilanz Datenbank: ecoinvent v3.1 aktuelle Primärdaten mit Berliner Abwasserzusammensetzung aktuelle Daten von Hersteller und Betreiber älterer Datensatz (vor 2005) Strommix D 2010, Chemikalien und Baumaterial nach europäischem Durchschnitt Die Daten zum Referenzzustand beziehen sich auf Jahresdurchschnittswerte von der Berliner Wasserbetriebe (BWB-FE 2014) ( Tabelle 46). Hierzu zählen neben den Volumenströmen und Konzentrationen auch die Betriebsmittel und der Schlammanfall auf der OWA Tegel. Die großtechnische Dimensionierung der Verfahren zur Spurenstoffelimination (Ozonung, PAK, GAK, Raumfilter) stammt aus Planungen und Bemessungen der BWB (BWB-AE 2014) und beziehen sich auf spezifische Betriebsparameter der entsprechenden Anla- 151

158 gen (KW Schö, OWA Tegel). Materialverbrauch für die Errichtung der Anlagen (Infrastruktur) wird aufgrund der Bemessungsangaben abgeschätzt. Die Eliminationsleistung der Verfahren hinsichtlich organischer Spurenstoffe wird aus den Ergebnissender Pilot-und Laborversuche (siehe AP 2) übernommen. Die Betriebsmittel für die Ozonung in der großtechnischen Umsetzung (Strom und Flüssigsauerstoff) beziehen sich auf Herstellerangaben oder veröffentlichte Berichte bereits realisierter Anlagen. Die Daten für Herstellung und Reaktivierung von Aktivkohle sind aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen zusammengestellt. Die Daten zur Aktivkohleherstellung beziehen sich auf eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2005 und sind ggf. nicht mehr repräsentativ für heutige Produktionsverfahren. Unterschiede in den Umweltauswirkungen durch Verwendung verschiedener Rohstoffe für die Aktiv-kohleherstellung (Steinkohle, Braunkohle, Kokosnussschalen) werden in einer Sensitivitätsanalyse untersucht (Tabelle 57). Die Modellierung der vereinfachten Schlammbehandlung basiert auf Betriebsdaten Berliner Klärwerke, die aus vorangegangenen Studien entnommen und zusammengefasst worden sind (KWB 2012, Mutz 2013). Basismaterialien wie Strom, Chemikalien und Baustoffe für die Infrastruktur sind aus der Ökobilanz Datenbank ecoinvent v3.1 (Weidema et al. 2013) entnommen. Tabelle 47: Übersicht der betrachteten Wirkungsindikatoren. Sachbilanzergebnisse Wirkungsindikator Charakterisierungsfaktor Einheit Kumulierter Energieaufwand (VDI 4600) Primärenergieaufwand an fossilen und nuklearen Energieträgern Primärenergiegehalt der fossilen + nuklearen Ressourcen kumulierter Energieaufwand fossil+nuklear (KEAfossil+muklear) [MJ] Klimawandel (ReCiPe, Midpoint, ohne Langzeitemissionen, Hierarchist-Perspektive) Emission an Treibhausgasen (CO 2, CH 4, N 2 O etc.) Verstärkung der Infrarotstrahlung Treibhauspotential (THP) über 100a [kg CO 2 -eq] Versauerung (ReCiPe, Midpoint ohne Langzeitemissionen, Hierarchist-Perspektive) Emission an SO 2, NO X, NH 3 in die Atmosphäre Basensättigung Versauerungspotential im Boden (AP) [kg SO 2 -eq] Eutrophierung Süßwasser (ReCiPe, Midpoint ohne Langzeitemissionen, Hierarchist-Perspektive) Emission an P-Verbindungen in Gewässer P-Konzentration Süßwasser Eutrophierungspotential (FEP) [kg P-eq] in Süßwasser Humantoxizität(USEtox ) Emission an humantoxischen Substanzen (Luft, Wasser, Boden) Dosis-Wirkungsbeziehung Humantoxizitätpotential, gesamt = kanzerogen + nicht-kanzerogen (HTP) [CTU h ] = [cases/kg emitted ] Süßwasser Ökotoxizität(USEtox ) Emission an ökotoxischen Substanzen(Luft, Wasser, Boden) Konzentrations-Wirkungsbeziehung Ökotoxizitätspotential auf Süßwasserorganismen (ETP) [CTU e ] = [PAF*m³*d/kg emitted] 152

159 Allokation & Systemerweiterung In der KSVA wird bei der Verbrennung des entwässerten Schlammes u.a. durch Stützfeuerung oder PAK zugeführte thermische Energie (Heizwert) über Dampfturbinen in elektrische Energie transformiert. Der produzierte Strom (Nettostromproduktion) kann in das bestehende Stromnetz eingespeist werden und wird daher in der Ökobilanz als Gutschrift angerechnet. Hierfür wird der genutzte Netzstromentsprechend substituiert ( avoided burden approach ) Wirkungsindikatoren In Tabelle 47 sind die für die Wirkungsabschätzung untersuchten Wirkungsindikatoren dargestellt. Diese basieren auf der Methodik ReCiPe 2008 (Goedkoop et al. 2009), der VDI-Richtlinie VDI 4600 (VDI 2012) für den kumulierten Energieaufwand sowie dem Konsensmodell USEtox (Rosenbaum et al. 2008) als Multikompartment-Modell zur Berechnung des Umweltverhaltens verschiedener Stoffe als Konsens-Modell für die Human- und Ökotoxizitätspotentiale. Die verwendeten Charakterisierungsfaktoren der direkten Emissionen (Schwermetalle und Spurenstoffe) für das Human- und Ökotoxizitätspotential sind an anderer Stelle (Jekel et al. 2016) dargestellt. Dabei wurden für die organischen Spurenstoffe neu erstellte Charakterisierungsfaktoren des USEtox - Modells genutzt die im Forschungsprojekt DEMEAU ( erstmals berechnet wurden. Eine Validierung dieser neuen Wirkfaktoren durch andere Studien steht noch aus Normalisierung Eine Normalisierung bezogen auf den europäischen Durchschnitt wird durchgeführt, um die berechneten gesamten Umweltwirkungen der Verfahren mit den Gesamtemissionen pro Einwohner und Jahr in Europa (EU27) zu vergleichen. In Tabelle 48 sind die verwendeten Normalisierungsfaktoren aufgelistet. Tabelle 48: Normalisierungsfaktoren pro europäischem Einwohner und Jahr. Wirkungskategorie Einheit Quelle KEA fossil+nuklear MJ/(EW EU *a) (EUROSTAT 2011/12) Klimawandel (THP) kg CO 2 -eq/(ew EU *a) (Goedkoop et al. 2009) Versauerung (AP) 34,4 kg SO 2 -eq/(ew EU *a) (Goedkoop et al. 2009) Süßwasser Eutrophierung (FEP) 0,415 kg P-eq/(EW EU *a) (Goedkoop et al. 2009) Humantoxizität (HTP) 8,47*10-4 CTU h /(EW EU *a) (Laurent et al. 2011) Ökotoxizität (ETP) CTU e /(EW EU *a) (Laurent et al. 2011) Interpretation und kritische Prüfung Bei dieser Studie handelt es sich um eine vergleichende Ökobilanz. Momentan existieren von der gesetzgebenden Seite jedoch noch keine Zielvorgaben zu Anforderungen an Verfahren zur weitergehenden Elimination von organischen Spurenstoffen auf Kläranlagen. Daher sind in dieser Ökobilanz die technisch und ökonomisch möglichen Dosierungsspannen (niedrige, mittlere und hohe Dosierung) für die verschiedenen Verfahren untersucht worden. Diese Ergebnisse sollen auf künftige rechtliche Rahmenbedingungen vorbereiten, so dass die potentiellen Umweltauswirkungen bei einer Festlegung künftiger Rahmenbedingungen über die entsprechend notwendige Dosiermenge einfach abgeschätzt werden können. Aufgrund der fehlenden legislativen Vorgaben für die zu erzielende Wirkung der Verfahren kann abschließend keine Bewertung zur Bevorzugung eines Verfahrens abgegeben werden. 153

160 Die Validierung der verwendeten Daten wurde mit den Projektpartnern (TU Berlin, BWB, KWB) durchgeführt, um eine hohe Qualität in der Datenbasis für die Modellierung zu bieten. Eine kritische Prüfung der Ökobilanz gemäß ISO (ISO 2009) von externen Gutachtern wurde nicht durchgeführt Sachbilanz In diesem Kapitel ist zunächst der abgebildete Referenzzustand in den wesentlichen Betriebsparametern und Volumenströmen dargestellt (Abschnitt ). In den Abschnitten bis sind die einzelnen Szenarien in ihrer verfahrenstechnischen Umsetzung und den wichtigsten Parametern dargestellt. In Abschnitt 3.10 und 3.11 werden die Hintergrundprozesse (Aufwand an Baumaterialien und Herstellung der Betriebsmittel Strom und Chemikalien) zusammenfassend dargestellt Referenzzustand Die zu- und ablaufenden Volumenströme am Einlaufbauwerk der OWA Tegel sind mit den Jahresdurchschnittswerten von in Abbildung 117 dargestellt. Die behandelte Menge auf der OWA beträgt inkl. der Spülwassermenge m³ d -1 bzw. 2,7 m³ s -1 (=OWA Zulauf). Das anfallende Schlammvolumen an der OWA Tegel beträgt 960 m³ d -1 (Tabelle 49). Das KW Schö behandelt inkl. Klärwerkserweiterung m³ d -1. Die DOC-Konzentration im Ablauf des KW Schö liegt bei 12 mg l -1 DOC. Tabelle 49: Tägliche Schlammfracht und -zusammensetzung auf der OWA Tegel. Schlammfrachten auf der OWA Tegel Abfiltrierte Stoffe (als TS) 700 kg d -1 Eisenhydroxid-Schlamm (als TS) kg d -1 Gesamte TS-Fracht kg d -1 TS-Konzentration im Schlamm 7,8 g l -1 Errechnetes Schlammvolumen 960 m³ d -1 Für den Betrieb der Seeleitung Havel wird ein Stromverbrauch von 64 Wh/m³ Seeleitung angegeben und für den Filtrationsbetrieb der OWA Tegel inklusive Spülung auf 85 Wh/m³ OWA Zulauf. Für die chemische Phosphorfällung wird als Fällmittel 3-wertiges Eisensulfat Fe 2 (SO 4 ) 3 mit einer Dosierung von 10 mg l -1 Fe 3+ und Polymere als Flockungshilfsmittel (FHM) mit 0,3 mg l -1 verwendet. Der Abscheidegrad der OWA Tegel für SS, TP, CSB und DOC ist in Tabelle 50 dargestellt. Die Ablaufwerte für die Schwermetalle sind in Tabelle 51 aufgeführt. Tabelle 50: Zu- und Ablaufwerte der OWA Tegel. Zulauf OWA Tegel Entfernung [%] Ablauf OWA Tegel SS 3,4 mg l ,43 mg l -1 CSB 30,4 mg l ,4 mg l -1 DOC 10 mg l mg l -1 TP 210 µg l µg l -1 Tabelle 51: Schwermetallkonzentrationen im Ablauf der OWA Tegel. Cd Cr Cu Hg Ni Pb Zn [µg l -1 ] 0,25 * 0,5 * 2,5 0,05 * 4 2 * 5 * gemessene Werte unter der Bestimmungsgrenze, Angabe mit 0,5*Bestimmungsgrenze 154

161 Für die Schlammbehandlung sind der Stromverbrauch der Eindickung (2,1 kwh/m³), Faulung (4,19 kwh/m³) und Entwässerung (3,8 kwh/m³) sowie der Verbrauch an Polymeren bei der Eindickung (0,73 g/g TS) und bei der Entwässerung (12,4 g/g TS) aus KWB (2012) entnommen. Der Transport des entwässerten Schlamms (28 % TS) zur Klärschlammmonoverbrennung (KSVA) beträgt 35 km. Die KSVA wurde wie in Mutz (2013) modelliert, wobei die Stützfeuerung von Heizöl auf den anorganischen Schlamm der OWA Tegel mittels Heizwertberechnung abgeschätzt worden ist (Jekel et al. 2016). Die Nettostromproduktion der KSVA Ruhleben beträgt 4,6 % der zugeführten Energiemenge (BWB-AE 2014). Seeleitung Havel m³/d zum Tegeler See Wehr (= RW- Überlauf) m³/d (= 0,68%) Einlaufbauwerk der OWA Tegel m³/d 3,1 m³/s = 100% Tegeler Fließ m³/d Nordgraben (inkl. KW Schö) m³/d m³/d (= 10%) Seeleitung zur Havel (bei RW-Spitze) m³/d 2,7 m³/s OWA Tegel (Sedimentation + Filtration) Spülwasser m³/d KW Schönerlinde: Nordgraben: m³/d m³/d m³/d 2,55 m³/s Ablauf OWA Tegel Schlamm m³/d Abbildung 117: Übersicht der Volumenströme an der OWA Tegel (Jahresdurchschnittswerte inklusive Klärwerkserweiterung KW Schö) Szenario 1: Ozon (KW Schö) Die Ozonung im Ablauf des Klärwerks Schönerlinde ist auf die Trockenwetterspitze von Q TW = 2,3 m³ s -1 ausgelegt, so dass 2,7 % des Jahresvolumens über einen Bypass um die Ozonung geführt wird (Abbildung 118). Ein ausreichendes hydraulisches Gefälle liegt vor, so dass keine Wasserhebung notwendig ist. Die DOC-Konzentration im Ablauf als Parameter für die Ozondosierung beträgt 12 mg l -1. Aufgrund der hohen Reaktivität von Nitrit mit Ozon muss die Nitrit-N-Konzentration (0,11 mg l -1 NO 2 -N) beim Ozoneintrag berücksichtigt werden, so dass auf die spezifische Dosierung E eine zusätzliche Ozonfracht zu berechnen ist mit 3,43 g O 3 pro g NO 2 -N, d.h. 0.4 mg l -1 O 3 (Tabelle 52). Die hydraulische Verweilzeit (HRT) des Ozons im Ozonreaktor (=Eintrags- und Austragszone) variiert mit der Ozon-Dosierung aufgrund des maximalen Gaseintrags der Begaser pro Fläche. Daher erhöht sich mit der Ozondosis die Grundfläche und somit die HRT in der Eintragszone des Ozonreaktors (siehe Abbildung 118). Für die Ozonung werden Verbräuche von 10 kg Flüssigsauerstoff sowie 13 kwh Strom pro kg produziertem Ozon angenommen (BAFU 2012; Eawag 2009; ISA 2011; Ried et al. 2009). Detaillierte Informationen zu den Verbräuchen der Ozonung sind an anderer Stelle (Jekel et al. 2016) dargestellt. 155

162 Szenario 2: Ozon + Filter (KW Schö) Die Dimensionierung der Ozonung geschieht analog zu Szenario 1. Es wird zusätzlich eine nachgeschaltete Raumfiltration im Zweischichtfilter, bestehend aus einer Sand- und Anthrazitschicht, betrachtet. Mit einer Filterhöhe von 2 m und einer Filterfläche von m² ergibt sich eine Filtergeschwindigkeit von ca. 5 m h -1 nach Auslegung auf die Trockenwetterspitze. Für die Raumfiltration ist eine Wasserhebung von ΔH = 6 m nötig (KWB 2013), was einem Stromverbrauch von 30 Wh m -1 entspricht (Abbildung 119). Das Spülintervall beträgt 24 h, so dass ein Spülvolumen von 4 % Q a angenommen wird. Der Stromverbrauch für die Spülung ist mit 10 Wh m -3 plus 2 Wh m -3 (Förderung des Spülwassers zur Belebung) angenommen. Der spezifische Ozoneintrag und die Ozonkonzentration kann aus Tabelle 52 entnommen werden. Beim Raumfilter wird eine zusätzliche Entfernung von partikulärem Phosphor über die SS-Entfernung angenommen. Als Grundlage dienen Angaben zu einer geplanten nachgeschalteten Biofiltration eines Berliner Klärwerks mit 62 % SS- bzw. 34 % TP-Entfernung ((BWB-GI 2013) in (Mutz 2013)). Hieraus ergibt sich eine geschätzte neue Ablaufkonzentration von 185 µg l -1 TP am KW Schö Szenario 3: PAK + Filter (KW Schö) Die Pulveraktivkohle (PAK) wird in den Ablauf des KW Schö bzw. in die Zuleitung zum nachgeschalteten Raumfilter dosiert (Abbildung 120). Über eine Dosierstation wird die PAK in einen statischen Mischer geleitet. Nachfolgend wird für eine verbesserte Abscheidung im Filter 3-wertiges Eisensalz mit 2 mg l -1 Fe dosiert. Es wird angenommen, dass dadurch die gleiche Menge an Fällmittel (Fe) an der OWA Tegel eingespart wird, so dass innerhalb der betrachteten Systemgrenzen keine zusätzlichen Aufwendungen an Fe 2 (SO 4 ) 3 im Vergleich zum Referenzzustand entstehen. Die PAK wird wie die Ozonung bis zur Trockenwetterspitze Q TW dosiert. Volumenströme größer Q TW werden über einen Bypass um die PAK-Dosierung geleitet. Die spezifischen PAK-Einträge sind in Tabelle 52 dargestellt. Tabelle 52: Spezifischer Ozoneintrag und daraus resultierende Ozondosierung. KW Schönerlinde OWA Tegel (Zulauf) spez. Ozoneintrag E g O 3 /g DOC 0,4 0,7 1,0 0,4 0,7 1,0 DOC mg/l O 3 -Dosis mg O 3 /L 4,8 8, NO 2 -N mg/l 0,11 0,03 O 3 -Dosis(gesamt) mg O 3 /L 5,2 8,8 12,4 4,1 7,1 10,1 Aufgrund der Dosierung von Fällmittel vor der Raumfiltration wird eine weitergehende Phosphorentfernung erwartet. Aus KWB (2013) wird für die Flockungsfiltration mit Raumfilter eine konservative Annahme mit einer Ablaufkonzentration von 100 µg l -1 TP am KW Schö abgeschätzt. Die Dimensionierung des Raumfilters (5 m/h bei Q TW ) sowie die Wasserhebung um ΔH = 6 m sind identisch zu Szenario 2. Lediglich die Spülintervalle ändern sich mit zunehmenden Feststofffrachten durch die PAK-Dosierung (Tabelle 53). Höhere Mengen an PAK führen ebenso zu einer Erhöhung der Schlammfracht. Für die Monoverbrennung wird der Bedarf der Stützfeuerung durch den hohen Heizwert der PAK angepasst. Der Heizwert der PAK ist mit H U = 31,4 MJ kg -1 analog dem Heizwert für Steinkohle (Weidema et al. 2013) berücksichtigt. Weitere Annahmen und Berechnungen zur thermischen Schlammbehandlung sind an anderer Stelle (Jekel et al. 2016) zu finden. 156

163 Szenario 4: PAK Simultandosierung (KW Schö) In diesem Szenario wird eine PAK-Dosierung in die Belebung des KW Schö betrachtet (Abbildung 121). Bei dieser Simultandosierung wird davon ausgegangen, dass eine ausreichende Abscheidung der PAK in der Nachklärung geschieht und daher keine nachgeschaltete Raumfiltration benötigt wird. Die Dosiermengen der PAK in die Belebung sind mit der Dosierung in den Überstau des Raumfilters identisch (Tabelle 53), da sie auch auf den Ablauf-DOC gerechnet werden. Tabelle 53: Spezifischer PAK Eintrag, PAK Dosierung sowie Filterspülung am KW Schö KW Schönerlinde OWA Tegel (nach FM-Dosierung) spez. PAK Eintrag g PAK/g DOC 1,0 2,5 4,0 1,0 2,5 4,0 DOC mg/l PAK-Dosis mg PAK/L Filter: Spülintervall h Filter: Spülvolumen % Q a Filter: spez. Stromverbrauch Wh/m³ Zulauf 13,3 20,0 20, Folglich sind für dieses Szenario nur der Stromverbrauch für die Dosierung (Dosierpumpe = 0,1 Wh/m³) relevant sowie die erhöhte Schlammfracht für die Schlammbehandlung und -verbrennung Szenario 5: Ozon (OWA Tegel) Die Ozonung im Zulauf der OWA Tegel ist auf den Vollstrom mit 2,7 m³ s -1 dimensioniert (Abbildung 122). Um die Druckverluste in der Ozonanlage/Kontaktreaktor zu kompensieren, muss eine Wasserhebung von ΔH = 1 m stattfinden (= 5 Wh m -1 ). Die DOC-Konzentration im Zulauf der OWA Tegel liegt bei 10 mg l -1 DOC, die Nitrit-Konzentration bei 0,03 mg l -1 NO 2 -N. Der spezifische Ozoneintrag kann aus Tabelle 52 entnommen werden. Analog zu Szenario 1 und 2 ändert sich die HRT des Ozons im Reaktor aufgrund des spez. Gaseintrags der Begaser pro Fläche. Der Verbrauch an Flüssigsauerstoff beträgt 10 kg O 2 (kg O 3 ) -1, der Stromverbrauch 13 kwh (kg O 3 ) -1 (Jekel et al. 2016) Szenario 6: PAK (OWA Tegel) Die PAK wird auf der OWA Tegel in die Zuleitung zum Raumfilter dosiert (Dosierpumpe = 0,1 Wh m -3 ). Aufgrund der vor der PAK-Zugabe erfolgten Dosierung des Eisen(III)sulfats liegt der DOC bei 8 mg l -1. Der spezifische PAK-Eintrag erfolgt somit auf die DOC-Ablaufkonzentration der OWA Tegel (Tabelle 53). Aufgrund der bereits hohen Feststoffbelastung der Filter durch die FM-Dosierung ist keine Änderung des Spülintervalls der Filter auf der OWA Tegel zu erwarten. Es wird jedoch entsprechend des PAK-Eintrags die anfallende Schlammmenge erhöht, die sich auf die Schlammbehandlung und -verbrennung auswirkt. 157

164 Stromverbrauch = 13 kwh/kg O 3 Sauerstoff KW Schö, Ablauf 12 mg/l DOC 0,11 mg/l NO 2 -N E = 0,4 0,7 1,0 g O 3 /g DOC Bypass: 2,7% Q a Hydraulische Verweilzeit im Ozonreaktor: E = 0,4: 15,0 min E = 0,7: 18,1 min E = 1,0: 21,1 min Bypass zur Ozonung (KW Schönerlinde): Auslegung auf TW-Spitze (2,3 m³/s) Jahresdurchschnitt: 2,7% Q a > 2,3 m³/s Abbildung 118: Schema der Ozonung im Ablauf des KW Schö. KW Schö, Ablauf 12 mg/l DOC 0,11 mg/l NO 2 -N Stromverbrauch = 13 kwh/kg O 3 E = 0,4 0,7 1,0 g O 3 /g DOC Sauerstoff Angaben zum Stromverbrauch [Wh] beziehen sich jeweils auf den Zulauf [m³] der Anlage Spülintervall: 24h Volumen: 4% 2 Wh/m³ Klärwerk 6 m = 30 Wh/m³ 10 Wh/m³ (=5 bar, 4% Q a ) Bypass: 2,7% Q a Abbildung 119: Schema der Ozonung mit Raumfilter im Ablauf des KW Schö. KW Schö, Ablauf 12 mg/l DOC 6 m = 30 Wh/m³ 0.1 Wh/m³ E = PAK 1,0 2,5 4,0 g PAK/g DOC 2 mg/l Fe 0.1 Wh/m³ Ozonreaktor 10 kg O 2 /kg O 3 Kühlung katalytische Restozonzerstörung Flüssigsauerstoff O 3 -Generator Ozonreaktor Raumfiltration 10 kg O 2 /kg O 3 Kühlung katalytische Restozonzerstörung Flüssigsauerstoff O 3 -Generator Raumfiltration Spülintervall: 18 h bzw. 12 h Volumen: 6% Q a bzw. 8% Q a 2 Wh/m³ 13,3 Wh/m³ (5bar, 6% Q a ) bzw. 20,0 Wh/m³ (5bar, 8% Q a ) Klärwerk Bypass: 2,7% Q a Angaben zum Stromverbrauch [Wh] beziehen sich jeweils auf den Zulauf [m³] der Anlage Abbildung 120: Schema der PAK Dosierung in den Überstau eines Raumfilter im Ablauf des KW Schö. 0.1 Wh/m³ PAK E = 1,0 2,5 4,0 g PAK/g DOC KW Schö, Belebung* 12 mg/l DOC Belebung NKB Ablauf KW Schö, Nordgraben PAK-Schlamm * Die Belebung wird als ideal durchmischter Reaktor angenommen. DOC-Konzentration in der Belebung = KW Schö, Ablauf Abbildung 121: Schema der PAK Simultandosierung in die Belebung des KW Schö. 158

165 Szenario 7: GAK Filter (OWA Tegel) Die nachgeschalteten GAK-Filter sind mit einer Leerbettverweilzeit von EBCT = 30 min und einer Filterhöhe von h f = 2 m dimensioniert. Hieraus ergibt sich eine gesamte Filterfläche von A f = m² und eine Filtergeschwindigkeit von v f = 4 m h -1. Für die Beschickung der Filter ist eine Wasserhebung von ΔH = 2 m (10 Wh/m³) notwendig, da im Vgl. zum Ablauf des KW Schö (Szenario 2+3) ein ausreichendes hydraulisches Gefälle im Ablauf der OWA Tegel existiert. Aufgrund der geringen Feststoffbelastung ist ein langes Spülintervall von 168 h ausreichend (Rückspülung = 1,43 Wh/m³). Der Schlammanfall sowie die zusätzliche hydraulische Belastung können aufgrund der geringen Mengen (0,6 % Q a ) vernachlässigt werden. Die unterschiedlichen Dosierungen als GAK werden als Standzeit mit der Einheit Bettvolumen BV [m³ Abwasser /m³ GAK ] beschrieben. Die BV sowie die daraus folgenden Austauschzeiten sind in Tabelle 54 dargestellt. Die Schüttdichte der GAK wird mit ρ = 350 kg/m³ abgeschätzt (BWB-AE 2014). Tabelle 54. spezifische GAK Standzeiten und Austauschzeiten GAK Filter, nachgeschaltet GAK als 2. Filterschicht Bettvolumen (BV) m³ Abw. /m³ GAK GAK-Filtervolumen m³ GAK Austauschintervall a 3,0 1,2 0,5 1,4 0,6 0, Szenario 8: GAK in 2. Filterschicht (OWA Tegel) Alternativ zu einem nachgeschalteten GAK-Filter (Szenario 7) wird hier der Austausch der zweiten Filterschicht (Bims) der bestehenden Filter auf der OWA Tegel durch GAK untersucht. Es wird für die Realisierung des Verfahrens keine zusätzliche Infrastruktur notwendig. Das Austauschintervall der GAK-Filterschicht wird über die Filterfläche der OWA Tegel (1.890 m²) und die Filterhöhe (h f = 1,2 m) berechnet. Die EBCT liegt bei 14 min. Stromverbrauch = 13 kwh/kg O 3 Sauerstoff 10 kg O 2 /kg O 3 Kühlung katalytische Restozonzerstörung Flüssigsauerstoff O 3 -Generator OWA Teg, Zulauf 10 mg/l DOC 0,03 mg/l NO 2 -N 1 m = 5 Wh/m³ E = Ozonreaktor 0,4 0,7 1,0 g O 3 /g DOC Zulauf zur Sedimentation Hydraulische Verweilzeit im Ozonreaktor: E = 0,4: 14,4 min E = 0,7: 17,0 min E = 1,0: 19,5 min Abbildung 122: Schema der Ozonung im Zulauf der OWA Tegel. 159

166 OWA Tegel, Zulauf 10 mg/l DOC FM PAK 0.1 Wh/m³ E = 1,0 2,5 4,0 g PAK/g DOC Zulauf Raumfilter FHM Schlamm, zum Klärwerk OWA Tegel, nach FM-Dosierung 8 mg/l DOC Abbildung 123: Schema der PAK Dosierung in die Zuleitung zum Raumfilter der OWA Tegel. Spülintervall 168 h OWA Ablauf 0,43 mg/l SS 0,017 mg/l TP 8 mg/l DOC 2 m = 10 Wh/m³ GAK Filter BV = 0,14 Wh/m³ EBCT = 30 min Zulauf OWA* bis zum Austausch 1,43 Wh/m³ (5 bar, 0,6% Q a ) Angaben zum Stromverbrauch [Wh] beziehen sich jeweils auf den Zulauf [m³] des GAK-Filters * Zusätzliche hydraulische Belastung durch Spülwasser wird im Modell nicht berücksichtigt Abbildung 124: Schema des nachgeschalteten GAK-Filters auf der OWA Tegel. Spülintervall: keine Änderung Zulauf OWA OWA Tegel, Zulauf Filter 8 mg/l DOC GAK Sand EBCT = 14 min BV = Abbildung 125: Schema zur Adsorption mit GAK als 2. Filterschicht auf der OWA Tegel Entfernung von Spurenstoffen Für ausgewählte organische Spurenstoffe wurden in einem laufenden EU-Projekt DEMEAU ( vorläufige Charakterisierungsfaktoren (CF) für das Ökotoxizitäts- und Humantoxizitätspotential nach USEtox entwickelt. In Überschneidung mit dem Messprogramm dieses Projekts besitzen die sieben nachfolgenden Stoffe einen CF und können somit in den beiden Toxizitätswirkungskategorien abgebildet werden: Benzotriazol (BTA), Bezafibrat (BEZ), Carbamazepin (CAB), Diclofenac (DCF), Iopromid (IOP), Metoprolol (MET) und Sulfamethoxazol (SMX). Diese Eliminationsleistung der Szenarien bezüglich dieser Stoffe ist in Tabelle 55 aufgelistet. Die CF für die organischen Spurenstoffe für das HTP und ETP sind an anderer Stelle (Jekel et al. 2016) dargestellt. 160

167 Tabelle 55: Eliminationsleistungen der für die Ökobilanz relevanten organischen Spurenstoffe in [%] (Frachtbetrachtung über ein Jahr). Ozonung (alle Szenarien) KW Schö: PAK+Filter KW Schö: PAK simultan OWA Teg: PAK OWA Teg: GAK-Filter OWA Teg: GAK 2.Schicht spez. Dosis BTA BEZ CAB DCF IOP MET SMX 0, , , , , , ,0 k.a. k.a. k.a. k.a. k.a. k.a. k.a. 2,5 80 k.a , , , , BV BV BV BV 16,3 7,6 9,1 7,3 k.a. k.a. 3, BV 40, ,7 18,3 k.a. k.a. 9, BV 67,8 32,7 44,8 38,8 k.a. k.a Infrastruktur Die infrastrukturellen Aufwendungen für die betrachteten Szenarien sind basierend auf den Planungsdaten der Berliner Wasserbetriebe für Beton-, Bewehrungsstahlmengen sowie den Aushub abgeschätzt worden (BWB-AE 2014). Zusätzlich wurden aus dem EU FP6-Projekt NEPTUNE (Larsen et al. 2010) weitere Materialien und ihre Mengen für die Umsetzung der Maßnahmen Ozonung, PAK-Dosierung, Raumfiltration entnommen und auf die vorhandene Studie über den zu behandelnden Volumenstrom (Jahresdurchschnitt) extrapoliert. So soll für die potentiellen Umweltauswirkungen in der Ökobilanz ebenfalls Materialien Berücksichtigung finden, die in der Masse zwar einen geringen Teil der Infrastruktur ausmachen, aber eventuell in der Herstellung signifikante ökologische Auswirkungen besitzen könnten. Die Daten aus (Larsen et al. 2010) beziehen sich auf Datenblätter vom Hersteller Hunziker Betatech AG (Moser 2008 & 2009a in: Larsen et al. 2010) zu Anlagen für eine Abwassermenge von EW. Die Lebensdauer von Bauwerken (Beton, Bewehrung, Aushub und Filtermaterialien) ist mit 30 Jahren angenommen, sonstige Materialien werden vereinfacht als Maschinen- und MSR-Technik mit 12 Jahren angesetzt (LAWA 2005). Nach der Nutzungsphase der Bauwerke ist ebenso die Entsorgung der Materialien berücksichtigt. Hierzu wird der Stahlbeton in eine Sortieranlage für bewehrten Beton transportiert und behandelt. Die sortierten Materialien Beton und Bewehrungsstahl können dann als Produkt wieder bspw. in den Straßenbau/Tiefbau oder in die Stahlaufbereitung gehen. Weitere Metalle (Kupfer, Edelstahl, Gusseisen etc.) können nach der Nutzung weiterverwendet bzw. recycelt werden und werden in der Entsorgung nicht weiter betrachtet ( closed-loop-recycling ). Kunststoffe wie PVC, HD-PE und Epoxydharz werden in einer Müllverbrennungsanlage behandelt. 161

168 Die Transportwege sind für kurze Distanzen (Beton, Filtermaterialien) mit 50 km LKW Transport modelliert, lange Distanzen mit 200 km Schiene und 100 km LKW Transport. Für die Entsorgung werden 200 km LKW Transport angenommen. Die Auflistung der Materialien und Mengen sowie die modellierten Entsorgungswege sind an anderer Stelle (Jekel et al. 2016) dargestellt Betriebsmittel: Herstellung von Strom und Chemikalien Nachfolgend sind die für die Ökobilanz genutzten Chemikalien und der genutzte Netzstrom, basierend auf den Materialien der zur Verfügung stehenden Datenbank ecoinvent v3.1 (Weidema et al. 2013) in Tabelle 56 aufgelistet. Tabelle 56. Verwendung von Basismaterialien aus ecoinvent v3.1 für die Betriebsmittel Material Datensatz ecoinvent v3.1 Anmerkungen Netzstrom: deutscher Strommix für das Mittelspannungsnetz market for electricity, medium voltage [DE] Bezieht sich auf die Referenzzeitraum Fällmittel: Eisen(III)sulfat, Fe 2 (SO 4 ) 3 Flockungshilfsmittel: Polymer (Polyacrylamid) Flüssigsauerstoff iron sulfate production [RER] sulfuric acid production [RER] hydrogen peroxide production, product in 50 % solution state [RER] market for acrylonitrile [GLO] tap water[rer] market for oxygen, liquid [RoW] Pulveraktivkohle (Jekel et al. 2016) Granulierte Aktivkohle (Jekel et al. 2016) über die Reaktionsgleichung 2FeSO 4 + H 2 SO 4 + H 2 O 2 Fe 2 (SO 4 ) 3 + 2H 2 O Energie zur Erhitzung von FeSO 4 (Wildermuth et al. 2000) wurde nicht berücksichtigt 1 kg Polyacrylamid = 0,75 kg Acrylnitril + 0,25 kg Wasser (Remy 2013) Tabelle 57: Herstellung von Aktivkohle nach Bayer et al. (2005) mit Anpassungen. Rohstoff: Steinkohle Braunkohle Kokosnussschalen Einheit Herstellung frische Aktivkohle Rohstoffbedarf t / t AK ,$ Dampf t / t AK 12 Erdgas m³ / t AK 280 # Strom kwh / t AK Transport km km (Schiff) km (LKW) & Reaktivierung verbrauchter Aktivkohle (nur GAK) Abbrand Verlust % 10 Transport km 2 * 300 km & # Erdgasbedarf nach Oberschelp (2014) & eigene Annahme, Aktivierungsstandort: Südost-Asien, Reaktivierungsstandort: Europa Meyer (1999) $ Noijuntiraand & Kittisupakorn (2010) Die Herstellung und Reaktivierung von Aktivkohle ist ein rohstoff- und energieintensives Verfahren. Die Datengrundlage beruht auf wenigen Veröffentlichungen zum Herstellungsprozess. Daher obliegt 162

169 dem Herstellungsprozess eine relativ hohe Unsicherheit. Die verwendeten Daten beruhen auf (Bayer et al. 2005) mit Aktualisierungen aus (Oberschelp 2014), die jeweils Steinkohle aus Ausgangsmaterial berücksichtigen. Für eine Sensitivitätsanalyse wurden ebenfalls der Rohstoff Braunkohle (Meyer 1999), aus das viele gängige PAK-Arten hergestellt werden (Platz 2014), und der Rohstoff Kokosnussschale (Meyer 1999, Noijuntiraand and Kittisupakorn 2010) als regenerative Variante betrachtet. In Tabelle 57 sind die Grundannahmen dargestellt. An anderer Stelle (Jekel et al. 2016) ist die Modellierung der Aktivkohleherstellung im Detail beschrieben Wirkungsabschätzung Wenn nicht anders angegeben, spiegelt die vereinfachte Angabe [m³] -1 die funktionelle Einheit [m³ OWA Ablauf] -1 wieder. Eine Umrechnung auf den Ablauf des Klärwerks Schö [m³ KA Ablauf ] -1 kann linear über die Volumenverhältnisse der Abläufe (Faktor / = 1,67) erfolgen Zusätzliche ökologische Auswirkungen durch Hintergrundprozesse Indirekte Umweltwirkungen von Verfahren zur Elimination von organischen Spurenstoffen resultieren aus den Hintergrundprozessen wie Errichtung der Infrastruktur (=Bau und Entsorgung der Materialien), Strom- und Chemikalienverbrauch. Neben der Infrastruktur und dem Stromverbrauch sind es bei der Ozonung die Herstellung und der Transport von Flüssigsauerstoff, bei den Aktivkohleverfahren die Herstellung und der Transport von Aktivkohle. Zusätzlich kommt die Infrastruktur und der Stromverbrauch für die Filtereinheiten (Raumfiltration in den Szenarien 2, 3 und GAK-Filter in Szenario 7) hinzu. In den Szenarien mit PAK-Dosierung (3, 4, 6) werden zusätzlich erhebliche Schlammmengen produziert, die entsorgt werden müssen, Diese indirekten Effekte werden insbesondere in den Wirkungskategorien kumulierter Energie-aufwand (KEA), Treibhauspotential (THP) und Versauerungspotential (AP) abgebildet und werden nachfolgend genauer beschrieben. Kumulierter Energieaufwand fossiler und nuklearer Ressourcen (KEA) Für den Referenzzustand ist der KEA der OWA Tegel mit 2,4 MJ/m³ berechnet (Abbildung 126). Dieser setzt sich zusammen aus den Stromverbräuchen für die Seeleitung und der Filterspülungen (48 %), Chemikalienverbrauch (13 %) und zu einem großen Teil aus der Schlammbehandlung des anorganischen Schlamms (41 %), von dem nur -0,06 MJ/m³ an Nettostromproduktion in der KSVA aus der Stützfeuerung gutgeschrieben werden kann. Als Vergleichsbasis wurde auch eine Modellkläranlage der GK 5 in ihren Bruttoaufwendungen (ohne Biogasertrag) mit 3,8 MJ/m³ (= 6,4 MJ/m³ KA Ablauf ) aus Mutz (2013) dargestellt. 163

170 . KW Ozon KW Ozon+Filter KW PAK+Filter KW PAK Simultan. Kumulierter Energieaufwand (fossil + nuklear) KW Schönerlinde OWA Tegel GK 5 Kläranlage (Brutto) Kläranlage Ozon Ozon+ Filter PAK+ Filter PAK Simultan Ozon PAK TEG Ozon TEG PAK TEG GAK Filter Kokosnussschalen GAK- Filter 4,8 mg/l 8,4 mg/l 12,0 mg/l 4,8 mg/l 8,4 mg/l 12,0 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l OWA OWA Tegel 4 mg/l 7 mg/l 10 mg/l 8 mg/l 20 mg/l 32 mg/l BV BV BV 0,7 1,0 0,9 1,0 0,9 1,2 1,3 1,2 1,5 1,7 1,7 2,0 1,9 2,3 2,8 2,4 2,4 2,9 3,8 3,8 Sensitivitätsanalyse zur Herstellung von Aktivkohle: Steinkohle 4,2 4,5 4,7 Braunkohle Stromgutschrift KSVA Schlammbehandlung Infrastruktur STROM, OWA+Seeleitung STROM, Filter (KW SCH) STROM, Ozon/PAK/GAK Chemikalien (FM+FHM) Sauerstoff (flüssig) Aktivkohle (frisch) Aktivkohle (reaktiviert) Kläranlage 8 GAK 2. Schicht TEG GAK 2.Schicht BV BV BV 0,7 1,7 4, [MJ/m³ Ablauf OWA Tegel] Abbildung 126: Zusätzlicher kumulierter Energieaufwand fossiler und nuklearer Ressourcen der Szenarien im Vergleich mit einem GK5-Klärwerk (brutto) und der OWA Tegel. Für die Ozonung sind der Stromverbrauch sowie der Bedarf an Flüssigsauerstoff die maßgebenden Parameter für den KEA. Am KW Schö erhöht sich der KEA je nach Dosierung um % (0,7 1,7 MJ/m³) durch die Ozonung und zusätzlich um 8,8 % (0,27 MJ/m³) durch einen Raumfilter. Die höheren Durchflüsse im Zulauf der OWA Tegel führen im Szenario 5 (Ozon in der OWA Tegel) zu einer deutlicheren Erhöhung des KEA von 1,0 2,4 MJ/m³ bzw % bezogen auf die GK 5 Kläranlage. Die PAK-Dosierung mit Filtration am KW Schö (Szenario 3) erhöht den KEA um % (1,3 4,2 MJ/m³) in Abhängigkeit von der Dosierung, bei einer Simultandosierung ohne Filtration (Szenario 4) erhöht sich der KEA um %. Damit kann die Nutzung von PAK den KEA einer Kläranlage bei einer hohen Dosierung mehr als verdoppeln. Der nachgeschaltete GAK-Filter an der OWA Tegel besitzt einen zusätzlichen KEA von 0,9 4,5 MJ/m³ (Szenario 7) bzw. 0,7 4,2 MJ/m³ bei Ersatz einer Filterschicht durch GAK. Bei den Szenarien zur Aktivkohleadsorption ist die Aktivkohleherstellung bzw. -reaktivierung der wesentliche Faktor für die Erhöhung des KEA. Gegenläufig wirkt hier die notwendige Schlammbehandlung des Aktivkohleschlamms bei den PAK-Varianten: durch den hohen Heizwert der Aktivkohle kann die benötigte Stützfeuerung in der KSVA Ruhleben (Heizöl) teilweise substituiert werden. Dadurch wird der KEA um -0,10 bis -0,41 MJ/m³ je nach Aktivkohlefracht reduziert. Die Energiebilanz der PAK-Verbrennung berücksichtigt sowohl die Substitution von Heizöl durch Aktivkohle als auch das zusätzlich zu verdampfende Wasser des entwässerten PAK-Schlamms (28 % TS). Durch die geringe Nettostromproduktion in der KSVA fällt die Reduktion des KEA durch Substitution des Netzstroms nur sehr gering aus (max. -0,6 MJ/m³). Für den Betrieb des Raumfilters am KW Schö ist der KEA 164

171 durch die hohe Feststoffbelastung bei der PAK-Direktdosierung mit 0,31 0,37 MJ/m³ höher als der Raumfilter bei der Ozonung, da die Filter öfter zurückgespült werden müssen (alle 12h-18h). Der Strombedarf der nachgeschalteten GAK Filter liegt durch die geringe Feststoffbelastung und den daraus resultierenden geringen Rückspülraten (1x wöchentlich) lediglich bei 0,12 MJ/m³. Bei Verwendung unterschiedlicher Rohstoffe zur Aktivkohleherstellung (Kokosnussschalen oder Braunkohle anstatt Steinkohle) ändert sich der KEA deutlich (Abbildung 128). Die relativen Unterschiede pro kg Aktivkohle bezogen auf die Grundannahme basierend auf dem Rohstoff Steinkohle (151 MJ/kg Aktivkohle ) belaufen sich auf +38 % (Braunkohle) bis -38 % (Kokosnussschalen). Für GAK-Reaktivierung sind die Unsicherheiten bezüglich der verwendeten Rohstoffegeringer mit -6,2 % (Kokosnussschale) und +5,7 % (Braunkohle). Der Schwankungsbereich für den gesamten KEA der Szenarien ist in Abbildung 126 für alle drei Rohstoffe dargestellt. Die Infrastruktur in den betrachteten Szenarien macht insgesamt nur einen geringen Anteil am KEA aus (Abbildung 126). Dieser liegt für alle Szenarien bei <2,2 % (<0,08 MJ/m³) bezogen auf die dargestellte GK 5 Kläranlage. Treibhauspotential (THP) Das Brutto-THP der GK 5 Kläranlage mit 0,45 kg CO 2 -eq/m³ (= 0,75 kg CO 2 -eq/m³ KA Ablauf) bildet die THG- Emissionen eines Klärwerks ohne Energierückgewinnung durch Biogasnutzung ab. Lachgasemissionen aus der Belebung sind über einen Emissionsfaktor ebenfalls berücksichtigt (Mutz 2013). Die OWA Tegel besitzt im Referenzzustand ein THP von 0,14 kg CO 2 -eq/m³, was ähnlich dem KEA hauptsächlich durch die Behandlung des anorganischen Schlamms und den Strombedarf der Filter und der Seeleitung begründet ist. Das zusätzliche Treibhauspotential der betrachteten Szenarien setzt sich ähnlich zusammen wie der KEA: Für die Ozonung führender Verbrauch an Strom und Flüssigsauerstoff zur Erhöhung des THP, für die Adsorptionsverfahren hat die Herstellung und Reaktivierung der Aktivkohle den größten Einfluss auf das THP (Abbildung 127). Die Infrastruktur hat wie beim KEA nur einen sehr geringen Anteil am THP der Verfahren. Abweichungen in der Zusammensetzung im Vergleich zum KEA gibt es in folgenden Punkten: Die Schlammbehandlung des zusätzlichen Aktivkohleschlamms führt netto zu einem zusätzlichen THP. Die Schlammbehandlung des Aktivkohleschlamms hat einen negativen Effekt auf das Treibhauspotential, da neben der Substitution der Stützfeuerung in der KSVA durch die Verbrennung der Aktivkohle zusätzliche CO 2 -Emissionen (bei fossilen Rohstoffen, d.h. Braunkohle bzw. Steinkohle) entstehen. Die CO 2 -Emissionen durch die fossile Aktivkohle bringen folglich keinen Vorteil gegenüber dem fossilen Heizöl. Mögliche N 2 O-Emissionen bei der PAK- Verbrennung sind hier nicht berücksichtigt. Die Emissionen von Treibhausgasen (hauptsächlich CO 2 ) bei der Aktivierung der Aktivkohle führen zu einem deutlich höheren Anteil der AK-Produktion am Gesamt-THP des Verfahrens, da beim Abbrand des Rohmaterials (z.b. 2 kg Abbrand von Steinkohle pro kg Aktivkohleprodukt) neben dem energetischen Aufwand der Aktivierung (Erdgas, Dampf, Strom) zusätzliche Emissionen in die Atmosphäre entstehen, so dass bei den Verfahren mit Aktivkohleeinsatz der Anteil der AK-Produktion beim THP im Vergleich zum KEA relativ höher ausfällt. 165

172 . Im Vergleich der Szenarien 1 (Ozon, KW Schö) und 4 (PAK Simultan) ist das zusätzliche THP der Ozonung bei ihrer höchsten Dosierung mit 0,11 kg CO 2 -eq/m³ etwa gleich dem THP der PAK Simultandosierung mit der geringsten Dosierung (ebenfalls 0,11 kg CO 2 -eq/m³). Gleiches gilt für den Vergleich der Ozonung (hohe Dosierung) und PAK (niedrige Dosierung) mit Filter (Szenarien 2 und 3), die beide ein THP von 0,13 kg CO 2 -eq/m³ besitzen. An der OWA Tegel ist das THP der PAK Dosierung (Szenario 6) mit niedriger PAK-Konzentration mit 0,13 kg CO 2 -eq/m³ geringer als die 0,16 kg CO 2 -eq/m³ der Ozonung mit hoher Dosierung (Szenario 5), was an der unterschiedlichen DOC-Konzentration für die Verfahren liegt. KW Ozon. Treibhauspotential (GWP 100 a) KW Schönerlinde OWA Tegel GK 5 Kläranlage (Brutto) Kläranlage Ozon KW Ozon+Filter Ozon+ Filter PAK+ Filter KW PAK+Filter PAK Simultan KW PAK Simultan Ozon PAK TEG Ozon TEG PAK TEG GAK Filter GAK 8 2. Schicht TEG GAK 2.Schicht 4,8 mg/l 8,4 mg/l 12,0 mg/l 4,8 mg/l 8,4 mg/l 12,0 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l OWA OWA Tegel 4 mg/l 7 mg/l 10 mg/l 8 mg/l 20 mg/l 32 mg/l BV BV BV BV BV BV GAK- Filter Sensitivitätsanalyse zur Herstellung von Aktivkohle: Steinkohle Kokosnussschalen Braunkohle Stromgutschrift KSVA Schlammbehandlung Infrastruktur STROM, OWA+Seeleitung STROM, Filter (KW SCH) STROM, Ozon/PAK/GAK Chemikalien (FM+FHM) Sauerstoff (flüssig) Aktivkohle (frisch) Aktivkohle (reaktiviert) Kläranlage -0,1 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 [kg CO 2 -eq/m³ Ablauf OWA Tegel] Abbildung 127: Zusätzliches Treibhauspotential der Szenarien. Generell erhöht die Ozonung das THP der GK 5 Kläranlage von +11 % (0.05 kg CO 2 -eq/m³ bei Ozonung ohne Filter, niedrige Dosis) bis +36 % (0,16 kg CO 2 -eq/m³ bei Ozonung an der OWA Tegel, hohe Dosis). Die Ozonung in der hohen Dosierung an der OWA Tegel übersteigt damit das derzeitige THP der OWA Tegel. Dagegen erhöhen die PAK-Verfahren das THP der GK 5 Kläranlage um 24 % (0,11 kg CO 2 -eq/m³ bei PAK Simultandosierung, niedrige Dosis) bis 118 % (0,53 kg CO 2 -eq/m³ bei PAK Dosierung an der OWA Tegel, hohe Dosierung) und können somit das THP einer GK 5 Kläranlage erheblich erhöhen und sogar mehr als verdoppeln. Aufgrund des geringeren Abbrands bei der Reaktivierung von GAK sind die GAK-Verfahren im THP mit 0,07-0,31 kg CO 2 -eq/m³ (GAK-Filter) bzw. 0,05-0,29 kg CO 2 -eq/m³ (GAK 2. Schicht) bei den betrachteten Standzeitenbesser als die PAK-Verfahren. Sie tragen aber ebenfalls zu einem hohen zusätzlichen THP von % im Vergleich zur GK5-Kläranlage bei. 166

173 Die Unterschiede im THP durch die Herstellung von Aktivkohle aus unterschiedlichen Rohstoffen ist in Abbildung 128 genauer dargestellt. Für die Aktivkohleherstellung aus Steinkohle wird ein THP von 13,8 kg CO 2 -eq/kg AK berechnet. Aktivkohle aus Braunkohle erhöht das THP um 36 %. Aktivkohlen auf Basis des regenerativen Rohstoffs Kokosnussschalen können das THP auf 9,9 kg CO 2 -eq/kg AK reduzieren (-28 %), da der Abbrand größtenteils aus regenerativen CO 2 -Emissionen besteht, die nicht auf das THP angerechnet werden. Jedoch trägt die Verkokung der rohen Kokosnussschalen zum Zwischenprodukt Biochar (10 kg Rohstoff zu 3 kg Biochar) durch die anaerobe Pyrolyse über CH 4 -Emissionen in die Atmosphäre mit 4,4 kg CO 2 -eq/kg AK auch zum THP der biogenen Aktivkohle bei. Damit ist diese Aktivkohle durch den hohen energetischen Aufwand und die Herstellung des Biochars folglich nicht CO 2 -neutral. Für die Reaktivierung der GAK liegen die Unterschiede im KEA insgesamt niedriger mit - 9,9 % (Kokosnussschalen) und +8,2 % (Braunkohle). Der Einfluss der Rohstoffe für die Aktivkohle und die entsprechende Verschiebung des THP der Szenarien ist in Abbildung 127 als Sensitivität wiedergegeben. Kumulierter Energieaufwand: Herstellung von Aktivkohle Steinkohle 151 Kokosnussschalen 93 Braunkohle [MJ-eq/kg Aktivkohle ] Treibhauspotential: Herstellung von Aktivkohle Steinkohle 13,8 Kokosnussschalen 9,9 Braunkohle 18, [kg CO 2 -eq/kg Aktivkohle ] Steinkohle Gewinnung Biochar Herstellung Braunkohle Gewinnung Dampf Erdgas Strom [CN] Transport, LKW Transport, Schiff Abbrand pro kg Aktivkohle: 3 kg 10 kg Rohmaterial = 3 kg Biochar 5 kg 12 kg 0,28 m³ 1,6 kwh 300 km km 2 kg (StK), 4 kg (BrK), 2 kg (Biochar) Abbildung 128: Kumulierter Energieaufwand und Treibhauspotential zur Herstellung von frischer Aktivkohle für verschiedene Rohstoffe. Versauerungspotential (AP) Das Versauerungspotential (AP) bildet die Emissionen von Schwefel- und Stickoxiden in die Luft ab, die vornehmlich bei Verbrennungsprozessen organischer Materialien entstehen. Daher ergibt sich im Versauerungspotential ein ähnliches Profil im Vergleich der Szenarien wie beim Klimawandel (THP): die Wirkung der Ozonung wird durch den Stromverbrauch vor Ort und durch die Sauerstoffherstellung beeinflusst, bei den Aktivkohle-Szenarien ist die Herstellung der Aktivkohle der wesentliche Parameter für das Versauerungspotential. Die zusätzlichen Aufwendungen in Relation zur GK5-Modellkläranlage (2,8 g SO 2 -eq/m³ OWA Ablauf ) betragen für die Ozonung 6 14 % (Ablauf KW Schö) bzw % (Zulauf OWA), für die PAK % (PAK Simultan) bzw %. Der nachgeschaltete GAK Filter erhöht das AP um 8 35 %. Die hohen AP durch die Aktivkohle resultieren aus dem Herstellungsprozess und dem in der Steinkohle enthaltenen Schwefel- und Stickstoffverbindungen. 167

174 Ökologischer Nutzen durch direkte Effekte auf die Umwelt Durch die Elimination der anthropogenen organischen Spurenstoffe wird eine Verbesserung der Wasserqualität bezweckt. Dieser ökologische Nutzen der betrachteten Verfahren kann in der Ökobilanz durch die Wirkungskategorien Human- und Ökotoxizitätspotential (HTP und ETP) nach dem globalen Multikompartment-Modell USEtox abgebildet werden. Zusätzlich gibt es durch den Raumfilter am Ablauf des Klärwerks Schönerlinde in einigen Szenarien durch die zusätzliche Entfernung von Feststoffen eine Reduktion von partikulärem Phosphor (Darstellung im Eutrophierungspotential Süßwasser FEP) und partikulär vorliegenden Schwermetallen (HTP und ETP) im betrachteten Gesamtsystem. Die Wirkungskategorien ETP, FEP und HTP sind nachfolgend im Detail erläutert. Ökotoxizitätspotential nach USEtox (ETP): In Abbildung 130 ist das Ökotoxizitätspotential des Ablaufs Klärwerk Schönerlinde dargestellt. Der Ablauf besitzt ein ETP von 0,534 CTU e /m³. Das ETP setzt sich aus den Emissionsfrachten der gemessenen Schwermetalle und der bewerteten organischen Spurenstoffe zusammen. Hierbei wird deutlich, dass in dem globalen USEtox -Modell die Schwermetalle Zink, Kupfer und Nickel mit >96 % den größten Beitrag zum ETP liefern (Abbildung 129). Die Schwermetalle, die unterhalb der Bestimmungsgrenze (BG) vorgefunden und in dieser Frach-tberechnung mit der halben BG angenommen wurden, machen einen vernachlässigbar kleinen Anteil des ETP mit 0,5 % aus. Die Summe der sieben organischen Spurenstoffe beeinflusst das ETP nur gering (3,2 % Anteil am ETP des Kläranlagenablaufs). Indirekte Effekte einer GK 5 Kläranlage konnten für die ETP im USEtox - Modell bisher nicht abgeschätzt werden. Der ETP der OWA Tegel setzt sich zusammen aus den direkten Emissionen in den Tegeler See durch den Ablauf der OWA (0,410 CTU e /m³), den Emissionen über die Seeleitung in die Havel und bei Starkregenereignissen über das Wehr in den Tegeler See (0,130 CTU e /m³) und die indirekten Emissionen aus den Hintergrundprozessen, die mit 0,029 CTU e /m³ nur 5 % des ETP der OWA Tegel ausmachen. Das ETP der OWA Tegel zeigt, dass für diese Wirkungskategorie die direkten Emissionen in den See maßgebend sind. Zudem zeigt die Zusammensetzung des ETP für den Ablauf des Klärwerks Schönerlinde den hohen Anteil der Schwermetalle am ETP (Abbildung 129). Daraus folgt, dass die weitergehende Elimination der organischen Spurenstoffe in allen Szenarien in diesem Indikator nur geringe positive Effekte aufzeigen kann. Betrachtet man die gesamten bewerteten Spurenstoff-emissionen in den Tegeler See, so kann eine Reduktion von maximal -0,015 CTU e /m³ zum derzeitig modellierten Ablauf der OWA erreicht werden. Dies entspricht einer maximalen Reduktion des ETP durch die Spurenstoffentfernung von 2,6 % bezogen auf das gesamte ETP der OWA Tegel. Bei der Filtration am Klärwerk Schönerlinde nach der Ozonung (Szenario 2) bzw. bei der PAK Direktdosierung (Szenario 3) wurde über den Rückhalt von Feststoffen ein zusätzlicher Rückhalt an partikulär vorkommenden Schwermetallen modelliert (Mutz 2013, Remy 2013). Dieser Rückhalt im Ablauf des KW Schö führt rechnerisch zu reduzierten Schwermetallfrachten im Zulauf der OWA Tegel und bei Regenwetterereignissen zu reduzierten Emissionen in die Havel über die Seeleitung. Dieser Nebeneffekt der Verfahren hat mit -0,022 CTU e /m³ (Ozon+Filter) bzw. -0,039 CTU e /m³ (PAK+Filter) im Modell größere Auswirkungen auf das ETP als die Elimination der organischen Spurenstoffe, da die Schwermetalle durch ihre lange Verweildauer im System (nicht abbaubar) hohe Charakterisierungs-faktoren haben. 168

175 Die indirekten Emissionen durch Strom, Chemikalien, Infrastruktur für die Verfahren der Spurenstoffentfernung kompensieren im globalen Bewertungsmodell der LCA diesen positiven Effekt der Spurenstoffelimination auf die Wasserqualität. Netto liegen die Veränderungen des ETP zwischen -5,5 % (Szenario 3, niedrige Dosierung) und +7,5 % (Szenario 8, hohe Dosierung). ZN = Zink>BG CU = Kupfer>BG NI = Nickel>BG OMP= org. Spurenstoffe restl. SM = Cadmium, Chrom, Quecksilber, Bleialle <BG Abbildung 129: Anteil der gemessenen Stoffe im Ablauf KW Schönerlinde am USEtox-Ökotoxizitätspotential. Zur weiteren Erläuterung ist in Abbildung 131 erneut die Elimination organischer Spurenstoffe als Primärfunktion im ETP im Detail dargestellt, ohne hier die Emissionen aus Hintergrundprozesses oder Schwermetallen angerechnet werden. Die Verfahren am Klärwerk Schönerlinde reduzieren die Spurenstofffrachten im Zulauf der OWA Tegel, so dass rechnerisch die Frachten aus dem Regenüberlauf über Seeleitung und Wehrebenfalls reduziert werden. Daher können die Szenarien am KW Schö das ETP im Gesamtsystem stärker reduzieren als die Szenarien an der OWA Tegel. 169

176 . KW Ozon KW Ozon+Filter KW PAK+Filter KW PAK Simultan. KW Schönerlinde OWA Tegel Ablauf KW Schönerlinde Ozon Ozon+ Filter PAK+ Filter PAK Simultan Ozon PAK GAK- Filter TEG Ozon TEG PAK TEG GAK Filter GAK 2. Schicht TEG GAK 2.Schicht 4,8 mg/l 8,4 mg/l 12,0 mg/l 4,8 mg/l 8,4 mg/l 12,0 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l OWA OWA Tegel 4 mg/l 7 mg/l 10 mg/l 8 mg/l 20 mg/l 32 mg/l BV BV BV BV BV BV Ökotoxizitätspotential (USEtox) Netto: -0.5 % bezogen auf die OWA Tegel -0.1 % +0.1 % -3.5 % -3.0 % -2.5 % -5.5 % -3.3 % +1.9 % +2.3 % +0.2 % +1.0 % +4.9 % +2.1 % +1.1 % +3.7 % +0.4 % +1.9 % +1.2 % +3.0 % -0.7 % +6.9 % +6.7 % +7.5 % Ablauf Kläranlage Emission: Tegeler See Emission: Bypass OWA (Untere Havel + Wehr) Emission: Untere Havel (Reduktion durch Filter) Indirekte Emissionen (Strom, Chem. etc.) -0,1 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 [CTU e /m³ Ablauf OWA TEG] Abbildung 130: Änderungen im Ökotoxizitätspotential (USEtox ) durch die Szenarien. Die jeweils niedrigen Dosierungen von PAK am KW Schö (Szenario 3) und an der OWA Tegel (Szenario 6) erreichen die geringsten ETP Reduktionen mit -54 % bzw. -48 %. Eine niedrige Dosierung von Ozon erreicht eine Reduktion des ETP von -71 % am KW Schö (Szenario 1 und 2) bzw. -64 % an der OWA (Szenario 5). Die mittleren und hohen Dosierungen der Szenarien sind jeweils in ihrem ETP vergleichbar. Die unterschiedlichen Eliminationsleistungen von PAK und Ozon sind in der Zusammensetzung des ETP beispielhaft in Abbildung 132 dargestellt. Hieraus wird ebenfalls ersichtlich, dass durch die unterschiedliche Elimination spezifischer Stoffe die Bevorzugung eines Verfahrens an die legislativen Vorgaben geknüpft ist: während nach der Ozonung Metoprolol und Benzotriazol für die Bewertung des Ökotoxizitätspotentials wichtig sind, ist nach PAK-Dosierung das Ökotoxizitätspotential auch durch Diclofenac bestimmt. 170

177 . KW Ozon KW Ozon+Filter KW PAK+Filter. Ökotoxizitätspotential (USEtox): Direkte Emissionen von organischen Spurenstoffen OWA Tegel KW Schönerlinde Ablauf KW Schönerlinde Ablauf KW SCH Ozon Ozon+ Filter PAK+ Filter PAK Simultan KW PAK Simultan TEG Ozon TEG PAK TEG GAK Filter TEG GAK 2.Schicht 4,8 mg/l 8,4 mg/l 12,0 mg/l 4,8 mg/l 8,4 mg/l 12,0 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l Ablauf OWA OWA Tegel Ozon PAK GAK- Filter GAK 2. Schicht 4 mg/l 7 mg/l 10 mg/l 8 mg/l 20 mg/l 32 mg/l BV BV BV BV BV BV - 81 % - 91 % - 91 % -94 % - 89 % - 81 % - 84 % - 82 % - 71 % - 71 % - 73 % - 64 % - 54 % keine Angaben zur Eliminationsleistung -85 % (keine Angaben zu BEZ) - 83 % - 82 % - 75 % - 78 % - 67 % * keine Angaben zu Metoprolol & Iopromid! - 48 % - 20 % * - 11 % * 100 % Emission: Seeleitung (Untere Havel) Emission: Wehrüberlauf (Tegeler See) Emission: Ablauf OWA (Tegeler See) Ablauf Kläranlage - 4 % * 100 % 0 0,002 0,004 0,006 0,008 0,01 0,012 0,014 0,016 0,018 0,02 [CTU e /m³ Ablauf OWA TEG] Abbildung 131: Reduktion des Ökotoxizitätspotentials durch die Entfernung organischer Spurenstoffe (keine Berücksichtigung von Hintergrundprozessen und Schwermetallemissionen). Ablauf KW SCHÖ Ozon (+Filter); E = 0,7 PAK (+Filter); E = 2,5 Metoprolol Benzotriazol Diclofenac Sulfamethoxazol Carbamazepin Bezafibrat Iopromid 0,000 0,004 0,008 0,012 0,016 0,020 USEtox Ökotoxizitätspotential [CTU e /m³ Ablauf OWA ] Abbildung 132: Zusammensetzung und Reduktion des ETP von Ozon und PAK am KW Schö. Eutrophierungspotential Süßwasser (FEP, Phosphoremissionen): Das FEP des Gesamtsystems ist in Abbildung 133 dargestellt. Das FEP des KW Schönerlinde setzt sich zusammen aus den direkten Emissionen über den Kläranlagenablauf (280 µg l -1 TP), was bezogen auf den Ablauf OWA Tegel 157 mg P- eq/m³ entspricht, und den indirekten Emissionen (17,2 mg P-eq/m³) einer GK 5 Kläranlage, die aus Mutz (2013) entnommen wurden. Die direkten TP-Emissionen aus dem Ablauf sind für das FEP der Kläranlage erwartungsgemäß maßgebend (>90 % Anteil am FEP). Die Reinigungsleistung der OWA Tegel von mehr als 90 % TP-Entfernung führt zu einer weiteren deutlichen Reduktion des FEP, der sich für die OWA aus den direkten Emissionen des Ablaufs (17 µg l -1 TP), den direkten Emissionen aus der 171

178 . Seeleitung in die Havel bei Regenwetterereignissen (210 µg l -1 TP) und den Hintergrundprozessen (11,3 mg P-eq/m³) zusammensetzt. Die indirekten Phosphoremissionen der Szenarien zur Spurenstoffentfernung bewegen sich im Bereich von 1,47 mg P-eq/m³ und 15,7 mg P-eq/m³, was im Vergleich zur GK 5 Kläranlage die indirekten Effekte erheblich erhöht. Die Hintergrundprozesse erhöhen das Gesamt-FEP einer Kläranlage jedoch nur um maximal 9 % und sind daher relativ gering. Als positiver Nebeneffekt ist durch die Raumfiltration am KW Schö (Szenario 2 und 3) eine zusätzliche Reduktion der Phosphorfrachten im Gesamtsystem zu erkennen. Der Raumfilter entfernt zusätzlich partikulären Phosphor, der die TP-Frachten im Zulauf der OWA und somit die P-Frachtenim Regenwetterfall reduziert, die über Seeleitung und Wehr emittiert werden. Im Ablauf des Raumfilters nach der Ozonung wird eine Konzentration von 185 µg l -1 TP erreicht, durch die Zugabe von Fällmitteln bei der PAK Direktdosierung wird mit einer noch geringeren Konzentration von 100 µg l -1 TP gerechnet. KW Ozon 4,8 mg/l. Süßwasser Eutrophierungspotential (FEP) 1 KW Schönerlinde KW SCHÖ Ozon 8,4 mg/l 12,0 mg/l = 280 µg l -1 TP im Ablauf KW Schönerlinde KW Schönerlinde KW Ozon+Filter Ozon+ Filter PAK+ Filter KW PAK+Filter PAK Simultan KW PAK Simultan Ozon TEG Ozon 4,8 mg/l 8,4 mg/l 12,0 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l OWA OWA Tegel 4 mg/l 7 mg/l 10 mg/l TP-Emissionen in die Havel (über Seeleitung, 10% jährl. Zulauf zur OWA) + Wehrüberlauf in den Tegeler See (0,8% jährl. Zulauf der OWA) = 210 µg l -1 TP = 17 µg l -1 TP im Ablauf OWA Tegel OWA Tegel PAK GAK- Filter TEG PAK TEG GAK Filter GAK 2. Schicht TEG GAK 2.Schicht 8 mg/l 20 mg/l 32 mg/l BV BV BV BV BV BV Strom, Chemikalien etc. Regenwetter Überlauf (Seeleitung & Wehr) Reduktion durch Filter (modelliert) Ablauf OWA Tegel Ablauf Kläranlage [mg P-eq/m³ Ablauf OWA TEG] Abbildung 133: Änderungen im Süßwasser Eutrophierungspotential (=P-Emissionen) durch die Szenarien. Humantoxizitätspotential (HTP): Das Humantoxizitätspotential (HTP) als globales Toxizitätsmodell wird durch die direkten Emissionen (Schwermetalle & org. Spurenstoffe) und die indirekten Emissionen (Hintergrundprozesse) bestimmt. Das HTP der OWA Tegel setzt sich im Referenzsystem gleichermaßen aus den direkten Emissionen über den Ablauf der OWA Tegel (8,0E-09 CTU h /m³) und den indirekten Effekten (6,5E-09 CTU h /m³) zusammen. Hinzu kommen weitere direkte Emissionen (2,6E- 09 CTU h /m³) über die Seeleitung in die Havel. Durch die betrachteten Verfahren kann aufgrund der 172

179 . Aufwendungen für Strom, Betriebsmittel und Infrastruktur das HTP im globalen Bewertungsmodell erhöht werden. Die Spurenstoffelimination sowie der Rückhalt der Schwermetalle aus der Filtration am Klärwerk reduzieren das HTP der Szenarien nur gering. Hieraus lässt sich ableiten, dass bei dem globalen Modell der Humantoxizität nach USEtox die atmosphärischen Emissionen (u.a. aus der Aktivkohleaktivierung oder Stromerzeugung) ein deutlich höheres Toxizitätspotential für den Menschen besitzen als die direkten Emissionen ins Gewässer (Abbildung 134), die sich nur über Umwege auf die menschliche Gesundheit auswirken können. Dabei muss beachtet werden, dass die Bewertung der organischen Spurenstoffe nur für ausgewählte Substanzen erfolgt ist und diese Faktoren noch zu validieren sind. Dennoch gibt es einen ersten Hinweis darauf, dass die weitergehende Entfernung organischer Spurenstoffe aus Oberflächengewässern in der globalen Ökobilanzbewertung keine signifikante Verbesserung des Humantoxizitätspotentials zeigt. Die am System Tegeler See praktizierte Trinkwassergewinnung über Uferfiltration und mögliche Einflüsse der organischen Spurenstoffe auf die Trinkwasserqualität werden in dieser Ökobilanz per Definition nicht bewertet. KW Ozon KW Ozon+Filter KW PAK+Filter KW PAK Simultan. OWA Tegel KW Schönerlinde Ablauf KW Schönerlinde Ozon Ozon+ Filter PAK+ Filter PAK Simultan Ozon PAK GAK- Filter TEG Ozon TEG PAK TEG GAK Filter GAK 2. Schicht TEG GAK 2.Schicht 4,8 mg/l 8,4 mg/l 12,0 mg/l 4,8 mg/l 8,4 mg/l 12,0 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l OWA Tegel 4 mg/l 7 mg/l 10 mg/l 8 mg/l 20 mg/l 32 mg/l BV BV BV BV BV BV Humantoxizitätspotential (USEtox) Direkte Emissionen: Ablauf OWA Tegel Direkte Emissionen: Seeleitung zur unteren Havel Direkte Emissionen: Ablauf Kläranlage Indirekte Emissionen (Strom, Chemikalien etc.) Abbildung 134: Änderungen im Humantoxizitätspotential (USEtox ) durch die Szenarien Normalisierung [10-9 CTU h /m³ Ablauf OWA TEG] Die Anteile der Wirkungskategorien in der Normalisierung sind in Abbildung 135 für jedes Szenario mit der mittleren Dosierung dargestellt. Die Einheit ist [Einwohner EU *a/m³ OWA Ablauf ] oder kurz [EW*a/m³]. 173

180 Die Wirkungskategorien KEA, THP und AP, die die indirekten Effekte wiedergeben, liegen in ihren Beiträgen in einer ähnlichen Größenordnung um 10-5 EW*a/m³. Die Szenarien mit PAK-Dosierung (mittlere Dosis) haben einen deutlich höheren Anteil am KEA mit 2*10-5 EW*a/m³ und am THP mit 2,5-3*10-5 EW*a/m³. Besonders beim Versauerungspotential ragen die PAK-Szenarien im Vergleich heraus (>4*10-5 EW*a/m³). Die Versauerung stellt jedoch aufgrund vieler regulativer Maßnahmen (z.b. BImSchG) und dadurch verbesserter Umweltsituation in der aktuellen politischen Diskussion nur noch eine geringere Rolle. Die Normalisierung macht jedoch die geografische Verschiebung der Versauerungsproblematik deutlich: Die Emissionen resultierend aus der Aktivkohleherstellung entstehen in den Produktionsstätten im südostasiatischen Raum. Diese sind im europäischen Kontext weiterhin von geringer Relevanz, im globalen Maßstab ist die Versauerung aber erhöht. Die Veränderung im Eutrophierungspotential Süßwasser durch die Szenarien hat im Vergleich zu den direkten Phosphoremissionen aus dem Ablauf des Klärwerks Schönerlinde nur geringe zusätzliche Auswirkungen. Diese befinden sich in der Normalisierung in der gleichen Größenordnung wie der KEA oder das THP. Verglichen mit üblichen Ablaufwerten von GK 5 Kläranlagen (ca. 0,5 bis zu 1 mg l -1 TP als Einleitwert nach AbwV) können diese Auswirkungen für das FEP in der Normalisierung als gering eingeschätzt werden. 6,E-05 Normalisierung [Einwohner EU *Jahr/m³ OWA Ablauf ] 5,E-05 4,E-05 3,E-05 2,E-05 1,E-05 0,E+00-1,E-05 KEA THP AP FEP HTP ETP 1) KW SCHÖ: Ozon 2) KW SCHÖ: Ozon+Filter 3) KW SCHÖ: PAK+Filter 4) KW SCHÖ: PAK Simultan 5) OWA TEG: Ozon 6) OWA TEG: PAK 7) OWA TEG: GAK-Filter 8) OWA TEG: GAK 2.Schicht Abbildung 135: Normalisierung der Ergebnisse aus der Wirkungsabschätzung, mittlere Dosierung je Szenario. Die Veränderungen im Ökotoxizitätspotential besitzen nach der Normalisierung die geringsten Beiträge. Die Reduktion des ETP durch die Spurenstoffelimination ist wie oben diskutiert geringer als die zusätzlichen indirekten Effekte, die dazu nötig sind. Der positive Effekt der Szenarien 2 und 3 basiert auf dem zusätzlich prognostizierten Schwermetallrückhalt. Das ETP der Ökobilanz kann jedoch keine Aussage über die direkten lokalen Effekte auf die Gewässer treffen. Auch wenn im globalen Kontext das ETP in der Ökobilanz kaum positive Auswirkungen zeigt, kann ein sichtbarer lokaler Nutzen am Gewässer durch die Spurenstoffelimination entstehen. 174

181 Das Humantoxizitätspotential wird durch die indirekten Effekte (vor allem Emissionen von Schadstoffen in die Atmosphäre) bestimmt, insbesondere die Aktivkohleherstellung hat einen großen Einfluss durch die Aktivierung. Jedoch ist der Beitrag zum HTP eines EU-Einwohners im Vergleich zu den anderen Wirkungskategorien, die von indirekten Effekten bestimmt sind, sehr gering Zusammenfassung Die Ergebnisse der ökobilanziellen Bewertung zeigen, dass die Einführung von Verfahren zur weitergehenden Elimination von organischen Spurenstoffen im System des Tegeler Sees signifikante Umweltwirkungen haben kann. Dabei spielen in der Bewertung vor allem die zusätzlichen Aufwendungen für die Aufbereitung und der Nutzen für die Wasserqualität eine Rolle. Insgesamt werden die Umweltwirkungen wie bei jeder Art von Wasseraufbereitung von lokalen Wirkungen (verringerte Emissionen, d.h. verbesserte Wasserqualität) zu regionalen bzw. globalen Emissionen und Ressourcenverbrauch (Verbrauch von fossilen Energieträgern, Treibhauseffekt, Emissionen an Produktionsstandorten für Strom, Chemikalien, Infrastruktur) verschoben. In der Zusammenfassung können für globale und lokale Umweltwirkungen aus der gesamten Bewertung verschiedene Aussagenabgeleitet werden, die im nachfolgenden einzeln diskutiert werden. 1. Deutliche Erhöhung von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen der Abwasserreinigung Die betrachteten Verfahren führen durch ihren Aufwand an Strom und Betriebsmitteln je nach gewünschtem Aufbereitungsziel zu erheblichen zusätzlichen Energieaufwand und damit verbundenen Treibhausgasemissionen sowie sauren Luftschadstoffen. Die zusätzlichen Auswirkungen der Szenarien relativ zu einer GK5-Kläranlage (ohne Energierückgewinnung über Biogasverstromung) liegen zwischen +18 bis +112 % beim Energieaufwand, +11 bis +101 % bei den Treibhausgasemissionen und +6 bis +106 % beim Versauerungspotential (Tabelle 58). Dabei spielt sowohl die Auswahl des Verfahrens als auch die notwendige Dosierung eine entscheidende Rolle für den spezifischen Beitrag. Tendenziell liegen die Verfahren der Ozonung im Aufwand unterhalb der PAK-Verfahren, bei den GAK-Filtern ist für mittlere bis kürzere Standzeiten ( Bettvolumina) auch ein höherer Aufwand zu erkennen. Tabelle 58. Zusätzliche Auswirkungen der Verfahren in Relation zu Umweltauswirkungen einer GK 5 Kläranlage (ohne Energierückgewinnung) [%]; Bezugseinheit ist das Ablaufvolumen der OWA Tegel [m³] Indikator Kumulierter Energieaufwand Treibhauseffekt Versauerung GK 5 (Brutto) 3,8 MJ-eq/m³ 450 g CO 2 -eq/m³ 2,8 g SO 2 -eq/m³ Dosierung Min Mittel Max Min Mittel Max Min Mittel Max KW Schö Ozon Ozon+Filter PAK+Filter PAK Simultan OWA Tegel 2,4 MJ-eq/m³ 140 g CO 2 -eq/m³ 0,3 g SO 2 -eq/m³ OWA Teg Ozon PAK GAK Filter GAK 2. Schicht

182 Die Verfahren zur Adsorption mit Aktivkohle können damit sowohl den KEA als auch das THP einer üblichen Kläranlage bei hoher benötigter Dosierung (4 g PAK/g DOC) mehr als verdoppeln. Eine hohe Dosierung in der Ozonung (1 g O 3 /g DOC) kann das THP um % erhöhen, was in der Größenordnung des THP der PAK Szenarien mit niedriger Dosierung (1 g PAK/g DOC) liegt. Beim Vergleich der zwei Anwendungsorte (KW Schö bzw. OWA Tegel) zeigt sich, dass prinzipiell die Behandlung am Klärwerk Schönerlinde durch den geringeren Volumenstrom ( m³/d) gegenüber der OWA Tegel ( m³/d) weniger aufwändig ist. Dieser Volumenvorteil wird auch durch die geringere DOC-Konzentration in der OWA Tegel (10 mg/l für Ozon bzw. 8 mg/l nach Flockung für PAK/GAK) im Vergleich zum Klärwerk (12 mg/l DOC) nicht ausgeglichen, da das höhere Volumenverhältnis OWA/Klärwerk ( / =1,67) die geringeren Konzentrationen (DOC-Verhältnis von 10/12=0,84 bzw. 8/12=0,67) übersteigt. Damit ist der Einsatz der weitergehenden Reinigung aus dieser Betrachtung am Klärwerk Schönerlinde zu empfehlen, da die zusätzliche Wirkung einer Behandlung an der OWA Tegel bei vernachlässigbaren Spurenstoffkonzentrationen in Oberhavel-wasser und Tegeler Fließ nicht relevant erscheint. Die Sensitivitätsanalyse zur Aktivierung von frischer Aktivkohle zeigt einen deutlichen Einfluss der verschiedenen Rohmaterialien zur Aktivkohleherstellung auf Energieverbrauch und Treibhauseffekt. Bei den Szenarien mit Pulveraktivkohledosierung kann das Rohmaterial diese Indikatoren signifikant verändern: im Gegensatz zu Aktivkohle auf Steinkohlebasis (Referenz) kann Aktivkohle auf Braunkohlebasis Energieverbrauch und Treibhauseffekt um bis zu 38 % steigern. Aktivkohle auf Basis regenerativer Rohstoffe (Kokosnussschalen) können den energetischen Aufwand dieser Szenarien erheblich senken, sind jedoch nicht CO 2 -neutral aufgrund der Herstellung von Biochar (Pyrolyse) und der energieintensiven Aktivierung. Bei der Verwendung von granulierter Aktivkohle sind die Abweichungen durch die Rohstoffwahl geringer (<±10 %), da hier die verwendete Frischkohlemenge durch die regelmäßige Reaktivierung viel geringer ist. 2. Geringe Reduktion des globalen Ökotoxizitätspotentials durch weitergehende Spurenstoffelimination In der globalen Bewertung des Ökotoxizitätspotentials nach USEtox führt die Spurenstoffelimination (bei der Betrachtung von 7 ausgewählten Substanzen) in der Ökobilanz nur zu einer geringen Reduktion der potentiellen Umwelteffekte im Gesamtsystem. In der Bewertung machen die verbleibenden Schwermetallfrachten ins Gewässer (Zn, Cu, Ni) über 96 % der direkten ökotoxischen Wirkung aus, die bewerteten organischen Spurenstoffe lediglich 3,5 %. Damit lässt sich der positive Effekt der Elimination organischer Spurenstoffe in dieser Studie nicht darstellen, da in der globalen Betrachtung die ökotoxischen Emissionen durch die Hintergrundprozesse (Strom, Chemikalien, Infrastruktur) sogar noch ansteigen. 3. Weitere Verringerung der Phosphorfrachten in Tegeler See bzw. Oberhavel im Regenwetterfall durch Filtration am Klärwerk Schönerlinde Die Ökobilanz des Systems kann die positiven Nebeneffekte der weitergehenden Behandlung auf die Wasserqualität darstellen. Durch die zusätzliche Filtration am Klärwerk in einzelnen Szenarien können die P-Frachten in den Tegeler See bzw. die Havel über Seeleitung/Wehrüberlauf im Regenwetterfall um weitere 2-45 % (1,5 3 t P/a) gegenüber dem Referenzzustand reduziert werden. Dieser Nebeneffekt ergibt sich aus der Modellstruktur und muss für die reale Umsetzung überprüft werden. 176

183 Vergleichbarkeit der Szenarien und Übertragbarkeit der Aussagen Für die Vergleichbarkeit von Szenarien und die Übertragbarkeit der Aussagen dieser Ökobilanz auf andere Kläranlagen bzw. Systeme sind folgende Punkte von Bedeutung: a) Kein direkter Vergleich der Verfahren möglich durch fehlende gesetzlich bindende Vorgaben zur Zielwerten für die Spurenstoffelimination Es wurde jeweils die nach wirtschaftlichen und technischen Aspekten sinnvolle Spannweite der Dosierungen (niedrig mittel hoch) für die einzelnen Verfahren analysiert. Abhängig von der genauen Vorgabe der benötigten Effizienz für bestimmte Zielstoffe sind daher geeignete Verfahrensvarianten zu bestimmen, die dann direkt miteinander verglichen werden können. Ein direkter Vergleich hohe Ozondosis mit hoher PAK-Dosis ist ohne Vorgaben für die Effizienz nicht zulässig, da beide Varianten zu verschiedener Wasserqualität führen und somit nicht vergleichbaren Nutzen bieten. Für einen direkten Vergleich der Szenarien in Bezug auf die Erreichung bestimmter Zielwerte (z.b. relative Entfernung in %, Zielkonzentrationen für einzelne Stoffe) sind gesetzlich bindende Vorgaben erforderlich. Sollten gesetzliche Vorgaben in der Zukunft umgesetzt werden, kann über die tatsächliche Konzentration der Spurenstoffe im Ablauf des KW Schö bzw. der OWA Tegel (Referenzflüsse, siehe Tabelle 44) und die dargestellte Effizienz (Tabelle 55) die benötigte Dosierung der Verfahren und somit die Umweltauswirkungen ermittelt werden. b) Absolute Indikatorwerte der Verfahren sind nur bedingt auf andere Kläranlagen übertragbar Die Dosierungen beziehen sich auf die jeweiligen DOC-Konzentrationen im System Tegeler See und damit auf die Rahmenbedingungen in Berlin. Der Ablauf der Kläranlage Schönerlinde hat mit 12 mg l -1 DOC eine vergleichsweise hohe Konzentration, wodurch folglich der Bedarf an Betriebsmitteln (Strom und Flüssigsauerstoff bei der Ozonung und Aktivkohle bei der Adsorption) entsprechend hoch ausfällt. Der hier dargestellte zusätzliche Energieverbrauch bzw. Treibhauseffekt wird sich für andere Kläranlagen bei geringeren DOC-Konzentrationen im Ablauf entsprechend reduzieren. Grenzen des Bewertungsmodells Durch die Methodik der Ökobilanz und die genutzten Bewertungsmodelle ergeben sich Grenzen der Aussagekraft der Ergebnisse dieser Studie, insbesondere im Bereich der Bewertung der Ökotoxizität bzw. Humantoxizität. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse sollten folgende Limitierungen berücksichtigt werden: Die Charakterisierungsfaktoren für Ökotoxizität und Humantoxizität sind zum Teil noch mit großen Unsicherheiten behaftet. Vor allem für Schwermetalle wird aufgrund der langen Verweilzeiten und dem Einfluss der Speziierung auf die Wirkmechanismen und die Mobilität in der Umwelt die Bewertung nur als vorübergehend ( interim ) gekennzeichnet (Pizzol et al. 2011a, b) Es wurden bisher nur für 7 der 12 gemessenen organischen Spurenstoffe Bewertungsfaktoren berechnet. Diese Faktoren sind ebenfalls noch nicht durch andere Studien validiert und daher mit Unsicherheiten behaftet (Jekel et al. 2016). Weitere organische Spurenstoffe sowie mögliche Transformationsprodukte werden im ETP und http bisher nicht berücksichtigt. 177

184 Aus den Ergebnissen des globalen Ökotoxizitätsmodells (Multi-Kompartiment-Modell) kann keine direkte Dosis-Wirkungsbeziehung im lokalen System Tegeler See abgeleitet werden. Ebenfalls kann keine direkte Gefährdung der menschlichen Gesundheit über Restkonzen-trationen von Spurenstoffen bei der Trinkwassergewinnung charakterisiert werden. Datenqualität der Studie Die primären Sachbilanzdaten dieser Ökobilanz sind insgesamt von sehr guter Qualität. Für die Wasservolumina und Wasserqualitäten im betrachteten System Tegeler See liegen gemessene Werte vor, die auch im Projekt ASKURIS (AP1) erhoben wurden. Die Auslegung der Verfahren und die erwarteten Betriebsdaten (Stromverbrauch, Chemikalien) wurden aufgrund von Planungen der Berliner Wasserbetriebe und gesicherten Herstellerangaben ermittelt. Auch die Effizienz der einzelnen Verfahren hinsichtlich der Entfernung spezifischer organischer Spurenstoffe wurde in Pilotversuchen umfangreich untersucht, wobei für einige Varianten (z.b. Simultandosierung) Abschätzungen getroffen wurden. Bei den Hintergrunddaten wird die Datenbank ecoinvent in der neuesten Version (v3.1) genutzt, so dass für die Hintergrundprozesse insgesamt eine gute Datenqualität ausgewiesen werden kann. Eine Ausnahme bildet die Herstellung und Aktivierung der Aktivkohle, die in der Datenbank nicht direkt erfasst ist. Die verfügbaren Bilanzierungsdaten aus der Literatur sind aus älteren Publikationen entnommen und spiegeln ggf. nicht mehr den heutigen Stand der Aktivkohleherstellung wider. Daher sollten diese Datensätze in Zusammenarbeit mit Herstellern neu erhoben werden, um diese bedeutsame Umweltwirkung der Aktivkohleverfahren mit aktuelleren Daten abzubilden. 178

185 3.5 Ökonomischer Vergleich der Verfahren Szenarienübersicht Im Rahmen des Projektes werden verschiedene Verfahren zur Spurenstoffelimination sowohl am Ablauf des Klärwerks Schönerlinde als auch an der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage (OWA) Tegel betrachtet. Die betrachteten Szenarien sind identisch mit denen der Ökobilanz (siehe Abbildung 116 und Abschnitt 0). Die spezifischen Dosiermengen (Ozon, PAK, GAK) der Verfahren sind in Tabelle 45 aufgeführt Grundlagen Wirtschaftlichkeitsberechnung Es wird eine Kostenvergleichsrechnung in Anlehnung an die Leitlinien zur Durchführung dynamischer Kostenvergleichsrechnung (DWA 2012) durchgeführt. Da die zu untersuchenden Szenarien den gleichen Betriebsbeginn und dieselben Nutzungsdauern aufweisen, werden zur Ermittlung der kostengünstigsten Alternative die Jahreskosten ermittelt und die spezifischen Kosten zur Spurenstoffentfernung gegenübergestellt. Die Netto-Investitionskosten für die unterschiedlichen Szenarien werden auf Basis vorliegender Studien und Planungen für das Jahr 2013 abgeschätzt. Die Projektgesamtkosten ergeben sich aus den Netto-Investitionskosten zzgl. Mehrwertsteuer und den Baunebenkosten. Die Baunebenkosten werden pauschal mit 25 % der Brutto-Investitionskosten angesetzt. Diese beinhalten die Kosten für Planung, Genehmigung etc. An beiden Standorten wird angenommen, dass ausreichend Platz für die Errichtung der Anlagen zur Verfügung steht und somit keine Erschwerniszuschläge für Bauen im Bestand anfallen. Tabelle 59: Parameter zur Ermittlung des Kapitalwiedergewinnungsfaktors für unterschiedliche Anlagentechnik. Zinssatz [%] Nutzungsdauer [a] Bautechnik 3 30 Maschinentechnik 3 15 EMSR-Technik 3 10 Die Umrechnung von Investitionskosten auf Jahreskosten erfolgt mit dem Kapitalwiedergewinnungsfaktor (KFAKR). Der Kapitalwiedergewinnungsfaktor ist abhängig vom Zinssatz und Nutzungsdauer. Die für die unterschiedliche Anlagentechnik verwendeten Parameter sind in Tabelle 59 dargestellt. Die Betriebskosten der einzelnen Verfahren ergeben sich im Wesentlichen aus dem Energiebedarf, den Verbrauchsmitteln, Personal sowie Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen und werden für das Jahr 2013 ermittelt (siehe Tabelle 60). Die Wartungs- und Instandhaltungskosten werden prozentual von den Investitionskosten ermittelt. Die Betriebskosten für Flüssigsauerstoff, Aktivkohle und GAK sind angelehnt an die Literatur. Für alle Szenarien werden für jeweils drei unterschiedliche Dosiermengen (siehe Tabelle 45) die Investitionskosten und die Betriebskosten ermittelt. Weiterhin wird eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt, um sowohl den Einfluss technischer als auch wirtschaftlicher Parameter auf die spezifischen Kosten einer Spurenstoffentfernung zu ermitteln. 179

186 Tabelle 60: Spezifische Betriebsmittelkosten (netto). Wert Einheit Strompreis /kwh 0,15 Kosten Flüssigsauerstoff /t 110 Aktivkohle /t GAK /m³ 370 Personalkosten /h 47,40 Schlammentsorgungskosten /t TM 160 Wartung und IH Bautechnik % von Investition 0,5 Wartung und IH Maschinentechnik % von Investition 2,5 Wartung und IH EMSR-Technik % von Investition Ermittlung der spezifischen Kosten zur Spurenstoffentfernung Die Netto-Investitionskosten für die betrachteten Szenarien sind in Abbildung 136 dargestellt. Es handelt sich dabei um eine Kostenannahme, d.h. die Genauigkeit beträgt ±50 %. Es ist zu erkennen, dass die Dosiermenge nur einen geringen Einfluss auf die Investitionskosten hat, da die Dosiermenge hauptsächlich einen Einfluss auf die Dosieranlage hat. Weiterhin ist zu erkennen, dass die Szenarien (Szenario 2, 3 und 7) bei denen eine zusätzliche Filterstufe in Form eines Raumfilters oder GAK-Filters installiert wird, die höchsten Netto-Investitionskosten aufweisen. Von den Investitionskosten am günstigsten ist die PAK-Dosierung ohne weitere Verfahrensschritte. KW Schönerlinde OWA Tegel Ozon Ozon + Filter PAK + Filter PAK Simultan Ozon PAK GAK Filter GAK 2. Schicht 4,8 mg/l 8,4 mg/l 12,0 mg/l 4,8 mg/l 8,4 mg/l 12,0 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l 4 mg/l 7 mg/l 10 mg/l 8 mg/l 20 mg/l 32 mg/l BV BV BV BV BV BV Ozonung Filter Aktivkohle ohne Filter Investitionskosten netto, ohne Planung in T Abbildung 136: Investitionskosten für die betrachteten Szenarien (Kostenannahme: ±50 %). Mit den in Abschnitt genannten Grundlagen werden die Investitionskosten auf Jahreskosten umgerechnet. Die jährlichen Betriebskosten für Energie, Personal, und, Wartung und IH werden mit den Kennwerten aus Tabelle 60 und Tabelle 61 ermittelt. Die jährlichen Betriebskosten für die Betriebsmittel wie Aktivkohle, Flüssigsauerstoff und GAK werden über die Dosiermengen bzw. die Standzeit des 180

187 GAK-Filters ermittelt. In den Szenarien, bei denen Pulveraktivkohle dosiert wird, muss diese später zusätzlich über den Klärschlamm entsorgt werden. Tabelle 61: Spezifische Kennwerte der einzelnen Verfahrensstufen zur Ermittlung der Betriebskosten. Wert Einheit Spez. Energiebedarf Ozonung kwh/kg O 3 13 Spez. Energiebedarf Filter kwh/m³ 0,05 Spez. Energiebedarf PAK-Dosierung kwh/kg PAK 0,19 Sauerstoffbedarf kg/kg O 3 10 Personalbedarf Ozonung h/d 3 Personalbedarf Filter h/d 8 Personalbedarf PAK h/d 3 Zur Ermittlung der spezifischen Kosten (siehe Abbildung 137), werden die jährlichen Investitions- und Betriebskosten auf den Ablauf der OWA-Tegel bezogen (86,4 Mio. m³). Je nach Szenario und Auslegung belaufen sich die spezifischen Kosten zwischen 0,01 0,12 /m³. Da die OWA Tegel keine Kläranlage ist, sind die angegebenen spezifischen Kosten nicht mit den spezifischen Kosten für Kläranlagen vergleichbar. Es ist ersichtlich, dass bei der Ozonung neben den Kapitalkosten vor allem die Energiekosten und die Betriebsmittelkosten einen großen Einfluss auf die Gesamtkosten haben. Bei den PAK- Szenarien tragen neben den Kapitalkosten vor allem die Betriebsmittelkosten für die Pulveraktivkohle zu Gesamtkosten bei. Bei diesen Szenarien fallen hohe jährliche Betriebskosten an. Bei den GAK-Szenarien hat vor allem die Standzeit der granulierten Aktivkohle einen entscheidenden Einfluss auf die jährlichen Betriebskosten. Dazu gibt es jedoch noch wenig großtechnische Erfahrung. Eine direkte Vergleichbarkeit zwischen den unterschiedlichen Szenarien ist jedoch derzeit nicht gegeben, da die Zielgrößen für die Spurenstoffentfernung nicht festgelegt sind und somit eine Auslegung der einzelnen Verfahrensstufen schwierig ist. Für eine geeignete Verfahrensauswahl muss zunächst festgelegt werden, welche Spurenstoffe in welchem Umfang entfernt werden sollen. Dies kann bereits zum Ausschluss einiger Szenarien führen, da die Spurenstoffe teilweise stark unterschiedlich mit den einzelnen Verfahren eliminiert werden. Wenn die Rahmenbedingungen festgelegt sind, dann können die in Frage kommenden Verfahren ökonomisch genauer bewertet werden Sensitivitätsanalyse Im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse werden jeweils die Investitionskosten sowie die Kosten für Strom, Aktivkohle, GAK und Flüssigsauerstoff um ±25 % variiert. Die sich daraus ergebende Schwankungsbreite für die spezifischen Kosten zur Spurenstoffelimination ist in Abbildung 138 dargestellt. Die spezifischen Kosten sind für den GAK-Filter in der OWA Tegel am höchsten. Dieser ist jedoch für eine relativ hohe Verweilzeit (EBCT) von 30 min ausgelegt, um sicher die Spurenstoffe zu entfernen. In der Literatur werden üblicherweise Verweilzeiten zwischen min verwendet. 181

188 KW Schönerlinde OWA Tegel Ozon Ozon + Filter PAK + Filter PAK Simultan Ozon PAK GAK Filter GAK 2. Schicht 4,8 mg/l 8,4 mg/l 12,0 mg/l 4,8 mg/l 8,4 mg/l 12,0 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l 12 mg/l 30 mg/l 48 mg/l 4 mg/l 7 mg/l 10 mg/l 8 mg/l 20 mg/l 32 mg/l BV BV BV BV BV BV Kapitaldienst Energiekosten Personalkosten Betriebsmittel Schlammentsorgung Wiederbefüllung GAK Wartungskosten 0,00 0,02 0,04 0,06 0,08 0,10 0,12 0,14 spezifische Kosten /m³ Ablauf OWA Abbildung 137: spezifische Behandlungskosten der einzelnen Szenarien. 0,16 spezifische Kosten /m³ Ablauf OWA 0,12 0,08 0,04 0,044 0,075 0,043 0,100 0,039 0,070 0,058 0,083 0,129 0,058 0,070 0 Abbildung 138: Schwankungsbreite der spezifischen Kosten für die untersuchten Szenarien Fazit 0,021 Ozon Ozon + Filter PAK + Filter KW Schönerlinde 0,014 PAK Simultan Die Investitionskosten für die Integration einer Spurenstoffentfernung in die OWA Tegel oder das Klärwerk Schönerlinde sind wesentlich davon abhängig, ob zusätzliche Filter gebaut werden müssen. Die 0,023 0,016 0,008 Ozon PAK GAK Filter GAK 2. Schicht OWA Tegel 182

189 neben der Ozonung im Klärwerk Schönerlinde ebenfalls mit vergleichsweise geringem Investi-tionsaufwand zu realisierenden Varianten 1) der PAK-Dosierung in der OWA Tegel und 2) der Austausch der oberen Filterschicht in der OWA Tegel durch GAK werden von den Berliner Wasserbetrieben aktuell großtechnisch erprobt. Die Betriebskosten sind wesentlich von der Dosierung von Ozon bzw. Aktivkohle abhängig. Hier wurden für alle Verfahrensvarianten jeweils technisch und wirtschaftlich sinnvolle Spannweiten (niedrigmittel-hoch) betrachtet, ein direkter Vergleich der Verfahrensvarianten ist damit jedoch nicht möglich. Die Entscheidung für eine bestimmte Verfahrensoption wird allerdings auch maßgeblich über die Zielwerte im gereinigten Abwasser und in den Oberflächengewässern beeinflusst werden. Für zukünftige Zielwerte kann ausgehend von der Konzentration der Zielstoffe über die Effizienz der Verfahren (Abbildung 188) eine Abschätzung der Kosten erfolgen. Je nach Szenario und Auslegung belaufen sich die spezifischen Kosten zwischen 0,01 0,12 /m³. Da die OWA Tegel keine Kläranlage ist, sind die angegebenen spezifischen Kosten nicht mit den spezifischen Kosten für Kläranlagen vergleichbar. 183

190 4 Biologische Wirkungen 4.1 Effekte auf aquatische Organismen Der Zeitraum zwischen 1850 und 1870 gilt gemeinhin als Startpunkt für die chemische Wasseranalytik. In den 60er und 70er Jahren wurden neben der normalen Wasseranalytik basale Toxizitätstests entwickelt. In den 70er Jahren wurden auch die Grundsteine für das aktuelle Qualitätssicherungssystem zunächst einzelner Analyseverfahren gelegt. Die unüberschaubare Anzahl von anthropogen geschaffener Substanzen, wie hunderter von Pflanzenschutzmitteln, Arzneimittel, Industriechemikalien mit zum Teil gentoxischer, zytotoxischer und endokriner Wirkung sind zur Bedrohung unseres Wassers geworden. Im Rahmen des ASKURIS Projektes sollen Proben mittels ökotoxikologischer Testverfahren getestet und bewertet werden. Hierzu werden neben den klassischen Mutachromo Test nach Ames und umuc-test, oxidative Stress Enzyme in der aquatischen Makrophyte Ceratophyllum demersum auf Protein- und Genebene eingesetzt. Diese Untersuchungen ergänzen die humantoxikologischen Prüfungen zur Zytotoxizität und Gentoxizität (UBA) Untersuchungsprogramm Das Untersuchungsprogram für die Ökotoxikologie deckt sich großteils mit den Proben für die humantoxikologische Bewertung. Die Pilotanlagen werden den Abschnitten 3.2 und 3.3 ausführlich beschrieben und werden hier deswegen nur Stichpunktartig in Tabelle 62 aufgelistet. Tabelle 62: Messstellen und Entnahmestellen der Proben für die ökotoxikologischen Untersuchungen. Messstelle/Entnahmestelle Anzahl Beprobungen Klärwerk Ruhleben, Berlin Ablauf Klärwerk 5 Ablauf Ozonung 6 Ablauf Zweischichtfilter 4 Ablauf Biologische Aktivkohle 5 PAC-Pilotanlage, Berlin Tegel Oberflächenwasser-Aufbereitungsanlage (OWA), Zulauf 15 Oberflächenwasser-Aufbereitungsanlage (OWA), Kaskade 15 Oberflächenwasser-Aufbereitungsanlage (OWA), Filterzulauf 15 Oberflächenwasser-Aufbereitungsanlage (OWA), Filterablauf Muta-Chromo Test nach AMES Im Muta-Chromo Test nach Ames werden gentechnisch veränderte Salmonellenstämme (Salmonella typhimurium) verwendet, die aufgrund ihrer speziellen Erbgutveränderungen nicht mehr ohne die Aminosäure Histidin (his-) wachsen können. Zur Empfindlichkeitssteigerung sind weitere Mutationen vorhanden wie die rfa-mutation, die beispielsweise die Durchlässigkeit der Zellmembran gegenüber größeren Molekülen erhöht. Der originale Test, auch als pour plate Test beschrieben, wurde mittlerweile von einem Test in Flüssigkultur (Fluctuation test) abgelöst, beschrieben von Gilbert (1980). Testprinzip: Das Testprinzip beruht darauf, dass in Anwesenheit mutagen wirkender Substanzen gehäuft Rückmutationen zum his+ Genotyp bei dem verwendeten Stamm S. typhimurium TA100 auftreten. Diese sogenannten "Revertanten" wachsen in Medium, welches nur Spuren von Histidin enthält. Die Erhöhung der Revertantenzahlen gegenüber den stammspezifischen Spontanraten (Lösemittelkontrollen) ist ein direktes Maß für die mutagene Wirkung der Testsubstanz. Bestimmte Mutagene 184

191 werden erst im Leberstoffwechsel der Säugetiere aktiviert bzw. inaktiviert. Durch Zugabe eines speziellen Extrakts aus Rattenleber (S9) werden die Leberenzyme auch im bakteriellen Test bereitgestellt. Testansatz: Die lyophilizierten Bakterien werden rekonstituiert am Abend vor dem eigentlichen Test. Dabei wird am nächsten Morgen vor Testbeginn das korrekte Wachstum der Bakterien überprüft. Die gelieferte Wasserprobe wird mit einem 0.22 µm-membranfilter sterilfiltriert und die nötigen Verdünnungen und Volumina hergestellt. Die weitere Vorgehensweise entspricht dem Protokoll des Herstellers (Environmental Bio-Detection Products Inc., Kanada). Der Test wird in 96-Well Mikrotiterplatten durchgeführt. Testdurchführung: Von der sterilfiltrierten unverdünnten Proben werden 2x8 Wells befüllt (Gesamtvolumen 3,5 ml). Für weitere 2x8 Wells werden 1:10 verdünnte Proben eingesetzt. Dann erfolgt die Zugabe der Reaktionslösungen A-E aus dem Kit. Danach werden noch 500 µl der dunkelviolett gefärbten Reaktionslösung zugegeben. Als Kontrolle (blank) wird zum einen Wasser verwendet, ein weiterer Backgroundblank besteht aus Wasser und Bakterien und die positiv-kontrolle aus Wasser, Bakterien und Sodiumazid (NaN 3 ). Die Mikrotiterplatten werden mit einem Deckel verschlossen und luftdicht in ZipLock-Beutel verpackt. Diese werden dann bei 37 C für 3 6 Tage inkubiert. Tabelle 63: Setup der Mutachromo Assays in Mikrotiterplatten. Behandlung Standard Probe Wasser Reaktionsmischung Bakterien 1.Blank (Sterilcheck) ,5 ml 2,5 ml - 2. Background ,5 ml 2,5 ml 5 µl 3. Positiv Kontrolle ,4 ml 2,5 ml 5 µl 4. Wasserprobe I - 15 ml 2,5 ml 2,5 ml 5 µl 5. Wasserprobe I - 10 ml 7,5 ml 2,5 ml 5 µl 6. Wasserprobe I - 5 ml 12,5 ml 2,5 ml 5 µl 7. Wasserprobe II - 15 ml 2,5 ml 2,5 ml 5 µl 8. Wasserprobe II - 10 ml 7,5 ml 2,5 ml 5 µl 9. Wasserprobe II - 5 ml 12,5 ml 2,5 ml 5 µl 10. Wasserprobe III - 15 ml 2,5 ml 2,5 ml 5 µl 11. Wasserprobe III - 10 ml 7,5 ml 2,5 ml 5 µl 12. Wasserprobe III - 5 ml 12,5 ml 2,5 ml 5 µl Testauswertung: Jeden Tag der Inkubationszeit erfolgt eine Kontrolle, ob sich Farbveränderungen ergeben haben. Violette Wells gelten als negativ, gelbe Wells als positiv. Der Wasserblank gilt als Nachweis der Sterilität. Sollten diese Wells gelb oder auch trüb werden, gilt die Platte als kontaminiert und nicht auswertbar Umu Chromo Test (ISO 13829) Testprinzip: Erfassung des erbgutverändernden Potentials von Wasserproben mit dem Bakterium Salmonella typhimurium TA1535pSK1002 (Wittekindt, 2000). Testansatz: Die lyophilizierten Bakterien werden bei 37 C für 16 18h rekonstituiert vor dem eigentlichen Test. Dabei wird am nächsten Morgen vor Testbeginn das korrekte Wachstum der Bakterien überprüft. 185

192 Es werden drei Platten (A-C) angesetzt (Abbildung 139). Platte A wird nach dem Animpfen für 2h bei 37 C inkubiert. Von jedem Well der Platte A werden nach 2h 30 µl entnommen und in eine vorbereite Platte B überführt, daraus ergibt sich eine 10-fache Verdünnung mit den in Platte B befindlichen Reaktionslösungen. Platte B wird ebenfalls 2 h bei 37 C inkubiert. Von jedem Well der Platte B werden dann 120 µl in eine vorbereitete Platte C überführt und bei 28 C inkubiert für 30 min. Danach werden 120 µl einer Stopplösung hinzu pipettiert und bei 420 nm die Platte in einem Plate Reader vermessen. Während der Inkubation interagiert das potentiell genotoxische Material aus der Wasserprobe mit der DNA der eingesetzten Bakterien und induziert eine de-novo Synthese von ß-Galaktosidase. A B C D E F S1 1:1.5 S2 1:1.5 S3 1:1.5 S4 1:1.5 S5 1:1.5 S6 1:1.5 S1 1:1.5 S2 1:1.5 S3 1:1.5 S4 1:1.5 S5 1:1.5 S6 1:1.5 S1 1:1.5 S2 1:1.5 S3 1:1.5 S4 1:1.5 S5 1:1.5 S6 1:1.5 S1 1:3 S2 1:3 S3 1:3 S4 1:3 S5 1:3 S6 1:3 S1 1:3 S2 1:3 S3 1:3 S4 1:3 S5 1:3 S6 1:3 S1 1:3 S2 1:3 S3 1:3 S4 1:3 S5 1:3 S6 1:3 S1 1:6 S2 1:6 S3 1:6 S4 1:6 S5 1:6 S6 1:6 S1 1:6 S2 1:6 S3 1:6 S4 1:6 S5 1:6 S6 1:6 S1 1:6 S2 1:6 S3 1:6 S4 1:6 S5 1:6 S6 1:6 S1 1:12 S2 1:12 S3 1:12 S4 1:12 S5 1:12 S6 1:12 S1 1:12 S2 1:12 S3 1:12 S4 1:12 S5 1:12 S6 1:12 S1 1:12 S2 1:12 S3 1:12 S4 1:12 S5 1:12 S6 1:12 G NC NC NC NC NC NC NC NC NC NC NC NC H PC PC PC SC SC SC BL BL BL BL BL BL S1 = Probe 1, Verdünnungen 1:1.5, 1:3, 1:6 und 1:12 NC = Negative Kontrolle; PC = Positive Kontrolle; SC Lösungsmittelkontrolle; BL = Blank Abbildung 139: Schema-Set-up für den Umu Chromo Test mit Probenverteilung und Verdünnungen. Testdurchführung: Die Bakterien werden mit verschiedenen Konzentrationen des Testgutes exponiert. Hierbei induzieren Gentoxine das sogenannte umuc-gen, das zum SOS-Reparatursystem der Zelle gehört, welches einer Schädigung der bakteriellen Erbsubstanz entgegenwirkt. Durch die Kopplung des umuc-gens mit dem lacz-gen für die ß-Galaktosidase kann indirekt die Aktivierung des umuc-gens über eine Farbstoffbildung nachgewiesen werden. Testauswertung: Testsubstanzen, die eine Induktionsrate 1,5 aufweisen, gelten als gentoxisch. Für Abwasserproben wird der kleinste Wert der Verdünnungsstufe G (GEU-Wert), bei dem eine Induktionsrate <1,5 gemessen wird, als Testergebnis angegeben. Die eingesetzte Positivkontrolle mit 4-NQO sollte kräftig gelb gefärbt sein und zeigt somit an, dass die Bakterien gut funktionieren. Für jede Probe wird der Wachstumsfaktor (G) bestimmt aus Platte B, ebenso die ß-Galaktosidase Aktivität. Als Maß für die Gentoxizität wird die Induktionsrate (IR) als Verhältnis der Extinktion bei 420 nm gegenüber der Negativkontrolle angegeben. Der Test wird sowohl mit als auch ohne S9-Extrakt zur metabolischen Aktivierung von Gentoxinen durchgeführt. Bei der Berechnung der Induktionsraten wird der Wachstumsfaktor mitberücksichtigt. Eine Hemmung des Bakterienwachstums drückt sich in einem 186

193 gegenüber der Kontrolle erniedrigten Wachstumsfaktor (G) aus. Bei Wachstumsfaktoren unter 0,5 (50 % Wachstumshemmung) werden die Ergebnisse nicht gewertet Oxidativer Stress aquatischer Makrophyten Wird durch äußere Einflüsse das Gleichgewicht zwischen der Entstehung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) und der antioxidativen Abwehr in einem Organismus gestört, spricht man von oxidativem Stress. Jeder Organismus hat für diesen Fall ein System der antioxidativen Abwehr, bestehend aus nichtenzymatisch und enzymatisch basierter Abwehr, zur Verfügung um den schädlichen Einflüssen von ROS entgegenzuwirken (Abbildung 140). Abbildung 140: Antioxidative Abwehr in Organismen durch zellinterne Substanzen wie Glutathion, Tocopherole, und Ascorbat, sowie den antioxidativen Enzymen Superoxiddismutase (SOD), Katalase (CAT), Glutathionperoxidase (GPX) und Glutathionreduktase (GR). Das Biotransformationsenzymsystem der Glutathion S-Transferasen beseitigt Metabolite der Lipidperoxidation (Pflugmacher 2004). Testprinzip: Die tiefgekühlten Pflanzenproben wurden in einem NaP-Puffer (0,1 M, ph 6,5) mit Hilfe eines Tissuelysers mit 7mm Stahlkugeln homogenisiert. Dem Puffer wurden 1,4 mm Dithioerythritol (DTE) und 1 mm Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) zugesetzt. Die Zellreste wurden für zehn Minuten in der Zentrifuge bei rpm und 4 C abgesetzt. Wasserlösliche Proteine aus dem Überstand wurden durch Ammoniumsulfat-Fällung (0 80 %) konzentriert. Anschließend wurde erneut zentrifugiert (1 Stunde bei rpm und 4 C). Das resultierende Pellet wurde in 0,5 ml Cytosolpuffer (20 mm NaP-Puffer, ph 7,0) resuspendiert. Die Entsalzung der Proben wurde durch Gel-Filtration in NaP- 10-Säulen durchgeführt. Am Ende der Filtration wurden je Probe 1,5 ml reines Eluat aufgefangen. Die Proben wurden in flüssigem Stickstoff schockgefroren und anschließend bei minus 80 C im Gefrierschrank für die weiteren Tests und Messungen aufbewahrt (Pflugmacher et al. 2000). Testansatz: Die Makrophyte Ceratophyllum demersum (10 g Pflanzenmaterial) wurden in 5-fach Parallelen in Bechergläsern mit den zu testenden ASKURIS-Wasserproben für 24 h exponiert. Die Wasserprobe wurde hier unverdünnt und unbehandelt im Original eingesetzt. Parallel wurden ebenfalls in 5-187

194 fach Parallel Kontrollexpositionen mit den Makrophyten durchgeführt, hierzu wurde das, auch zur Hälterung der Pflanzen, künstlich angesetzte Medium, bestehend aus destilliertem Wasser, CaCl 2 (0,2 g L -1 ), NaHCO 3 (0,103 g L -1 ) und Seesalz (0,1 g L -1 ) verwendet. Abbildung 141: Exposition von C. demersum in den ASKURIS- Wasserproben. Die für die qpcr vorgesehenen Daphnien, 10 Tiere je Ansatz, wurden ebenfalls in Bechergläsern mit den Wasserproben für 24 h exponiert. Für die Kontrollexpositionen wurde das oben erwähnte Medium verwendet. Auch hier wurden 5-fach Parallelen für Exposition und Kontrollen angesetzt. Testdurchführung: Ein neuer Biotest mit Ceratophyllum demersum, dem Hornkraut, als aquatischer Makrophyte wird den oben genannten klassischen Ökotoxikologischen Testsystemen entgegengestellt. Makrophyten stehen derzeit im Focus der Ökotoxikologie. Als physiologische Parameter werden Biotransformationsenzyme (Glutathion S-Transferasen) und Enzyme zur Bekämpfung des oxidativen Stresses (Glutathion S-Transferase, Katalase, Glutathionperoxidase, Glutathionreduktase) untersucht (Pflugmacher 2004, Pflugmacher and Steinberg 1997). Es werden dabei Enzymmessungen (Proteinebene) und die Genexpression (Genebene) dieser Enzyme untersucht (Kamara and Pflugmacher 2007) Glutathion-S-transferase (GST) Für die Bestimmung der Aktivität des Enzyms GST wurde 1-Chloro-2,4-Dinitrobenzol(CDNB) als Substrat verwendet und zusammen mit reduziertem GSH in einem NaP-Puffer (0,1 M, ph 6,5) gelöst. Die Kinetik der chemischen Reaktion wurde nach Habig et al. (1974) bei 340 nm über zehn Minuten lang verfolgt Katalase (CAT) Die CAT-Aktivität wurde unter Zugabe von 150 mm Wasserstoffperoxid und 50 mm NaP-Puffer (ph=7) bei 240 nm über einen Zeitraum von 3 min gemessen. Extinktionskoeffizient der Katalase beträgt 0,063 L mol -1 cm -1, ausgehend von dem Protokoll nach Claiborne (1985). 188

195 Glutathion-Peroxidase (GPX) GPX katalysiert die Reduktion von H 2 O 2. Bei dieser Reaktion wird das Co-Substrat GSH zu GSSG oxidiert. GR katalysiert die Regeneration von GSH in einem Oxidations-Reduktions-Zyklus. NADPH stellt für diesen Schritt die notwendige Energie zur Verfügung. Das verwendete Protokoll basierte auf der Reduktion von GSSG. Für die Bestimmung der Aktivität von GPX wurde die Abnahme von NADPH bei einer Wellenlänge von 340 nm photometrisch gemessen. Die kinetische Messung geschah nach Livingstone (2003) Glutathionreduktase (GR) GR katalysiert die Reduktion von GSSG zu GSH. NADPH liefert die Energie für die Reduktionsreaktion. Nach dem Protokoll von Carlberg und Mannervik (1985) wurde bei einer Wellenlänge von 340 nm die Abnahme des Energielieferanten NADPH über einen Zeitraum von zehn Minuten gemessen. Testauswertung: Die Enzymaktivität wurde auf den Gesamtproteingehalt bezogen. Der Proteingehalt wurde mit einem NanoDrop Spektrophotometer bei 595nm in Bradford-Reagenz (Bradford, 1976) und Aufbruchpuffer bestimmt. Von jedem Replikat wurden jeweils 3 Parallelen gemessen. Die Kalibrierkurve mit dem Intervall von μg ml -1 hatte einen R2-Wert von 0,998 der verschiedenen Enzymaktivitäten. Die Enzymaktivität wurde spektrophotometrisch bestimmt. Absorptions-wellenlänge und Extinktionskoeffizient sind spezifisch für jedes Enzym bzw. Substrat Genexpressionsuntersuchungen mittels q-pcr Für die Genexpressionsuntersuchungen werden bereits für Makrophyten optimierte Primer in einer Realtime-PCR (q-pcr) verwendet. Dies erlaubt eine äußerst zeitnahe Erfassung der ökotoxiko-logischen Wirkung der unterschiedlichen Wasserproben, bzw. der Einzelsubstanzen. Neben der Gen-expression in C. demersum wurde diese auch in Daphnia magna untersucht, um mögliche Empfind-lichkeitsunterschiede zwischen tierischen und pflanzlichen Organismen zu sehen. Testprinzip: Die q-pcr ist eine Form der quantitativen Echtzeit-PCR und stellt eine Vervielfältigungsmethode für Nukleinsäuren dar, die auf dem Prinzip der herkömmlichen PCR Kettenreaktion beruht und zusätzlich die Quantifizierung der gewonnenen DANN ermöglicht. Die Quantifizierung wird mit Hilfe von Fluoreszenz-Messungen durchgeführt, die während eines PCR-Zyklus in Echtzeit erfasst werden. Die Fluoreszenz nimmt proportional mit der Menge der PCR-Produkte zu. Am Ende eines Laufs, der aus mehreren Zyklen besteht, wird anhand von erhaltenen Fluoreszenzsignalen die Quantifizierung in der exponentiellen Phase der PCR vorgenommen. Nur in der exponentiellen Phase der PCR (die wnige Zyklen in einem Lauf dauert) ist die korrekte Quantifizierung möglich, da während dieser Phase die optimalen Reaktionsbedingungen herrschen. Hier wurde der Farbstoff SYBR Green I verwendet. Dieser interkaliert mit der DNA und bindet in die Furche der doppelsträngigen DNA (minor groove binder) wobei die Fluoreszenz von SYBR Green I ansteigt. Die Zunahme der gefärbten Target-DNA korreliert mit der Zunahme der Fluoreszenz von Zyklus zu Zyklus, wobei die Messung am Ende der Elongation in jedem Zyklus stattfindet. Für die Entstehung des Fluoreszenzsignals ist die TaqMan Sonde von Bedeutung, an deren Enden ein Quencher und ein Reporter-Fluoreszenzfarbstoff gebunden sind. Durch die Exonuclease-Aktivität der Taq-Polymerase werden Farbstoff und Quencher im Verlauf der PCR voneinander getrennt, der Quen- 189

196 cher ist dann nicht mehr in räumlicher Nähe des Farbstoffs und eine erhöhte Fluoreszenz kann gemessen werden. Als Maß für die Quantifizierung der Startmenge wird der sogenannte threshold cycle (Ct- Wert) oder Crossing Point (CP) herangezogen. Dieser entspricht der Anzahl der PCR-Zyklen, die notwendig sind, um ein konstantes Fluoreszenzsignal zu erreichen. Am CP befindet sich in allen Reaktionsgefäßen der verwendeten Mikrotiterplatte die gleiche Menge an DNA. Da sich rein theoretisch bei jedem PCR Zyklus die Anzahl der Kopien genau verdoppelt, können so Rückschlüsse auf die ursprüngliche Anzahl der Kopien des amplifizierten Abschnittes gezogen werden. Eine absolute Quantifizierung ist mit Hilfe einer Kalibrierkurve möglich, basierend auf einer Verdünnungsreihe. Bei der durchgeführten relativen Quantifizierung wird die Genexpression eines Zielgens (Primer Tabelle 64 und Tabelle 65) auf ein weiteres, nicht reguliertes (Idealfall), sogenanntes Housekeeping Gen (β-actin) bezogen Tabelle 64: Verwendete Primer bei Ceratophyllum demersum für den Nachweis der Genexpression antioxidativer Enzyme wie der Katalase, der Glutathionperoxidase (GPX), der Glutathionreduktase (GR) und zwei Superoxiddismutaseformen (CuZn-SOD und Mn-SOD). Als Housekeeping-Gen wurde β-actin eingesetzt. cdna Forward Primer Reverse Primer β -Actin 5`- CTG ACC GAG CTG GCT AC 5`-CCT GCT TGC TGA TCC ACA Katalase 5`- GGC AGC TAT GTG AGA GCC 5`- CTG ACG TCC ACC CTG ACT GPX 5`-CTC TCC GCG GTG GCA CAG T 5`-CCA CCA CCG GGT CGG ACA GR 5`-CTC AAC ACC GCC AGC GTT CT 5`-TCA CTG CTC CGC ACA TCC Cu/Zn SOD 5`-CTT GTC TTG ACC CAG GTA TCG 5`-AGA ATT TGG CGA GAG TCC AG Tabelle 65: Verwendete Primer bei Daphnia magna für den Nachweis der Genexpression antioxidativer Enzyme wie der Katalase, der Glutathionperoxidase (GPX), der Glutathionreduktase (GR) und zwei Superoxiddismutaseformen (CuZn-SOD und Mn-SOD). Als Housekeeping-Gen wurde β-actin eingesetzt. cdna Forward Primer Reverse Primer β -Actin 5`- CCA GAA TCA CTC AGC 5`-TGT AAC CGC GTT CAG T Katalase 5`- TT CTC TTC GCC CAG AGA CC 5`- GGC ACG AGG CAG AAG AGT AG GPX 5`-ATT GCC CAA TTT GAC AGA GG 5`-CAG ACG GCA TTT CAA CAA GA Cu/Zn SOD 5`-CTT GTC TTG ACC CAG GTA TCG 5`-AGA ATT TGG CGA GAG TCC AG Testdurchführung: Aufreinigung von RNA erfolgte mit einem RNeasy Plant Mini Kit (Qiagen, Hilden Deutschland) nach Angaben des Herstellerprotokolls durchgeführt (Abbildung 142). Das Pflanzenmaterial wurde in flüssigem Stickstoff mit Mörser und Stößel gemahlen. 50 mg des Pulvers wurden mit 450 µl Puffer RLT (enthaltend 4,5 & mgr; l β-mercaptoethanol), einer stark denaturierenden Guanidin- Thiocyanat enthaltenden Puffer lysiert. Die Daphnien wurden in einem Glaspotter auf Eis homogenisiert. Die RNA Aufreinigung erfolgte mit dem RNeasy Mini Kit (Quiagen, Hilden, Deutschland). Nach Homogenisierung des Lysats wurde auf 190

197 eine QIAshredder Spinsäule überführt und für 2 min bei x g zentrifugiert (Abbildung 142). Der Überstand der Durchlauf wurde mit 0,5 Volumen Ethanol (99 %) gemischt, auf eine RNeasy Spinsäule bei x g überführt und für 15 s zentrifugiert. Um den Spinsäule Membran 350 & mgr; l Puffer RW1 wurde auf die Spinsäule RNeasy gegeben und 15 s zentrifugiert waschen. Abbildung 142: Isolierung und Reinigung der RNA aus tierischen (Daphnien) und pflanzlichem (Hornkraut) Gewebe mittels der RNA Easy Kit Systeme. Eine DNAse-Verdauung wurde durchgeführt, um DNA zu entfernen. Daher wurden 80 µl DNAse I Inkubationsmischung (10 µl DNase I-Stammlösung + 70 µl Puffer RDD) wurde auf der RNeasy Spinsäule Membran direkt zugegeben. Nach Inkubation für 15 min bei Raumtemperatur wurde RW1 Puffer zugegeben und die Säule für 15 s zentrifugiert bei x g. Als Waschschritt wurden 500 µl Puffer RPE wurden auf die Spinsäule RNeasy zugegeben und 15 s lang bei x g. Weitere 500 µl Puffer RPE 191

198 wurden zugegeben und die Säule erneut für 2 min bei x g zentrifugiert. Um alle möglichen Verschleppung zu eliminieren, wurde die Säule für 1 min bei x g mit Puffer RPE zentrifugiert. RNA wurde durch Zugabe von 30 µl RNase-freies Wasser direkt auf die Spinsäule Membran und Zentrifugieren der Säule für 1 min bei x g erhalten. Um die RNA-Konzentration zu erhöhen, wurde das Eluat nochmals auf die Membran gegeben und zentrifugiert. Gereinigte RNA wurde nach Zugabe von 1µL RNAse Inhibitor (Roche Diagnostics GmbH, Mannheim) bei -80 C eingefroren und gelagert. RNA- Konzentration wurde durch Messung der Absorption bei 260 nm in einem NanoDrop Spektrophotometer bestimmt. Testauswertung: Zur Kontrolle der RT wurde eine Test PCR durchgeführt. Für jeden der umgeschriebenen Ansätze wurden 10 ml Reaktionsvolumen auf eine 394-well Platte pipettiert. Das Reaktionsvolumen bestand im Einzelnen aus 0,5 µl Primer, 5 µl PCR-MasterMix (Applied Biosystems, Darmstadt), 4,5 µl cdna und RNAse-freiem Wasser (RNeasy Mini Kit). Die PCR wurde auf einem Agilent Stratagene Mx3005P System durchgeführt. Anhand des Vergleichs der Schwellenwertzyklen (Ct-Wert) konnte die erfolgreiche Umschreibung kontrollier und ein einheitlicher cdna Gehalt in allen Ansätzen gewährleistet werden. Die Vorteile der Normalisierung der Expression gegen ein nicht reguliertes Housekeeping Gen liegt im Allgemeinen in der Reduktion der Varianz der Expressionsergebnisse. Durch diese Maßnahme können unterschiedliche RNA-Isolierungseffizienzen, Fehler bei der Reversen Transkriptase und Gewebe- und Matrixeffekte ausgeglichen werden, dass diese gleichermaßen das Housekeeping Gen und das Zielgen betreffen. Zur relativen Quantifizierung wurde die Ct-Methode nach Pfaffl verwendet. Um verlässliche Ergebnisse aus den q-pcr Daten zu erhalten, wurden im Folgenden Qualitätskriterien definiert. Die Ct-Werte der Doppelbestimmungen dürfen sich nicht mehr als 0,75 Ct-Werte unterscheiden und sollten vor dem 35. Zyklus erreicht werden. Für die Berechnung der relativen Expressionswerte der einzelnen Proben zueinander wurde eine Amplifikationseffizienz von 1,95 angenommen, die recht genau der getesteten Amplifikationseffizienz der verwendeten TaqMan-Assays entspricht. Expressionsunter-schiede wurden relativ zur Kontrollprobe angegeben. In diesem Zusammenhang wurde eine mindestens 5-fach stärkere Expression oder eine Expressionsabnahme auf 1/5 als aussagefähig eingestuft. Vorbereitung der Testproben für die ökotoxikologische Testung: Unmittelbar nach Eintreffen der Proben wurden diese im Original für die unterschiedlichen Tests eingesetzt. Als Kontrolle für die Exposition der Makrophyten und Daphnien diente das verwendete Kulturmedium. Ein Aliquot (150mL) der gelieferten Proben wurde als Rücklage für zwei Wochen im Kühlschrank bei +4 C gelagert um eventuelle Wiederholungen, vor allem für den Mutachromo Test und den umuc-test, durchzuführen Ergebnisse ökotoxikologischer Untersuchungen Wasserproben der Ozonungsanlage im Klärwerk Ruhleben Der verwendete Mutachromo Plate Kit erfasst die Aktivität potentiell mutagener Subtanzen in der gelieferten Wasserprobe. Es werden durch diesen Test Punktmutationen sichtbar gemacht. Im Vergleich zum herkömmlichen Plattentest gilt der durchgeführte Fluctuationstest als empfindlicher, da bis zu 75 % des Mediums mit der zu testenden Wasserprobe ersetzt werden kann. Zudem kann im herkömmlichen Test die zu testende Substanz oder Probe in die Agarplatten diffundieren und sich möglicherweise am Boden der Platte akkumulieren, dies ist im Flüssigtest nicht der Fall. 192

199 Der verwendete Umu Chromo Test Kit enthält speziell modifizierte Bakterien, deren DNA Reperatursystem ausgeschaltet wurde, so dass selbst kleinste Schäden an der DNA nicht repariert werden. Dies erhöht die Empfindlichkeit des Tests. Der UMU Promotor aktiviert selbst nicht das UMU System, stattdessen induziert er die Synthese eines Enzyms, welches dann für den Farbumschlag verantwortlich ist. Damit ist der Farbumschlag direkt korreliert mit den gentoxischen Schäden an der DNA des Bakteriums Mutachromo und Umu Chromo Test Tabelle 66: Ergebnisse der gelieferten Wasserproben von der Ozonungsanlage im Klärwerk Ruhleben mit Mutachromo-Test und umuc-test. Messstelle/Entnahmestelle Anzahl der Mutachromo-Test (AMES) umuc Beprobungen Ablauf Klärwerk 5 negativ negativ Ablauf Ozonung 6 negativ negativ Ablauf Zweischichtfilter 4 negativ negativ Ablauf Biologische Aktivkohle 5 negativ negativ Bestimmung der Aktivität von antioxidativen Enzymen Tabelle 67: Ergebnisse der gelieferten Wasserproben von der Ozonungsanlage im Klärwerk Ruhleben mit den oxidativen Stressenzymen. Negativ heißt, es lag weder eine Inhibierung noch eine Aktivierung der gemessenen Enzymsysteme im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle vor. Messstelle/Entnahmestelle Anzahl der GST CAT GPX GR Beprobungen Ablauf Klärwerk 5 negativ negativ negativ negativ Ablauf Ozonung 6 negativ negativ negativ negativ Ablauf Zweischichtfilter 4 negativ negativ negativ negativ Ablauf Biologische Aktivkohle 5 negativ negativ negativ negativ Bestimmung der Genexpression mittels qpcr (C. demersum und Daphnia magna) Tabelle 68: Ergebnisse der gelieferten Wasserproben von der Ozonungsanlage im Klärwerk Ruhleben auf Genebene in Ceratophyllum demersum mittels qpcr. Negativ bedeutet, im Vergleich zum Housekeeping-Gen β-actin konnte keine signifikante Steigerung der Genexpression festgestellt werden. Messstelle/Entnahmestelle Anzahl der CAT GPX GR CuZn SOD Beprobungen Ablauf Klärwerk 5 negativ negativ negativ negativ Ablauf Ozonung 6 negativ negativ negativ negativ Ablauf Zweischichtfilter 4 negativ negativ negativ negativ Ablauf Biologische Aktivkohle 5 negativ negativ negativ negativ 193

200 Tabelle 69: Ergebnisse der gelieferten Wasserproben von der Ozonungsanlage im Klärwerk Ruhleben auf Genebene in Daphnia magna mittels qpcr. Negativ bedeutet, im Vergleich zum Housekeeping-Gen β-actin konnte keine signifikante Steigerung der Genexpression festgestellt werden. Messstelle/Entnahmestelle Anzahl der CAT GPX Cu/Zn SOD Beprobungen Ablauf Klärwerk 5 negativ negativ negativ Ablauf Ozonung 6 negativ negativ negativ Ablauf Zweischichtfilter 4 negativ negativ negativ Ablauf Biologische Aktivkohle 5 negativ negativ negativ Die Untersuchungen der gelieferten Testproben aus dem Klärwerk Ruhleben mit Mutachromo Test, umuc-test, der photometrischen Bestimmung antioxidativer Enzyme in C. demersum und der Genexpression in einem pflanzlichen Organismus (C. demersum) und einem aquatischen Invertebraten (Daphnia magna) zeigten keine auffälligen schädigenden Effekte der Wasserproben Wasserproben der PAC-Pilotanlage Berlin Tegel Mutachromo und Umu Chromo Test Tabelle 70: Ergebnisse der gelieferten Wasserproben für die PAC Pilotanlage in Berlin Tegel mit Mutachromo- Test und umuc-test. Messstelle/Entnahmestelle Anzahl der Beprobungen Mutachromo-Test umuc (AMES) OWA Zulauf 15 negativ negativ OWA Kaskade 15 negativ negativ OWA Filterzulauf 15 negativ negativ OWA Filterablauf 14 negativ negativ Bestimmung der Aktivität von antioxidativen Enzymen Tabelle 71: Ergebnisse der gelieferten Wasserproben für die PAC Pilotanlage in Berlin Tegel mit den oxidativen Stressenzymen. Negativ heißt, es lag weder eine Inhibierung noch eine Aktivierung der gemessenen Enzymsysteme im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle vor. Messstelle/Entnahmestelle Anzahl der GST CAT GPX GR Beprobungen OWA Zulauf 15 negativ negativ negativ negativ OWA Kaskade 15 negativ negativ negativ negativ OWA Filterzulauf 15 negativ negativ negativ negativ OWA Filterablauf 14 negativ negativ negativ negativ Die Untersuchungen der gelieferten Testproben der PAC Pilotanlage mit Mutachromo Test, umuc- Test, der photometrischen Bestimmung antioxidativer Enzyme in C. demersum und der Genexpression in einem pflanzlichen Organismus (C. demersum) und einem aquatischen Invertebraten (Daphnia magna) zeigten keine auffälligen schädigenden Effekte der Wasserproben. 194

201 Bestimmung der Genexpression mittels qpcr (C. demersum und Daphnia magna) Tabelle 72: Ergebnisse der gelieferten Wasserproben für die PAC Pilotanlage in Berlin Tegel auf Genebene in Ceratophyllum demersum mittels qpcr. Negativ bedeutet, im Vergleich zum Housekeeping Gen β-actin konnte keine signifikante Steigerung/Inhibierung der Genexpression festgestellt werden. Messstelle/Entnahmestelle Anzahl der Beprobungen CAT GPX GR CuZn SOD OWA Zulauf 15 negativ negativ negativ negativ OWA Kaskade 15 negativ negativ negativ negativ OWA Filterzulauf 15 negativ negativ negativ negativ OWA Filterablauf 14 negativ negativ negativ negativ Tabelle 73: Ergebnisse der gelieferten Wasserproben für die PAC Pilotanlage in Berlin Tegel auf Genebene in Daphnia magna mittels qpcr. Negativ bedeutet, im Vergleich zum Housekeeping-Gen β-actin konnte keine signifikante Steigerung/Inhibierung der Genexpression festgestellt werden. Messstelle/Entnahmestelle Anzahl der Beprobungen CAT GPX Cu/Zn SOD OWA Zulauf 15 negativ negativ negativ OWA Kaskade 15 negativ negativ negativ OWA Filterzulauf 15 negativ negativ negativ OWA Filterablauf 14 negativ negativ negativ Statistik für alle angewendeten Testsysteme Die statistische Auswertung wurde mit dem Programm GraphPad Prism 6 (GraphPad Software Inc., La Jolla, USA) durchgeführt. Die Daten wurden auf Normalverteilung (D'Agostino & Pearson) und Varianzhomogenität (Brown-Forsythe) überprüft. ANOVA (Varianzanalyse), kombiniert mit Dunnett's Posthoc-Test wurde durchgeführt, um signifikante Unterschiede zwischen der Kontrollgruppe und den verschiedenen Expositions-Gruppen (p<0,05) zu überprüfen. Die ökotoxikologischen Untersuchungen haben mit unterschiedlichen Endpunkten und Testverfahren versucht, bei der Einschätzung einer potentiellen Gefahrensituation der einzelnen getesteten Verfahren in den Kläranlagen Daten für Entscheidungen zu liefern. Dabei wurden neben den hinlänglich bekannten Test wie den Mutachromo und umuc-test, die bei das mutagene und gentoxische Potential einer Probe aufzeigen sollen, auch neue Biotestverfahren eingesetzt. Gerade die Aktivitätsbestimmung der antioxidativen Enzyme wurde anfangs als vielversprechend angesehen. Die Aktivität der Enzyme wurde in der aquatischen Makrophyte Ceratophyllum demersum untersucht. Diese Pflanze kommt ubiquitär auf der Welt vor und zeigt im Labor auch als Kultur über Monate hinweg ausreichende Empfindlichkeit gegenüber Stressoren, bsp. auch Substanzen, die oxidativen Stress auslösen können (Pflugmacher 2004). Parallel dazu hat sich gezeigt, dass die Genexpression dieser antioxidativen Enzyme ebenfalls ein guter Marker für Stresssituationen darstellt (Kamara and Pflugmacher 2007). Deshalb wurde für einige der antioxidativen Enzyme (CAT, GPX, GR, Cu/ZnSOD) diese Möglichkeit der Genexpression als empfindliches Biotestinstrument in der Makrophyte C. demersum untersucht. Die hierfür verwendeten Primer wurden früheren Arbeiten (Kamara and Pflugmacher 2007) entnommen. Zusätzlich wurde die Genexpression der antioxidativen Enzyme auch in Daphnia magna untersucht, gilt 195

202 dieser Organismus als Standard in der Ökotoxikologie. Aus der Sicht der Ökotoxikologie, zeigen alle Verfahren, dass die untersuchten Proben unauffällig sind. Die wenigen positiven Proben (insgesamt 8 % bei Mutachromo und umuc-test; 5 % bei qpcr mit beiden Organismen) konnten in den angesetzten Wiederholungen nicht verifiziert werden. Gerade bei der Untersuchung der Genexpression wäre weitere Optimierung notwendig und möglich gewesen, dies konnte aber im Rahmen des Projektes nicht geleistet werden. 196

203 4.2 Humantoxikologie Biotestverfahren werden zunehmend zur Erfassung und Bewertung möglicher Gefährdungspotenziale von Trinkwasseraufbereitungsverfahren eingesetzt (Happel et al. 2013). Dies liegt im Wesentlichen in zwei Aspekten begründet. Zum einen werden durch die moderne Gerätetechnik der LS-MS/MS-Spurenanalytik immer mehr Substanzen nachgewiesen. Sie bedürfen nach ihrer Detektion im Trinkwasser einer zeitnahen toxikologischen Bewertung. Zum anderen ist bei den kostenintensiven Aufbereitungsverfahren und der technischen Logistik anzustreben, dass prozessbezogene Gefährdungspotenziale frühzeitig erfasst werden. Die toxikologischen Untersuchungen im aktuellen Projekt fokussieren auf den biologischen Endpunkt Gentoxizität als dem wesentlichen Mechanismus in der Krebsentstehung. Gentoxizität ist der prioritäre Bewertungsparameter im Trinkwasser und im Wasserkreislauf generell. Die derzeitigen festgeschriebenen Teststrategien zur Prüfung auf Gentoxizität basieren auf umfangreichen Datenbanken aus der Arzneimittelprüfung und Stoffbewertung. Gegenwärtig wird der Einsatz von zwei In-vitro-Testverfahren (Ames- und Mikrokerntest) als ausreichend sicher angesehen, um gentoxische Kanzerogene zu erfassen. Nichtgentoxische Kanzerogene wirken vorrangig über zytotoxische Mechanismen. Auf diesen beiden Endpunkten (Gentoxizität und Zytotoxizität) basiert die projektbezogene Teststrategie. Neben Ames- und Mikrokerntest werden deshalb auch zytotoxische Mechanismen über die Untersuchung von Nekrose, Apoptose, Zellmorphologie und oxidativem Stress nachgewiesen. Durch die Weiterentwicklung der Zellkulturtechniken können Zelllinien eingesetzt werden, die mit dem Begriff humanifizierte Zelllinien in der wissenschaftlichen Literatur zitiert werden. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie menschliche Enzymmuster exprimieren. Damit lassen sich Aussagen zur Humanrelevanz von Schadstoffen sicherer treffen. Dieser Gesichtspunkt ist vor allem unter dem Aspekt der Kosten-Nutzen-Analyse von großer Bedeutung. Interne Untersuchungen zeigen, dass die Standardverfahren im Vergleich zur Verwendung von humanifizierten Zelllinien tendenziell mehr positive Befunde erzeugen. Dieser Unterschied ist darin begründet, dass die Standardverfahren vorrangig unter dem Gesichtspunkt einer hohen Sensitivität entwickelt wurden. Diese Sensitivität zum Nachweis krebserzeugender Substanzen in der Arzneimittel- und Stoffzulassung ist notwendig, um die hier geltenden hohen Sicherheitsstandards zu erfüllen. Für Verfahrensprozesse im Trinkwasserbereich, deren Ausrichtung und Optimierung mit hohen Kosten und meist mit viel Zeitaufwand verbunden sind, muss eine schnelle Abklärung der Humanrelevanz von positiven Befunden aus Standardverfahren erfolgen, um eine toxikologische Überbewertung anthropogener Spurenstoffe und einen daraus resultierenden unnötigen Kostenaufwand zu vermeiden. Dieser Argumentation wird im aktuellen Projekt gefolgt. In den beiden In-vitro-Testverfahren der Gentoxizitätsprüfung werden humanifizierte Systeme eingesetzt (Ames-Test: humane Leberfraktion, Mikrokerntest: HepaRG TM ). Diese Systeme entgiften in der Regel über leistungsfähige Enzymmuster die Mehrzahl der Substanzen. In einigen Fällen werden Stoffe aber auch gegiftet. Der prominenteste Vertreter im Trinkwasserbereich dafür ist NDMA (N-Nitrosodimethylamin), welches während der Ozonung aus N,N-Dimethylsulfamid (DMS), einem Metaboliten des fungiziden Wirkstoffs Tolylfluanid, entsteht. NDMA ist seit längerem als human-kanzerogene Substanz eingestuft. Sie konnte in Trinkwasserproben durch den Einsatz eines Biotests mit einer humanifizierten Zelllinie in umweltrelevanten Konzentrationen nachgewiesen werden. Damit ist belegt, dass humanifizierte Zelllinien durchaus geeignet sind, Aussagen zur Humanrelevanz von Schadstoffen abzusichern. 197

204 Entsprechend der Zielstellung des Gesamtverbundes ASKURIS wurde die Humanrelevanz von möglichen Gefährdungspotenzialen in Abhängigkeit von verschiedenen Verfahrenskombinationen abgeklärt Toxikologisches Untersuchungsprogramm Das toxikologische Untersuchungsprogramm richtete sich am inhaltlichen Messprogramm des Gesamtverbundes aus und folgte in seiner Beprobung diesem Untersuchungsplan. In Tabelle 74 sind die Messstellen, Entnahmestellen und die Häufigkeit der Beprobung aufgeführt. Zusätzlich wurden Proben von Pilotversuchen des Projektes IST4R im Klärwerk Münchehofe untersucht. Tabelle 74: Mess-/Entnahmestellen im Projekt. Messstelle/Entnahmestelle Ozonungsanlage im Klärwerk Ruhleben, Berlin Anzahl Beprobungen Ablauf Klärwerk 11 Ablauf Ozonung 12 Ablauf Zweischichtfilter 12 Ablauf Biologische Aktivkohle 12 PAC-Pilotanlage in der OWA Tegel Oberflächenwasser-Aufbereitungsanlage (OWA), Zulauf 11 Oberflächenwasser-Aufbereitungsanlage (OWA), Kaskade 12 Oberflächenwasser-Aufbereitungsanlage (OWA), Filterzulauf 12 Oberflächenwasser-Aufbereitungsanlage (OWA), Filterablauf 11 Ozonungsanlage Klärwerk Münchehofe, Berlin Hoppegarten Kläranlage Ablauf 10 Ablauf Ozonung 10 Ablauf Zweischichtfilter nach Ozonung (Ablauf Filter 1) 10 Ablauf Zweischichtfilter nach Pulverkohledosierung (Ablauf Filter 2) 10 Ablauf Zweischichtfilter nach granuliertem Aktivkohlefilter (Ablauf Filter 3) 1 Die Auswahl der Testverfahren folgt dem neuen methodischen Konzept in der regulativen Toxikologie, nachdem eine Kombination von In-vitro-Testverfahren hinreichend sichere Aussagen zur Charakterisierung der toxikologischen Wirkmechanismen liefert. Die Untersuchungen fokussieren auf den biologischen Endpunkt Gentoxizität unter Einbeziehung zytotoxischer Wirkungen Vorbereitung der Testproben für die Toxizitätstestung Unmittelbar nach dem Probeneingang werden ph-wert und Osmolalität der Wasserproben bestimmt. Zur Durchführung der Toxizitätstests werden 50 ml Wasser je Probe durch Filtration mit 0,2 µm Spritzenfilter keimfrei gemacht und in 10 ml Aliquots abgefüllt. Die Toxizitätstestung erfolgt unmittelbar nach Probenaufbereitung. Für einen kürzeren Zeitraum von ca. zwei Wochen (u. a. für Wiederholungen) erfolgt die Lagerung dieser Proben im Kühlschrank. Für eine längere Lagerungszeit (u. a. für weiterführende Untersuchungen bei Positivbefunden) werden die Proben bei -20 C eingefroren. Zur Kontrolle eines eventuellen Effektes durch die Verdünnung des Zellkulturmediums bei Zugabe der Testwässer, die in den zellbasierten Testverfahren ab einer Verdünnung von 1:2 untersucht werden, wird 198

205 Elsteraner Leitungswasser als geeignetes Kontrollwasser mitgeführt. Das Elsteraner Leitungswasser weist eine geringe Hintergrundaktivität in den biologischen Testverfahren auf Übersicht der verwendeten Zellkulturen Es werden humane Zelllinien eingesetzt, die ihren Ursprung in unterschiedlichen Organen haben und sich durch eine hohe Sensitivität für die mit den entsprechenden Testverfahren nachzuweisenden zellulären Veränderungen auszeichnen (Donato et al. 2008). Eine Übersicht der verwendeten Zelllinien zeigt Tabelle 75. Tabelle 75: Verwendete Zelllinien und deren Herkunft. Zelllinie Ursprungsorgan Testverfahren Herkunft Jurkat Blut - Nekrosenachweis (PI) - ROS-Nachweis (DHE) Leibniz-Institut, DSMZ, Braunschweig - MMP-Nachweis (TMRE) U-937 Blut - Apoptosenachweis (CDD + -ELISA) Leibniz-Institut, DSMZ, Braunschweig HepaRG TM Leber - RTCA-Impedanzmessung - ROS-Nachweis (DCFH-DA) - Mikrokerntest (Flowzytometer) Fisher Scientific, Nidderau HepG2 Leber - RTCA-Impedanzmessung - ROS-Nachweis (DCFH-DA) - Mikrokerntest (Flowzytometer) Leibniz-Institut, DSMZ, Braunschweig Nachweis von Präkursor-Ereignissen Das Ziel der Untersuchungen von zellulären Veränderungen, die unter der Bezeichnung Präkursor- Ereignisse zusammengefasst werden, ist es, Daten zu gewinnen, die Vorläufermechanismen für die Entwicklung von Gentoxizität darstellen und auf Prozesse der Krebsentstehung hinweisen können. Das durchgeführte Messprogramm mit zellbasierten Testverfahren ist als ein Frühwarnsystem einzuschätzen (Boekelheide and Campion 2010). Die Einbeziehung von Präkursor-Faktoren erfolgt im Wesentlichen aus zwei Gründen. Zum einen erlaubt die Entwicklung der Messtechnik eine immer spezifischere Sicht auf die physiologischen Prozesse der Zellen. Zum anderen wird angenommen, dass die zu beobachtenden Effekte im Niedrigdosis-Bereich nicht unmittelbar zum adversen Effekt (hier: Gentoxizität als Mechanismus der Krebsentstehung) führen, sondern zunächst Vorläufermechanismen induzieren und dann über die Zeit bei anhaltender Exposition zur Schadwirkung führen. Zu den im Projekt gemessenen Vorläufermechanismen zählen Nekrose und Apoptose, Untersuchungen zur Entwicklung von oxidativem Stress und morphologischen Veränderungen. Für die nachfolgende Methodenbeschreibung wird bei Vorliegen von Standardprotokollen und messtechnisch vorgegebenen Protokollen auf diese verwiesen. Eine ausführlichere Methoden-beschreibung erfolgt nur bei laboreigenen Protokollen. 199

206 Nachweis von Nekrose mit dem Fluoreszenzfarbstoff Propidiumiodid (PI) Im Verlauf des Zelltodes durch Nekrose kommt es zum Flüssigkeitseinstrom in die Zellen. Dadurch erfolgt eine Volumenzunahme der Zellen und dabei eine Schädigung und letztendlich ein Bersten der Zellmembran. Testprinzip: Der Zytotoxizitätstest mittels PI zum Nachweis von nekrotischen Zellen basiert auf dem Unvermögen dieses Fluoreszenzfarbstoffes, die intakte Zellmembran vitaler Zellen zu durchdringen. In nekrotische Zellen mit geschädigter Zellmembran kann der Farbstoff eindringen und im Zellkern mit der DNA interkalieren. Dadurch werden diese Zellen durch Rotfluoreszenz markiert. Testansatz: Zum Nekrosenachweis mit PI werden Jurkat-Zellen eingesetzt (Abbildung 143). Die Jurkat- Zelllinie wurde aus einem menschlichen T-Zell-Lymphom etabliert. Abbildung 143: Suspensionskultur von unbelasteten Jurkat-Zellen. Ein Testansatz beinhaltet unbelastete Zellen, mit dem entsprechenden Lösungsmittel belastete Zellen, eine Positivkontrolle und mit den Testproben belastete Zellen. Bei der Untersuchung von Testwässern werden Zellen als Lösungsmittelkontrolle mit einem entsprechenden Volumen des Leitungswassers aus Bad Elster belastet. Als Positivkontrolle wird Manganchlorid (MnCl 2 ) in einer nekrotisch wirkenden Endkonzentration von 1,5 mm verwendet. Testdurchführung: Nach einer Belastungszeit von 24 h wird die Zellsuspension aus den Kavitäten der Multiwellplatte in 5 ml Röhrchen überführt, die für die Untersuchung am Flowzytometer geeignet sind. Die Röhrchen werden zentrifugiert, der Zellkulturüberstand wird verworfen und alle Zellen werden einmal mit 2 ml phosphatgepufferte Salzlösung (PBS) gewaschen. Danach erfolgt die Resuspension der Zellen in 1 ml RPMI Zellkulturmedium ohne Phenolrotzusatz. Die optimale Endkonzentration des Fluoreszenzfarbstoffes PI liegt bei 5 10 µg/ml. Die Zellsuspension wird nach der Zugabe von PI 15 min im Dunklen inkubiert. Dann werden die Zellen mittels des Flowzytometers FACSCalibur TM, BD Biosciences, Heidelberg untersucht. Das Flowzytometer ist mit einem Computer verbunden und wird über die gerätespezifische Software CellQuest gesteuert. Auswertung: CellQuest gestattet die Bestimmung des prozentualen Anteils rotfluoreszierender, d. h. nekrotischer Zellen je Zellen. Dabei werden Histogramme zur Darstellung der Messungen verwendet. 200

207 Nachweis von Nekrose, Zellproliferation und veränderter Zellmorphologie mit dem Real- Time Cell Analyzer (RTCA) Der Real-Time Cell Analyzer (ACEA Biosciences, San Diego, USA) erfasst Veränderungen der Morphologie und der Anzahl der Zellen durch die kinetische Messung der Impedanz (Wechselstromwiderstand) der kultivierten Zellen, wie bei Atienza et al. (2006) detailliert beschrieben. Der Vorteil dieses Messverfahrens gegenüber den Zytotoxizitätstests durch die Anwendung von Farbstoffen ist, dass außer der Zugabe der zu testenden Proben keine weiteren Zusätze oder andere Manipulationen an den Zellen erforderlich sind. Ein weiterer Vorteil ist, dass keine Endpunktmessung nach Beendigung der Exposition erfolgt, sondern während der gesamten Expositionsdauer die Impedanz der Zellkultur als Messparameter registriert wird. Dazu ist die Anwendung von speziellen, für den RTCA entwickelten Multiwellplatten erforderlich. Testprinzip: Zur Untersuchung der Wirkung der Testproben werden adhärente, d. h. an Oberflächen anwachsende Zellkulturen, eingesetzt. In Abhängigkeit von Zellzahl und Zellmorphologie verändert sich deren Impedanz, die über ein goldbeschichtetes Gitternetz vom Boden der für den Testansatz verwendeten speziellen 96-Multiwellplatte abgeleitet wird. Testansatz: Die Testproben werden mit diesem Testverfahren an den zwei humanen Leberkrebszelllinien HepG2- und HepaRG TM -Zellen untersucht (Abbildung 144). HepaRG TM -Zellen zeichnen sich im Vergleich zu HepG2-Zellen durch eine höhere metabolische Kompetenz aus und sind somit näher am menschlichen Stoffwechsel (Jetten et al. 2013, Tsuji et al. 2014). Sie werden mit William s E Medium nach Zugabe der von der Firma empfohlenen Zusätze zur optimalen Kultivierung und Differenzierung für die Toxizitätstestung kultiviert. Abbildung 144: Adhärent wachsende humane Leberkrebszellen mit HepG2-Zellen (links) und HepaRG TM - Zellen (rechts). Testdurchführung: In die für den RTCA erforderlichen 96-Multiwellplatten werden HepG2- oder HepaRG TM - Zellen eingesät. Dabei werden 100 µl des jeweiligen Zellkulturmediums vorgelegt und 100 µl Zellsuspension mit 1 2x10 4 Zellen/Well zugegeben. Die RTCA-Station ist im Brutschrank bei 37 C und 5 % CO 2 stationiert. Die Zellen adhärieren während 20-stündiger Inkubation. Anschließend wird das Medium aus allen Kavitäten abgesaugt und sofort durch jeweils 100 µl frisches Zellkulturmedium ersetzt. Dazu erfolgt die Zugabe von 100 µl der Testproben, Lösungsmittel-kontrollen, Negativkontrollen oder Positivkontrollen. Die RTCA-Station im Brutschrank ist über ein flexibles Kabel mit dem Basisgerät 201

208 des RTCA verbunden. Vor dem Start eines Tests werden der Belegungsplan und die Anzahl der Parallelbestimmungen festgelegt sowie die Intervalle für die Messung der Impedanz jeder Kavität für die Gesamtdauer der Belastung. Auswertung: Für die Auswertung ist die Software RTCA TM erforderlich. Aus den Messwerten der Impedanz, die in den festgelegten Zeitintervallen erfasst und in einem Diagramm gegen die Zeit dargestellt werden, kann für jede Testprobe der Anstieg ermittelt werden. Dieser wird durch den Wert, der für das entsprechende Lösungsmittel ermittelt wurde, zur Berechnung eines Quotienten dividiert. Alle Testproben werden mindestens in drei Testansätzen untersucht und es werden Mittelwert und Standardabweichung der Quotienten berechnet. Ein Mittelwert 1 zeigt an, dass die Testprobe keine Wirkung auf die Zellen hat. Ein Quotient <0,7 zeigt Wirkungen auf die Vitalität und/oder die Morphologie der Zellen an Nachweis des Zelltodes durch Apoptose Neben dem Zelltod durch Nekrose werden im Organismus ständig Zellen über Prozesse abgebaut, die als programmierter oder physiologischer Zelltod oder als Apoptose bezeichnet werden (Abbildung 145). Abbildung 145: Darstellung der zellulären Veränderungen im Verlauf der Apoptose (Quelle: Roche Applied Science. Apoptosis, Cell Death and Cell Proliferation 3 rd edition, Roche Diagnostics GmbH, Mannheim) Zur Untersuchung von Testproben auf apoptotische Wirkungen werden zwei Verfahren, der Nachweis von Veränderungen des Mitochondrienmembranpotenzials und der Nachweis des DNA-Abbaus zu Nukleosomen, eingesetzt Nachweis von Veränderungen des Mitochondrienmembranpotenzials (MMP) mit Tetramethylrhodaminethylester (TMRE) Testprinzip: Der Verlust des mitochondrialen Membranpotenzials durch Porenbildung in der Mitochondrienmembran gehört zu den frühesten Ereignissen in der Kaskade der apoptotischen Prozesse. Der Nachweis kann einfach und schnell mit dem rotfluoreszierenden TMRE erfolgen (Mitra and Lippincott-Schwartz 2010). TMRE ist ein membranpermeabler, kationischer Fluoreszenzfarbstoff, der sich in Mitochondrien mit intaktem Membranpotenzial ansammelt. Die Anhäufung von TMRE führt zur Löschung (Quenchen) der Fluoreszenz. In apoptotischen Zellen diffundiert der Farbstoff jedoch aus den Mitochondrien heraus ins Zellplasma und damit kommt es zur Rotfluoreszenz dieser Zellen. Testansatz: Die Testung erfolgt mit Jurkat-Zellen. Es wird eine Suspension mit 0,5x10 6 Zellen/ml in RPMI Zellkulturmedium mit 10 % FCS hergestellt und je Kavität werden 0,5 ml in eine 24-Multiwell- 202

209 platte eingesät. Zu jeder Kavität werden 0,5 ml Testprobe, Medium (Negativkontrolle), in Medium gelöste Positivkontrolle oder Kontrollwasser zugegeben. Als Positivkontrolle wurde tert-butylhydroperoxid (TBHP) eingesetzt. Testdurchführung: Nach 24 h Exposition werden die Zellen in Röhrchen überführt, die zur Messung am Flowzytometer geeignet sind und 5 Minuten bei 1200 Umdrehungen pro Minute zentrifugiert. Danach werden die Zellen durch Zugabe von 2 ml PBS pro Röhrchen gewaschen und nach Zentrifugation in 0,5 ml PBS resuspendiert. Der Fluoreszenzfarbstoff TMRE wird zu einer 25 µm Stammlösung in DMSO gelöst. Diese Stammlösung wird mit PBS verdünnt und 500 µl dieser Verdünnung werden zu den 500 µl Zellsuspension gegeben, so dass eine TMRE Endkonzentration von 50 nm vorliegt. Nach einer Einwirkungsdauer von 10 Minuten kann diese Suspension unmittelbar im Flowzytometer gemessen werden, wobei das Flowzytometer FACSCalibur TM, BD Biosciences, Heidelberg genutzt wird. Auswertung: Durch die Anwendung der Software CellQuest wird der prozentuale Anteil rotfluoreszierender Zellen, d. h. von Zellen mit gestörtem MMP je Zellen ermittelt Nachweis des DNA-Abbaus zu Nukleosomen mit dem Cell Death Detection-ELISA Das zweite Verfahren zu apoptotischen Wirkungen erfolgt unter Anwendung des CDD + -ELISA-Kit, Roche, Mannheim, Katalog-Nr , zum Nachweis des programmatischen DNA-Abbaus zu Nukleosomen. Testprinzip: Der apoptotische Zelltod ist durch die systematische Spaltung der DNA im Bereich der Linker-DNA unter Freisetzung von Mono-und Oligonukleosomen gekennzeichnet. Diese charakteristischen Fragmente der genomischen DNA sind DNA-Histon Komplexe, die das CDD + - ELISA-Kit durch den Einsatz von zwei monoklonalen Antikörpern gegen DNA und Histone, nachweist. Dabei ist Anti-Histon mit Biotin gekoppelt und Anti-DNA mit Peroxidase. Durch Zugabe eines Peroxidasesubstrates erfolgt die Bildung eines farbigen Reaktionsproduktes in Abhängigkeit von den nachgewiesenen Nukleosomen. Dieses Reaktionsprodukt kann photometrisch gemessen werden. Testansatz: Für die Testung mit dem CDD + -ELISA werden Zellen der U-937-Zelllinie verwendet, die aus einem menschlichen histiozytären Lymphom etabliert wurde. Die Testdurchführung und -auswertung folgen der Arbeitsvorschrift, die dem Testkit beigelegt ist Untersuchung von Reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) zur Erfassung von oxidativem Stress Zum Nachweis intrazellulärer Toxizitätsmechanismen werden zellbasierte Testverfahren zur Erfassung von oxidativem Stress durchgeführt. Als oxidativer Stress wird eine Stoffwechsellage der Zellen bezeichnet, die unter anderem durch eine das physiologische Ausmaß überschreitende Konzentration reaktiver Sauerstoffverbindungen (reactive oxygen species, ROS) gekennzeichnet ist. Die verschiedenen reaktiven Sauerstoffverbindungen, die während der Zellatmung innerhalb der mito-chondrialen Elektronentransportkette ständig gebildet werden, sind unter Abbildung 146 aufgeführt. Die Ursache für erhöhte ROS-Konzentrationen ist eine Störung des normalerweise in den Zellen bestehenden Gleichgewichtes von Oxidantien und Antioxidantien. 203

210 Abbildung 146: Übersicht über die Gruppe der reaktiven Sauerstoffspezies (Quelle: Durch das abgestimmte Wirken von Oxidantien und Antioxidantien wird die Konzentration an ROS auf einem niedrigen Niveau gehalten und sie wirken steuernd auf physiologische zelluläre Abläufe. Eine Störung dieses Gleichgewichts und damit erhöhte ROS-Konzentrationen können auch durch die Wirkung verschiedener chemischer Stoffe verursacht werden und die intrazelluläre Entwicklung von oxidativem Stress auslösen. So verursacht z. B. die Einwirkung von tert-butylhydroperoxid, einem organischen Peroxid, als Positivkontrolle über eine Dauer von 24 h eine konzentrationsabhängige Zunahme an ROS in Jurkat-Zellen. Mit dem Nachweisreagenz Dihydroethidium kann das unter dem Fluoreszenzmikroskop gezeigt werden (Abbildung 147). Zur Untersuchung der Zellen auf ROS werden die Reagenzien Dihydroethidium (DHE) und 2,7 -Dichloro-Dihydro-Fluorescein Diacetat (DCFH-DA) angewendet, wie bei Mezencev et al. (2011) und Tobwala et al. (2015) beschrieben ROS-Nachweis (Superoxid-Anion) mit Dihydroethidium (DHE) Mit dem Nachweisreagenz DHE wird von den unter Abbildung 147 gezeigten ROS-Entwicklungen vor allem das Superoxid-Anion nachgewiesen. 25 µm tert-butylhydroperoxid 50 µm tert-butylhydroperoxid 100 µm tert-butylhydroperoxid Abbildung 147: Fluoreszenzmikroskopische Untersuchung der Wirkung von tert-butylhydroperoxid auf die ROS (Superoxid) Entwicklung in Jurkat-Zellen, ROS-Nachweis mit Dihydroethidium. Testprinzip: Zum Nachweis intrazellulärer ROS wird ein Verfahren unter Anwendung eines zellpermeablen, chemisch reduzierten Ethidiumderivates eingesetzt. Dieses als DHE oder Hydro-ethidium (HE) bezeichnete Reagenz wird durch ROS oxidiert. Das in unveränderter Form in die Zellen eindringende DHE führt zu einer blauen Fluoreszenz, während die oxidierten Derivate mit der zellulären DNA interkalieren und den Zellkern durch eine breite rote Fluoreszenz markieren. Durch Untersuchungen mittels 204

211 HPLC konnte nachgewiesen werden, dass die Oxidation von Dihydroethidium nicht nur zur Bildung von Ethidium führt, sondern auch 2-Hydroxyethidium entsteht. Die Bildung von 2-Hydroxyethidium ist dabei vor allem auf die Wirkung von Superoxid zurückzuführen. Die rotfluoreszierenden Zellen werden mittels Flowzytometrie erfasst (Harrison-Findik et al. 2006). Testansatz: Die Untersuchung von Veränderungen der intrazellulären ROS-Konzentrationen unter Einwirkung von Testproben erfolgt an Jurkat-Zellen. Für die Durchführung des Testverfahrens wird eine Zellsuspension mit 1x10 6 /ml vitalen Jurkat-Zellen in RPMI Zellkulturmedium mit 10 % FCS und ohne Zusatz von Phenolrot hergestellt. Jeweils 1 ml dieser Zellsuspension wird pro Kavität in 24-Multiwellplatten eingesät und mit den Testwässern belastet. Als Negativkontrollen dienen unbelastete und mit dem entsprechenden Lösungsmittel belastete Zellen. Bei der Untersuchung von Wasserproben wird das entsprechende Volumen an Kontrollwasser als Negativkontrolle verwendet. Als Positivkontrollen für den Nachweis von ROS werden 1,5 mm Sin-1 (3-Morpholinosydnoni-min hydrochlorid) und 50 µm bzw. 100 µm tert-butylhydroperoxid eingesetzt. Die Belastungsdauer der Zellen mit den Testproben beträgt 24 h. Testdurchführung: Nach der Belastung der Zellen mit den zu untersuchenden Proben werden die Multiwellplatten zur Abtrennung des Zellkulturüberstands zentrifugiert, die Zellen mit PBS gewaschen und in frischem RPMI Zellkulturmedium aufgenommen. Zu 1 ml Zellsuspension werden jeweils 10 µl einer 500 µm Stammlösung des Fluoreszenzfarbstoffes gegeben, um eine Endkonzentration von 5 µm DHE zu erhalten. Die Fluoreszenzmessung erfolgt mittels eines Flowzytometers (FACSCalibur TM, Firma BD Biosciences, Heidelberg). Auswertung: Die mit dem Flowzytometer auf ihre Fluoreszenz untersuchten Zellen werden unter der Anwendung der Software CellQuest als DotBlot dargestellt. Über eine Quadrantenstatistik wird der prozentuale Anteil rotfluoreszierender und nicht fluoreszierender Zellen berechnet ROS-Nachweis mit 2,7 -Dichloro-Dihydro-Fluorescein Diacetat (DCFH-DA) DCFH-DA ist ein extrem sensitives Reagenz zum intrazellulären Nachweis von ROS und wird deshalb sehr häufig bei Untersuchungen auf oxidativen Stress eingesetzt. Testprinzip: Das Testverfahren mit DCFH-DA basiert auf der Spaltung des Reagenzes durch ROS in grünfluoreszierendes DCF, das fluorimetrisch gemessen werden kann (Bolt et al. 2009, Takanashi et al. 1997). DCFH-DA ist membranpermeabel und diffundiert in die Zellen. Intrazellulär wird es durch Esterasen deacetyliert. Dadurch verliert es seine Membrangängigkeit und verbleibt intrazellulär. Intrazelluläre ROS spalten DCFH zu DCF. Testansatz: Für dieses Testverfahren werden schwarze 96-Multiwellplatten mit transparentem, flachem Boden verwendet, die mit dem Fluoreszenz-Plattenphotometer Genios, Tecan, Crailsheim, gemessen werden. Das Testverfahren wird mit HepG2-Zellen und HepaRG TM -Zellen durchgeführt. Zur Testung werden Zellsuspensionen mit 0,5 x 10 6 Zellen/ml hergestellt und mit 200 µl je Kavität in die Multiwellplatten eingesät. Zur optimalen Adhärenz werden die Zellen 24 h mit 5 % CO 2 bei 37 C im Brutschrank kultiviert. Testdurchführung: Die Kulturüberstände der adhärierten Zellen werden verworfen und die Zellen dreimal mit PBS gewaschen.danach werden je Kavität 100 µl PBS mit 20 µm DCFH-DA zugegeben und 205

212 die Zellen zur Beladung mit dem Reagenz 45 Minuten bei 37 C inkubiert. Nach der Beladung der Zellen wird der Überstand verworfen und die Zellen werden dreimal mit PBS gewaschen. Nachfolgend werden je Kavität 100 µl Kulturmedium ohne Phenolrot einpipettiert. Dazu werden jeweils 100 µl Testproben, Positivkontrollen (wie bei dem ROS-Nachweis mit DHE beschrieben) oder Kulturmedium als Negativkontrolle bzw. eine entsprechende Lösungsmittelverdünnung oder Elsteraner Leitungswasser als Lösungsmittelkontrolle zugegeben. Wenn die Testproben erhöhte ROS-Konzentrationen auslösen, dann wird mehr DCFH zu DCF gespalten und es wird eine verstärkte Fluoreszenz gemessen ( Genios, Tecan, Crailsheim) bei 485 nm Anregung und 535 nm Emission. Auswertung: Das Fluoreszenz-Plattenphotometer Genios ist mit einem Computer verbunden und wird mit Hilfe der gerätespezifischen Software Magellan gesteuert. Die gewonnenen Messwerte sind Relative Fluoreszenzeinheiten (RFU), die über eine Eichkurve in Absolutwerte (nm) des Fluoreszenzfarbstoffes 2,7 -Dichlorfluorescein (DCF) umgerechnet werden. Durch Erstellung einer DCF-Eichkurve erfolgt eine quantitative ROS-Bestimmung in nm DCF Nachweis von Gentoxizität In der klassischen Gentoxizitätsprüfung sind international weitgehend standardisierte und harmonisierte Teststrategien festgeschrieben (OECD 1984). Sie sind im Prinzip hierarchisch strukturiert, weil man davon ausgeht, dass ein Testsystem allein nicht ausreicht, das mögliche gentoxische Potenzial einer Substanz ausreichend sicher voraussagen zu können. Mit zwei bis drei In-vitro-Verfahren verschiedener biologischer Endpunkte (Gen- und Chromosomenmutationen) können die primären Mechanismen der Gentoxizität ausreichend sicher identifiziert werden. Durch Auswertung der umfangreichen Daten in der Stoffbewertung und Arzneimittelprüfung wurde belegt, dass in der Kombination der zwei In-vitro-Testverfahren Ames- und Mikrokerntest mehr als 90 % der gentoxischen Kanzerogene (Nagetierversuche) erfasst werden (Kirkland et al. 2011). Beide Verfahren kommen im aktuellen Projekt zum Einsatz. Salmonella/Mikrosomen-Test (Ames-Test): Der Ames-Test folgt in seinem Ablauf und seiner Bewertung der DIN Seit seiner Einführung in den siebziger Jahren hat sich der Salmonella/Mikrosomen-Test (Ames-Test) zu dem Basistest in der Gentoxizitätsprüfung entwickelt. Der Ames-Test ist ein weltweit akzeptierter Screeningtest zum Nachweis von sogenannten Punktmutationen. Projektbezogen (Abklärung der Humanrelevanz) wurden neben dem üblichen metabolisierenden System (Rattenleberhomogenat) humane Leberfraktionen einbezogen, die über die Firma Trinova Biochem GmbH bezogen wurden. Mikrokerntest: Der Mikrokerntest ist ein zytogenetischer Test zur Erkennung von DNA-Schäden auf chromosomaler Ebene in sich teilenden Zellen. Mit ihm können Zellen identifiziert werden, die auf Grund von Chromosomenbrüchen und -verlusten nicht mehr in der Lage sind, das Erbmaterial zu gleichen Teilen auf die beiden Tochterkerne zu verteilen. Die Chromosomenfragmente, die bei der Zellteilung nicht in einen der beiden Tochterzellkerne integriert werden, kondensieren zu einem oder mehreren sogenannten Mikrokernen. Die Anzahl der Mikrokerne kann als ein Maß für den schädlichen Einfluss einer Chemikalie auf die Zelle angesehen werden. Der Mikrokerntest existiert in verschiedenen Varianten. Im aktuellen Projekt wurde für den Nachweis von Mikrokernen die Flowzytometrie eingesetzt. 206

213 Das In-vitro-MicroFlow-Testkit wurde für die flowzytometrische Erfassung der Mikrokerne in Säugerzellkulturen entwickelt. Es ist ein effektives und schnelles Verfahren, bei dem eine Zweifarben-Markierungstechnik angewendet wird. Das Testprotokoll folgte der Testvorschrift nach In-vitro-MicroFlow ( Ergebnisse der Toxizitätstestung an den Pilotanlagen Ergebnisse zytotoxischer Untersuchungen Die Auswahl der Testverfahren erfolgte unter dem Aspekt, möglichst mehrere toxikologisch relevante Endpunkte zu erfassen. Für den Nachweis, ob die Toxizität der Testproben durch den Fremdstoffmetabolismus beeinflusst wird, wurden die zwei humanen Leberkrebszelllinien HepG2 und HepaRG TM, die unterschiedliche metabolische Kompetenz besitzen, vergleichend auf Nekrose, Veränderungen der Zellmorphologie und der ROS-Bildung untersucht. Die Jurkat T-Lymphomzelllinie wurde für flowzytometrische Untersuchungen zum Nachweis nekrotischer Wirkungen sowie einer verstärkten Bildung von ROS, hier vor allem des Superoxid-Anions, eingesetzt. Apoptotische Wirkungen wurden durch Untersuchung der Depolarisierung des Mitochondrienmembranpotenzials (MMP) von Jurkat-Zellen und durch den Nachweis des DNA-Abbaus zu Nukleosomen mit dem CDD + - ELISA in U-937-Zellen untersucht Testproben aus dem Klärwerk Ruhleben, Berlin Die Ergebnisse des Untersuchungsprogramms Klärwerk Ruhleben, Berlin, sind in Tabelle 76 dargestellt. RTCA Untersuchungen: Die vergleichenden Untersuchungen von Nekrose und Veränderungen der Zellmorphologie an HepG2- und HepaRG TM -Zellen ergaben bei diesem Testverfahren eine deutlich höhere Sensitivität der HepaRG TM -Zellen. Die Testproben, die Veränderungen der untersuchten Zellen bewirkten, ließen sich bei den wiederkehrenden Probenahmen gehäuft bestimmten Entnahmestellen zuordnen. Bei HepG2-Zellen waren bei den insgesamt 12 Probenahmeterminen nur bei drei Terminen für Testproben Wirkungen mit dem RTCA nachzuweisen. Dabei waren an diesen Terminen dreimal die Testproben an der Entnahmestelle Ablauf Zweischichtfilter und einmal eine Testprobe der Entnahmestelle Ablauf Biologische Aktivkohle wirksam. Hingegen waren bei den Untersuchungen mit HepaRG TM -Zellen an acht von 12 Probenahmeterminen biologische Wirkungen mit dem RTCA nachzuweisen. Von den an der Entnahmestelle Ablauf Klärwerk entnommenen Proben entwickelten vier aus 11 Probenahmen eine Wirkung auf HepaRG TM -Zellen im RTCA. Testproben, die vom Ablauf Ozonung und dem Ablauf Zweischichtfilter entnommmen wurden, waren in sechs Proben von insgesamt 12 Probenahmen wirksam. Hingegen war nur bei zwei Testproben von den insgesamt 12 Probenahmen am Ablauf Biologische Aktivkohle eine Wirkung auf HepaRG TM mit dem RTCA nachzuweisen. Danach ergibt sich im Sinne der Häufigkeit folgende Reihung: Ablauf Ozonung und Ablauf Zweischichtfilter > Ablauf Klärwerk > Ablauf Biologische Aktivkohle. ROS-Nachweis: Bei Untersuchung der ROS-Bildung in HepG2-Zellen unter Belastung mit den Testproben waren wiederum bei den Entnahmestellen Ablauf Klärwerk und Ablauf Ozonung am häufigsten Wirkungen nachzuweisen. Die Testproben vom Ablauf Klärwerk bewirkten bei neun von 11 Probenahmen und die vom Ablauf Ozonung bei 10 von 12 Probenahmen eine erhöhte ROS-Bildung. An den Entnahmestellen Ablauf Zweischichtfilter und Ablauf Biologische Aktivkohle waren für keine 207

214 Testprobe aus allen 12 Probenahmen erhöhte ROS nachzuweisen Für den Nachweis von ROS in HepaRG TM -Zellen mit DCFH-DA wurden die Testproben mit der stärksten ROS-Bildung in HepG2-Zellen ausgewählt. Die Ergebnisse ergaben eine geringere Wirkung in HepaRG TM -Zellen, was vermutlich durch die stärkere metabolische Kompetenz dieser Zellen bedingt ist. Die Untersuchung der ROS-Bildung in Jurkat-Zellen mit dem Nachweisreagenz DHE, das aus der Gruppe der ROS vor allem das Superoxid- Anion erfasst, ergab zu keinem Probenahmetermin Proben mit einer entsprechenden Wirkung. Tabelle 76: Ergebnisse einzelner Untersuchungen auf Präkursor-Ereignisse an Proben von den Ozonungsanlage im Klärwerk Ruhleben. Messstelle/Entnahmestelle Anzahl Beprobungen Anzahl Testproben mit toxischen Wirkungen je Testsystem RTCA ROS DCFH-DA HepG2 HepaRG TM HepG2 HepaRG TM Ablauf Klärwerk 11 negativ 4 9 negativ Ablauf Ozonung 12 negativ 6 10 negativ Ablauf Zweischichtfilter negativ negativ Ablauf Biologische Aktivkohle negativ negativ Die deutlichsten Wirkungen zeigten die am Ablauf Klärwerk und Ablauf Ozonung genommenen Testproben durch den Nachweis erhöhter ROS mittels DCFH-DA in HepG2-Zellen. Diese Wirkung war in HepaRG TM -Zellen deutlich schwächer. Hingegen waren für diese Proben sowie für Testproben vom Ablauf Zweischichtfilter mittels RTCA Veränderungen der Impedanz der HepaRG TM -Zellen nachzuweisen. Nekrose und Apoptose: Die Untersuchung aller Testproben an Jurkat- und U-937-Zellen auf nekrotische und apoptotische Wirkungen ergaben für keine der untersuchten Wasserproben schädigende Effekte Testproben aus der PAC-Pilotanlage Tegel Die Ergebnisse des Untersuchungsprogramms aus der PAC-Pilotanlage Tegel sind in Tabelle 77 dargestellt. RTCA Untersuchungen: Für die Testproben aus der PAC-Pilotanlage Tegel waren nur für vier Testproben aus insgesamt 12 Probenahmeterminen Wirkungen auf die Morphologie von HepG2-Zellen nachzuweisen. Diese wirksamen Testproben entstammten an allen vier Probenahmeterminen der Entnahmestelle Filterzulauf. Auch bei den Untersuchungen an HepaRG TM -Zellen mittels RTCA ergaben nur vier Probenahmetermine Testproben mit Wirkungen auf die untersuchten Zellen, wobei aber die Testproben mit Wirkungen nicht mit denen mit HepG2-Zellen nachgewiesenen übereinstimmten. Das verdeutlicht einmal mehr, dass die Wirkung von Gemischen von der qualitativen und quantitativen Stoffzusammensetzung abhängt. Auffällig war die Probenahme am Sie ergab für die Testproben aus den Entnahmestellen Zulauf, Kaskade und Filterzulauf Wirkungen auf die Morphologie der HepaRG TM -Zellen. Weiterhin wurden bei zwei Probenahmen nur Wirkungen für die Entnahmestelle Zulauf und bei einer Probenahme Wirkungen der Entnahmestellen Kaskade und Filterablauf nachgewiesen. ROS-Enwicklung: Der Nachweis einer erhöhten ROS-Entwicklung in HepG2-Zellen mit dem Nachweisreagenz DCFH-DA ergab nach Belastung mit den Testproben für alle Probenahmen mit Ausnahme der am erhöhte ROS durch die Einwirkung von Testproben der Probenahmestellen Zulauf und Kaskade. An 10 von 11 Probenahmeterminen wurden für die Testproben der 208

215 Probenahmestelle Filterzulauf erhöhte ROS nachgewiesen. Hingegen trat bei keiner Testprobe von 11 Probenahmen für die Probenahmestelle Filterablauf eine Wirkung auf die ROS-Entwicklung auf. Die vergleichende Untersuchung der ROS-Entwicklung in HepaRG TM -Zellen unter der Wirkung der Testproben ergab, dass die bei HepG2-Zellen beobachteten Effekte in HepaRG TM -Zellen abgeschwächt waren. Der ROS-Nachweis in Jurkat-Zellen mit dem Nachweisreagenz DHE zeigte bei vier von 12 Probenahmeterminen in den Testproben einzelner Entnahmestellen eine geringfügig erhöhte ROS- Bildung an. Insbesondere bei den Proben vom waren etwas erhöhte ROS für die Entnahmestellen Kaskade, Filterzulauf und Filterablauf nachzuweisen. An drei weiteren Probenahmeterminen waren an jeweils einer Entnahmestelle gering erhöhte ROS nachzuweisen, einmal beim Zulauf und zweimal beim Filterzulauf. Tabelle 77: Ergebnisse einzelner Untersuchungen auf Präkursor-Ereignisse von Proben von der PAC- Pilotanlage. Messstelle/Entnahmestelle Anzahl Beprobungen Anzahl Testproben mit toxischen Wirkungen je Testsystem RTCA ROS DCFH-DA HepG2 HepaRG TM HepG2 HepaRG TM Zulauf 11 negativ Kaskade 12 negativ 2 11 negativ Filterzulauf negativ Filterablauf 11 negativ 2 negativ negativ Nekrose und Apoptose: Der Nekrose-Nachweis mit PI in Jurkat-Zellen ergab für keine der aus 12 Probenahmen untersuchten Testproben eine nekrotische Wirkung. Die Untersuchung auf apoptotische Wirkungen mit Hilfe des CDD + -ELISA an U-937-Zellen ergab für fünf Probeentnahmen an keiner Entnahmestelle Hinweise auf apoptotische Wirkungen und wurde deshalb in den folgenden Probenahmeterminen nicht weiter verfolgt. Testproben aus dem Klärwerk Münchehofe Aus dem Klärwerk Münchehofe wurden an 10 Terminen Testproben von Pilotanlagen, die im Rahmen des Projektes IST4R zeitgleich unter der Leitung der TUB betrieben wurden (Jekel et al. 2016), an den verschiedenen Probennahmestellen entnommen. Die Ergebnisse des Untersuchungs-programms sind in Tabelle 78 dargestellt. RTCA Untersuchungen: Untersuchungen mit dem RTCA an HepG2-Zellen ergaben nur für eine Testprobe vom Ablauf Kläranlage, die am entnommen wurde, biologische Wirkungen auf die Zellen. Die vergleichenden Untersuchungen an HepaRG TM -Zellen mit dem RTCA zeigten bei drei von 10 Probenahmeterminen Wirkungen. Die jeweils am Ablauf Kläranlage entnommenen Proben verursachten an HepaRG TM -Zellen einen verringerten Anstieg der Impedanz der Zellkultur, so dass die Division durch den Impedanzfaktor der Zellen, die mit dem entsprechenden Kontrollwasser belastet wurden, einen Quotienten <0,7 ergaben. ROS-Entwicklung: Das Testverfahren zum Nachweis einer erhöhten ROS-Entwicklung in HepG2-Zellen unter Anwendung von DCFH-DA als Nachweisreagenz ergab bei fünf der insgesamt 10 Probenahmetermine eine verstärkte ROS-Entwicklung. Die Proben wurden bei allen fünf Terminen am Ablauf Ozonung entnommen, an drei Terminen waren auch die am Ablauf Kläranlage entnommenen Proben wirksam und an zwei Terminen auch noch die am Ablauf Zweischichtfilter nach 209

216 Ozonung gewonnenen Proben. Die vergleichende Anwendung des Testverfahrens auf HepaRG TM - Zellen zur Untersuchung der auf HepG2-Zellen wirksamen Testproben ergab abge-schwächte Wirkungen in diesen Zellen, was wiederum auf stärkere Entgiftungsaktivitäten dieser Zellen hinweist. Die Untersuchung auf eine verstärkte Entwicklung insbesondere von Superoxid-Anion mit dem Nachweisreagenz DHE in Jurkat-Zellen ergab für keine der an den 10 Probenahme-terminen entnommenen Proben eine dahingehende Wirkung. Tabelle 78: Ergebnisse einzelner Untersuchungen auf Präkursor-Ereignisse mit Proben der Ozonungsanlage im Klärwerk Münchehofe. Messstelle/Entnahmestelle Anzahl Beprobungen Anzahl Testproben mit toxischen Wirkungen je Testsystem RTCA ROS DCFH-DA HepG2 HepaRG TM HepG2 HepaRG TM Kläranlage Ablauf negativ Ablauf Ozonung negativ 10 negativ 5 1 Ablauf Zweischichtfilter nach Ozonung negativ 10 negativ 2 negativ Ablauf Zweischichtfilter nach Pulverkohledosieruntitiv nega- nega negativ Ablauf Zweischichtfilter nach granuliertem Aktivkohlefilter tiv tiv nega- nega- 1 negativ negativ Nekrose und Apoptose: Der Nekrosenachweis mit PI in Jurkat-Zellen ergab für keine der aus 10 Probenahmen untersuchten Testproben eine nekrotische Wirkung. Die Untersuchung der Proben, für die mit DCFH-DA eine erhöhte ROS-Bildung nachgewiesen wurde, zeigte bei Anwendung des CDD + - ELISA an U-937-Zellen keine apoptotische Wirkung Ergebnisse gentoxischer Untersuchungen Die Bewertung der Gentoxizität ergibt sich aus den Ergebnissen von zwei In-vitro-Testverfahren. Dabei kam das Bewertungsschema in Tabelle 79 zum Einsatz. Aufgrund der umfangreichen Datensätze werden nachfolgend die Ergebnisse der Gentoxizitätsprüfung summarisch dargestellt. Die Bewertung im Sinne von negativ/positiv basiert entsprechend auf den im Protokoll festgelegten Kriterien. Die Ergebnisse zum Klärwerk Ruhleben sind in Tabelle 80 zusammengestellt. Keine der Proben zeigte positive Effekte im Ames-Test. Der Einsatz von humaner Leberfraktion führte nicht zu positiven Effekten. In einzelnen Proben konnten mit der Zelllinie HepG2 Mikrokerne nachgewiesen werden. Diese Effekte konnten in der metabolisch kompetenteren Zelllinie HepaRG TM nicht bestätigt werden. Das macht erneut deutlich, dass in humanmetabolisch kompetenten Zelllinien Entgiftungs-mechanismen ablaufen. In einer Probe vom Ablauf Ozonung wurde eine Erhöhung der Mikrokernrate nur in der HepaRG TM -Zelllinie gemessen. In diesem Falle zeigt sich die höhere Sensitivität der HepaRG TM -Zelllinie. Die Untersuchung der Vorläufermechanismen ergab für diese Probe bei HepG2-Zellen eine erhöhte ROS-Bildung, die aber in HepaRG TM -Zellen abgeschwächt war. 210

217 Tabelle 79: Bewertungsschema zur Gentoxizität. Ames-Test Mikrokerntest Bewertung negativ negativ nicht gentoxisch positiv negativ nicht gentoxisch negativ positiv weitere Abklärung positiv positiv gentoxisch Gentoxikologische Bewertung der Testproben aus dem Klärwerk Ruhleben, Berlin Der nachgewiesene Effekt lag mit 2,1 unmittelbar in der Nähe zum Bewertungskriterium für positive Effekte (2,0). Für eine abschließende Bewertung hinsichtlich Gentoxizität müssten weitere Testverfahren zur Abklärung des Befundes eingesetzt werden. Das konnte innerhalb des Projektes nicht geleistet werden. Tabelle 80: Ergebnisse gentoxischer Untersuchungen von Proben der Ozonungsanlage im Klärwerk Ruhleben. Messstelle/Entnahmestelle Anzahl Beprobungen Anzahl Testproben mit toxischen Wirkungen je Testsystem Ames-Test Mikrokerne/FACS Rattenleber-homogenafraktion Humane Leber- HepG2 HepaRG TM Ablauf Klärwerk 11 negativ negativ 2 negativ Ablauf Ozonung 12 negativ negativ 1 1 Ablauf Zweischichtfilter 12 negativ negativ 1 negativ Ablauf Biologische Aktivkohle 12 negativ negativ 1 negativ Gentoxikologische Bewertung der Testproben aus der PAC-Pilotanlage Tegel Die Ergebnisse für die PAC-Pilotanlage (Tabelle 81) belegen erneut keine gentoxische Aktivität in beiden Ames-Varianten. Somit können Giftungsmechanismen durch die humane Leberfraktion ausgeschlossen werden. Bei den Mikrokernuntersuchungen werden wiederholt die positiven Effekte der HepG2-Zelllinie in HepaRG TM -Zellen entgiftet. Positive Effekte zeigten sich in der HepaRG TM -Zelllinie bei drei Proben im Zulauf der Aufbereitungsanlage und bei einer Probe im Filterablauf der Aufbereitungsanlage. Die Proben aus dem Zulauf wiesen mit 2,1; 2,6 und 2,8 variierende Muster auf. Diese Proben bewirkten bei Untersuchung der Vorläufermechanismen in HepG2-Zellen eine erhöhte ROS-Bildung. Diese Wirkung war in HepaRG TM -Zellen nur in einer Probe in vergleichbarer Intensität nachzuweisen. Mit 2,1 im Filterablauf fiel die Erhöhung der Mikrokernrate eher geringfügig aus. Eine Einstufung der Proben in gentoxisch/nicht gentoxisch kann erst nach weiterführenden Ergebnissen vorgenommen werden. 211

218 Tabelle 81: Ergebnisse gentoxischer Untersuchungen der PAC-Pilotanlage, Tegel. Messstelle/Entnahmestelle Anzahl Testproben mit toxischen Wirkungen je Testsystem Ames-Test Mikrokerne/FACS Anzahl Beprobungen Rattenleber-homogenafraktion Humane Leber- HepG2 HepaRG TM Zulauf 11 negativ negativ 3 3 Kaskade 12 negativ negativ 1 negativ Filterzulauf 12 negativ negativ 2 negativ Filterablauf 11 negativ negativ Gentoxikologische Bewertung der Testproben aus dem Klärwerk Münchehofe Die summarische Bewertung der Gentoxizitätsprüfung für die Messstelle Klärwerk Münchehofe ist in Tabelle 82 aufgeführt. Wie an den anderen beiden Messstellen zeigten sich im Ames-Test keine positiven Befunde. Die Erhöhung der Mikrokernrate für zwei Proben in der HepG2-Zelllinie konnte in der Testung mit HepaRG TM nicht bestätigt werden. Allerdings zeigten zwei Proben einen Anstieg der Mikrokernrate in der HepaRG TM -Zelllinie. Dabei wies eine Probe aus dem Ablauf Zweischichtfilter nach Pulverkohledosierung (Ablauf Filter 2) eine deutliche Erhöhung der Mikrokernrate (3,1; >2,0 gilt als positiv) auf. Die zweite positive Probe stammt aus dem Ablauf der Kläranlage und zeigt einen Faktor von 2,3. Auch hier ist eine weitere Abklärung nötig, um abschließend eine Bewertung hinsichtlich der Gentoxizität vornehmen zu können. Tabelle 82: Ergebnisse gentoxischer Untersuchungen an Proben von der Ozonungsanlage im Klärwerk Münchehofe. Messstelle/Entnahmestelle Anzahl Beprobungen Rattenleberhomogenat Anzahl Testproben mit toxischen Wirkungen je Testsystem Ames-Test Mikrokerne/FACS Kläranlage Ablauf 10 negativ negativ Ablauf Ozonung 10 negativ negativ Ablauf Zweischichtfilter nach Ozonung Ablauf Zweischichtfilter nach Pulverkohledosierung Ablauf Zweischichtfilter nach granuliertem Aktivkohlefilter Diskussion HepG2 HepaRG TM 10 negativ negativ 1 negativ 10 negativ negativ 1 negativ 1 negativ negativ Humane Leberfraktion negativ negativ negativ 1 1 negativ Im urbanen Wasserkreislauf nimmt die Anzahl der analytisch fassbaren Substanzen und damit die Anzahl der ungeregelten Substanzen bzw. komplexen Gemische stetig zu. Hinzu kommen Trans-formationsprodukte, die in verschiedenen Verfahrenskombinationen der Trinkwasseraufbereitung entstehen können. 212

219 Auf Grund der Reaktionsabläufe zur Minimierung der anthropogenen Spurenstoffe, z. B. durch Oxidation mit Ozon, werden biologisch aktive Substanzen erwartet, die als ein mögliches toxikologisches Gefährdungspotenzial in Wasserproben abgebildet werden. Zur Abklärung dieser Arbeitshypothese ist es erforderlich, technische Prozesse durch den Einsatz von Biotestverfahren begleitend zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren. Das aktuelle Projekt richtete sich mit seinem Untersuchungsprogramm auf Grund des Trinkwasserbezugs an der humantoxikologischen Bewertung über den biologischen Endpunkt Gentoxizität aus. In den Standardverfahren (Ames- und Mikrokerntest) kamen humanifizierte Zellsysteme zum Einsatz, mit denen eine Abklärung der Humanrelevanz in erhobenen Befunden der Standardverfahren erfolgte. Im bakteriellen Testverfahren (Ames-Test) war in keiner der Untersuchungsproben gentoxisches Potenzial nachzuweisen. Die humane Leberfraktion führte zu keiner erhöhten gentoxischen Aktivität, d. h. zu keiner Giftung der Proben. In früheren eigenen Messreihen im Umweltbereich konnte nachgewiesen werden, dass der Ames-Test bei spezifischen Stoffgruppen z. B. aus Rüstungsaltlasten oder Deponien positive Effekte anzeigt (Fachgutachten, unveröffentlichte Arbeiten). Die Konzentrationen dieser Schadstoffe lagen im unteren Milligramm-Bereich. In solchen Schadstoff-konzentrationen sind die anthropogenen Spurenstoffe derzeit nicht zu erwarten. Wegen ihrer sehr niedrigen Konzentrationen im Wasserkreislauf ließen sich hier mögliche gentoxische Gefährdungspotenziale im Ames-Test nur nach einer Aufkonzentrierung der Proben oder nach technischer Aufkonzentrierung während der Aufbereitung nachweisen. Für die Bewertung der Gentoxizität ist ein zweiter In-vitro-Test (hier der Mikrokerntest) erforderlich. Der Einsatz der stoffwechselkompetenten Zelllinie HepaRG TM reduzierte die Anzahl der positiven Befunde deutlich gegenüber der Standardzelllinie HepG2. In Bezug auf die Humanrelevanz heißt dies, dass der menschliche Metabolismus über effektive Entgiftungsmechanismen verfügt. Dennoch erwiesen sich wenige Proben auch in der humanifizierten Zelllinie HepaRG TM als positiv. Diese Befunde ließen sich wiederum in der HepG2-Zelllinie nicht reproduzieren. Hinsichtlich der Humanrelevanz weist dies auf Giftungsmechanismen in der humanifizierten Zelllinie hin. Eine stoffliche Zuordnung im Sinne einer Kausalkette (Ursache Wirkung) wurde im aktuellen Projekt nicht vorgenommen. Aus der wissenschaftlichen Literatur ist bekannt, dass jedoch durch eine biotestund wirkungsbezogene Analytik die effektverursachende Substanz identifiziert werden kann (Umbuzeiro et al. 2005). Die positiven Befunde in der HepaRG TM -Zelllinie müssten der internationalen Teststrategie folgend weiter abgeklärt werden. Das kann teilweise auch über den Nachweis möglicher gentoxischer Vorläufermechanismen erfolgen. Im aktuellen Projekt wurden dazu testspezifisch humane Zelllinien eingesetzt. Die Auswahl solcher Zelllinien erfolgte unter dem Gesichtspunkt, Zellen mit der höchsten Sensitivität für Veränderungen der ausgewählten zellulären Prozesse zu nutzen. Deutlich positive Effekte in Vorläufermechanismen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass gentoxische Effekte ausgelöst werden. Für die biologischen Endpunkte Nekrose und Apoptose konnten im gesamten Messprogramm keine positiven Effekte nachgewiesen werden. Diese Untersuchungen erfolgten an kultivierten Blutkrebszellen (T-Lymphozyten und monozytäre Zellen). Weitere Vorläufer-mechanismen, wie die morphologischen Veränderungen von Zellen (über die Impedanz der Zellkultur erfasst) und die erhöhte ROS-Entwicklung, wurden in den Leberkrebszelllinien HepG2 und HepaRG TM untersucht. Dabei waren positive Befunde reproduzierbar, d. h. zu verschiedenen Probenahme-terminen und an bestimmten Messstellen wiederholt nachweisbar. Die Mehrheit positiver Befunde wurde am Anfang der Aufbereitungskette aufgefunden, während an deren Ende die positiven Befunde nicht mehr nachzuweisen waren. 213

220 In diesen Messreihen zeigte sich auch (ähnlich denen zur Gentoxizität) eine geringe Anzahl positiver Befunde in den HepaRG TM -Zellen. Das belegt erneut stärkeren Fremdstoffmetabolismus in der humanifizierten Zelllinie. Inwieweit die biologischen Befunde (Abnahme der Effekte während der Aufbereitung) mit den chemischen Analysedaten in Einklang gebracht werden können, wurde im aktuellen Projekt nicht weiterverfolgt. Gleichwohl spricht dieser Befund in Bezug zum biologischen Endpunkt für die Effektivität der Aufbereitung Fazit Robuste und sensitive Biotestverfahren sind geeignet, mögliche Gefährdungspotenziale aufzuzeigen. Gleichzeitig lassen sich damit technische Prozesse der Trinkwasseraufbereitung in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit und ihre Unbedenklichkeit hinsichtlich toxikologischer Risiken überprüfen. Der Nachweis von oxidativen Schäden als Vorläufermechanismus der Gentoxizität eignet sich als sensitive Messgröße für die zeitnahe Prozesskontrolle. Der Parameter Gentoxizität wird in den beiden Invitro-Testverfahren Ames-Test und Mikrokerntest ausreichend sicher erfasst. Der Einsatz humanifizierter Testsysteme erlaubt Aussagen zur Humanrelevanz und verringert eine Überbewertung von Gefährdungspotenzialen, was einen wichtigen Gesichtspunkt in der Kosten-Nutzen-Betrachtung bei technischen Maßnahmen zur Minimierung von anthropogenen Spurenstoffen darstellt. 214

221 4.3 Humanbiomonitoring Stoffauswahl Für die quantitative Bestimmung von Spurenstoffen in Urin mithilfe einer Multimethode wurde basierend auf eigenen Arbeiten zu polaren schlecht entfernbaren Spurenstoffen (Reemtsma et al. 2011, Reemtsma et al. 2006, Weiss and Reemtsma 2005) eine Stoffauswahl getroffen. Zusätzlich wurde diese Auswahl erweitert durch Chemikalien, die für den Wasserkreislauf und damit für das Projekt ASKURIS und den Projektverbund insgesamt relevant waren. Die folgenden Auswahlkriterien wurden herangezogen: ausreichende Polarität für das Auftreten im Wasserkreislauf unvollständige Elimination in Kläranlagen erhöhte Befunde in Flüssen und Grundwässern Auswahl einzelner Vertreter bei homogenen Stoffgruppen, die in höheren Konzentrationen vorkommen Die insgesamt 88 ausgewählten Substanzen lassen sich nach folgenden Verwendungsarten unterteilen: Pestizide (Insektizide/Herbizide), Pharmaka, Industriechemikalien und Konservierungs-mittel (Tabelle 83). Ergänzt wurde diese Liste durch bekannte Transformationsprodukte aus der Umwelt. Konjugatspaltung nötig Metabolit als Referenzstandard nötig Abbildung 148: Verteilung der Hauptausscheidungsprodukte der untersuchten Stoffe und Zuordnung von zusätzlich benötigten Referenzstandards bzw. der Spaltung von Glucuronid- bzw. Sulfatkonjugaten. 215

222 Tabelle 83: Übersicht der ausgewählten Stoffe. Klasse/ Klasse/ Name CAS-Nr. Verwendung Name CAS-Nr. Verwendung (S)-Metolachlor Pestizid Iopamidol Diagnostika 2,4,5-T Pestizid Iopromid Diagnostika 2,4-D Pestizid Isoproturon Pestizid 4/5-Tolyltriazole Metabolit Ketoprofen Pharmaka Lamotrigin Pharmaka AAA Metabolit Lenacil Pestizid AA Metabolit Mecoprop Pestizid FAA Pharmaka Metalaxyl Pestizid Hydroxydiclofenac Metabolit Metamitron Pestizid Alachlor Pestizid Metazachlor Pestizid Metabolit Atenolol Pharmaka Atrazin Pestizid Metazachlor-MTB: BH479-4 Metazachlor-MTB: BH479-8 Methiocarb-sulfoxid Methylchlorphenoxyessigsäure Methyldesphenyl- Chloridazon Atrazin-mercapturat Metabolit Bentazon Pestizid 2-Hydroxy-Terbutylazin Industrie-chemikalie Alachlor-mercapturat Benzisothiazolinon Pestizid Methylparaben Benzotriazol Boscalid Pestizid Konservierungsmittel Benzothiazolsulfonsäure Industrie-chemikalie Industrie-chemikalie Metolachlor-mercapturat Metolachlor-MTB: CGA Metolachlor-MTB: NOA Metabolit Metabolit Metabolit Pestizid Metabolit Metabolit Metabolit - Metabolit Bromacil Pestizid Metoprolol Pharmaka Bromoxynil Pestizid Metribuzin Pestizid Carbamazepin Pharmaka Phenylsulfonyl- Sarcosin) Metabolit Chlorfenvinphos Pestizid N-Acetyl-SMX Pharmaka Chloridazon Pestizid Naproxen Pharmaka Chloridazon-MTB: B Metabolit N-Methyl-benzotriazol Industrie-chemikalie Chlorpyrifos Pestizid Oxcarbazepin Pharmaka Chlortoluron Pestizid Pendimethalin Pestizid Clothianidin Pestizid Phenazetin Pharmaka DCPMU Metabolit Phenazon Pharmaka 216

223 Name CAS-Nr. Klasse/ Verwendung Name CAS-Nr. Klasse/ Verwendung Metabolit Phenobarbital Pharmaka Desethyl-Atrazin Metabolit Primidon Pharmaka Metabolit Propiconazol Pestizid Metabolit Propranolol Pharmaka Metabolit Propylparaben Diethyltoluamid Pestizid Propyphenazon Pharmaka Metabolit Pyrithyldion Pharmaka DMAA Pharmaka Quinoxyphen Pestizid Diuron Pestizid Simazin Pestizid Ethofumesat Pestizid Desamino-Metamitron Desethyl-Terbutylazin Desisopropyl-Atrazin Desmethyl-Isoproturon Konservierungsmittel DHDH-Carbamazepin Simazin-mercapturat Metabolit Fenoxycarb Pestizid Sotalol Pharmaka Fenuron Pestizid Tebuconazol Pestizid Imazalil Pestizid Thiabendazol Pestizid Iohexol Diagnostika Thiacloprid Pestizid Iomeprol Diagnostika Trimethoprim Pharmaka Um die Exposition mit polaren Chemikalien erfassen zu können, sind nicht nur diese Chemikalien selbst, sondern auch deren Humanmetabolite zu analysieren. Zu diesem Zweck wurde eine umfangreiche Literaturrecherche zum humanen Metabolismus der organischen Spurenstoffe durchgeführt. Für ca. ein Drittel der Stoffe konnten dabei zurzeit keine relevanten Daten gefunden werden (Abbildung 148). Weiter zeigte sich das für ein weiteres Drittel der untersuchten Substanzen zusätzliche Referenzsubstanzen nötig waren, da hier Metabolite aus dem Phase-1-Metabolismus die Hauptspezies der urinären Ausscheidung darstellen. Die Beschaffung dieser Referenzstandards erwies sich als kosten- und zeitintensiv, war aber nötig um die tatsächliche Humanexposition nicht zu unterschätzen. Des Weiteren zeigte sich, dass ein Viertel der Substanzen hauptsächlich als Konjugate (größtenteils Glucuronid- und/oder Sulfat-Konjugate) ausgeschieden werden, was eine Konjugat-Spaltung in den Proben vor der Analyse notwendig macht (da kaum Referenzstandards mit Konjugaten erhältlich sind). Für die Konjugatspaltung wurde die in der Literatur häufig eingesetzte enzymatische Hydrolyse mit Glucuronidase von H. pomatia als sinnvollste Alternative für den Einsatz bei der Multimethode bzw. 217

224 einem Nontarget-Screening angesehen. Dies bietet den Vorteil das auch Sulfatkonjugate und N- Glucuronide gespalten werden können, im Gegensatz zur Spaltung mittels saurer Hydrolyse. Um eine möglichst vollständige Reaktion zu gewähren wurden die Proben für 24 Stunden bei 37 C inkubiert. Aufgrund der Zugabe von Enzym zu den Proben ist nun jedoch, entgegen der ursprünglichen Konzeption, vor der Injektion der Proben in das LC-MS-Gerät eine Extraktion (LLE/SPE/RAM) nötig, um ein Clogging der Trennsäule zu vermeiden. Die verfügbaren Referenzstandards wurden sowohl für die Multimethode als auch für die Erstellung von Datenbanken/Spektren-Bibliotheken im Nontarget-Screening verwendet. Ausgewählte Analyten für die kein Referenzmaterial erhältlich war konnten nur in die Datenbanken anhand ihrer Summenformeln aufgenommen werden Nontarget-Screening Parallel zur Erarbeitung der Stoffauswahl und der Literaturrecherche zum humanen Metabolismus wurde eine UPLC-QTOF-Methode für das Nontarget-Screening aufgebaut. Dieses wurde entgegen dem Arbeitsplan vorgezogen, da sich somit identifizierte Unbekannte gleich zu Beginn mit in die Multimethoden-Entwicklung einfügen lassen würden und dann zusätzlich quantitative Daten erhalten werden könnten Verwendung des Software-Paketes MassLynx TM (Waters ) Zu Beginn der Arbeiten im Frühjahr 2012 stand für die Auswertung der QTOF-Daten die Software MassLynx TM (Waters ) zur Verfügung. Aus den darin enthaltenen Programmen ergaben sich im Wesentlichen zwei unterschiedliche Ansätze für die Auswertung. Diese wurden unter Verwendung verschiedener Probeaufarbeitungsschritte verglichen und teilweise für die Screening-Durchgänge eingesetzt. Zum einen bietet das Softwarepaket ChromaLynx TM den Aufbau einer eigenen MS-Spektren-Bibliothek (unter der Voraussetzung, dass die entsprechenden Referenzstandards vorhanden sind). Anschließend werden die mittels LC-HRMS erhaltenen Datensätze nach diesen MS-Spektren durchsucht. Als problematisch erwies sich dabei, dass die MS-Spektren für die Einfügung in die Bibliothek in das NIST-Format umgewandelt werden und sich dadurch die Information der exakten Masse verliert. Aufgrund dieser Reduktion kommt es zu zahlreichen falsch-positiven Identifizierungen. ChromaLynx TM bietet weiter die Möglichkeit der Erstellung von Suspect-Listen (siehe Abbildung 149a). Hierfür ist zunächst nur die Summenformel der gesuchten Substanzen nötig, welche von der Software für die Berechnung der exakten Masse genutzt wird. Dies bietet gegenüber der Verwendung der Spektren-Bibliothek die Vorteile, dass (a) falsch-positive Identifizierungen aufgrund des Abgleiches der exakten Masse reduziert werden und (b) dass auch nach Stoffen gesucht werden kann, für die keine Referenzstandards vorhanden sind. Referenzstandards sind aber auch hier insoweit vorteilhaft, da mithilfe dieser in die Suspect-Listen zusätzlich die Informationen über Retentionszeit und Hauptfragment aufgenommen werden können. Damit lässt sich die Anzahl falsch-positiver Befunde weiter reduzieren. Allerdings kommt es auch mit diesem Ansatz immer noch zu einer hohen Rate an falschen Identifikationen (Fragmentation passt nicht zur Struktur, Peakfinding inkorrekt). Aufgrund dieser Erfahrungen erwies sich das Softwarepaket ChromaLynx TM als ungeeignet für die Auswertung von Urinproben, in denen nach u.u. niedrig konzentrierten Zielsubstanzen in einer komplexen Matrix sehr hoch konzentrierter endogener Substanzen gesucht wird. 218

225 Das Softwarepaket MarkerLynxTM beruht auf einer statistischen Auswertung eines Probensatzes unter Verwendung der Hauptkomponentenanalyse zur Identifikation von Unterschieden innerhalb dieses Sets. Zuerst werden für jede Messung sogenannte Marker (Retentionszeit-exakte Masse-Paare) gebildet. Mithilfe von EZinfo (Umetrics AB) wird die Hauptkomponentenanalyse durchgeführt (s. Abbildung 149b). Der Vorteil dieser Herangehensweise ist, dass es sich hierbei um ein wirkliches Nontarget-Screening handelt, da die Auswertung fast ohne jegliche Informationen über die Proben erfolgen kann. Mithilfe der statistischen Auswertungen wurden bisher nur biogene Stoffe identifiziert, die sich aus der Ernährung ergeben. Dies sind beispielsweise Coffein, Theobromin, Theophylin (aus Kaffee, Tee, Schokolade); die Glucuronide der Urolithine A, B, und D (aus Walnüssen, Himbeeren bzw. Erdbeeren) oder Steviol aus dem seit 2011 zugelassenen Süßungsmittel Steviol (Wishart et al. 2013). Abbildung 149: Darstellung der Arbeitsschritte für das Nontarget-Screening mithilfe der Suspect-Listen in ChromaLynxTM (Waters ) zur Identifizierung von Unbekannten (a) und des Vorgehens in MarkerLynxTM (Waters ) mithilfe der statistischen Auswertung (b). Die Ursache dafür liegt vor allem darin, dass kein geeigneter unbelasteter Urin als Bezugspunkt für die Hauptkomponentenanalyse vorhanden ist. Dieses Problem ist aus der Wasseranalytik bekannt, ist aber bei der Untersuchung von Urinproben umso problematischer, als es hier eine hohe Anzahl an biogenen Urinbestandteilen in hohen Konzentrationen (bis g/l) mit starken individuellen Schwankungen gibt (Bouatra et al. 2013). Diese Schwankungen (aufgrund von Ernährung, Lebensumfeld, Alter, Geschlecht ) sind schließlich für die Unterschiede bei der statistischen Auswertung verantwortlich. Die Software bietet zwar die Möglichkeit eine sogenannte Ausschlussliste anhand von exakten Massen 219

226 zu erstellen, allerdings ist dies insoweit problematisch als dass auch Unbekannte (mit der gleichen exakten Masse) ausgeschlossen würden als auch das bisher mehr als natürliche Urinbestandteile identifiziert wurden (Bouatra et al. 2013). Des Weiteren nachteilig bei der statistischen Auswertung ist insbesondere auch das Übersehen von ubiquitären Stoffen (da nur Unterschiede betrachtet werden), aber gerade diese ubiquitären Expositionen wären relevant für den Eintrag in den Wasserkreislauf. Das Nontarget-Screening konnte somit mit der aktuellen Software keine neuen Spurenstoffe identifizieren, die in die Multimethode zur Quantifizierung aufgenommen werden müssten. Neben den Schwierigkeiten mit der Software bei der Auswertung von humanen Urinproben stellt sich auch das Problem der Nachweisempfindlichkeit bei einem QTOF-Massenspektrometer (die im Vergleich zur Detektion mit MRM-Übergängen um den Faktor niedriger sein kann). Folglich wurden auch Proben nach Anreicherung mittels Festphasenextraktion untersucht, dabei wurde teilweise ein Anreicherungsfaktor von 250 verwendet. Auch wurden Proben sowohl mit als auch ohne vorangehende enzymatische Spaltung untersucht, um zu vergleichen ob dies die Detektion ermöglicht (durch Spaltung der Konjugate erhöht sich die Konzentration des Ausgangsstoffes in der Probe). Auch dieser Ansatz brachte keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich der Humanexposition gegenüber polaren Spurenstoffen, da die Matrix schwerlich abtrennbar ist (gleiche physiko-chemische Eigenschaften) Verwendung des Software UNIFY TM (Waters ) Die Arbeitsgruppe nahm auch an dem Workshop Fortschritte in der Suspected- und Non-Target-Analytik: Softwaretools, Datenbanken und ihre Anwendung veranstaltet von dem RiSKWa-Vorhaben RISK-IDENT in Augsburg vom teil. In Vorbereitung auf diesen Workshop wurden von unserem Teilprojekt, parallel mit anderen Partnern Proben des Berliner Wasserkreislaufs untersucht. In diesem Zusammenhang wurde uns von der Firma Waters die neue Auswertemethode UNIFITM zur Verfügung gestellt. Gegenüber den oben erwähnten Produkten ist hier der Peakfinding-Algorithmus deutlich verbessert, durch die Verwendung von 3D-Peakformen. Außerdem werden Isotope, Addukte, Fragmente aus der High-Energy-Spur sowie mehrfach-geladene Spezies basierend auf ihrem chromatographischen Profil zu einer Komponente zusammengefasst. Das Auswertungskonzept ist vergleichbar zu ChromaLynxTM ein Suspect-Screening durch die Verwendung einer Datenbank (sowohl kommerziell verfügbar als auch selbst erstellbar), allerdings sind hier die einfügbaren Daten freier kombinierbar. Außerdem werden keine Listen angelegt, sondern einzelne Targets erstellt, welche anschließend problemspezifisch in Screening-Methoden zusammengefasst werden können (z.b. über die Suchfunktion Pesticide werden alle Targets mit diesem Kriterium in eine Methode zusammengefügt und ein Probenset kann anschließend nach all diesen Pestiziden durchsucht werden). Für diese können dann eine Vielzahl von Zusatzinformationen eingetragen werden (physikalische Eigenschaften, CAS-Nummer, Synonyme ). Für das Screening können sowohl exakte Massen, Retentionszeiten, Fragmente (auch in-silico mithilfe des Molfiles) als auch Massenspektren (mit exakten Massen im High-Energy- und Low-Energy-Modus) verwendet und unterschiedlich kombiniert werden. Über die Verwendung von entsprechenden Filtern lassen sich falsche Identifikationen reduzieren (Anzahl der gefundenen Fragmente, Abstand der Isotope, Verhältnis der Isotope ). Im Vortrag des Workshops wurde gezeigt, dass in den untersuchten Vergleichsproben alle 20 vorgegebenen Substanzen identifiziert werden konnten. Durch Zuhilfenahme der kommerziellen Datenbanken von Waters konnten weitere 45 Substanzen gefunden werden. Des Weiteren bietet UNIFITM die 220

227 Möglichkeit automatisch nach Metaboliten und Transformationsprodukten zu suchen, diese Funktion ist insbesondere für die Untersuchung der humanen Urinproben von Bedeutung, da (wie unter Abschnitt Stoffauswahl gezeigt) nicht für alle Analyten der Metabolismus bekannt ist. In Wasserproben aus Berlin konnte somit beispielsweise das Carbamazepin-Abbauprodukt BaQD nach der Ozonung und nach einem anschließenden Biofilter identifiziert werden. Nach der Vielzahl von positiven Identifizierungen in den Wasserproben für den Workshop wurde UNI- FITM auch auf die Urinproben angewendet (sowohl ohne als auch mit Probenvorbereitung mittels SPE bei einem Anreicherungsfaktor von 250). Zur Auswertung der Daten wurde eine Kombination aus verschiedenen Datenbanken (unter anderem die Pestizid-Library von Waters mit 2200 Einträgen) mit insgesamt 3560 Targets verwendet, für die alle eine Struktur hinterlegt ist. Teilweise existieren für diese Verbindungen auch erwartete Fragmente; sollten diese nicht vorhanden sein, generiert die Software diese selbständig anhand der Strukturdaten. Als Filterkriterien wurden eine Massenabweichung von kleiner 5 ppm, eine Massenabweichung des Isotopenmusters kleiner 5 ppm und das Vorhandensein gefundener Fragmente gefiltert. Dieses letzte sehr strikte Filterkriterium ergibt sich aus der komplexen Matrix der Urinprobe, wo allein die exakte Masse noch keine Interpretation zulässt. Dieses Kriterium schließt leider Peaks geringer Intensität aus, für die erfahrungsgemäß kein Fragment zugeordnet wird. Die Retentionszeit steht leider nicht für alle Targets zur Verfügung, ansonsten wäre diese auch ein hilfreiches Filterkriterium gewesen. Die positiven Hits müssen nochmal individuell überprüft werden. Tabelle 84: Gesamtkohlenstoff- (TOC), Gesamtstickstoffgehalt(TN), Kreatinin-Konzentration und Leitfähigkeit von 20 Urinproben (aus den Probenkampagnen in Leipzig und Berlin); *SD=Standardabweichung, RSD=relative Standardabweichung TOC [mg/l] TN [mg/l] Kreatinin [mm] Leitfähigkeit [ms/cm] Median ,38 9,8 Minimum ,35 2,6 Maximum ,97 26,1 SD* ,41 7,1 RSD [%]* Die Überprüfung ergab jedoch erneut keine positiven Befunde, die auf anthropogene Spurenstoffe schließen lassen. Um die Brauchbarkeit des Ansatzes zu überprüfen wurde Urin dotiert und die Wiederfindung bestimmt. Hierbei wurde ersichtlich, dass die starke Signalsuppression durch die Urinmatrix und die damit nicht mehr ausreichende Sensitivität des TOF-Massenspektrometers dazu führen, dass die Analyten nicht detektiert werden. Neben der Komplexität zeichnet sich die Urinmatrix auch durch ihre hohe Konzentriertheit aus (s. Tabelle 84). Mit einem medialen TOC von 3 g/l stellt humaner Urin eine vielfach konzentriertere Matrix dar als beispielsweise behandeltes Abwasser (ca. 15 mg/l TOC) oder Oberflächenwasser (ca. 5 mg/l TOC). Somit müssen Unbekannte nicht nur neben einer Vielzahl von biogenen Stoffen unterschieden werden, sondern auch gegenüber hohen Konzentrationen Monitoring mit der Multimethode Für die quantitative Bestimmung von anthropogenen Spurenstoffen wurde eine UPLC-QqQ-Methode für die sensitive Detektion mittels MRM-Modus erstellt. Hierbei wurden sowohl die MS-Parameter (MRM-Übergänge, Fragmentierungsenergien ) als auch die LC-Parameter (Eluentenzusammen-setzung, Gradient) optimiert. Am Ende konnten 99 Analyte in die Methode übernommen werden. Da laut 221

228 Projektantrag eine zeit-und kostenaufwendige Probenvorbereitung vermieden werden sollte, war es wichtig entsprechend ausreichende Nachweisgrenzen für das Biomonitoring zu erzielen. Dafür wurde das Injektionssystem für hohe Probevolumina ausgebaut und die Methode für eine Injektion von 100 µl optimiert. Dies hatte wiederum zur Folge, dass sehr polare Analyten mit einer Retentionszeit von unter 3 min aus der Methode entfernt werden mussten (da die Peakflächen nicht mehr reproduzierbar waren) LC-MS/MS mittels Direktinjektion Zur Ermittlung der Nachweis- und Bestimmungsgrenzen wurden Verdünnungsreihen der Standards in Urin (mit Wasser verdünnt) untersucht. Hier zeigte sich, dass sowohl die Komplexität der Urinmatrix als auch ihre Variabilität die Analysen erschwert. Aufgrund der Vielzahl von biogenen Bestandteilen in humanem Urin (zur Zeit sind ca Verbindungen erfasst (Bouatra et al. 2013)) werden häufig innerhalb einer Spur weitere Peaks detektiert (Abbildung 150). Die MRM-Detektion ist also nicht mehr ausreichend selektiv, um falsch positive Befunde auszuschließen. Dadurch werden eine stabile chromatographische Auftrennung und die Verwendung des Ionenverhältnisses (Quantifer/Qualifier) für die richtige Zuordnung von Analytsignalen essentiell. Die Variabilität der Proben untereinander spiegelt sich in den stark unterschiedlichen Matrixeffekten bei der Ionisation wieder (s. Abbildung 151, Details siehe (Schlittenbauer et al. 2015)). Daher war eine Angabe von Nachweis- bzw. Bestimmungsgrenzen über das Signal-Rausch-Verhältnis nicht möglich. Vielmehr wurden durchschnittliche Bestimmungsgrenzen (aus drei unterschiedlichen Urinproben) anhand der Responsefaktoren abgeschätzt (Details siehe (Schlittenbauer et al. 2015)). Die starke Variabilität der Ionisation ist insofern problematisch, als dadurch eine zuverlässige Quantifizierung nur relativ zu einem Standard oder mittels Standard-Addition erfolgen kann. Da das Additionsverfahren sowohl arbeits- als auch zeitintensiv ist, sollte dieses im Sinne eines hohen Probendurchsatzes vermieden werden. Aber sowohl die Beschaffung von isotopenmarkierten-standards für alle Analyten erschien als undurchführbar als auch die Verwendung einzelner über das gesamte Chromatogramm verteilter interner Standards wurde als ungenügend erachtet. Aus diesen Gründen wurde der Ansatz von Liao et al. (2014) zur Korrektur von Matrixeffekten mittels Nachsäulen-Addition verfolgt. Die Experimente zeigten dabei aber, dass die Ionisation des infundierten internen Standards nicht wie erwartet von dem Zeitpunkt innerhalb des Chromatogramms, sondern zusätzlich vom verwendeten Standard stark abhängig war. Auch hier wurde wieder deutlich, dass MRM-Übergänge zu verschiedenen Retentionszeiten von biogenen Matrixbestandteilen besetzt werden. Daher war es nicht möglich einen geeigneten internen Standard für die Nachsäulen-Addition zu finden und eine Quantifizierung über Standard-Addition blieb als einzige Option möglich. 222

229 Abbildung 150: Chromatogramm des ersten MRM-Überganges (Quantifier: 152>109) für Benzisothiazolinon in Urin ohne (oben) bzw. mit Zugabe von 1,5 µg/l Benzisothiazolinon (unten). Werte entsprechen (von oben nach unten) Retentionszeit, Peakfläche und Ionenverhältnis (Quantifier/Qualifier) relativ zum Sollwert. Der störende Matrixbestandteil besetzt sowohl den ersten als auch den zweiten Übergang und kann vom Analytpeak mithilfe der Retentionszeitdifferenz (von -0,03 min) bzw. der Differenz der Ionenverhältnisse (in Prozent zum Sollwert) unterschieden werden. Abbildung 151: Gezeigt sind die berechneten Matrixeffekte (positive entsprechen Suppression, negative entsprechen Enhancement) aus 20 Urinproben (5-fache Verdünnung mit Wasser). Die dargestellten Analyte repräsentieren unterschiedliche Retentionszeitbereiche: Atenolol (t R = 3.74 min), Lamotrigin (t R = 4.69 min), Carbamazepin (t R = 5.97 min) bzw. Alachlor (t R = 6.87 min). Sowohl der Median als auch die Spannbreite der Matrixeffekte ist dabei analytabhängig (Schlittenbauer et al. 2015). 223

230 Die starke Unterdrückung der Ionisation in Urinproben wurde versucht mithilfe von verschiedenen Ansätzen zu reduzieren. Dazu wurden beispielsweise mittels Nachsäuleninfusion organische Lösungsmittel (iso-propanol, Ethylacetat) für eine verbesserte Spraybildung bzw. auch Säuren oder Laugen für eine Steigerung der Ionisationsausbeute dem LC-Fluss zugegeben. Durch die Verwendung eines Splitting-Ventils bzw. einer Nano-ESI-Quelle (mithilfe der TriVersaNanoMate von Advion) sollte der Spray effizienter und stabiler werden. Keine der untersuchten Methoden führte zu einer Verbesserung der Ionisation. Als zusätzlich problematisch bei der NanoMate erwies sich die schlechte Reproduzierbarkeit beim Wechsel der Sprayer Nozzeln und damit verbunden der Verlust von qualitativen Aussagen LC-MS/MS mittels vorangehender Extraktion In einem anderen Ansatz sollte versucht werden mittels Extraktion (Flüssig-Flüssig- [LLE] bzw. Festphasen-Extraktion [SPE]) störende Matrixbestandteile zu entfernen. Da aufgrund der Verwendung eines Enzyms zur Spaltung von Konjugate eine Extraktion nötig werden würde, sollte diese mit dem Ziel der Reduzierung der Ionen-Suppression optimiert werden. Die LLE stellt dabei die weniger kosten- und zeitintensive Variante dar, zeigte aber sowohl schlechte Wiederfindungen nach der Extraktion als auch stark negative Matrixeffekte trotz Optimierung des Extraktionsmittels und des ph-wertes der Probe. Anschließend wurde die SPE näher untersucht. Als vielversprechendes Kartuschenmaterial wurde das OASIS HLB-Sorbents angesehen, da es aufgrund seiner zwei Funktionalitäten sowohl für die Anreicherung von lipophilen als auch hydrophilen Analyten geeignet ist und sich die Multimethode vor allem für die Quantifizierung von polaren Spurenstoffen eignen sollte. Durch den Vergleich von Wasser- und Urinproben zeigte sich, dass auch nach Optimierung (Verdünnung der Probe vor Aufgabe, ph-wert der Probe, Trocknungsschritte, Waschlösung, Elutionsmittel und -volumen) die Wiederfindungen für eine Vielzahl von Analyten ausreichend war, aber immer noch sehr starke Suppressionseffekte bei der Ionisation auftraten. Aus diesem Grund wurde beschlossen, die Multimethode in zwei kleinere Methoden aufzuteilen. Mit diesem Ansatz würde sich eine Methode für die Analyse der sauren Analyte und eine für alkalische Analyte ergeben, da hier die Verwendung von selektiveren Mixed-Mode-Kartuschen (HLB-Sorbents mit zusätzlichen Kationen- bzw. Anionen-Austauscherfunktionen) möglich würde. Trotz der differenzierteren Anreicherung und des zusätzlichen Waschschrittes wurden bei allen vier untersuchten Kartuschenmaterialien starke Matrixeffekte gefunden (Schlittenbauer et al. 2015). Damit scheint eine Extraktion mittels LLE oder SPE nicht geeignet für die Abtrennung des Enzyms und der Matrixbestandteile für die Multimethode, aufgrund der breitgefächerten Analyt- als auch Matrixeigenschaften (u.a. log K OW, pk a ). Eine weitere Option zur Abtrennung des Enzyms stellt die Verwendung von RAM-Säulen (restricted access material) dar. Durch Verwendung einer zweiten Pumpe ist es möglich, die Analyten unter Rückfluss von der Säule zu eluieren, nachdem das Enzym aufgrund seiner Größe keinen Zugang zum Kartuschenmaterial hat und eluiert wurde. Grundvoraussetzung dafür ist jedoch, dass die polaren Analyten solange auf der Säule gebunden bleiben, bis das komplette Enzym eluiert wurde. Aus Vorversuchen zeigte sich, dass dies im Falle der Multimethode für eine Vielzahl der Analyten nicht zutreffen würde (Abbildung 152). Auch eine Optimierung (Injektionsvolumen, ph-wertes der Probe, HPLC-Eluenten, Flussrate) führte zu keiner ausreichenden Retention der Analyten. 224

231 Intensität MRM 2.E+07 1.E+07 0.E+00 Sotalol (273>133) Chloridazon-Methyl- Desphenyl (160>88) x10 Urin (1:5,v:v) + Enzym Zeit [min] Intensität UV 280nm Abbildung 152. Elutionsprofil von zwei Analyten aus der Multimethode (jeweils die MRM-Spur des Quantifier) zusammen mit dem von Urin nach Zugabe von Glucuronidase H. pomatia (detektiert mittels UV- Absorption bei 280 nm). Erst nach ca. 5 min ist das Enzym vollständig eluiert (= Zeitpunkt für die erste Ventilschaltung und Elution der Analyten im Rückfluss auf die Trennsäule) Trinkwasseruntersuchung Für die Einschätzung des Trinkwassers als möglichen Expositionspfad für die humane Exposition im Vergleich zu anderen Pfaden (Lebensmittel, Pflegeprodukte, Wohnumfeld, etc.) wurden mit der Multimethode auch zwei Trinkwasserproben untersucht. Dafür wurden jeweils 100 ml Probe mittels SPE auf einen Milliliter angereichert. In beiden Trinkwasserproben wurden hauptsächlich Medikamentenrückstände (Phenazon, Propyphenazon, Carbamazepin, Lamotrigin) bzw. deren Metabolite (Formylaminoantipyrin, Aminoantipyrin und Acetylaminoantipyrin von Metamizol) detektiert. Die Konzentrationen liegen dabei zwischen weniger als 1 ng/l bis maximal 100 ng/l (vergleichbar zu (Bahlmann 2012)) und damit deutlich unter den vom BfR für Pestizide ausgegebenen gesundheitlichen Trinkwasser-Leitwerten (stoffabhängig zwischen 1 bis µg/l) (BfR 2013). Unter den Annahmen i) eines täglichen Trinkwasserkonsums von 2 Litern, ii) einer urinären Ausscheidung von 2 Litern sowie iii) einer Ausscheiderate von 100 % ohne metabolische Veränderungen müssten Nachweisgrenzen in Urinproben für die im Trinkwasser detektierten Pharmaka von unter 100 ng/l erreicht werden, um diese Konzentration wiederfinden zu können. Die in der Multimethode erreichten Methodengrenzen für eine quantitative Aussage reichten stoffabhängig von 15 bis 600 ng/l in Urin (nach 1:5 Verdünnung mit bidest. Wasser und ohne enzymatische Konjugatspaltung). Da aber u.a. die Konzentration des aufgenommenen Stoffes durch Phase-1-Metabolismus auf mehrere Metaboliten (=Analyte) verteilt wird, ist die tatsächlich ausgeschiedene Konzentration in Urin geringer. Damit ist eine Exposition, die nur auf Trinkwasser als Quelle beruht, in Urin mit der Multimethode nicht erfassbar Paraben-Methode Ausgehend von der Entwicklung der Multimethode und den daraus gewonnenen Erkenntnissen wurde schlussendlich eine dezidierte LC-MS/MS-Methode zur quantitativen Bestimmung von Parabenen in humanem Urin entwickelt. Parabene, die Ester der para-hydroxybenzoesäure (siehe Abbildung 153), finden zahlreiche Anwendungen als Konservierungsmittel in Körperpflegeprodukten, Arzneimitteln sowie Lebens-mitteln. In den letzten Jahren wurden vermehrt Zweifel an der Sicherheit dieses umfangreichen Einsatzes laut und die EU Kommission reduziert 2014 die Summen-Konzentration von Parabenen auf 0,8 % in kosmetischen Produkten (Commission Regulation (EU) No 358/2014). Studien zeigten, dass Parabene ein östrogenes Potential aufweisen, welches sowohl von der Länge als auch der Struktur der Seitenkette ab- 225

232 hängig ist (Okubo et al. 2001). Aufgrund ihres intensiven Gebrauches werden Parabene trotz ihrer hohen Entfernungsraten in Kläranlagen häufig in Gewässern, Sedimenten und Biota detektiert (Haman et al. 2015). Abbildung 153. Struktur der untersuchten Parabene. Zum Ausgleich der Matrixeffekte während der Ionisation als auch um eventuelle Verluste während der Probenvorbereitung auszugleichen, wurde für jeden Analyten ein deuterierter Standard verwendet. Da Parabene hauptsächliche als Glucuronide- bzw. Sulfatkonjugate ausgeschieden werden (Dewalque et al. 2014) mussten die Urinproben vor der Analyse mit Glucuronidase/Sulfatase von H. pomatia inkubiert werden. Die Hydrolyse wurde entsprechend Alvarez-Sanchez et al. (2009) mittels Ultraschall auf 30 min Reaktionszeit verkürzt. Zur Absicherung der enzymatischen Aktivität wurde jeder Probe Methylumbelliferyl-Glucuronide und -sulfate zugesetzt und das entsprechend gebildete Methylumbelliferon (über 13 C 4 -Methylumbelliferon) quantifiziert. Bei der Methodenentwicklung zeigte sich, dass eine Probenkontamination während der Festphasenextraktion sowohl über die verwendeten Lösungsmittel (Moos et al. 2014) als auch den Verdampfungsschritt erfolgte (Asimakopoulos et al. 2013b, Ye et al. 2013). Wie bei der Untersuchung von Phthalate ist daher auf eine umfangreiche Probenvorbereitung möglichst zu verzichten und die Verwendung von unterschiedlichen Probengefäßen und Lösungsmitteln zu vermeiden. Daher wurde anstelle einer Extraktion nur eine Filtration des Hydrolysates zur Abtrennung des Enzyms mittels Größenausschluss- Zentrifugalfilters ( 3 kda) vorgenommen. Dies war zum einen möglich, da aufgrund der Detektion im MRM-Modus sowohl die Selektivität (zwei Übergänge pro Analyt) als auch die Sensitivität (Detektionslimits zwischen 0,07 µg/l und 0,5 µg/l) und auch über die Verwendung von internen Standards die Korrektur eventueller Matrixeffekte gegeben war. Die anschließende Untersuchung der Matrixeffekte während der Ionisation ergaben Wiederfindungen zwischen % (absolute, ohne Korrektur). Diese sind deutlich niedriger im Vergleich zu den Matrixeffekten aus der Multimethode und veranschaulichen den Vorteil dezidierter Methoden. Durch eine auf die Analyten optimierte Chromatographie kann die komplexe Urinmatrix abgetrennt werden und stört nicht bei der Ionisation der Analyten. Im Sinne der Anwendbarkeit für ein Humanbiomonitoring wurde die Gesamtmethode (Probenvorbereitung und UPLC-MS/MS) entsprechend den Anforderungen (i) hoher Probendurchsatz, (ii) einfache Handhabung und (iii) geringes Proben-volumen optimiert. Erreicht wurden diese durch (i) eine vollständige enzymatische Hydrolyse der Konjugate innerhalb von 30 min, (ii) einfache Abtrennung des Enzyms durch Filtration mittels Zentrifugalfilter und (iii) eine schnelle UPLC-MS/MS-Methode mit einer Gesamtdauer von 7 min. Die Methode wurde anschließend im Sinne von Präzision, Richtigkeit und Wiederfindung (absolut und relative) validiert und auf 39 Urinproben angewendet. 226

233 4.3.5 Ergebnisse des HBM und Diskussion Monitoring mit der Multimethode Im Frühjahr 2013 erfolgte eine erste Probenkampagne in Leipzig, gefolgt von einer zweiten im Sommer mit Proben aus Berlin. Dabei sollte geprüft werden ob lokale Unterschiede erkennbar sind. Insgesamt wurden 87 Urinproben (58 % weibliche und 42 % männliche Teilnehmer) sowohl mittels Target- als auch Nontarget/Suspect-Screening untersucht. Der zunächst ubiquitäre Befund von Benzotriazol (Antikorrosionsmittel in Spülmitteln) musste nach Einführung der Qualitätskriterien für die Multimethode für falsch erklärt werden. Auch weitere Analyten schienen von diesem Problem (der besetzten MRM- Übergänge durch biogene Urinbestandteile) betroffen zu sein. Hier zeigte sich die Wichtigkeit sowohl der Auswahl spezifischer MRM-Übergänge (Detektion) als auch die Anwendung von Qualitätskriterien v.a. für die Detektionen von kleineren Analyten (<200 Da) in komplexen Matrices (wie Urin). Entsprechend wurde entschieden für das Screening mittels Multimethode nur Befunde als positive zu bewerten, welche den Kriterien in Anlehnung an 2002/657/EC (Commission Decision 2002/657/EC) entsprachen. Die hier verwendeten Qualitäts-kriterien umfassten (i) die Verwendung von zwei MRM-Übergängen pro Analyt, (ii) einem Ionenverhältnis von ±25 % im Vergleich zu einem Standard und (iii) eine Abweichung der Retentionszeit von weniger als 0,02 min. Wie oben bereits erwähnt, musste Benzotriazol nach Einführung der Qualitätskriterien als falsch-negativer Befund eingestuft werden, da das Ionenverhältnis mit Q/q=0,6 deutlich vom Standard abwich (Q/q=3,0). Da bereits in vorangegangenen Studien Benzotriazol in humanem Urin detektiert worden war (Asimakopoulos et al. 2013a) und alle untersuchten Urinproben davon betroffen waren, sollte mit hochauflösender Massenspektrometrie geklärt werden, ob eine co-eluierende Substanz für die Störung verantwortlich sein könnte. Im TOF-MRM-Modus kann hierbei im ersten Quadrupol m/z 120 isoliert und die Empfindlichkeit gegenüber dem Fullscan deutlich erhöht werden. Die Untersuchungen von Urin dotiert bzw. nicht dotiert mit Benzotriazol zeigen im Vergleich mit dem Benzotriazol-Standard, dass zur Retentionszeit von Benzotriazol (4,39 min) eine weitere Substanz mit m/z 120 eluiert (siehe Abbildung 154). Die exakte Masse dieser Substanz (m/z 120,0705) weicht nur 14,3 mda von der Masse des Benzotriazols (m/z 120,0562) ab und entspricht sowohl der Summenformel C 7 H 7 N 2 (Δ=1,8 mda) als auch C 4 H 9 NO 3 (Δ=4,4 mda). Die zweite Summenformel führt bei der Datenbank-Suche auf HMDB (Wishart et al. 2013) zu den Aminosäuren Threonin, Homo-Serin und Allo-Threonin. Mit einem pk s von ca. 2,2 (Quelle: HMDB, berechnet durch ChemAxon) ist eine Elution bei über 4 min aber sehr unwahrscheinlich, da die Säuregruppe im verwendeten Eluenten (0,1-prozentige Ameisensäure in Wasser/Methanol) deprotoniert vorliegen würde. Auch die Fragmentierungen auf m/z 65 bzw. 92 (Q- und q-übergänge aus der Multimethode mittels QqQ-MS) durch Abspaltung von CO/N 2 /CHN scheinen zweifelhaft oder unmöglich. Ein weiteres Suchergebnis führt zu dem endogenen Metaboliten γ-amino-β-hydroxybutansäure (GABOB). Mit einem berechneten pk s von 4,1 scheint hier eine Retention und damit eine Elution um die 4 min wahrscheinlicher. Allerdings scheinen auch hier die entsprechenden Fragmentierungen unwahrscheinlich, müssten also mit einem Standard überprüft werden. Damit konnte zumindest gezeigt werden, dass noch andere Substanzen im humanen Urin mit der gleichen Masse wie Benzotriazol zu finden sind und entsprechende spezifische Analysemethoden nötig sind für die zweifelsfreie Detektion. Des Weiteren müssen die Befunde aus dem Screening mit der Multimethode als negativ für Benzotriazol gewertet werden. 227

234 Abbildung 154: Spektrum (Ausschnitt) der UPLC-QTOF-Untersuchungen mittels TOF-MRM-Modus (t R = 4,39 min) für (a) eine Urinprobe, (b) eine Urinprobe mit Benzotriazol gespikt und (c) einen Benzotriazol- Standard in bidest. Wasser. Die erhaltenen Befunde aus dem Screening können dabei unterschieden werden in: Geringe Verbreitung und niedrige Konzentrationen (Pestizid Thiabendazol ) Geringe Verbreitung und relevante Konzentrationen (Pharmaka und deren Metaboliten) Ubiquitäres Auftreten und relevante Konzentrationen (Konservierungsmittel Methylparaben ) Thiabendazol war ein Einzelbefund und wird dem Konsum von Obst, beispielsweise Limetten, zugeschrieben, da es hier als Schutz auf die Schalen aufgetragen und beim Verzehr mit aufgenommen werden kann (Verwendung bei der Zubereitung von Cocktails). Die mittels Standardaddition ermittelte Konzentration betrug 30 ng/l. Diese niedrige Konzentration zusammen mit der geringen Häufigkeit dieser Exposition sprechen für eine geringe Relevanz für den Eintrag über den humanen Urin in den Wasserkreislauf. Der Beitrag von Pharmazeutika und deren Metaboliten innerhalb der Wasseraufbereitung ist hinreichend bekannt (Bahlmann 2012, Hass et al. 2012, Zuehlke et al. 2007). Für eine Bilanzierung des Eintrages über den humanen Urin wäre zum einen ein erheblich größeres und umfassenderes Biomonitoring nötig um auch speziellere Medikamente (Carbamazepin, Lamotrigin, etc.) zu erfassen. Zum anderen konnte bereits gezeigt werden (Winker et al. 2008), dass theoretische und analytische Konzentrationen gut modelliert werden können und die Durchführung von zeit- und kostenintensiver Monitoring-Studien zur Erfassung des Eintrages von Pharmazeutika unnötig scheinen. 228

235 Chlorfenvinphos Terbuthylazine 2-hydroxy* Terbuthylazine Desethyl* Simazin Bromoxynil Mecoprop Thiacloprid Metribuzin Imazalil Matalaxyl Metamitron Desamino* Tebuconazol Boscalid Chlortoluron Propiconazol Fenoxycarb Metazachlor Chloridazon Thiabendazol Lenacil Pendimethalin Quinoxyfen Atrazine Desisopropyl* Atrazine Desethyl* 245-T Alachlor Bentazon Phenazon Propyphenazon Carbamazepin Metolachlor-MTB: NOA Primidon Chloridazon-MTB: B1 Metazachlor-MTB: BH Metolachlor-MTB: CGA LW TW (BfR) LW TW (WHO) GOW (UBA) LOQ M in Urin [µg/l] Abbildung 155: Vergleich der methodisch erfassbaren Grenzen in Urin (LOQ M durchschnittliche Bestimmungsgrenze) mit den Trinkwasser-Leitwerten (LW TW ) des BfR (2013) oder der WHO bzw. der Gesundheitlichen Orientierungswerte (GOW) des UBA (alle Angaben in µg/l); *Bei Metaboliten für die kein entsprechender Wert verfügbar war, wurden die LW TW der entsprechenden Ausgangsstoffe verwendet. Methylparaben als ein Vertreter von Konservierungsmitteln in kosmetischen Produkten wird praktisch ubiquitär in Urinproben aus Deutschland detektiert (Moos et al. 2014). In den hier untersuchten Proben wurde es nicht so häufig detektiert, da für das Target-Screening nur der dilute-and-shoot -Ansatz verwendet wurde, aber Parabene zu einem großen Anteil als Konjugate ausgeschieden werden (Methylparaben als Sulfat zu 67 % bzw. als Glucuronid zu 28 % (Ye et al. 2006)) und sich somit ohne entsprechender Probenvorbereitung der Detektion entziehen können. Aus den negativen Befunden lässt sich eine humane Exposition durch einzelne Spurenstoffe des Berliner Wasserkreislaufes von zurzeit täglich weniger als 0,5 20 ng/kg Körpergewicht (stoffabhängige Bestimmungsgrenzen) ableiten. In Abbildung 155 sind für einige Stoffe der Multi-methoden die Leitwerte 229

236 (LW) bzw. Gesundheitlichen Orientierungswerten (GOW) für Trinkwasser den Bestimmungsgrenzen in Urin gegenüber gestellt. Hierbei liegen die LOQs 1 2 Größenordnungen unterhalb der Leitwerte bzw. in der Größenordnung der GOW. Dies zeigt, dass die Multimethode ausreichend sensitiv war, um gesundheitlich relevante Belastungen zu erfassen und somit ein gesundheitliches Risiko durch diese Stoffe ausschließen zu können. Da keine Befunde oberhalb der Bestimmungsgrenzen detektiert wurden, kann davon ausgegangen werden, dass zurzeit kein gesundheitliches Risiko für die untersuchten Stoffe, unabhängig vom Eintragspfad, besteht. Eine Ausnahme stellt dabei die Stoffgruppe der Parabene dar. Wie oben erwähnt wurde Methylparaben sehr häufig während des Screenings detektiert. Daher sollte diese Stoffgruppe mithilfe einer dezidierten Methode quantitativ bestimmt werden Quantifizierung von Parabenen Mithilfe der dezidierten UPLC-MS/MS-Methode für die Bestimmung von Parabenen wurden insgesamt 39 Urinproben aus Berlin und Leipzig untersucht. Trotz ihrer weltweiten Akzeptanz und Verwendung als Konservierungsmittel werden Parabene in letzter Zeit mit Besorgnis betrachtet. Dies beruht vor allem auf ihrem östrogenen Potential (Okubo et al. 2001). Am häufigsten wurden Methyl-, Ethyl- und n-propylparaben detektiert (in % der Proben), gefolgt von n-butylparaben (in 36 % der Proben). Seltener (in 10 % der Proben) wurden i-propyl-, i- Butyl- und Benzylparaben detektiert. Sec-Butylparaben wurde in keiner der untersuchten Proben detektiert, was die Annahme unterstützt, dass es zurzeit keine industrielle Anwendung findet. Zwischen den Städten (Berlin und Leipzig) wurden keine signifikanten Unterschiede gefunden, dafür aber zwischen Männern und Frauen. Parabene werden nicht nur häufiger in weiblichen Proben detektiert, sondern auch in höheren Konzentrationen als in männlichen. Damit ergab sich eine deutlich erhöhte mediane Gesamtkonzentration von Parabenen in Frauen von 27 µg/l im Vergleich zu Männern mit 8 µg/l. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede werden auf einen intensiveren Gebrauch von Kosmetika und Pflegeprodukten durch Frauen zurückgeführt (Moos et al. 2014) und weltweit beobachtet (Asimakopoulos et al. 2014, Wang et al. 2013). Aus der Literatur ist bekannt, dass Parabene mikrobiologisch leicht abbaubar sind (Hydrolyse als erster Schritt) und in Kläranlagen zu über 90 % entfernt werden (unabhängig von der Behandlung). Trotzdem werden Parabene häufig in der aquatischen Umwelt detektiert (Methylparaben in 80 % der Süßwasserproben mit einer durchschnittlichen Konzentration von 35 ng/l (Haman et al. 2015)). Dies resultiert aus dem hohen Verbrauch und dem damit verbundenen kontinuierlichen Eintrag über Kläranlagenabläufe. Problematisch ist hierbei vor allem die Bildung von halogenierten Nebenprodukten bei der Desinfektion von Wasser, da diese toxikologisch bedenklicher sind. Des Weiteren sind die halogenierten Parabene schlechter abbaubar und somit persistenter, was eine zukünftige Exposition über Trinkwasser ermöglichen könnte (Haman et al. 2015). Zum aktuellen Zeitpunkt ist das Expositionspotential für Parabene über Trinkwasser sehr gering. Hauptexpositionsquellen sind vielmehr kosmetische Produkte und Pharmazeutika (Soni et al. 2001). Aktuell liegt nur ein Gruppen-ADI-Wert für die Summe von Methyl- und Ethylparaben und deren Natriumsalze von 0 10 mg/kg Körpergewicht von 2004 vor (Opinion of the Scientific Panel on Food Additives, Flavourings, Processing Aids and Materials in Contact with Food on a Request from the Commission related to para hydroxybenzoates (E )). Mit den hier ermittelten Maximalkonzentrationen an Methyl- und Ethylparaben in Urin ergibt sich eine Exposition von täglich 13 µg/kg Körpergewicht 230

237 (Annahmen: 2 L urinäre Ausscheidung und 70 kg Körpergewicht) und der ADI wird nur zu 0,1 % ausgeschöpft. Damit kann ein gesundheitliches Risiko ausgeschlossen werden, auch unter Berücksichtigung, dass die urinäre Ausscheidung nur einen Teil der aufgenommenen Menge widerspiegelt Schlussfolgerungen Die Untersuchung von humanen Urinproben zur Erfassung der Exposition durch polare anthropogene Spurenstoffe stellt nicht nur eine analytische Herausforderung dar. Schon im Vorfeld ist eine umfangreiche Literaturstudie und Recherche nötig, da zum einen relevante Stoffe für das Biomonitoring identifiziert werden müssen, als auch der humane Metabolismus dieser geklärt werden muss. Die Suche dieser Informationen ist vor allem zeitintensiv, wird aber zunehmend durch die Entstehung von online Datenbanken, wie beispielsweise HMDB (Wishart et al. 2013), vereinfacht. Eine weitere Herausforderung stellt anschließend die Beschaffung von entsprechenden Standards für die Erstellung der Multimethode dar, welche zum Teil nicht erhältlich waren. Vor allem Konjugate (mit Glucuronsäure oder Sulfat) sind kaum erhältlich oder sehr teuer. Daher wurde eine enzymatische Konjugatspaltung nötig, da für ein Viertel der Analyten bekannt war, dass diese hauptsächlich als Konjugat ausgeschieden werden (s. Abbildung 148). Diese Aufarbeitung machte anschließend auch eine entsprechende Probenvorbereitung nötig, um zum einen das zugegebene Enzym zu entfernen und zum anderen die Analyten nach der Verdünnung wieder auf zu konzentrieren. Am Ende wurden 88 Stoffe unterschiedlichster Klassen/Verwendungsarten für das Monitoring ausgewählt (siehe Tabelle 83). Bei der Erstellung der Multimethode zeigte sich, dass die aus der Wasseranalytik bekannten Herausforderungen bei der Optimierung durch die Urinmatrix verstärkt sind. Die Konzentriertheit und die Komplexität der Urinmatrix (s. Tabelle 84) führen bei der LC-MS/MS-Analyse zu starken, aber vor allem variablen Matrixeffekten (s. Abbildung 151). Eine Reduzierung dieser Matrixeffekte durch Abtrennung der Urinmatrix mittels verschiedener Extraktionsmethoden zeigte keine Erfolge (Schlittenbauer et al. 2015). Daher konnte die Multimethode nur als Screening-Methode mit anschließender Standard-Addition (für positive Befunde) eingesetzt werden. Quantitative Methoden müssen dagegen v.a. dezidierter sein und sollten möglichst interne Standards zur Korrektur beinhalten. Für die Konservierungsmittel Parabene wurde eine solche Methode erstellt, validiert und angewendet. Die Urinmatrix hatte zudem auch Auswirkungen auf die Etablierung der Nontarget- und Suspect-Methoden. Der statistische Ansatz des Nontarget-Screenings hatte sich aber auch unabhängig davon als ungeeignet für die Suche nach ubiquitären Spurenstoffen herausgestellt. In beiden Ansätzen zeigte sich, dass die exakte Masse der Analyten keine höhere Selektivität im Vergleich zum MRM-Übergang mittels QqQ-Massenspektrometer garantiert. Dadurch kam es gerade im Suspect-Screening ohne Verwendung zusätzlicher Kriterien (Retentionszeit, Fragmente) zu sehr vielen falsch-positiven Befunden. Generell mussten alle Befunde sehr zeitintensiv per Hand überprüft werden. Zudem konnte die erwartete Sensitivität für die Identifizierung von polaren Spurenstoffen aufgrund der starken Matrixeffekte während der Ionisation nicht erreicht werden. Dies hat zur Folge, dass eine (ubiquitäre) Exposition mit unbekannten Spurenstoffen nicht ausgeschlossen werden kann. Das Screening mit der Multimethode führte fast ausschließlich zu negativen Befunden. Da die ermittelten Bestimmungsgrenzen in Urin 1 2 Größenordnungen unterhalb der entsprechenden LW TW bzw. GOW liegen (s. Abbildung 155), kann ein gesundheitliches Risiko für diese ausgeschlossen werden. Die wenigen positiven Befunde zeigten zudem, dass vor allem andere Expositionswege von Relevanz sind 231

238 im Vergleich zum Trinkwasser (z.b. Pharmaka, Kosmetika und Pflegeprodukte). So wurden beispielsweise Methyl-, Ethyl- und n-propylparaben in über 95 % der Proben detektiert. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede legen hier nahe, dass (wie von anderen Autoren (Moos et al. 2014) vermutet) die Exposition hauptsächlich auf den Gebrauch von Kosmetika zurück zu führen ist. Aufgrund ihrer guten Abbaubarkeit während der Wasseraufbereitung kann eine (gesundheitlich) relevante Exposition über das Trinkwasser (auch bei deinem teilgeschlossenen Wasserkreislauf) ausgeschlossen werden. 232

239 5 Risikowahrnehmung und Verhalten aus soziologischer Perspektive 5.1 Die soziale Konstruktion von Risiken als Problem Zugang zu qualitativ hochwertigem Trinkwasser ist eine der elementarsten Bedingungen für die menschliche Gesundheit (BPB 2012). Während in Industrienationen (wie Deutschland) das Grundrecht auf sauberes Trinkwasser erfüllt ist, haben weltweit je nach Schätzung zwischen rund 800 Mio. und 3,5 Mrd. Menschen keinen Zugang zu gesundem Trinkwasser (UNESCO 2014). 1 Aber auch wenn Deutschland ein wasserreiches Land in dem Sinn ist, dass derzeit durch Niederschläge prinzipiell ausreichend Wasser für Trinken, den alltäglichen Bedarf, Nahrungsmittelproduktion und industrielle Produktion verfügbar ist, ist auch hier die Ressource Wasser nicht unendlich. Konkret ist die aktuelle Sicherheit der Trinkwasserversorgung in Deutschland mittel- und langfristig potenziell durch zwei Bündel von Risikofaktoren gefährdet: 1. Es kann sein, dass durch den Klimawandel die Niederschlagsmenge so drastisch reduziert wird, dass sie nicht mehr zur Trinkwasserversorgung der Bevölkerung ausreicht. 2. Während dieses Risiko vergleichsweise niedrig und recht gut abschätzbar ist, besteht außerdem eine Gefahr der Verschmutzung des Oberflächen- und Grundwassers in einem solchen Ausmaß, dass es selbst mit modernsten Wasseraufbereitungsmethoden nicht mehr gereinigt werden kann. Diese Verschmutzung kann aus verschiedenen Quellen kommen. So könnten etwa durch Arzneimittel und andere Substanzen menschlichen Ursprungs (sogenannte anthropogene Spurenstoffe) ins Wasser gelangen, die entweder per se gesundheitsschädlich sein könnten oder Multiresistenz bei Bakterien verursachen könnten. Zwar können diese anthropogenen Spuren-stoffe und multiresistenten Bakterien mittlerweile mit Hilfe moderner, empfindlicher und immer genauerer Messmethoden in niedrigen Konzentrationen im Trinkwasser nachgewiesen werden, es ist aber unklar, wie sie ins Wasser gelangen, welche Auswirkung sie auf Einfluss auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben und ob künftig infolge von Klimawandel, Migration, Bevölkerungsentwicklung, Lebenswandel und Konsumpraktiken ein weiterer Anstieg dieser Spurenstoffe bzw. Bakterien im Trinkwasser zu erwarten ist (Jekel et al. 2013). Ziel des gesamten ASKURIS-Projektes war es, das Risiko anthropogener Spurenstoffe und multiresistenter Bakterien im urbanen Wasserkreislauf am Beispiel von Berlin zu charakterisieren und zu bewerten. Ein sehr spezifisches Merkmal der möglichen Gefahren, denen die Trinkwasserversorgung in Deutschland gegenübersteht, ist dabei, dass es sich hier um komplexe und v.a. meist noch völlig unbewertete Risiken (Keil and Beier 2012) handelt. Alle beteiligten Diskurs-akteure sind demnach mit einer hohen Unsicherheit konfrontiert (Beck 1986, 2007, Bonß 1995, 1996, Keil and Beier 2012). Gesetzlich festgesetzte Grenzwerte für bestimmte Stoffe unterliegen zwar theoretisch dem sog. Minimierungsgebot, sind aber z.t. nicht empirisch fundiert, sondern politisch gesetzt. Um dieses Risiko, das anthropogene Spurenstoffe für den urbanen Wasserkreislauf darstellen, besser zu fassen, wurde daher im ASKURIS-Projekt analytisch mehrstufig vorgegangen: 1 Durchschnittlich verbraucht jeder deutsche Bürger 126 Liter Trinkwasser pro Tag BPB (2009) Der sogenannte virtuelle Wasserverbrauch liegt allerdings bei etwa Litern pro Person und Tag in Deutschland (Ladwig 2009). Der virtuelle Wasserverbrauch gibt an, wie viel Wasser zur Erzeugung industrieller und landwirtschaftlicher Güter des täglichen Verbrauchs notwendig ist. 233

240 1. Ermittlung der Risiken 1. Ordnung: Für die meisten anderen (naturwissenschaftlichen) Arbeitspakete des Projekts bestand die Aufgabe darin, mögliche Gefahren einer künftigen Verunreinigung des Trinkwassers mit anthropogenen Spurenstoffe und multiresistenten Bakterien mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden abschätzen (im Folgenden auch: naturwissenschaftlich objektiviertes Risiko bzw. objektives Risiko). Zu lösen ist etwa das Problem, dass man weit davon entfernt ist, alle (Spuren)Stoffe in Trinkwasser und Gewässer identifiziert und klassifiziert zu haben und dass man fast nichts über Entstehung und Wirkung von Metaboliten und anderen Substanzgemischen weiß. 2. Ermittlung der Risiken 2. Ordnung: Der in diesem Kapitel vorgestellte sozialwissenschaftliche Teil des Projektes befasst sich mit der subjektiven Risikowahrnehmung (Bewusstseinsebene), konkret damit, wie Wasserrisiken diskursiv konstruiert werden und wie diese Risikokonstruktionen es vermögen, Wirklichkeiten, Einstellungen, Verhalten und auch Materialitäten zu beeinflussen. Festzuhalten ist an dieser Stelle die essentielle und basale Grundannahme der vorliegenden Analyse, dass Risiko immer ein soziales Konstrukt ist, das abhängig von kulturellen und anderen sozialen Einflüssen ist: Risk does not exist out there, independent of our minds and cultures, waiting to be measured. Human beings have invented the concept risk to help them understand and cope with the dangers and uncertainties of life (Slovic 1992: 119). Ausgehend von dieser Beobachtung argumentiert das von Slovic, Renn und Zwick psychometrische Paradigma, dass Risiken 1. Ordnung 2 selektiv in sozial wirksame Risiken 2. Ordnung transformiert werden (Fischhoff et al. 1978, Renn 1989, 1991, Slovic 1992, 1999, 2000, Slovic and Peters 2006, Zwick 2002, 2005). Risiken werden also von Individuen individuell definiert. Diese unterstehen dabei psychologischen, sozialen, institutionellen und kulturelle Einflussfaktoren (beispielsweise subjektive Bedrohlichkeit, gesellschaftliches Gefahrenpotenzial, Katastrophen-potenzial, persönlicher und gesellschaftlicher Nutzen, Kontrolle und Einflussmöglichkeit, Gerechtigkeit bei der Verteilung von Nutzen und Lasten, subjektiver Wissensstand). Somit ist es möglich, dass objektive Risiken auch als solche wahrgenommen werden. Ebenso ist es aber möglich, dass problematische Stoffe als ungefährlich wahrgenommen werden. Umgekehrt ist es aber auch denkbar, dass ungefährliche Stoffe etwa durch Medieninszenierungen als in der Öffentlichkeit als gefährlich wahrgenommen werden und so etwa Paniken hervorrufen (Dahlstrom et al. 2012, Ferguson 2001). Eine Überschätzung von Gefahren ist ebenso problematisch wie eine Unterschätzung, da in solchen Fällen politisches Handeln gefordert wird, obwohl es nichts zu handeln gibt und ein Handeln sogar zu einer Verschlechterung führen kann. Gleichzeitig werden Ressourcen gebunden, die dann fehlen, um schwerwiegendere Gefahren zu bekämpfen. Für ein erfolgreiches Risikomanagement wäre daher ein Zustand wünschenswert, in dem Gefahren und naturwissenschaftlich abgeleitete Risiken von der breiten Bevölkerung realistisch entsprechend ihrem relativen Bedrohungsgrad wahrgenommen werden. 3. Die öffentlichen und semi-öffentlichen Risikodiskurse zu kennen und zu verstehen, ist damit Voraussetzung für ein erfolgreiches Risikomanagement, denn erst wenn eine Gefahr auch als Risiko 2 Dies gilt auch für die zuerst genannten naturwissenschaftlich objektivierten Risiken auch diese sind streng genommen sozial konstruiert. Um die beiden Ebenen analytisch unterscheiden zu können, schreiben wir im Folgenden trotzdem von objektiven und subjektiven Risiko. Wenn wir nur von Risiken sprechen, meinen wir die subjektiven Risiken bzw. Risiken 2. Ordnung. 234

241 wahrgenommen wird, entsteht ein Risikoverhalten (Handlungsebene). Diese kann sich politisch etwa in der Festsetzung von Grenzwerten oder Produktionsverboten niederschlagen oder beim Verbraucher in einer Veränderung des persönlichen Verhaltens im Alltag oder in öffentlichem Protest äußern. Es ist aber ebenso denkbar und durchaus eher die Regel, dass die Bevölkerung trotz wahrgenommenem Risiko nicht reagiert (Renn 2010, Renner and Gamp 2014, Schmätzle et al. 2013). Daher fragt AP4 in einem zweiten Schritt, warum und wie sich subjektiv wahrgenommene Risiken auf der Handlungsebene niederschlagen sowie wie diese verändert werden können. 5.2 Das institutionelle Feld der Trinkwasserversorgung in Deutschland Aus strukturfunktionalistischer Sicht nehmen Risiken und Gefahren eine stabilisierende Rolle bei der Reproduktion sozialer Einheiten ein. Es ist daher davon auszugehen, dass die Existenz und das Ausmaß von Risiken anthropogener Spurenstoffe und Krankheitserreger im Trink- und Oberflächen-wasser innerhalb und zwischen verschiedenen öffentlichen und semi-öffentlichen Diskursfelder verhandelt werden. Diese Diskurse beeinflussen unsere Risikowahrnehmung und unser Risiko-verhalten. Diskurse können als soziale Praktiken der Produktion, Reproduktion und Stabilisierung sozialer Realität verstanden werden (Bourdieu 1976, Reckwitz 2002, 2003, 2004, Schatzki et al. 2001). Üblicherweise sind diese Praktiken kontrovers, konfliktbehaftet und immer interessengeleitet (Keller 2001, 2011). Bei der Rekonstruktion des Diskursfeldes über Wasserrisiken sind die komplexen institutionellen Strukturen der Trinkwasserversorgung in Deutschland sowie die Verflechtung und Wechselwirkung verantwortlicher (institutioneller) Akteure zu beachten, die im Hintergrund wirken und z.b. mehr oder weniger einflussreich im Hinblick auf rechtliche Rahmenbedingungen sind (Benz and Dose 2010, Ortmann et al. 2000). Wie bei allen Konsumgütern (Baur 2013f) muss auch bei Wasser nicht nur die Komplexität der Produktionskette, sondern auch die regionale Variation von geologischen, demographischen, industriellen und institutionellen Faktoren berücksichtigt werden. Schematisch stark vereinfacht zeigt Abbildung 156 das deutsche System der Wasserversorgung und Abwasserproduktion: Konsumenten (Baur 2013a) tragen Verschmutzungen durch ihre alltägliche, oft sehr routinierte Praxis in den Wasserkreislauf ein und produzieren Abwasser: durch Baden, Duschen, Putzen, Kochen, Wäschewaschen, Autowaschen usw. Auch die Pharmaindustrie trägt zur Eintragung v.a. von Spurenstoffen in Form von Medikamentenrückständen und deren Transformations-produkten in das Wassersystem bei: Sie produziert Medikamente, die von Mensch und Tier eingenommen und zu einem gewissen Anteil wieder ausgeschiedenen werden bzw. die unter Umständen von Menschen in der Toilette entsorgt werden. Auch die Landwirtschaft trägt durch Düngerausbringung und Massentierhaltung zu einer Verschmutzung unseres Grund- und Oberflächenwassers und damit auch unseres Trinkwassers bei. Eine weitere Wasserbelastungsquelle stellt im Allgemeinen die industrielle Produktion dar. Wasserver- und -entsorger sind nun mit der Aufgabe betraut, diese Verschmutzungen durch verschiedene Reinigungs- und Aufbereitungs-stufen aus dem Wasser zu entfernen bzw. im Wasser zu minimieren (oft ist eine vollständige Eliminierung nicht möglich). Ziel der Wasserver- und -entsorger ist, den Verbrauchern qualitativ unbedenkliches und hochwertiges Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Und so schließt sich dieser vereinfachte Kreislauf der Wassernutzung in Deutschland wieder. 235

242 Abbildung 156: Wasserversorgung und Abwasserproduktion in Deutschland. Dabei weiß man von anderen Lebensmittelmärkten (Baur 2013c, d), dass gerade durch diese Komplexität der Produktionskette selbst Risiken mit konstruiert werden (Baur 2013e, j) und dass nicht nur die an der Produktion selbst beteiligten Akteure, sondern auch die Medien (Baur 2013c) und die Politik (Baur 2013b, h, i) wesentlich an der sozialen Konstruktion von Risiken mitbeteiligt und deshalb Bestandteil des Diskursfeldes sind. Ebenso wichtig sind Wissenschaftler als Wissens-produzenten (Baur 2013d, k, 2014). Sowohl die Einschätzung des Risikos durch den Eintrag von immer unterschiedlicheren und komplexeren Verunreinigungen ins Grund- und Trinkwasser, als auch die Bewältigung dieser Risiken stellt daher eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar. So werden in unterschiedlichen Diskursfeldern (z.b. Politik, Wissenschaft, Industrie) verschiedene Ansatzpunkte und Möglichkeiten diskutiert, den Eintrag von Verunreinigungen gegenwärtig und zukünftig zu mindern oder gar zu vermeiden bzw. technische Verfahren und Aufbereitungstechnologien zu entwickeln, die in der Lage sind, anthropogene Spurenstoffe und pathogene Keime sicher aus dem Abwasser zu eliminieren. Dabei ist aber weder klar, inwieweit diese Diskurse koordiniert sind, noch, wie sich diese Diskurse auf unterschiedliche bzw. ähnliche Interessen, Wissensverhältnisse, -ordnungen und -politiken zu unterschiedlichen Diskursen und Subdiskursen bündeln lassen. Eine völlige Black Box stellt schließlich der Verbraucher dar, obwohl diesem eine zentrale Rolle zukommt, da er einerseits durch den Gebrauch bestimmter Medikamente und Produkte potenziell zur Verunreinigung des Trinkwassers beiträgt, andererseits aber auch potenziell am sensibelsten auf etwaige Risiken reagiert. Welchem Gewicht ein Verbraucher welcher der anderen Akteursgruppen zumisst, hängt maßgeblich von dem Vertrauen ab, das er diesen Institutionen entgegenbringt (Baur 2013g). Viele andere Branchen haben seit den 1970ern mit einem zunehmenden einem Vertrauensverlust in die Produzenten und die Politik zu kämpfen. Hier haben die deutschen Wasserver- und -entsorger und andere Akteure des Wassermarktes insofern einen großen Vorteil und eine einzigartige Chance, als das Vertrauen der Verbraucher im Vergleich zu anderen Branchen (z.b. Lebensmittelmarkt, Energiemarkt) und anderen Ländern noch sehr groß ist nach wie vor trinken etwa sehr viele Deutsche Leitungswasser (VKU/I.E.S.K. 2011). Es geht also nicht darum zu untersuchen, wie man Vertrauen zurückgewinnt, sondern darum, wie man (bei der Mehrheit der Verbraucher) einen möglichen zukünftigen Vertrauensverlust vermeidet. 236

243 5.3 Datenbasis und Methode: Fallstudie der Berliner Wasserversorgung Im Forschungsfokus stehen daher in diesem Abschnitt die Fragen nach dem Verhältnis und Zusammenhang wissenschaftlich gesicherter und in der allgemeinen Laien-Bevölkerung subjektiv wahrgenommener Risiken (Risiken 2. Ordnung). Hierbei ist auch von Interesse, welche Faktoren auf dieses Verhältnis einwirken. Zudem wird beleuchtet, unter welchen Umständen ein subjektiv wahrgenommenes Risiko Auswirkungen auf das Verhalten von Individuen und sozialen Gruppen hat. Aus diskurstheoretischer Sicht ist ebenfalls von großem Interesse, wie Risiken von Spurenstoffen und Krankheitserregern innerhalb und zwischen den gesetzten Diskursfeldern konstruiert werden, welche Diskurse dabei dominieren, warum bestimmte Diskurse mächtiger und wirkungsvoller sind als andere und ob die gesetzte Diskursfelddifferenzierung empirisch überhaupt evident ist. Diesen Fragen gingen wir empirisch mit Hilfe einer Einzelfallstudie (Baur/Lamnek 2005; Yin 2009) exemplarisch am Beispiel der Berliner Trinkwasserversorgung nach. Weiterhin wurden um die Empirie handhabbar zu machen auf Basis der obigen Überlegungen zu den institutionellen Strukturen der deutschen Trinkwasserversorgung sowie aufgrund von Vorerfahrungen aus anderen Feldern des Sozialen die hier vorgestellten Akteursgruppen analytisch zu vier Diskursfeldern verdichtet (Abbildung 157): die Produzenten (Diskursfeld 1); die Fachöffentlichkeit (Diskursfeld 2); die mediale Öffentlichkeit (Diskursfeld 3); und schließlich die Konsumenten, in unserem Fall die Einwohner Berlins (Diskursfeld 4). Dabei wurde in einem ersten analytischen Schritt für jedes Diskursfeld separat der Diskurs über Trinkwasser rekonstruiert, in einem zweiten analytischen Schritt wurden diese Diskurse systematisch miteinander verglichen und zu einem theoretischen Modell integriert. Für die Rekonstruktion der einzelnen Teildiskurse wurden für jedes Diskursfeld ein Methoden-Mix (Baur 2011) aus geeigneten Datensorten gewählt, die jeweils bewusst nach theoretischen Gesichtspunkten ausgewählt (Behnke et al. 2006: ; Hering und Schmidt 2015; Akremi 2015a) und inhaltsanalytisch ausgewertet wurden (Kuckartz 2012). Soweit es sich anbot, wurden Daten entweder auf Basis der Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse standardisiert, oder es wurden zusätzliche standardisierte Daten erhoben, die dann statistisch (Akremi et al. 2011; Blasius und Baur 2015) ausgewertet wurden. Zu den Produzenten (Diskursfeld 1) gehören einerseits Akteure des Gesundheitssystems (z.b. Krankenhäuser), Landwirtschaft und der Industrie, die durch ihr Handeln Wasser verschmutzen, aber auch Wasserverschmutzung vermeiden können; andererseits die Wasserver- und -entsorger, deren Hauptaufgabe ist, verschmutztes Wasser zu reinigen und entweder in die Gewässer oder als Trinkwasser an den Endverbraucher zurückzuführen. Da wir den Verbrauchern und deren Interaktion mit anderen Akteuren besondere Aufmerksamkeit widmen wollten und da im Programm RiSKWa sich andere Projekte gezielt mit diesem Feld befassten, haben wir Akteure des Gesundheitssystems, Landwirtschaft und Industrie in der Datenerhebung bewusst ausgeblendet wir greifen auf sie und ihre Rolle bei der Konstruktion von Risiken nur zurück, sofern sich aus der Datenanalyse ergab, dass dies für das Verständnis des gesamten Feldes erforderlich ist. Vielmehr konzentrieren wir uns empirisch auf die Wasserver- und -entsorger sowie deren direkte Vertreter. Zur Fachöffentlichkeit (Diskursfeld 2) gehören Wissenschaft und politische sowie zivilgesellschaft-liche Vertreter und Institutionen. Der erste Schritt in der Analyse sowohl der Produzenten (Diskursfeld 1), als auch der Fachöffentlichkeit (Diskursfeld 2) waren ethnografische teilnehmende Beobachtungen (Fetterman 1998; Knoblauch 2015, Thierbach/Petschick 2015), v.a. auf Expertenvorträgen, -workshops und -diskussionen sowie Veranstaltungen zu dem Thema, wobei eine erste Beobachtung war, dass die 237

244 beiden Diskursfelder empirisch sehr stark miteinander verwoben sind, weshalb das Sampling dann gemeinsam für beide Diskursfelder erfolgte. 15 dieser Veranstaltungen wurden mitgeschnitten und transkribiert. Eine zweite wichtige Datenquelle waren Dokumente (Salheiser 2015; Ventresca/Mohr2005), etwa Gesetzestexte, Richtlinien und interne Dokumentationen. Abbildung 157:Untersuchte Diskursfelder und Diskurse über Gefahren und Risiken anthropogener Spurenstoffe und Krankheitserreger im Berliner Wasser (analytische Differenzierung). Auf Basis der Auswertung dieser Datenquellen wurde nicht nur das institutionelle Feld der Wasserversorgung rekonstruiert, sondern es wurden auch bewusst nach dem Kontrastierungsprinzip 35 Personen aus diesen Feldern mit Hilfe von leitfadengestützten offenen Interviews (Helfferich 2015) befragt. Der Leitfaden wurde auf Basis der ersten Ergebnisse sowie in Absprache mit den Projektpartnern entwickelt, nach jeder Datenerhebungsrunde überprüft und gezielt weiterentwickelt. Zu den Themen, die erfragt wurden, gehörten u.a.: Welche wasserbezogenen Themen und Risiken sind besonders wichtig und aktuell? Welches sind die besonders relevanten und problematischen Stoffe? Wie sollte man die Probleme und Risiken angehen? Welche Lösungsansätze werden in Betracht gezogen? Die aus dieser Analyse gebildeten Hypothesen wurden abschließend exemplarisch am Beispiel der Mitarbeiter der Berliner Wasserbetriebe (BWB) (Vollerhebung) mit Hilfe einer Online-Befragung (Hering/Wagner 2015) statistisch getestet. Das Diskursfeld der medialen Öffentlichkeit (Diskursfeld 4) wurde einerseits unterteilt in Nachrichten, andererseits in Unterhaltungsmedien. Für die Nachrichten wurde mittels einer induktiven, offenen Sampling-Strategie (Akremi 2015a) versucht, alle relevanten Artikel und Beiträge aus regionalen und 238

245 überregionalen Printmedien (Vollerhebung). Als Auswahlkriterien der auszuwertenden Artikel und Beiträge wurden folgende gesetzt: 1. Reichweite der Zeitungen und Magazine: Es wurden Zeitungen ausgewählt, die gemäß MA (Media-Analyse) eine besonders große Leserreichweite in der Berliner Bevölkerung haben. Konkret wurden sechs überregionale Zeitungen und Magazine in das Sample aufgenommen: taz. die tageszeitung, Die ZEIT, Die Welt, Die Welt am Sonntag, Welt kompakt und Lebensmittel Zeitung. Außerdem beinhaltete das Set sieben regionale Zeitungen: Der Tagesspiegel, taz. die tageszeitung, Berliner Morgenpost, Berliner Kurier, B.Z., Berliner Zeitung und Die Welt Berlin. 2. Thematisch: Verunreinigungen, Spurenstoffe oder Krankheitserreger im Wasser müssen im Artikel/Beitrag thematisiert werden. 3. Räumlich: Die Inhalte müssen für Deutschland relevant sein, d.h. Katastrophen in Indien in Bezug auf Wasserverschmutzung oder Wasserknappheit auf dem afrikanischen Kontinent wurden beispielsweise ausgeschlossen. 4. Zeitlich: Der Zeitraum der Datenerhebung im Bereich Medien wurde mit dem Zeitraum der Datenerhebung der Konsumenteninterviews synchronisiert, um diese Daten später besser triangulieren zu können und v.a. überprüfen zu können, ob und wie die Medienbeiträge in den Köpfen der Bevölkerung präsent sind. Ausgewählt wurden daher nur Artikel aus dem Zeitraum vom bis zum Insgesamt fanden so 126 Artikel und Beiträge ihren Weg in den Datenkorpus zum Diskursfeld Medien. Dies ist eine relativ geringe Anzahl an Beiträgen, wenn man sich die Gesamtanzahl von Beiträgen und Artikeln in zwölf Printmedien über einen Zeitraum von 18 Monaten vor Augen führt. Die Daten wurden sowohl qualitativ, als auch statistisch ausgewertet. Für den Bereich der Unterhaltungsmedien wurde auf die Ergebnisse einer früheren Studie zu filmischen Dystopien zurückgegriffen (Akremi 2015b). Diese Studie rekonstruiert das Gesamtfeld der in Filmen diskursiv konstruierten Zukunftsängste und zeigt, dass ein Zukunftsszenario Umwelt-katastrophen sind, zu denen auch die Verunreinigung des Trinkwassers gehört. Auf Basis dieser Ergebnisse wurde ein Subsample aus Filmen gebildet, die sich spezifisch mit Wasserrisiken befassen. Im Rahmen der Filmanalyse (Akremi 2015c) wurden einerseits mit Hilfe einer Grobanalyse analysiert, wie in diesen Filmen Wasserrisiken thematisiert werden, andererseits wurden zwei Filme für eine Feinanalyse ausgewählt: In Der letzte Kampf (1983) hat ein Super-Gau zu einer globalen Verwüstung und u.a. dazu geführt, dass Lebensmittel und Wasser rar sind. Doomsday (2008) behandelt weniger Wasser, sondern unsichtbare Bedrohungen (zu denen auch Spurenstoffe gehören). Im Film ist ein Virus ausgebrochen, für den es kein Gegenmittel gibt. Auf Basis der Ergebnisse der Sequenzanalyse wurden zwei Filmausschnitte ausgewählt, die den befragten Konsumenten (Diskurs-feld 4, siehe unten) im Rahmen des Interviews vorgespielt wurden, um ihre Reaktion auf und Reflexion dieser Filme zu ermitteln und so ebenfalls eine möglichst direkte Verknüpfung von Medien und Bevölkerungs-wahrnehmung zu ermitteln. 239

246 Abbildung 158:Risiko anthropogener Spurenstoffe und multiresistenter Bakterien im urbanen Wasserkreislauf aus Sicht des Verbrauchers. Um die soziale Konstruktion von Wasserrisiken bei Konsumenten (Diskursfeld 3) zu rekonstruieren, wurden ebenfalls leitfadengestützte offene Interviews mitgeführt. Die Leitfäden wurden parallel zum Vorgehen bei den Diskursfeldern 1 und 2 kontinuierlich im Zuge des Forschungsprozesses modifiziert, präzisiert und erweitert. Um die Haltung des Verbrauchers adäquat erfassen zu können, war es dennoch erforderlich, sich bereits zu Beginn der Untersuchung in dessen Perspektive hinein zu versetzen und dabei bestimmte, später zu überprüfende Ausgangshypothesen zu stellen. Ausgangspunkt war daher die Annahme, dass dem Verbraucher im Alltag Wasser v.a. in zweierlei Hinsicht begegnet (Abbildung 158): zum einen hinsichtlich des alltäglichen Wassergebrauchs zu Hause in Form von Leitungswasser oder Trinkwasser aus Flaschen, zum anderen außeralltäglich als Gewässer (Seen, Flüsse, Meere) etwa über Medienberichte (z.b. Filme, Zeitungsartikel) oder Freizeit-erlebnisse (z.b. Baden, Wassersport, Bootsfahrten) an Seen und Flüssen. Der Interviewleitfaden orientierte sich daher in der ersten Fassung an diesen beiden Erlebnisformen des Wassers, um feststellen zu können, 1. ob und wann Gefahren, Risikowahrnehmung und -verhalten jeweils miteinander verknüpft werden; 2. welche Faktoren und Akteure Risikowahrnehmung und -verhalten beeinflussen; sowie 3. ob Leitungswasser und Gewässerschutz einerseits sowie anthropogene Spurenstoffe und multiresistente Keime andererseits von der Bevölkerung überhaupt zusammengedacht oder als völlig getrennte Sphären betrachtet werden. In der Erstfassung des Leitfadens fokussierte daher ein erster Fragenkomplex auf Wasser im Alltag das Wasser also, das zu Hause oder im Büro zum Kochen, Trinken, Waschen, Spülen, Putzen, Duschen, Zähneputzen, Toilettenspülen usw. verwendet wird. Untersucht wurde hierbei auch die Wahrnehmung des Risikos anthropogener Spurenstoffe und medikamentenresistenter Bakterien im alltäglichen Wassergebrauch. Dabei stellten sich zwei Probleme: 240

247 Erstens haben die meisten Deutschen im internationalen Vergleich ein recht hohes Vertrauen in Leitungswasser das Risikobewusstsein in der Bevölkerung gerade bezüglich der Gefahren anthropogener Spurenstoffe und medikamentenresistenter Bakterien ist so die Ausgangshypothese im Alltag vermutlich sehr gering ist, und im Risikomanagement geht es gerade auch darum, ein künftiges Risiko zu vermeiden. Wir nahmen allerdings an, dass möglicherweise eine Bevölkerungsgruppe bereits ihr Vertrauen in Leitungswasser verloren hat und stattdessen industriell hergestelltes Wasser aus Flaschen konsumiert. Daher sollte der systematische Vergleich zwischen Flaschen- und Leitungswasser verwendet werden, um das Risikobewusstsein der Befragten herauszuarbeiten, also: Wann, wo und wie kommt man im Alltag mit Wasser in Berührung? Für welche dieser Aktivitäten bevorzugen sie Leitungsbzw. Flaschenwasser und warum? Für wie rein halten die Befragten Leitungs- bzw. Flaschenwasser? Für wie gefährlich halten die Verbraucher Spurenstoffe im Leitungs- bzw. Flaschenwasser? Ist der Konsum von Flaschenwasser tatsächlich auf mangelndes Vertrauen in Wasser zurückzuführen oder hat er andere Gründe (z.b. Bequemlichkeit, Marken- oder Gesundheitsbewusstsein, Lifestyle)? Ein zweiter Indikator für den Vertrauensverlust in Wasser ist die Verwendung von speziellen Reinigungsvorrichtungen für Leitungswasser (z.b. stationäre Installationen, Verwendung von mobilen Filtervorrichtung), deren Verwendungsformen und -gründe ebenfalls erfragt werden sollen. Ein zweites Problem, das sich bei der Befragung stellte, war die Annahme, dass die meisten Verbraucher vermutlich mit dem Begriff anthropogene Spurenstoffe nicht viel anfangen können. Um das Thema für die Befragten zugänglich zu machen, wurden dabei drei Medikamente exemplarisch herausgegriffen, die jeweils einen anderen, aber aus damaliger naturwissenschaftlicher Perspektive potenziell riskanten Spurenstoff enthalten: Antibiotika (Sulfamethoxazol), Voltaren (Diclofenac) und Antiepileptika (Carbamazepin). Wir gingen davon aus, dass die Risikowahrnehmung für die drei Stoffe unterschiedlich ist, da Antibiotika im Gegensatz zu Voltaren und Antiepileptika häufig in den Medien thematisiert werden. Erst wenn ein (ob nun tatsächliches oder nur scheinbares) Risiko als solches wahrgenommen wird, entsteht ein Risikoverhalten (Handlungsebene). Mögliche Reaktionen sind etwa: Nicht-Reaktion, öffentlicher Protest und Veränderung des persönlichen Verhaltens im Alltag. Gerade hinsichtlich der Veränderung des persönlichen Verhaltens im Alltag sind zwei Reaktionsebenen zu unterscheiden: 1. Zunächst können Verbraucher bei als zu groß wahrgenommenen Risiken versuchen zu verhindern, dass sie persönlich davon betroffen sind. Wie oben erwähnt, bedeutet dies im Fall von Trinkwasser, dass sie statt Leitungswasser Mineralwasser in Flaschen trinken oder zusätzliche Maßnahmen zur Reinigung des Trinkwassers ergreifen (z.b. spezielle Reinigungsfilter). 2. Alternativ kann der Verbraucher durch einen veränderten Umgang mit Spurenstoffen (d.h. aus Sicht des Verbrauchers konkret: Medikamente) versuchen zu verhindern, dass das Risiko überhaupt entsteht, d.h. dass Spurenstoffe überhaupt ins Leitungswasser gelangen. Daher sollten die qualitativen Interviews auch untersuchen, wie der Medikamentenkonsum in die Alltagspraxis eingebettet ist, also wie viel Medikamente jemand nimmt und wie die Medikamente entsorgt werden. Die drei exemplarisch ausgewählten Medikamente sind (so vermuteten wir) jeweils unterschiedlich in die Alltagspraxis eingebettet: 1. Antiepileptika (Carbamazepin) werden zwar nur von wenigen Verbrauchern konsumiert, aber diejenigen, die sie benutzen, sind auf sie dringend angewiesen. 2. Antibiotika (Sulfamethoxazol) werden demgegenüber relativ häufig benutzt. In den meisten Fällen ist auch hier die Einnahme erforderlich. Beide Medikamente werden i.d.r. vom Arzt verschrieben. 241

248 Sie werden innerlich eingenommen. Spurenstoffe gelangen damit v.a. über Ausscheidungen über die Toilette ins Wasser. Geklärt werden musste weiterhin, wie nicht verbrauchte Medikamente entsorgt werden (z.b. Apotheken, Mülleimer, Toilette). 3. Voltaren (Diclofenac) ist dagegen (weil es nicht verschreibungspflichtig ist) dem Verbraucher leicht zugänglich und wird relativ häufig benutzt. Die Benutzung kann gegenüber den anderen untersuchten Medikamenten leichter vermieden werden. Da es äußerlich eingenommen wird, werden Reststoffe vermutlich im Rahmen der Körperpflege (Händewaschen, Duschen) ausgeschieden. Der zweite Fragenkomplex des Leitfadens für die qualitativen Interviews sollte sich Wasser als Außeralltäglichem widmen. Die Fragekomplexe sollten u.a. Folgendes ergründen: Wie nutzen die Befragten Gewässer (Seen, Flüsse, Meere) überhaupt, und wie wichtig sind ihnen diese? Was wissen die Befragten über Gewässer, anthropogene Spurenstoffe und resistente Bakterien? Für wie sauber halten sie Gewässer? Inwiefern halten die Verbraucher Gewässer durch Spurenstoffe gefährdet? Wie reagieren sie auf diese Gefährdung? Möglich sind etwa geändertes Freizeitverhalten (z.b. die Vermeidung der Nutzung von Gewässern) oder politisches Engagement (z.b. in Umweltschutzorganisationen). Ein letzter Fragenkomplex widmete sich den für die Risikokommunikation und das Risikomanagement wichtigen Fragen: Woher ziehen die Befragten ihr Wissen über Wasser, Krankheiten und Medikamente (z.b. Medien, Werbung, Schule, Fachzeitschriften, Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen, Ärzte und Apotheker) und warum (nicht)? Welchen Institutionen vertrauen sie bzw. vertrauen sie nicht (z.b. Firmen, Behörden, Medien, Wissenschaft, Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen, Ärzte und Apotheker) und warum (nicht)? In diesen Bereich bettete sich auch die Reflexion über die medialen Repräsentationen (Filmausschnitte siehe Diskursfeld 4) ein. Der Interview-Leitfaden klärt, was gefragt werden soll. Weiterhin war gerade für das Diskursfeld 4 zu klären, wer befragt werden sollte. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass in den meisten Feldern Einstellungen und Verhalten sozialstrukturell variieren, d.h. dass Menschen unterschiedlichen Geschlechts, Alters, Gesundheitszustands, ethnischer und regionaler Herkunft bzw. sozialer Schicht die Umwelt unterschiedlich wahrnehmen und auf sie reagieren. Seit den 1980er Jahren setzen sich Sozialwissenschaftler mit Lebensstilkonzepten als Alternative bzw. Ergänzung zu klassischen Sozialstrukturanalysen auseinander. Vertreter der Lebensstilforschung führen als Argument für die Notwendigkeit dieser die Individualisierungsthese an, die eine Entkopplung subjektiver Wahrnehmungen und subjektivem Handeln von objektiven Strukturen feststellt (Beck 1983, Hitzler 1994, Schulze 2005). Unter Lebensführung werden hier latente Wertorientierungen und der offensichtliche Lebensstil, der sich in spezifischen Verhaltensweisen äußert verstanden. Fast alle Lebensstilkonzepte arbeiten dabei mit einer Kombination aus zwei Dimensionen (2004, 2005): 1. Die Semantik der hierarchischen Dimension des Ausstattungsniveaus orientiert sich an sozialer Distinktion und differenziert sich in niedrige, mittlere und gehobene Kulturpraktiken und Ausstattungen mit Konsumgütern. Empirisch korreliert sie sehr stark mit Bildung, Einkommen, Berufsprestige und sozialer Herkunft (Schicht). 2. Die Dimension der Modernität ist eine Zeitdimension, die sich teils im Sinne der (kohortenspezifischen) Modernität, teils im Sinne der (lebenszyklischen) biographischen Perspektive der Lebensführung interpretieren lässt und korreliert empirisch sehr stark mit dem Alter. Die Zeitdimension ist abgeleitet von ähnlichen Sozialisationskontexten durch traditionale, teilmoderne und moderne Modelle der Lebensführung charakterisiert, während sich unter biographischen Aspekten ge- 242

249 schlossene, konsolidierte und offene Formen der Lebensführung unterscheiden lassen. Bei der geschlossenen Form der Lebensführung handelt es sich i.d.r. um eine durch Lebenserfahrung etablierte Lebensführung; bei der konsolidierten Form geht es um eine Lebensführung, die sich i.d.r. durch Familie, die berufliche Karriere und verstärkt durch Alltagsroutinen auszeichnet; bei der offenen Form handelt es sich üblicherweise um eine durch eine innovationsfreudige Weltsicht und Erlebnisorientierung dominierte Lebensführung. Diese Lebensstildimensionen werden in der Forschungspraxis kombiniert und zu Typen verdichtet den sog. sozialen Milieus. So unterscheidet etwa Otte neun verschiedene Milieus. Welchen Lebensstil eine Person hat und welchem Milieu sie zugehört, lässt sich etwa in standardisierten Befragungen mit Hilfe des sog. Kurzinstruments nach Otte (2004, 2005) erfassen. Da Sozialstruktur und Lebensstile in sehr vielen Feldern des Sozialen wirksam sind, ist auch zu vermuten und darauf verweist auch die bisherige Risikoforschung dass Risikowahrnehmung und verhalten je nach Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe systematisch variiert (Denscombe 2001; Douglas und Wildavsky 1982; Furedi 1997; Hier 2002; Tulloch und Lupton 2003; Zinn 2004). Dabei ist die Prämisse grundlegend, dass etwa ein Lebensstil eine latente Wertorientierung darstellt, welche auch in spezifischen Verhaltensweisen ersichtlich wird. Sollte diese Hypothese zutreffen, müssten sich Unterschiede in der Risikowahrnehmung etwa darin äußern, dass Menschen gegenüber Medikamenten und der Umwelt generell unterschiedlich eingestellt sein können. Was der Eine als belastend empfindet, empfindet der Andere möglicherweise als völlig normal. Sie können Medikamentenkonsum auch als Umweltproblem wahrnehmen, oder sie sehen beide Aspekte nicht im Zusammenhang. Auch die Reaktionen auf wahrgenommene Unterschiede sind vermutlich unterschiedlich. Zu beachten ist weiterhin, dass Menschen je nach Lebenssituation ein unterschiedliches Handlungspotenzial haben auf der Intensivstation oder im Pflegeheim werden etwa Medikamente eher verabreicht, zu Hause hat man mehr Wahl- und damit Reaktionsmöglichkeiten: Man kann verschriebene Medikamente einfach auch nicht einnehmen. Auf Basis dieser Überlegungen wurde ein Quotenplan (Behnke et al. 2006: ) erstellt, in dem die Konsumenten systematisch nach Geschlecht, Alter, Bildungsgrad und Gesundheitszustand variiert wurden (Tabelle 1). Zusätzlich zu den dort angegebenen Quoten wurde für eine möglichst breite Streuung der Interviews über die verschiedenen Berliner Stadtteile gesorgt. Insgesamt wurden 56 Interviews mit Verbrauchern geführt, davon 48 aus der gesunden Normalbevölkerung und 8 mit Epileptikern. Diese Subgruppe der Epileptiker wurde bewusst ausgewählt, weil sie auf Antiepileptika (Carbamazepin) dringend angewiesen ist und so am Beispiel dieser Gruppe untersucht werden sollte, wie sich Risikowahrnehmung und -verhalten ändern, wenn ein zweites Risiko besteht (in diesem Fall Schwerbehinderung oder Tod durch epileptischen Anfall), durch das man auf ein bestimmtes Medikament angewiesen ist und daher eine Risikoabwägung vornehmen muss. Da die Gruppe der Epileptiker schwer zugänglich war, wurden hier zusätzlich Experteninterviews mit Ärzten und Vertretern von Selbsthilfeorganisationen geführt. 243

250 Tabelle 85: Quotenplan der Konsumentenbefragung (qualitative, leitfadengestützte Interviews). Männer, normal Alter Trinkt Wasser direkt aus der Leitung? Bildungsgrad über 65 ja nein hoch (mind. Abitur) davon je Feld 1 1 mittel (mittlere Reife) davon je Feld 1 1 niedrig (kein Abschluss o. Volksschulabschl.) davon je Feld 1 1 Frauen, normal Alter Trinkt Wasser direkt aus der Leitung? Bildungsgrad über 65 ja nein hoch (mind. Abitur) davon je Feld 1 1 mittel (mittlere Reife) davon je Feld 1 1 niedrig (kein Abschluss o. Volksschulabschl.) davon je Feld 1 1 Männer, Epilepsie Alter Trinkt Wasser direkt aus der Leitung? Bildungsgrad über 65 ja nein hoch (mind. Abitur) mittel (mittlere Reife) niedrig (kein Abschluss o. Volksschulabschl.) davon mind. 1 1 Frauen, Epilepsie Alter Trinkt Wasser direkt aus der Leitung? Bildungsgrad über 65 ja nein hoch (mind. Abitur) mittel (mittlere Reife) niedrig (kein Abschluss o. Volksschulabschl.) davon mind. 1 1 Um in der Auswertung eine systematischere Verknüpfung von soziodemographischen Merkmalen und Risikowahrnehmung bzw. -verhalten zu ermöglichen, wurde zusätzlich der Interview-Leitfaden um ein standardisiertes Kurzinstrument ergänzt, das am Ende des Interviews abgefragt wurde. Dieses enthielt einerseits die gängigen soziodemographischen Standards (Hoffmeyer-Zlotnik/Warner 2015) sowie das Kurzinstrument nach Otte (2004, 2005) zur Erfassung von Lebensstilen und Milieuzugehörigkeiten. Eine Analyse der Milieuzugehörigkeit der tatsächlich befragten Personen ergab, dass diese von der für bisherige Erhebungen für Gesamtdeutschland abweicht, aber gut zu der für Metropolen typischen Verteilung von Lebensstilen passt (Otte/Baur 2008). Konkret lassen sich die von uns befragten Personen folgenden Milieus zuordnen: Konservativ Gehobene 0 %, Liberal Gehobene 9 %, Reflexive 7 %, Konventionellsten 2 %, Aufstiegsorientierte 34 %, Hedonisten 27 %, Traditionelle Arbeiter 2 %, Heimzentriete 7 %, Unterhaltungssuchende 13 %. In der vorliegenden Datenerhebung sind also Typen mit biographischer Schließung kaum vertreten. Aufstiegsorientierte, Hedonisten und Unterhaltungssuchende sind dagegen deutlich überrepräsentiert. Über die Hälfte der Befragten sind durch eine mittlere Ausstattung an Konsumgütern und Kulturpraktiken gekennzeichnet. Konkret bedeutet dies, dass sich unsere Befunde wahrscheinlich gut auf Großstädte und Metropolen übertragen lassen, aber für Klein- und Mittelstädte sowie ländliche Räume v.a. in Süddeutschland zusätzliche Forschung erforderlich wäre, da hier v.a. die konservativ und liberal gehobenen Milieus wesentlich stärker vertreten sind. 244

251 5.4 Bereichsspezifische Diskurse über Risiken und Gefahren Angesichts der Komplexität des Diskurses und der Fülle des verfügbaren Datenmaterials werden im Folgenden nur ausgewählte, zentrale Ergebnisse präsentiert eine ausführlichere Darstellung folgt in dem noch erscheinenden Buch zum Thema. Im Folgenden stellen wir in diesem Abschnitt zunächst die wichtigsten Befunde für die einzelnen Diskursfelder vor, um sie dann im nächsten Abschnitt zu kondensieren Produzenten (Diskursfeld 1) Die Produzenten (Diskursfeld 1), also die Wasserver- und -entsorger sowie deren direkte politischen Vertreter (Lobbyisten), sind sich weitgehend einig, dass der Begriff der Reinheit von Wasser ein Ideal ist, an dem man zwar festhält, aber das niemals erreichbar ist. Aktuell werden folgende Themen als hinsichtlich der Sicherstellung der Trinkwasserqualität besonders wichtig erachtet: Kolibakterien und Legionellen stellen eine Herausforderung v.a. für die Trinkwasseraufbereitung und Desinfektion (z.b. in Krankenhäusern) dar. Durch steigenden Medikamentenkonsum (v.a. durch die Schmerzmittel Ibuprofen und das z.b. in Voltaren enthaltene Diclofenac) steigt so die Sorge auch die Eintragung ins Trinkwasser und belastet immer mehr die Aufbereitungsanlagen. Ebenso Sorgen machen sich die Produzenten um Mikroorganismen bzw. Mutationen von Bakterien. Einzelne Mitarbeiter der Wasserver- und -entsorger machen sich Sorgen, dass durch Strom-versorgungsausfälle Störfälle in Wasserwerken erzeugt werden, die wiederum Kontaminationen auslösen könnten. Da sich aber Wasserwerke und Politik eng abstimmen, gehen die Befragten davon aus, dass dies nicht die Qualität des Trinkwassers, sondern seine Verfügbarkeit beeinflussen könnte ein Szenario, das u.a. in den Water Safety Plans adressiert werden. Ebenso sind sich die Wasserver- und -entsorger wohl bewusst (machen dies aber aus politischen Gründen ungern explizit), dass die Verbraucher und deren Medikamentenkonsum nicht die einzige Ursache dafür sind, dass Spurenstoffe ins Trinkwasser gelangen. Zu nennen sind Industrie und v.a. Landwirtschaft. Letztere ist hauptverantwortlich dafür, dass Pflanzenschutzmittel ins Trinkwasser gelangen. Dieses Problem gilt es nach Ansicht der Wasserver- und -entsorger zu adressieren, sie glauben aber nicht, dass dies geschehen wird, da die Landwirtschaft eine sehr starke Lobby (Baur 2013l) hat, die sehr professionelle Lobbyarbeit betreibt und mit Erfolg. Sie wird nach Ansicht der Wasserver- und -entsorger extrem privilegiert insofern, dass die Politik fast alle Forderungen durchwinkt. Was interessanterweise nicht thematisiert wird, ist die Rolle der Pharmaindustrie, die nicht nur ebenfalls eine starke Lobby hat, sondern die ja durchaus politisch aufgefordert werden könnte, andere Medikamente zu entwickeln, die das Trinkwasser weniger belasten. Insgesamt lässt sich festhalten, dass anthropogene Spurenstoffe im Wasserdiskurs nur am Rande und nur als potenzielles Problem thematisiert werden, während multiresistente Bakterien gar nicht als aktuelles Problem angesprochen werden es scheint nicht sehr weit oben auf der Agenda zu sein, da das derzeitige Risiko als nicht besonders hoch eingeschätzt wird. 245

252 Allerdings glauben die Wasserver- und -entsorger durchaus, dass das Risiko der Gefährdung des Trinkwassers durch anthropogene Spurenstoffe und multiresistente Bakterien in Zukunft potenziell zunimmt. Als mögliche Ursachen sehen sie erstens eine Zunahme des Medikamentenkonsums (etwa durch demographische Alterung) und damit eine Zunahme der Konzentration gerade an Arzneimitteln im Trinkwasser. Zweitens herrscht eine große Ungewissheit über stoffliche Funde in der Zukunft (z.b. Nanomaterialien), die einen bisher unbekannten Einfluss auf menschlichen Organismus haben, aber großflächig genutzt werden. Drittens wird eine potenzielle Gefahr in der Privatisierung der Trinkwasserversorgung gesehen, da die Wasserver- und -entsorger annehmen, dass sollte es zu einem Trade- Off zwischen Trinkwasserreinheit und steigenden Kosten, um diese Reinheit sicherzustellen, kommen private Unternehmen eher den geringen Kosten, staatliche Unternehmen eher der Trinkwasserreinheit den Vorrang geben. Insgesamt spielen diese Themen aber ebenfalls im Vergleich zu anderen Gefährdungen des Trinkwassers nur am Rande und in wenigen Textstellen eine Rolle, und es werden ausschließlich anthropogene Spurenstoffe, nicht aber multiresistente Bakterien angesprochen. Allerdings hat keiner der Befragten ein optimistisches Zukunftsbild. Vielmehr herrscht der Grundtonus, dass in der Zukunft alles eher Schlimmer als besser wird. Fragt man konkret nach, welche Stoffe besonders problematisch sind insofern, dass sie das Wasser verschmutzen, so lässt sich differenzieren nach Krankheitserregern und Spurenstoffen. Dabei sind sich alle Produzenten mehr oder weniger einig, dass die derzeitige institutionelle Struktur der Wasserversorgung gut geeignet ist, um das Trinkwasser sauber zu halten, weshalb die Qualität des Wassers als sehr gut befunden wird. Dies impliziert, dass die aktuellen Lösungsansätze bei Problemen als geeignet befunden werden. Zweitens sind sie sich auch darüber einig, dass von den Spurenstoffen Krankheitserreger (z.b. EHEC) v.a. im Vergleich mit chemischen Stoffen wie Nitraten die wirklich problematischen Verunreinigungen sind und ihre Beseitigung oberste Priorität hat, weil von ihnen eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit ausgeht. Die Produzenten glauben auch, dass die Bevölkerung diese Risiken genau umgekehrt wahrnimmt (also chemische Substanzen für gefährlicher als Krankheitserreger erachtet) und dadurch verzerrt ist. Unter den Mikroben und Mikroorganismen werden am häufigsten die bereits erwähnten Kolibakterien und Legionellen genannt, die u.a. das Verdauungssystem stören und zu Dehydration führen. Allerdings haben die Wasserver- und -entsorger insgesamt großes Vertrauen in Ärzte und Epidemologen, dass diese Krankheiten effizient bekämpfen und durch verantwortungsvolles Verhalten Konzentration von Krankheitserregern maximal niedrig halten. Zur Vermeidung von Krankheitserregern im Trinkwasser denkt man an altbewährte Methoden, namentlich regelmäßige Reinigung und Wartung der Anlagen und in schwierigen Fällen mobile Desinfektionsanlagen. Insgesamt wird vor einer übertriebenen Hygienisierung des Abwasserbereiches gewarnt und auch die Analytik kritisiert, die diesen Trend vorantreibe. Ebenso wird darauf hingewiesen, dass (multi-resistente) Krankheitserreger nicht nur durch Menschen, sondern auch durch Tiere (die ebenfalls etwa mit Antibiotika behandelt werden) ins Trinkwasser gelangen können, weshalb gefordert wird, alle Beteiligten (also z.b. auch die Landwirtschaft bei entsprechenden Stoffen) an einen Tisch zu holen, um Probleme gemeinsam zu lösen. Aussagen über Spurenstoffe werden nur selten von den Wasserver- und -entsorgern expliziert. Wir deuten dies so, dass deren Bedeutung als Gefahr insgesamt als sehr gering eingestuft wird. Diese Auffälligkeit ist konsistent mit der obigen Beobachtung, dass Krankheitserreger, egal ob aus Human- oder Tiermedizin ein größeres Problem darstellen. Als auffälligsten gemeinsamen Nenner werden Transformationsprodukte und Metabolite genannt. Sie erlangen in den Aussagen der Produzenten v.a. deshalb 246

253 besondere Bedeutung, weil hier besonders große Ungewissheit herrscht. Auch hier finden sich wieder Aussagen, dass chemische Verunreinigungen im gesellschaftlichen Diskurs überrepräsentiert sind. Zudem wird auch hier der Landwirtschaft eine besondere Problemrolle zugeschrieben, da sie den größten Anteil an Eintragungen von Spurenstoffen (insbesondere Nitrate) ins Trinkwasser zu verursachen scheint. Ein Problemfeld ist insbesondere das Düngerecht, das nach Meinung der Produzenten zu viel Spielraum lässt, wie viel gedüngt werden darf. Als weiterer wichtiger Eintragungsweg wird vermutet, dass die Verbraucher Abfall unsachgemäß etwa über die Toilette oder Kanalisation unsachgemäß entsorgen. Ebenso aber mit weniger Gewicht werden als Eintragswege genannt, dass Schwermetalle z.b. über den Weg der Trinkwasserrohrleitungen oder Dachrinnen; medizinische Produkte (wie Röntgenkontrastmittel) über Krankenhäuser ins Abwasser gelangen können sowie, dass durch Reinigungsmaßnahmen wie Chlorung des Trinkwassers Desinfektionsnebenprodukte entstehen können, die evtl. krebserregend sein könnten, weshalb Abkochung zu bevorzugen ist. Zur Lösung dieses Problems wurden zwar einige Vorschläge gemacht, so etwa Aktivkohle und Ozonung, um Mikro-Verunreinigungen zu beseitigen; Green Pharmacy; die Ersetzung von Bleileitungen; Konsequenz in der Umsetzung und Kontrolle von Reformen und eine stärkere Kontrolle der Landwirtschaft. Diese Lösungsvorschläge sind aber unsystematisch und werden so sporadisch genannt, dass man nicht von einem Muster sprechen kann. Vielmehr scheint der Konsens so zu sein, dass ganz allgemein derzeitige Maßnahmen erhalten und weiter ausgebaut werden (Trinkwasserverordnung mit Grenzwerttabellen, Minimierungsgebot etc.). Es wird auch eine Spannung zwischen Analytik und Umsetzungspraxis deutlich erstere ist immer einen Schritt voraus. Die technische Eliminierung von neuen Spurenstoffen ist immer erst der zweite Schritt. Fragt man expliziter nach, welche Lösungsansätze sich die Wasserver- und -entsorgern vorstellen, so wird zu allererst Aufklärung der Gesellschaft über problematische Stoffe im Wasser, über die richtige Entsorgung von Arzneimitteln und über Medikamentennutzung (nicht gleich eine Tablette einnehmen) genannt. Weiterhin wird gewünscht, d.h. dass auch über gesetzliche Mindestanforderungen hinweg Maßnahmen ergriffen werden. Hierzu gehört etwa der Ausbau der Non-Taget-Analytik. Die Einführung einer vierten Reinigungsstufe (meist Aktivkohle) wird ebenso vorgeschlagen wie eine UV-Desinfektion gegen Bakterien oder dass an die Ozonung ein Sandfilter angeschlossen wird, um Transformationsprodukte zu neutralisieren. Als politische Maßnahmen wünschen sich die Befragten eine bessere eigene Lobbyarbeit etwa zur Reduzierung von rezeptfreien Medikamenten und zur Abschaffung bzw. Reduktion von Rabattprogrammen der Krankenkassen. Schließlich wird bei Problemen eine gute Kooperation zwischen Akteuren als hilfreich erachtet, was auch bereits teilweise praktiziert wird, wie etwa die bestehenden Kooperationen zwischen den Wasserbetrieben und Amtsärzten zeigt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Wasserver- und -entsorger vorschlagen, sich stärker mit Medikamentenherstellern, Ärzten und Krankenhäusern abzusprechen und sie zu mehr Verantwortung aufzufordern Fachöffentlichkeit (Diskursfeld 2) Ein erstes Ergebnis bei der Analyse der Fachöffentlichkeit (Diskursfeld 2) ist, dass dieses Diskursfeld in drei Teildiskurse zerfällt (Abbildung 159), namentlich (a) politische Akteure und Institutionen; (b) zivilgesellschaftliche Akteure und Institutionen und (3) die (unabhängige) Fachöffentlichkeit und Wissenschaft. 247

254 Abbildung 159: Heterogenität des Diskursfeldes Fachöffentlichkeit und Wissenschaft. In das Subdiskursfeld der Politik fallen etwa Akteure aus dem Umweltbundesamt, dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, dem Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin, dem Landesamt für Natur, Umwelt oder der Verbraucherschutz NRW. Zu den zivilgesellschaftlichen Akteuren gehören etwa Akteure aus der Verbraucherzentrale Berlin, dem Pestizid Aktions-Netzwerk e.v. und der Deutschen Umwelthilfe e.v. Zu den wissenschaftlichen Akteuren gehören neben Universitäten (wie z.b. die TU Berlin, TU Hamburg-Harburg, TU Dresden, Universität Bremen, Beuth Hochschule für Technik Berlin und Universität Helsinki) wissenschaftliche Institute. Ein Vergleich der Subdiskurse (Tabelle 86) innerhalb der Fachöffentlichkeit deckt zunächst eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf. So sind sich zivilgesellschaftliche, politische und wissenschaftliche Akteure einig, dass Pharmaka (PBTs), Gemische, Metabolite und Transformationsprodukte besonders wichtige und aktuelle Themen sind und dass man nicht nur mehr über die Kurz-, sondern auch über die Langzeitwirkungen von Spurenstoffen im Wasser wissen müsse. Im übergreifenden Diskurs ist man sich einig, dass Hormone und Antibiotika sich besonders negativ auf die Wasserqualität auswirken, bei den Lösungsansätzen setzen alle drei Akteursgruppen auf Aufklärung, Prävention und eine stärkere Reglementierung bei der Zulassung. Daneben gibt es eine Reihe von Themen, die nur jeweils zwei der drei Akteursgruppen als relevant erachten. So sind sich Politik und zivilgesellschaftliche Akteure (nicht aber die Wissenschaft) unsicher, ob Abwasserbehandlung (insbesondere die der Krankenhausabwässer) und Trinkwasseraufbereitung adäquat sind, und sie halten eine Veränderung des Gesundheitssystems (insbesondere der Verschreibungspraxis) für erforderlich. 248

255 Tabelle 86: Zusammenfassung und Vergleich der Subdiskurse. Aktuelle Themen Besonders problematische Stoffe Lösungsansätze Politik Zivilgesellschaft Wissenschaft Pharmaka (PBTs), Metabolite, Pharmaka, Gemische, Me- Pharmaka, Stoffgemische, Transformationsprotabolite, Transformations- Metabolite, Transformati- dukte produkte; Biozide onsprodukte; (mutierte) Mikroorganismen Langzeitwirkungen Kurz- und Langzeitwirkungegen Kurz- und Langzeitwirkun- Einfluss der Pharmaindustrie Zulassung von Pharmaka Messtechnik und Monitoring Aufklärung Abwasserbehandlung und Trinkwasseraufbereitung Hormone; Antibiotika neuroendokrine Substanzen (Antidepressiva) Aufklärung, Prävention und Zulassungsverfahren Gesundheitssystem Schadensbegrenzung: Abwasser Forschung Krankenhausabwässer; Wasseraufbereitung Estradiol und andere Hormone, Antibiotika Diclofenac, Ibuprofen, Carbamazepin Aufklärung sowie Bundesund EU-weite Präventionsmaßnahmen: Zulassung, Kennzeichnung, Monitoring, Rückführung von Medikamenten Gesundheitssystem Produktverantwortung der Pharmaindustrie Risikobewertung & Grenzwerte; Innovative Verfahrenstechniken, Messmethoden Aufklärung; Massenkonsum von Schmerzmitteln und Antidepressiva Hormone, Antibiotika Diclofenac, Ibuprofen, Carbamazepin Antidepressiva Aufklärung und EU-weite Maßnahmen und Normen Pharmaka: Reglementierung, Alternativen, Umweltkennzeichen Klärwerk: innovative und zusätzliche Reinigungsstufen Politik ( gemeinsame Verantwortung) Politik und Wissenschaft (nicht aber die zivilgesellschaftlichen Akteure) halten beide den steigenden Konsum neuroendokriner Substanzen (Antidepressiva) für problematisch und sind der Ansicht, dass überlegt werden sollte, wie die Pharmaindustrie bei der Zulassung von Pharmaka besser reglementiert werden könne. Sie halten die Risikobewertung und adäquate Festlegung von Grenzwerten für essenziell und fordern, damit verbunden, eine Verbesserung der Messtechnik und des Monitorings sowie die Entwicklung von innovativen Verfahrenstechniken. Während die zivilgesellschaftlichen Akteure Aufklärung ebenfalls für wichtig erachten, fragen sich Politik und Wissenschaft, wie diese zu bewälti- 249

256 gen sei und betonen, dass man dies noch nicht genau genug wisse insbesondere, wie man den Massenkonsum von Schmerzmitteln und Antidepressiva verringern könne. Sie fordern nicht nur eine Veränderung der Zulassungsverfahren und stärkere Reglementierung der Pharmaindustrie, sondern auch sollten Stoffe doch ins Wasser gelangen eine Schadensbegrenzung durch innovative und zusätzliche Reinigungsstufen in Klärwerken. Interessant ist die wechselseitige Zuschreibung von Verantwortlichkeiten auf den jeweils Anderen: Die Wissenschaft fordert die Politik auf, eine gemeinsame Verantwortung aller Akteure zu erzwingen, die Politik will mehr Forschung. Zivilgesellschaftliche Akteure und Politik eint wiederum, dass sie anders als die Wissenschaft Diclofenac, Ibuprofen und Carbamazepin als besonders schädlich für das Wasser ansehen und ihre Forderung an die Pharmaindustrie viel weitreichender sind: Sie wollen nicht nur eine bessere Reglementierung der Zulassung, sondern eine Produktverantwortung der Pharmaindustrie, so dass diese auch an den Kosten zur Beseitigung von Spurenstoffen und deren negativen Auswirkungen beteiligt wird. Dies soll dazu führen, dass alternativen Stoffen eine größere Bedeutung zugewiesen wird verstärkt werden soll dies durch Umweltkennzeichen. Tabelle 87: Unterschiedliche Subdiskurse. Aktuelle Themen Besonders proble-matische Stoffe Lösungsansätze Politik Gesellschaft Wissenschaft Einfluss der Pharmaindustriwerte; Risikobewertung & Grenzganismen (mutierte) Mikroor- Antiparasitika, Duftstoffe Schadensbegrenzung: Abwasser Naproxen, Zytostatika; Biozide, insb. Antifoulings Produktverantwortung der Pharmaindustrie Röntgenkontrastmittel, Paracetamol, Ibuprofen, Metoprolol, mutierte Mikroorganismen; antibiotikaresistente Keime Politik ( gemeinsame Verantwortung) Daneben gibt es eine ganze Reihe von Unterschieden. So reflektiert die Politik ganz allgemein den Einfluss der Pharmaindustrie (was insofern geradezu paradox ist, weil sie der Akteur ist, der die Pharmaindustrie kontrollieren kann, wenn sie möchte) und setzt stärker als die anderen Akteure auf Schadensbegrenzung durch Abwassereinigung und sieht Antiparasitika und Duftstoffe als besonders problematisch an. Die zivilgesellschaftlichen Akteure wünschen sich stärker und ausschließlicher als die anderen Akteursgruppen eine Produktverantwortung der Pharmaindustrie und sehen eine Reihe von Stoffen als besonders problematisch an, die die anderen Akteure nicht nennen, namentlich Naproxen, Zytostatika und Biozide (insbesondere Antifoulings). Die Wissenschaft hält dagegen Röntgenkontrastmittel, Metoprolol, mutierte Mikroorganismen und antibiotikaresistente Keime für besonders problematisch, aber auch Paracetamol und Ibuprofen, was insofern interessant ist, weil die anderen Akteursgruppen diese Stoffe für harmlos, weil gut abbaubar halten. Wissenschaftler wünschen sich außerdem zweierlei: eine verbesserte Risikobewertung einschließlich der adäquaten Festlegung von Grenzwerten sowie eine stärkere Aktivität der Politik. 250

257 5.4.3 Mediale Öffentlichkeit (Diskursfeld 4) Welche Parallelen und Unterschiede weist nun die mediale Öffentlichkeit (Diskursfeld 4) im Vergleich zu Produzenten und Fachöffentlichkeit auf? In welcher Häufigkeit und Intensität wird in den Medien über Spurenstoffe und Krankheitserreger im Wasser berichtet? Welche Botschaften und Inhalte werden dadurch an die Öffentlichkeit vermittelt? Welches Stimmungsbild in Bezug auf Spurenstoffe und Krankheitserreger wird in den Medien wiedergegeben? Welche Diskurse dominieren die Thematik? Welchen Einfluss haben diese medialen Diskurse auf die Konsumenten? Und schließlich auch: Haben Medienberichte Konsequenzen für zukünftige Kommunikationsstrategien betroffener institutioneller Akteure? Diese Fragen stehen im Zentrum des Forschungsinteresses bezüglich des Diskursfeldes Medien, denen gerade für die Risikokommunikation gegenüber der Bevölkerung eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird. Abbildung 160: Anzahl relevanter Veröffentlichungen nach Zeitung (N = 126). Erste Indizien ergeben sich bereits dadurch, wo und wie stark das Thema Wasserqualität in den Medien thematisiert wird. Wie in Abschnitt 5.3 erwähnt, befassten sich innerhalb von 1 ½ Jahren nur 126 Artikel mit Verunreinigungen, Spurenstoffe oder Krankheitserregern im deutschen Trinkwasser. Von diesen 126 untersuchten Artikeln entfielen 26 auf die Berliner Morgenpost, 21 auf die taz. die tageszeitung, 18 auf den Tagesspiegel, 15 auf die Welt, 10 auf die Welt kompakt, 10 auf den Berliner Kurier, 10 auf die Berliner Zeitung, 9 auf die B.Z. und 10 weitere Artikel auf sonstige Zeitungen und Magazine (Abbildung 160). Es lässt sich dabei kein Zusammenhang mit der politischen Ausrichtung oder Adressatengruppe ausmachen: Bürgerliche Zeitungen und Boulevardblätter sind in Bezug auf Wasserthemen im Datenkorpus relativ ausgewogen verteilt. Da das Thema Wasser nicht auf eine bestimmte Sparte im Zeitungsmarkt beschränkt zu sein scheint, ist davon auszugehen, dass allen relevanten Konsumentengruppen unter der Voraussetzung einer entsprechend regelmäßigen Zeitungslektüre in ihren bevorzugten Zeitungen und Magazinen die Informationen zu Wasser-thematiken zugänglich sind. 251

258 Abbildung 161 gibt einen Überblick darüber, in welchem Kontext über Wasser berichtet wird und welche Art von Informationen die Konsumenten erreichen. Wasserthemen (die unsere Auswahlkriterien erfüllten) werden sehr häufig in der Rubrik Regional/Lokal (n=49) diskutiert. Wasser findet demnach in den Medien meist unter der Voraussetzung einer regional klar eingrenzten Thematik in den (regionalen) Medien Beachtung. Dies ist nicht verwunderlich, da Wasser ein regionales Produkt ist und stets und fast ausschließlich durch regionale Faktoren, wie z.b. regionale geologische Verhältnisse, regionale Landwirtschaft und andere Wirtschaftsunternehmen sowie regionale Bevölkerungsmerkmale beeinflusst wird. Weitere Rubriken, in denen das Thema Wasser medial aufgegriffen wird, sind Politik/Nachrichten (n=19) und Wissen/Wissenschaft/Forschung (n=18). Die Rubrik Umwelt (n=14) ist erstaunlich selten Plattform für wasserbezogene Berichterstattung, gerade hier wäre aufgrund der Eigenheit des Produktes Wasser und dessen beeinträchtigenden Faktoren eine vermehrte Berichterstattung zu erwarten. 13 Artikel lassen sich der Rubrik Wirtschaft zuordnen. Dies kann zum Teil auf die im Zeitraum der Datenerhebung stattfindende Diskussion um die Privatisierung bzw. Rückverstaatlichung der Berliner Wasserversorgung zurückgeführt werden. In der Rubrik Ratgeber wurden 8 Artikel veröffentlicht, welche meist Konsumententipps rund um das Thema Wasser enthielten. Insgesamt 5 Artikel wurden in verschiedensten Rubriken veröffentlicht, die unter Sonstige zusammengefasst wurden. Abbildung 161: Rubriken relevanter Artikel (N = 126). Durch die Medienanalyse konnten im Großen und Ganzen drei Arten bzw. Typen von Kommunikation über Wasserthemen identifiziert werden (Abbildung 162). Dabei überwog mit 55 Beiträgern die Krisenkommunikation bzw. ereignisindizierte Kommunikation. Dieser Typ beinhaltet Artikel, welche z.b. Bezug auf konkrete Störfälle wie Verunreinigungen oder Unterbrechungen der Wasserversorgung nahmen, aber auch aktuelle Entwicklungen wie politische Vorgänge zum Thema Wasser oder die Veröffentlichung wissenschaftlicher Untersuchungen, die mitunter auf eine Krise hindeuteten. Gemein haben alle Artikel, dass sich ihr Ursprung auf ein klares, meist tagesaktuelles und eng begrenztes Ereignis bezieht. Dagegen war die allgemeine, kontinuierliche Kommunikation mit 48 Artikeln nur im geringen Maß weniger vertreten. Diesem Typ wurden Artikel zugeordnet, welche sich auf schon behandelte Thematiken bezogen oder eine von Einzelereignissen unabhängige Berichterstattung darstellten. Die präventive Kommunikation war mit 21 Artikeln zwar am schwächsten aber durchaus vertreten, hier 252

259 wurde zum Beispiel über die Vermeidung von Legionelleninfektionen oder das Thema Fracking berichtet, welche eher auf langfristige Zeit für die Rezipienten von Interesse sind. Abbildung 162: Art der Kommunikation in relevanten Artikeln (N=126). Abbildung 163: Art und Weise der Berichterstattung (N=126). Die Artikel wurden darüber hinaus bzgl. der Art und Weise der Berichterstattung klassifiziert (Abbildung 163). Im Großteil der Artikel fand eine nachrichtliche Berichterstattung statt (n=54). Hier wurde sehr neutral über Ereignisse und Kausalzusammenhänge informiert. Deutlich weniger vertreten waren nachrichtlich-handlungsleitende Artikel (n=29), welche (über die bloße Information hinaus) auch Handlungsvorschläge oder -alternativen für die Rezipienten zur Verfügung stellten. Fast ebenso viele Artikel waren nachrichtlich-wissenschaftlich (n=26). In diesen Beiträgen wurden neben der Berichterstattung zu den Ereignissen noch wissenschaftliche Hintergrundinformationen bereitgestellt, die es ermöglich- 253

260 ten, ein bestimmtes Ereignis in größere Zusammenhäng einzuordnen. Die Kategorien Meinung/Kommentar (n=5) und wissenschaftlich (n=5) sind nur gering vertreten, daher ist der Einfluss ihrer Inhalte auf die Rezipienten bei der Analyse eher zu vernachlässigen. Gleiches gilt für die Kategorie Sonstiges (n=7). Um einschätzen zu können, ob ein Zusammenhang zwischen der medialen Berichterstattung und der subjektiven Risikowahrnehmung der Konsumenten besteht, wurden die Häufigkeiten der Nennung von Betroffenen bezüglich der Risiken, Gefahren und Folgen von Wasserverschmutzung analysiert (Mehrfachnennungen sind möglich, vgl. Abbildung 164). Dabei steht klar mit rund einem Drittel der Mensch (n=71) als Leidtragender im Vordergrund der Berichterstattung. Der größte Teil der medialen Aufmerksamkeit von aus Wasserverschmutzung entstehenden Risiken wird also der Bevölkerung zuteil. Die lebendige Umwelt (n=45), also Flora und Fauna wird ebenfalls noch recht häufig als Betroffene der Auswirkungen von Wasserverschmutzungen deklariert. Wasser (n=23) selbst (als Überbegriff für Gewässer, Grundwasser, Trinkwasser usw.) steht erst an dritter Stelle allerdings ist hier schwer zwischen einer indirekten negativen Wirkung auf den Menschen, die Flora und Fauna und einer ausschließlichen Betroffenheit des Wassers zu trennen. Erstaunlich häufig wurden auch die Auswirkungen von Wasserverschmutzung auf materielle Objekte (n=22), wie technische Anlagen der Wasserverund -entsorger diskutiert. Meist beschäftigten sich diese Thematiken mit ökonomischen Folgen von Wasserverschmutzung. Relativ selten wurden geographische Gebiete (n=13), wie z.b. die Verschmutzung einer Region durch Altlasten aus dem Tagebau, als Betroffene von Folgen der Wasserverschmutzung beschrieben. Abbildung 164: Betroffene/r von Risiken, Gefahren oder Folgen von Wasserverschmutzung (N=126). Ein weiteres Forschungsinteresse galt der Tonalität der Beiträge, verstanden als meinungsgebende Tendenz oder Positionierung der Artikel (Abbildung 165). Dabei fällt auf, dass rund die Hälfte der Artikel positiv oder neutral über Wasserthemen berichtete eindeutig positiv waren 11 % der Artikel, 38 % berichteten neutral. Neutral-kontroverse Tonalität konnte bei 32 % der Artikel festgestellt werden, wobei beachtet werden muss, dass diese Artikel nicht prinzipiell negativ gegenüber den behandelte Thematiken Stellung nahmen, sondern oft nur journalistisch anspruchsvoll alternative Deutungsweisen zu den offiziellen Äußerungen aufzeigten. Als kritisch/negativ wurden nur 19 % der Artikel eingeordnet überraschend wenig Artikel, wenn man sich die Logik der Medienbericht-erstattung in Erinnerung 254

261 ruft. Insgesamt kann daher gesagt werden, dass die mediale Berichterstattung zum Thema Wasser in der Tendenz eher positiv ist. Abbildung 165: Tonalität der Beiträge (N=126). Um einen Überblick zu geben, welche konkreten Thematiken in der Wasserberichterstattung zur Zeit der Datenerhebung besonders relevant waren, wurden die Häufigkeiten der Wörter, Wort-stämme und Wortgruppen in den untersuchten Artikeln gezählt (Abbildung 166). Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass einige Wörter auf einer abstrakteren Ebene zu Wortstämmen und -gruppen subsummiert wurden um eine Reduktion der Komplexität zu erzielen und eine allgemeine Tendenz der Berichterstattung ersichtlich zu machen. Abbildung 166: Präsenz relevanter Wörter, Wortstämme und Wortgruppen (N=126). Mit 80 Nennungen liegt klar die Wortgruppe Medikament/Medizin/Arznei auf Platz 1 der Top 20 Präsenzskala. Dies entspricht auch der hohen Präsenz der gegenwärtig in den Naturwissenschaften ge- 255

262 führten Diskussion über die Gefahren und Risiken anthropogener Spurenstoffe und deren Trans-formationsprodukte für die Wasserqualität in Deutschland. Allerdings muss festgehalten werden, dass im Unterschied zum Diskursfeld der Experten die Diskussion in den Medien recht abstrakt geführt wird, d.h. es wird selten auf spezifische Medikamente eingegangen und häufig von den Medikamenten als solche gesprochen. Auf Platz 2 liegen Bakterien mit 68 Nennungen. Bakterien eine eher unspezifische Oberkategorie für vielerlei pathogene Keime, welche eine Gefahr für die Trinkwasserqualität sein könnten. Das Thema Bakterien und Wasser ist in den Medien zwar ebenfalls sehr populär, wird aber größtenteils sehr oberflächlich behandelt. Ähnlich unspezifisch wie Bakterien ist das die Nennung von Keimen, welche mit 58 Nennungen Platz vier erreicht. Für Krankheitserreger gilt das gleiche wie für Bakterien und Keime, der Begriff wird 32-mal auf Platz acht genannt. Wesentlich konkreter ist die auf Platz 3 befindliche Wortgruppe Coli/-Fäkalbakterien/-keime mit 61 Nennungen. Diese Bakterien sind klassische und in Bezug auf Risiken bekannte und bewertete Verursacher von Verunreinigungen im Trinkwasser und potentielle Krankheitserreger, so dass ihre Nennung im Kontext von Wasser meist im Zusammenhang mit Störfällen wie Verunreinigungen in den Medien aufgegriffen wird. Zu einer gänzlich anderen Stoffgruppe gehört Arsen, welches 49-mal genannt wird und welches des Öfteren in geringen Dosen regionalspezifisch in Trinkwasser vorkommt. Diese ausführliche Berichterstattung über die Arsenthematik ist aber größtenteils auf den Zusammenhang mit der Bierherstellung zurückzuführen: Bier kann Spuren von giftigem Arsen enthalten und zwar mehr, als das Wasser, aus dem es gebraut wurde. Münchner Forscher haben die Quelle des Giftstoffes entdeckt: Er gelangt beim Filtrieren über Kieselgur in Bier schreibt Spiegel Online am 8. April 2013, und einige andere Zeitungen greifen dieses Thema ebenfalls auf, wie etwa die Welt, die am 11. April titelt: Ursache für Arsen im Bier ist gefunden; Das Filtergestein Kieselgur setzt das Gift im Bier frei. Deutsche Forscher fanden es und sie geben Entwarnung. Legionellen werden ebenfalls 49-mal genannt. Sie gehören zwar einerseits zu den Bakterien, werden aber eben aufgrund ihres breiten Bekanntheitsgrades in der Bevölkerung spezifisch und explizit beim Namen genannt. Zudem fand zur Zeit der Datenerhebung eine Novellierung der Kontrollpflichten von Wasserinstallationen statt, welche medial aufgegriffen wurde. Hormone wurden aber 33-mal genannt und liegen auf Platz sieben. Oft wird über eine Konzentration von weiblichen Hormonen, ausgelöst durch die massenhafte Einnahme von Verhütungsmitteln, berichtet. Spezifischere Informationen bleiben dem Leser vorbehalten. Auf den Plätzen von zehn bis zwanzig werden die Häufigkeiten der Nennungen rasch seltener (unter 20 Nennungen), neben anthropogenen Stoffen wie Röntgenkontrastmittel und Gadolinium, Pestizide oder Kunststoffe werden hier v.a. Stoffe wie Blei, Sulfat, Eisen oder Natrium erwähnt. Auch Viren und explizit der Norovirus werden genannt. Durch Humanarzneimittel verursachte Belastungen des Wassers mit anthropogenen Spurenstoffen und deren Metaboliten sind zurzeit sowohl in der Wissenschaft, als auch bei zivilgesellschaftlichen Akteuren Gegenstand der Diskussion. Daher wurden auch bei dieser Stoffgruppe die Worthäufigkeiten ausgezählt, um einen Überblick bezüglich der Präsenz der einzelnen Stoffe in den Medien geben zu können (Abbildung 167). Abbildung 168 greift diese Diskussion noch einmal gezielt auf und stellt die 256

263 Präsenz diese Stoffgruppe in den Medien detaillierter dar. Auch hier gilt, dass teilweise Überbegriffe und konkrete Stoffe getrennt ausgezählt wurden, so dass die Auszählung der Häufigkeiten v.a. eine Tendenz angibt. Wie schon in Abbildung 166 aufgezeigt dominieren die recht unspezifischen Begriffe Medikamente/Medizin/Arznei mit einer Häufigkeit von 80 Nennungen. Hormone werden mit einer Häufigkeit von 33 Nennungen als spezifische Arzneimittel genannt. Sie sind in der medialen Wahrnehmung v.a. durch das Thema Verhütungsmittel ( Pille ) prominent vertreten. Wesentlich seltener genannt wird die unspezifische Obergruppe der Schmerzmittel und dabei v.a. der konkrete Wirkstoff Diclofenac mit einer Häufigkeit von jeweils zehn Nennungen. Daraufhin folgt als spezifisches Hormonpräparat die Antibabypille (n=9). Antiepileptika werden genereller viermal genannt und der konkrete Wirkstoff Carbamazepin einmal (dabei ist gerade dieser Stoff Grundlage ausgiebiger naturwissenschaftlicher Diskurse, das er üblicherweise in immer höheren Konzentrationen (wenn auch nur im Spurenstoffbereich) im Wasser nachgewiesen wurde). Abbildung 167: Präsenz relevanter Wörter, Wortstämme und Wortgruppen aus dem Bereich Medikamente (N=126). Abbildung 168: Präsenz relevanter Wörter, Wortstämme und Wortgruppen aus dem Bereich Krankheitserreger (N=126). 257

264 Abbildung 169: Präsenz relevanter Wörter, Wortstämme und Wortgruppen Sonstiges (N=126). Stoffe, welche nicht unter Medikamente und Krankheitserreger subsummiert werden, wurden der Kategorie Sonstige zugeordnet (Abbildung 169). Dabei ist Arsen mit einer Häufigkeit von 39 Nennungen klar an der Spitze der medialen Aufmerksamkeit (Erklärung siehe oben). Nur 20-mal wird Kunststoff in den Artikeln erwähnt. Darauf folgen aromatische Kohlenwasserstoffe (18-mal), Blei (17-mal), Gadolinium (17-mal), Kontrastmittel (15-mal), Sulfat (15-mal), Eisen (12-mal), MTBE (12-mal), Natrium (11- mal), Stickstoff (10-mal), Phosphate/Phosphor (8-mal), PFT (8-mal), Amine/Ammonium (6-mal), Magnesium (6-mal), Bisphenol (5-mal), Herbizid (5-mal), Biozid (5-mal) und radioaktiv (4-mal). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Thema Wasserverschmutzung, in Relation zu der Gesamtberichterstattung im untersuchten Zeitraum, nur einen sehr geringen Teil der medialen Aufmerksamkeit auf sich zieht. Auslöser für eine Berichterstattung sind meist konkrete, regionale und zeitlich begrenzte Ereignisse, wie z.b. eine aktuelle Verschmutzung durch Unfälle, Sperrung der Wasserversorgung oder Ähnlichem. Bei krisenhaften Ereignissen, wie z.b. Hochwasser, ist in einem kurzen Zeitraum eine große Menge an Artikeln festzustellen, welche meist redundante Informationen enthalten und nach kurzer Zeit wieder aus der Berichterstattung verschwinden. Daher kann es teilweise zu Verzerrungen in den Auswertungen kommen, wenn z.b. ein zeitlich begrenztes Ereignis viele Artikel nach sich zieht, allerdings im zeitlichen Verlauf bei den Rezipienten wesentlich weniger Erinnerungen hinterlässt als ein kontinuierlich medial aufbereitetes Thema. Diese kontinuierlichen, nicht ereignisindizierten Beiträge sind zwar etwas seltener als die ereignis-indizierten, stellen jedoch trotzdem ein großes Kontingent (z.b. zum Thema Fracking). Eine Panikmache, wie sie v.a. der Boulevard-Presse gerne unterstellt wird, ließ sich in der Analyse nicht nachweisen. Gut 50 % der untersuchten Beiträge vermitteln ein neutrales oder positives Stimmungsbild und sind nicht an einer reißerischen Darstellung der Ereignisse interessiert. Dies gilt auffallend deutlich besonders bei Krisen oder akuten Störfällen in diesen Fällen scheinen die Autoren besonders um eine ausgeglichene, sachliche Darstellung bemüht. Die Tonalität der Beiträge wurde zwar im Mittelwert als neutral bis neutral/kontrovers eingeschätzt, allerdings ist qualitativ hochwertiger Journalismus immer durch reflexive, die offizielle Darstellung überprüfenden, Recherche gekennzeichnet, so dass diese Artikel nicht als negativer oder übertrieben kritischer Umgang mit dem Thema Wasserverschmutzung zu interpretieren sind. 258

265 Inhaltlich ließ sich durch die Analyse eindeutig feststellen, dass Medikamente, Bakterien und Keime in der Berichterstattung dominante Schlagworte waren. Allerdings werden diese Begriffe in aller Regel sehr unspezifisch in den Artikeln thematisiert. Eine konkrete Benennung der Spurenstoffe oder Krankheitserreger ist eher die Ausnahme. Journalisten nennen also nur selten konkrete Stoffe oder Bakterien und erreichen nur selten einen tieferen, expliziteren Informationsgehalt. Da die Medien die Hauptinformationsquelle der Konsumenten sind (siehe ausführlich nächster Abschnitt), spiegelt sich der dominante Mediendiskurs im Wissenstand und Risikowahrnehmung der Bevölkerung grundsätzlich sehr deckungsgleich wieder. Oft ließ sich während der Konsumenten-interviews beobachten, dass gerade in den Medien kursierende Informationen zu Wasserver-schmutzung von den Befragten aufgegriffen wurden, während länger zurückliegende mediale Informationen nicht mehr erinnert wurden. Der Wissensbestand der Konsumenten ist also eindeutig interdependent mit der Medienberichterstattung. In den Konsumenteninterviews fiel auf, dass die Befragten meist nur auf Halbwissen zurückgreifen konnten. Dies liegt eben nicht zuletzt auch daran, dass die untersuchten Medienbeiträge eher allgemeines und recht oberflächliches Wissen als detailliertes Expertenwissen verbreiten. Auch konnten nur die wenigsten Befragten medial aufbereitete Informationen detailliert reproduzieren, meist erinnerten sie nur einzelne Aspekte oder eine Grundtendenz der Artikel. Die insgesamt eher sachliche und neutrale Berichterstattung der Medien führt, wie durch die Konsumentenbefragung ersichtlich wurde, nur in seltensten Fällen zu einer irrationalen Überschätzung von Risiken, die durch Wasserverschmutzung entstehen. Die in den Medien aufgegriffenen Thematiken zeigten sich immer auch in den Wissensbeständen der Befragten. Ebenso rekurrieren viele Befragte im Fall von Krisen oder Gefahren auf handlungsleitendes Wissen, welches aus medialer Berichterstattung stammt. D.h. die Risikowahrnehmung und das Risiko-verhalten der Konsumenten steht in direktem Zusammenhang mit der medialen Berichterstattung der medialen Öffentlichkeit kann diesbezüglich eine starke Rolle zugesprochen werden. Insbesondere bei Krisenereignissen oder Störfällen, bei denen eine zeitnahe Aufklärung der betroffenen Bevölkerung eine wichtige Rolle spielt, scheinen also die Medien ein bewährtes und geeignetes Mittel zur Warnung und Information der Bevölkerung. Bei der Sensibilisierung der Konsumenten auf mögliche zukünftige Gefahren und Risiken, wie z.b. anthropogene Spurenstoffe und pathogene Keime, können die Medien gerade auch in Bezug auf ganz spezifische Risikostoffe noch mehr Aufklärungsarbeit leisten. Ebenso könnte die Vermittlung von Zusammenhangs- und Handlungswissen und konkreten Handlungsoptionen im Alltag (vs. Krisenfall) von den Medien vermehrt bereitgestellt werden. Ein engerer Austausch zwischen Experten und Medien ist hier wünschenswert. Darüber hinaus ist anzuregen, Expertenwissen für die (mediale) Öffentlichkeit gezielt aufzubereiten und zur Verfügung zu stellen Konsumenten (Diskursfeld 3) Die Befragung der Konsumenten (Diskursfeld 3) zielte unter anderem darauf ab, das Verhältnis zwischen naturwissenschaftlich abgeleiteten und subjektiv wahrgenommenen Risiken aufzudecken. Das Ausmaß der Diskrepanz zwischen den naturwissenschaftlich abgeleiteten, teilweise relativ abgesicherten und öffentlich bzw. semi-öffentlich diskutierten Risiken fachlicher Experten auf der einen Seite und die Risikowahrnehmung und das alltägliche und außeralltägliche Risikoverhalten der Wasserkonsumenten in Berlin auf der anderen Seite stand hier im Fokus des Forschungsinteresses. Aufgebrochen 259

266 wurde dieses Interesse in verschiedene untergeordnete Fragen bzw. Themenbereiche, wie z.b. die allgemeine Einstellung und das Vertrauen der Befragten zum/in Berliner Wasser und den/die damit verbundenen Institutionen, die Informiertheit über wasserbezogene Themen und Risiken der Befragten Grundsätzliche Tendenzen Allgemeine Einstellung der Befragten zum Berliner Trinkwasser Insgesamt schätzen die befragten Verbraucher (mit wenigen Ausnahmen) die Qualität des Berliner Trinkwassers als sehr hoch ein. Das Wissen um die Qualität des Trinkwassers ist weniger diskursiv als internalisiert und stereotyp reproduziert. Dass das Berliner Trinkwasser gut ist, ist ein in Berlin weit verbreitetes Narrativ, auf welches die Befragten recht unreflektiert zugreifen. Eine typische Reaktion in den Interviews auf die Frage hin, ob man sich schon mal Gedanken über die Wasserqualität in Berlin gemacht hat ist folgende: Ja ((lacht)) nee, eigentlich noch nicht ((lacht)). Ich verlasse mich da völlig drauf. Also, es sieht sauber aus, klar aus. Wüsste nicht, was ich da für Vorbehalte haben sollte. Ist echt, wie ich es mir wünsche, ((lacht)) wie das Wasser aussieht: klar, sauber (Befragter, wM4-L-PK- L1). Ein explizites Wissen, wie das Trinkwasser durch Spurenstoffe oder pathogene Keime belastet ist, wird nur selten ersichtlich. Die Einschätzung der hohen Qualität ist also mehr ein Gefühl als ein durch (naturwissenschaftliche) Fakten gestützter Tatsachenbestand: Also, vom Berliner Leitungswasser, äh ja, denke ich, dass das es eine gute Qualität hat, weil ich das auch schon oft gehört hab auch gerade im Vergleich mit anderen Bundesländern. Und da ich das schon immer trinke, also von Kind an und nie schlechte Erfahrungen hatte, nie irgendwie gemerkt hab, dass da irgendwas mit dem Wasser gewesen sein könnte, hab ich da eigentlich keine Bedenken nie gehabt (Befragter, Interview wH2-L-WD-L1). Auch den an der Produktion und Qualitätssicherung beteiligten Institutionen (meist werden die Berliner Wasserbetriebe und staatliche Stellen (z.b. Gesundheitsamt) genannt) wird ähnlich wie der Qualität des Trinkwassers intuitiv vertraut. Ein wichtiger Faktor beim Vertrauen in die beteiligten Institutionen ist, dass die Befragten die Regulation der Wasserqualität als staatlich auffassen. Die Berliner Wasserbetriebe werden i.d.r. nicht als privatwirtschaftliches Unternehmen, sondern sozusagen als staatlich wahrgenommen. Mit dieser Wahrnehmung gehen für die Befragten Attribute wie Verlässlichkeit und Gemeinwohlorientierung einher im Gegensatz zur Privatwirtschaft, der reines Profitstreben unterstellt wird. Die Befragten äußern auch des Öfteren, dass sie bei einer Privatisierung der Berliner Wasserversorgung mir einer Verschlechterung der Qualität und einem Nachlassen der Versorgungssicherheit rechnen. Die wenigen Befragte, die den betroffenen Institutionen eher weniger vertrauen, begründen dies typischerweise mit (negativen) Attributen, die allgemein eher privatwirtschaftlichen Institutionen zugeschrieben werden. Aber zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Konsumenten dem Berliner Trinkwasser und seiner Regulation vertrauen, nichtzuletzt weil eine starke Kopplung mit staatlichen Gütekriterien und den Berliner Wasserbetrieben in der Wissenswelt der Befragten stattfindet. Dies ist auch ein Grund, warum die Befragten relativ sorglos mit ihrer alltäglichen Wassernutzung umgehen. Sie gehen davon aus, dass sie im Falle einer Störung der Wasserversorgung oder sogar einer gesundheitsgefährdenden Verschmutzung des Trinkwassers schnell und kompetent von zuständigen 260

267 Stellen informiert werden. Den zuständigen Stellen wird i.d.r. auch eine schnelle und kompetente Reaktion in Bezug auf die Problemlösung zugesprochen und das, obwohl die Befragten oft gar nicht genau wissen, wer bei Risiken der Wasserversorgung und -qualität eigentlich verantwortlich und zuständig ist oder wie bei der Behebung von Störungen vorgegangen wird. Intuitiv und mit einem auf praktische Erfahrungen basierendes Vertrauen wird erwartet, dass Trinkwasser eine qualitativ hochwertige und stets verfügbare Ressource ist. Wenn den Befragten während der Interviews reale Störfälle der Wasserversorgung in Berlin geschildert werden, zeigen sie sich mit der Reaktion des Gesundheitsamtes und der Berliner Wasserbetriebe sowie der medialen Aufbereitung der Störfälle zufrieden. Dabei muss festgehalten werden, dass die Befragten häufig nichts von realen und medial verbreiteten Störfällen in Erinnerung behalten haben. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass eine Störung der Wasserversorgung nicht bewusst befürchtet wird. In Bezug auf die Wasserqualität und wasserbezogene Gesundheitsrisiken werden, wenn überhaupt, Hausleitungen als Besorgnis erregend wahrgenommen. Diese werden in diesen Fällen als alt, unhygienisch und möglicherweise mit Blei belastet beschrieben eine mögliche Belastung des Wassers mit Keimen, wie z.b. Legionellen, ist den meisten Befragten dagegen unbekannt. Im Gegensatz zur tendenziell transparent erscheinenden, öffentlichen, staatlich regulierten Wasserversorgung wird die Hausleitung, für welche der Vermieter zuständig ist, als schwer einschätzbare Black-Box wahrgenommen der aber auch grundsätzlich vertraut wird: Also, ich denk mal, das Leitungswasser durch die Röhren nicht so ganz sauber ist, nicht so ganz gesund ist. Aber dennoch, besteht bei mir keine andere Möglichkeit, außer Leitungswasser zu trinken. Und dann, mache ich mir auch keine, so viele drüber Gedanken, sondern trink ich s einfach (Befragter, wn1-n-nk-l1). Bei den Befragungen wurde offensichtlich, dass sich die allermeisten Konsumenten bisher nicht besonders reflektiert mit Fragen zu Wasserqualität und Wasserversorgung auseinandergesetzt haben. Auch dies kann als starkes Zeichen dafür angesehen werden, dass das Vertrauen in die Qualität des Berliner Wasser als höchst selbstverständlich angesehen wird. D.h. das Thema Wasser wird in der alltäglichen Wahrnehmung der Konsumenten nicht als Risiko wahrgenommen. Außerdem fühlt man sich bei möglicherweise auftretenden Problemen in Bezug auf Versorgung und Qualität in keinem Falle selbst verantwortlich, sondern vertraut auf eine sichere, staatliche Regulation Wissensbestände Das Wissen der befragten Konsumenten zu Wasserthemen ist meist kein Expertenwissen, d.h. ihr Wissen basiert nicht auf gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, welches durch hartes Faktenwissen expliziert werden kann. Das Wissen der Befragten stammt meist aus Quellen, welche sie nicht mehr genau benennen oder erinnern können. Oft werden Medien oder das direkte soziale Umfeld genannt, auf jeden Fall keine Quellen, welche als gesichert und/oder wissenschaftlich fundiert gelten können. Dabei wird von den Befragten nicht reflektiert, wie valide ihr Wissen ist. Oftmals scheinen sogar diese subjektiven Wissensbestände aus dem Alltag als vertrauenswürdiger als wissenschaftliche Quellen. Also ich meine, ich bekomme so was auch mit so, aber momentan nicht viel, weil ich meistens zu fertig bin um mir noch, noch Nachrichten anzusehen oder so was. Aber also, ich weiß, ich weiß nicht wieso, aber über so was mache ich mir keine Sorgen. Ich will so was schon wissen 261

268 und manchmal ist es natürlich auch krass was man so hört, aber ich hab, bisher selten das Gefühl gehabt, dass es mich so stark verunsichert so ( E-wH1-L-NK-L3). Mit höherem Bildungsniveau ist zwar insgesamt ein reflektiertes Verhältnis zur Wassernutzung fest zu stellen. Aber auch diese Befragten beziehen ihr Wissen v.a. aus Medien und nicht aus Fachquellen. Teilweise gibt es Inseln gesicherten Wissens, wenn sich die Befragten z.b. mit einzelnen Aspekten wie Blei in Hausleitungen, auseinandergesetzt haben. Das Wissen zu Spurenstoffen ist bei den Befragten nur sehr wenig ausgeprägt. Bei gestütztem Befragungsmodus werden Medikamente, konkret Antibiotika und Hormone (von der Anti-Babypille) genannt. Diese Aspekte sind eher medial aufbereitet und daher auch den meisten Befragten bekannt, allerdings hängt das diesbezügliche (Detail-)Wissen mit der Ausprägung eines grundsätzlichen Interesses an gesellschaftlichen und gesundheitlichen Themen zusammen. Bei gestützter Befragung erscheint es den meisten Befragten plausibel, dass Medikamente und andere anthropogene Spurenstoffe in den Wasserkreislauf gelangen können. Es besteht eine gewisse Diskrepanz zwischen dem Wissensstand der Befragten und den Beuterungen während der Interviews, als wie wichtig und problematisch das Thema Spurenstoffe im Wasserkreislauf gesehen wird. Täglich verwendete Produkte wie Körperpflege-, Hygiene- und Reinigungsmittel etc. werden nur sehr selten als Quellen von Verunreinigungen des Wassers genannt und scheinen von den Befragten nicht als wassergefährdend eingestuft zu werden. Krankheitserreger werden von den Befragten so gut wie nie bei der Nachfrage nach möglichen Belastungen des Wassers genannt. Sehr vereinzelt sind Legionellen den Befragten bekannt (zur Zeit der Datenerhebung gab es eine Gesetzesnovelle zum Schutz vor Legionellen, so dass die Befragten dies vermutlich aus aktuellen Medienberichten rekapitulierten). Und denkst du an Viren und Keime? Ähm, ja schon, aber das wird ja alles, äh, sehr, sehr intensiv gefiltert, destilliert, gereinigt etc. ((Räuspert sich)) Und von daher mache ich mir da eigentlich keine Sorgen ( wM1-L-Marzahn-L1). Bei expliziten Nachfragen, aber durchaus auch selbstständig im Laufe des Interviews, äußerten die Befragten den Wunsch über Wasserfragen allgemein und speziell über die Thematik von Spurenstoffen und Krankheitserregern im Wasser besser informiert zu sein. Sie sehen hierbei die Medien, die Politik aber auch verantwortliche Institutionen der Wasserwirtschaft in der Pflicht. Gleichzeitig äußern viele Befragte aber auch ein schlechtes Gewissen ob ihrer eigenen Verantwortung im Hinblick auf ihre Informiertheit. Dabei kann allerdings nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass dieses Antwortverhalten zumindest teilweise durch soziale Erwünschtheit hervorgerufen wurde. Meistens wünschen sich die befragten Konsumenten eine direkte Information (z.b. per Post) von den Berliner Wasserbetrieben, z.b. in Form eines jährlichen Rundschreibens. Einige Befragten äußerten auch selber schuld zu sein an ihrem schlechten Wissensstand über Wasser, da die Informationen ja bei relativ geringerem Rechercheniveau zu beschaffen wären. Den Befragten wurden während des Interviews Zeitungsartikel über reale Störungen in der Berliner Wasserversorgung vorgelegt und der Verlauf der Störung beschrieben. Danach sollten die Befragten sich zu ihren Erinnerungen an die Ereignisse äußern. Dabei zeigte sich, dass nur wenige Befragten sich an die Störfälle erinnerten und dies auch nur grob. Nur wenn die Befragten einen direkten persönlichen Bezug zu den Geschehnissen hatten, etwa wenn die Störung in der Nähe ihres Wohnorts auftrat, erinnerten sie sich. Es scheint kein ausgeprägtes Langzeitgedächtnis, Wissen oder verstärkte Aufmerksamkeit bezüglich medialen Meldungen zu Störfällen in der Versorgung zu geben. 262

269 Leitungswasser oder Flaschenwasser? Während der Interviews lehnte niemand der Befragten den Konsum von Leitungswasser kategorisch ab. In aller Regel wird Leitungswasser für den alltäglichen Gebrauch in Haushalt und Küche (auch für die Zubereitung von Speisen und Getränken, wie Tee oder Kaffee) ungefiltert und ohne Bedenken genutzt. Nichtsdestotrotz wird Flaschenwasser dem Leitungswasser in Bezug auf die direkte Flüssigkeitsaufnahme, also als Getränk pur oder gemischt, häufig vorgezogen. Gründe für Flaschenwasserkonsum sind beispielsweise das Image von Flaschenwasser, also der mit dem Konsum verbundene Lifestyle. So gaben einige Befragten an, Flaschenwasser aus Repräsentationsgründen auf der Arbeit zu trinken oder in Kundengesprächen anzubieten. Also, wir sind ja ein Beratungsunternehmen, und ähm, da bietet es sich einfach an, um einfach auch einen gewissen, ja, Qualitätsstandard einfach, oder eine [ ] gewisse Atmosphäre einfach, Umgangsformen zu haben, gegenüber des Besuchers. [Da] wäre es einfach unhöflich und einfach ein schlechtes Niveau, wenn man sagt, man füllt einfach Leitungswasser ab, irgendwie. Das machen wir jetzt nicht, weil es unhygienisch ist, oder Ähnliches, sondern wir nehmen das [Flaschen-] Wasser, weil wir das sowieso bekommen, und weil wir das bestellen ( mH2- L-TT-L1). Auch zu Hause bietet man Gästen beim Essen lieber Flaschen- als Leitungswasser an. Häufig wurde auch der Geschmack als Grund für eine Präferenz von Flaschenwasser angegeben. D.h. die Befragten gaben z.b. an, dass sie Wasser lieber mit Kohlensäure versetzt trinken oder den mineralischen Geschmack des Leitungswassers nicht gerne mögen und deshalb Flaschenwasser bevorzugen. Ein typisches Muster, das bei den Befragten auftaucht ist, dass viele Befragte zwar zu Hause Leitungswasser trinken, aber auf Flaschenwasser zurückgreifen (z.b. indem sie sich eine Flasche an der Tankstelle kaufen), wenn sie unterwegs sind. Das Vertrauen in Leitungswasser außerhalb des alltäglichen Umfelds scheint irrational niedriger als das Vertrauen in Leitungswasser Zu Hause und teilweise auch am Arbeitsplatz. Das heißt, unterwegs würden Sie nicht aus der Leitung trinken? Nee. [kurze Pause] Wenn ich nichts habe, würde ich es schon trinken, aber ich würde das andere [Flaschenwasser] bevorzugen ( wH4-F-WM-L1). Zudem scheint die Entscheidung für oder gegen Leitungswasser häufig nicht mehr bewusst abzulaufen, sondern in eine routinierte Praktik, in eine unhinterfragte Gewohnheit übergegangen zu sein. Ich trink es [das Leitungswasser] eigentlich schon lieber zu Hause als im Büro, weil ich die Leitungen dort nicht kenne und das auch alles relativ veraltet scheint, aber ich trink es trotzdem ( wh2-l-pb-l1). Viele der Befragten, die äußerten, lieber Flaschenwasser als Leitungswasser zu trinken, konnten spontan keine expliziten Gründe dafür angeben. Oft verwiesen sie dann auf Gewohnheit etwa weil sie es aus ihrem eigenen früheren und aktuellen familiären Kontext schon immer so kannten, dass Flaschenwasser konsumiert wurde oder wird und/oder dass der Lebensmitteleinkauf sehr routiniert und teilweise sehr unreflektiert immer auch Flaschenwasser beinhaltet. Während der Interviews wurde auch nach der Nutzung von Wasserfiltern gefragt, wie dem Britta - Wasserfilter. Nur wenige Befragte nutzten solch einen Filter. Vielen war diese Möglichkeit sogar unbekannt. Die Nutzung des Filters geschieht dann i.d.r. auch eher aus geschmacklichen Gründen, oft wird 263

270 z.b. angeben, dass das Berliner Leitungswasser sehr hart, kalkhaltig oder metallisch schmecke und auch den Geschmack von Tee oder Kaffee beinträchtige. Gesundheitliche Überlegungen, wie etwa die Entfernung von Spurenstoffen oder Krankheitskeimen aus dem Leitungswasser, waren in keinem Interview ausschlaggebend für die Nutzung von Filtern. Eine Ausnahme könnten grundsätzlich Verbraucher mit Säuglingen oder Kleinkindern bilden. In den Interviews gaben einige wenige solcher Befragte an, dass sie Filter wegen ihrer Kinder nutzen oder zukünftig nutzen würden einen genauen Grund ( harte Fakten ) konnte allerdings niemand rekapitulieren. Es scheint eher, dass der Wasserfilter als Reaktion auf diffuse Ängste bezüglich der Gesundheit von Kindern und Kleinkindern als sinnvoll erachtet wird. Auf die Frage, unter welchen Bedingungen die Befragten ihre Wasserkonsumpraktiken ändern würden, also es vermeiden oder ausschließen würden, Leitungswasser direkt aus der Leitung zu trinken, wurde i.d.r. eine offizielle Warnung bzw. Handlungsempfehlung genannt. Beispielsweise wenn ein Störfall in der Wasserversorgung eine Warnung vor Gefährdungen und Risiken durch Leitungswasser und eine ausdrückliche Anweisung, kein Leitungswasser mehr zu nutzen, nach sich ziehen würde. Hier wird auf die rasche und verlässliche Information durch Medien bzw. die Berliner Wasserbetriebe vertraut. Eine Änderung des Risikoverhaltens in Bezug auf Wasserpraktiken kann also derzeit nur bei akuten Vorfällen und Krisen erwartet werden und nicht als langfristige, präventive Perspektive. Dies ist nicht zuletzt auf die Wissensbestände (siehe oben) der Befragten zurückzuführen Stellenwert von Trinkwasser Die Befragten sehen die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigem bzw. gesundheitlich unbedenklichem Trinkwasser und einen verantwortungsvollen, nachhaltigen Umgang mit der Ressource Trinkwasser als hohen ethischen Wert an. Wasser wird als Voraussetzung für Leben interpretiert und in seiner Wichtigkeit daher auch höher als alle anderen Lebensmittel und Konsumgüter eingestuft. Viele Befragte reflektieren im Verlauf des Interviews Wasser als Basis und Ursprung aller anderen Lebensmittel. Der Umstand, dass Wasser bei der Versorgung mit Lebensmitteln eine zentrale Grundvoraussetzung ist, wird von den Befragten fast durchgängig erkannt. Na, es hat einen hohen Stellwert. Ohne sauberes Wasser, also ohne Wasser geht ja eigentlich gar nichts, ja!? Merkt man erst mal, wenn vielleicht Wasser abgestellt wird ((lacht)). Mal einen Tag kein Wasser hat. Also, das Wichtigste eigentlich, was man zum, zum Leben braucht. Fängt ja morgens mit dem Waschen an, Zähneputzen und Essen kochen und Kaffee kochen. Also, das muss schon sauber sein. Ja. Und da find ich gut, dass da, hier in Berlin so sehr drauf geachtet wird, dass das Wasser auch sauber ist. Ja. Da viel dafür getan wird. Ist schon sehr wichtig ( wm4-l-pk-l1). Wasser stellt daher für viele Befragte eine besondere Kategorie dar, eine Ressource, die allen Menschen zugänglich sein sollte. Wasser wird somit nicht nur als Gebrauchswert, sondern auch als ideeller Wert eingestuft. Interessanterweise wirkt sich die ideologische Komponente bei der Einschätzung der Wichtigkeit von Wasserversorgung mehr auf einer ethischen Ebene aus und nicht auf einer Ebene der alltäglichen Wahrnehmung. D.h., auch wenn Wasser im Allgemeinen als essentiell angesehen wird, gilt ihm im Alltag doch wenig Aufmerksamkeit. In den Interviews abstrahieren daher auch viele Befragte von der Frage nach einer sicheren und allen zur Verfügung stehenden Wasserversorgung in Berlin bzw. Deutschland schnell eine auf internationale Ebene. In diesem Kontext kommt häufig Wasserversorgung als generelle Frage der Menschenwürde oder der Grundrechte auf. Oft wird im Vergleich der internationalen Lebenssituationen von Menschen ein latent schlechtes Gewissen spürbar: 264

271 Während in Deutschland jedem Einwohner gesundheitlich unbedenkliches Wasser in schier unbegrenzter Menge alltäglich zur Verfügung steht und i.d.r. auch als völlig selbstverständlich hingenommen wird, ist es in Entwicklungs- oder Dritte-Welt-Ländern ein absolutes Luxusgut, welches einem Großteil der Bevölkerung sehr schwer oder gar nicht zugänglich ist. Es gibt ja viele Menschen auf der Welt, die es nicht haben. Also wir sind so verwöhnt, finde ich, wir gehen einfach an den Wasserhahn und trinken. Viele Menschen haben aber do etwas gar nicht. Es hat für mich schon einen ziemlich hohen Wert ( wh1-f-kb-l2) Qualitätskriterien von Trinkwasser Ausschlaggebende Kriterien für Qualität von Trinkwasser sind für die befragten Verbraucher ästhetische, sensorische und pathologische Merkmale. Sensorische Merkmale, wie Geschmack, Aussehen und Geruch überwogen dabei deutlich als Indikatoren der Befragten für die Wasserqualität. Auffallend ist, dass einigen Befragten zwar durchaus bewusst ist, dass sie über ihre sinnliche Wahrnehmung nur grobe Verschmutzungen, jedoch keine Verunreinigung durch Spurenstoffe oder Krankheitserreger feststellen können trotzdem schien das Vertrauen in diese oberflächlichen Eindrücke groß. Daraus kann geschlossen werden, dass i.d.r. eine Minderung der Wasserqualität in Berlin bzw. Deutschland durch Spurenstoffe oder Krankheitserreger weit außerhalb des alltäglichen Erfahrungsraums und Erwartungshorizonts der Konsumenten liegt. Seltener als sensorische und ästhetische Gründe für eine schlechte Wasserqualität wurden pathologische Folgen des Wasserkonsums genannt, also beispielweise wenn man mit Erkrankungen und starken körperlichen Reaktionen auf den Konsum von Leitungswasser reagiert. Die Befragten äußerten sich im Allgemeinen sehr subjektiv zu der Einschätzung der Qualität von Wasser. Nur sehr selten bezogen sie sich dabei auf naturwissenschaftliche Studien oder andere Quellen expliziten Wissens. I.d.R. ist es eher ein grundsätzliches Gefühl des Vertrauens, das bei den Befragten vorherrscht. Dieses Grundvertrauen in die Wasserqualität und -verfügbarkeit in Berlin im Speziellen und Deutschland im Allgemeinen scheint durch die positiven Erfahrungen der Vergangenheit und verinnerlichtes, in soziale Praktiken eingeschriebenes, durch Medien und Bildungseinrichtungen vermitteltes Wissen hervorgerufen. Na, keine Ahnung. Man sieht s ja auch manchmal irgendwie, ob s sauber ist oder nicht. Keine Ahnung [Pause] wenn s braun aus der Leitung kommt, ist das ein Indiz dafür, dass ich es nicht trinke, sag ich mal ((lacht)) ( E-mM1-L-FH-L1). Dies schlägt sich auch in dem Vertrauen gegenüber beteiligten und verantwortlichen Institutionen wieder. Die Befragten vertrauen grundsätzlich darauf, dass die Berliner Wasserbetriebe und staatliche bzw. kommunale Verwaltungsinstitutionen auf Gefährdungen und Risiken frühzeitig hinweisen würden und dass diese Institutionen zuverlässig und gewissenhaft die Qualität des Wassers und der notwendigen Infrastruktur kontinuierlich kontrollieren. Die Befragten wussten, oder nahmen an, dass das Berliner Wasser regelmäßigen und anspruchsvollen Qualitätskontrollen unterzogen wird, was für sie ein wichtiges Qualitätskriterium für ein gesundheitlich unbedenkliches Trinkwasser darstellt (ästhetische oder geschmackliche Faktoren wurden an dieser Stelle i.d.r. nicht wichtig genommen). Insgesamt wurde die Qualität des Wassers als gut bis sehr gut eingeschätzt. Besonders gesundheitliche Gefahren befürchteten die Befragten nicht. In Bezug auf optisch wahrnehmbare Verunreinigungen des Leitungswassers wurden meist alte Rohre (z.b. Bleirohre) bzw. mangelhafte Hausinstallationen als Verursacher gesehen und nicht die Berliner Wasserbetriebe und weitere an der Wasserversorgung 265

272 beteiligte Institutionen. Als sekundäres, gesundheitlich nicht bedenkliches Qualitätskriterium für Leitungswasser wurde der Geschmack genannt. Hier spielte die Wasserhärte, die sich auf den Geschmack auswirken würde, eine besonders große Rolle. Die Härte des Wassers würde sowohl pures Leitungswasser als auch Tee oder Kaffee geschmacklich einschränken und darüber hinaus auch Küchengeräte (Wasserkocher, Waschmaschine usw.) belasten. Nur in wenigen Fällen überlegten die Befragten, ob eine hohe Wasserhärte auch ein Gesundheitsrisiko darstellte. Die Feststellung, dass das Berliner Wasser einen hohen Härtegrad hat, ist weit verbreitet Investitionsbereitschaft in sauberes Wasser In Bezug auf die Investitionsbereitschaft in sauberes Wasser wurde einerseits erhoben, inwieweit sich die Konsumenten durch ihre Praktiken im Umgang mit Wasser im Alltag bereits bewusst schonend und nachhaltig verhalten oder dies zukünftig vorhaben, und andererseits, ob sie gewillt sind persönliche Ressourcen in die Aufrechterhaltung der Wasserqualität in Berlin zu investieren. Eine grundsätzliche Erkenntnis ist auch hier, wie bei anderen wasserbezogenen Themenfeldern, dass sich die meisten Befragten vor dem Interview keine Gedanken dazu gemacht hatten oder frühere Gedanken und Schlüsse dazu nicht bewusst abrufen konnten. Oft scheint das Antwortverhalten dann von sozialer Erwünschtheit geprägt: Viele Befragte beteuerten, dass sie natürlich niemals absichtlich Wasser verschmutzt hätten oder dies zukünftig tun würden. Diese Beteuerung bezieht sich dann häufig auf eher außeralltäglich Beispiele, wie die Entsorgung von Lacken oder Farben über den Wasserabfluss im Haus. Konkrete Gedanken, wie im Alltag die Ressource Wasser geschont werden könnte, haben sich nur die wenigsten Befragten gemacht. Viele potentielle Beiträge, die auf individueller Ebene relevant wären, werden von den Befragten gar nicht als solche erkannt. Die Medikamentenentsorgung ist hier ein ausschlagkräftiges Beispiel. Auch das beispielsweise Reinigungsmittel oder Kosmetika durch das häusliche Abwasser in den Wasserkreislauf gelangen, ist vielen Befragten nicht bewusst. Ja, klar. Ich wasch jetzt nicht mein Auto draußen irgendwie. Ich versuch auf jeden Fall nicht, irgendwelche giftigen Stoffe jetzt bei mir im Klo runterzuspülen (amüsiert) oder ähnliches, also so was alles so ( E-mH1-L-FH-L1-1). Es wurde also insgesamt sehr deutlich, dass die meisten Befragten sich bisher noch nicht oder nur sehr wenig mit der Thematik eines persönlich verantwortlichen und nachhaltigen Umgangs mit Wasser auseinandergesetzt haben. Einige wenige Befragte verwenden einen Wasserfilter, und einige weitere Befragte könnten sich vorstellen, unter gewissen, häufig drastischen und gesundheitsgefährdenden Umständen einen solchen Filter anzuschaffen. Diese Bekundungen sind aber meist rein hypothetisch und werden höchstwahrscheinlich nur unter der Voraussetzung einer eindeutig gesunkenen und gesundheitsgefährdenden Wasserqualität eintreten. Eine Investitionsbereitschaft besteht also nur, wenn eine persönliche Betroffenheit als erwiesen angesehen werden würde. Ja, wenn es unabhängig von der Miete, von der Wohnmiete, ist, dann könnte ich mir schon vorstellen, dass eine Situation eintritt, die verlangt, dass man irgendwie spezielle Filter zwischensetzt, ja. Dass man da was macht, aber... Wie gesagt, ich sehe momentan keine Notwendigkeiten ( mm4-f-fh-l1). Wie wenig das Thema reflektiert wird, zeigt sich an der Frage, ob die Befragten erhöhte Wasserpreise in Kauf nehmen würden um den derzeitigen Standard halten zu können. Dies lehnen die meisten Befragten kategorisch ab, mit der Begründung, dass die Wasserpreise in Berlin ohnehin viel zu hoch seien. Nur in den seltensten Fällen wissen die Befragten aber tatsächlich zumindest annähernd, wie hoch der 266

273 Wasserpreis in Berlin tatsächlich ist. Die kategorische Ablehnung erhöhter Wasserkosten bzw. das häufig hinzukommende Ärgernis über hohe Wasserpreise in Berlin ist wahrscheinlich zumindest teilweise der zur Zeit der Datenerhebung auch medial stark geführten Debatte über die möglicherweise zu hohen Wasserpreise in Berlin und der Option einer gerichtlich verordneten Senkung des Wasserpreises geschuldet. Eine Wasserpreiserhöhung würde von einigen Befragten, die näher auf dieses Thema eingegangen sind, nur akzeptiert werden, wenn transparent gemacht werden würde, warum dies für den Verbraucher nützlich wäre. Wäre ich bereit für [gleichbleibende Wasserqualität zu zahlen] ja, wenn mir das ein bisschen transparent erzählt wird: Ja, das muss sein, das ist so, da kommen wir halt nicht drum rum. Aber man erhält dann ja gleich immer gegensätzliche Informationen. Der eine sagt: Mensch, das ist nicht zum Nulltarif zu haben. Der andere sagt: Das ist sowieso schon überteuert, jetzt nicht noch was draufsatteln. Das sind immer so Sachen wo man dann leider inhaltlich immer so ein bisschen abschaltet. Der eine sagt so, das kostet ein bisschen mehr, dann ist es besser, aber dann kostet es eben ein bisschen mehr, der andere sagt, es ist sowieso schon teuer genug. Dann ist für mich eigentlich der Punkt erreicht, wo ich sage, ja Mensch, was soll ich denn nun da persönlich dazu sagen? Gute Qualität hat sicher ihren Preis, selbstverständlich, und das würde ich bei Wasser auch akzeptieren, klar ( E-mH3-L-L1) Risikowahrnehmung Die Befragten nehmen nur sehr wenige Risiken bezüglich der Berliner Trinkwasserversorgung wahr. Eine irrationale Überschätzung von subjektiv empfunden Risiken im Vergleich zu naturwissenschaftlich abgeleiteten Risiken ist eindeutig nicht nachweisbar. Das Ergebnis ist allerdings aus verschiedenen Interessensperspektiven mitunter ambivalent zu sehen: Zwar spricht die relative Unbekümmertheit der Befragten für ein hohes Vertrauen in die Qualität des Trinkwassers und die Kompetenz der daran beteiligten Akteure und Institutionen, allerdings kann dieses fast blinde Vertrauen unter Umständen bedenkliche Folgen haben. Eine konkrete Beschäftigung mit der Thematik im Alltag findet auch deshalb nicht statt, weil die Befragten sich tatsächlicher Risiken nicht bewusst sind. Ihr Wissenstand zu naturwissenschaftlich abgeleiteten Risiken ist i.d.r. sehr gering. Eine kompetente Meinung zu gegenwärtigen und v.a. zukünftigen Risiken für die Wasserqualität und -versorgung in Berlin wurde im Allgemeinen nicht ausbildet. Bezieht man im Interview Gefahren und Risiken auf eine eher außeralltägliche Ebene, dann werden eher möglichen Risiken im Zusammenhang mit Wasser wahrgenommen. Hierbei spielen aber die Überlegungen zur (regionalen) Belastung des Wassers mit Spurenstoffen oder pathogenen Keimen (fast) gar keine Rolle, sondern eher mögliche Konflikte um die Ressource Wasser im internationalen Kontext. Oft genannt werden Wasserknappheit oder eingeschränkter Zugang zu Wasser und die sich daraus möglicherweise ergebende Krisen, wie Hungersnöte, Epidemien, militärische Auseinandersetzungen und Migration etwa im mittleren Osten oder ariden Teilen Afrikas. Auch werden globale Risiken im Zusammenhang mit Wasser mit der Klimaerwärmung und deren Folgen assoziiert, wie beispielsweise das Abschmelzen der Polkappen und damit einhergehender Landverlust. Im Vergleich zu anderen Risiken, sowohl zu relativ unwahrscheinlichen, fiktiven als auch zu alltäglichen Risiken, ist der Stellenwert von Wasserrisiken sehr gering. Die Risikowahrnehmung der Befragten wird im Allgemeinen z.b. eher von Krankheitsrisiken oder finanziellen Problemen dominiert. Bei der Frage 267

274 nach möglichen nationalen oder globaleren Risiken wurden z.b. der Zusammenbruch der Sozialsysteme oder sich verschärfende soziale Ungleichheiten genannt. Zusammenfassend ist fest zu stellen, das Wasser grundsätzlich kein Thema ist, welches in der Risikowahrnehmung präsent ist Vertrauen in wasserrelevante Institutionen Aus dem Antwortverhalten der Befragten ließen sich Präferenzen erkennen, welchen Institutionen bei Wasserthematiken besonders vertraut wird, bzw. welche als nicht vertrauenswürdig eingeschätzt werden. Dabei ist eine klare Tendenz zu erkennen, dass als unabhängige empfundene Akteuren, wie etwa interessenunabhängigen Wissenschaftlern, am meisten vertraut wird und dass diesen auch zugesprochen wird, objektive und qualitativ hochwertige Informationen rund um das Thema Wasser für die Öffentlichkeit bereitzustellen. Im Umkehrschluss werden private Unternehmen als nicht vertrauenswürdig eingeschätzt diese seien primär an Gewinn und erst sekundär am Wohl der Verbraucher interessiert. Eine differenziertere Wahrnehmung findet hier nur in Ausnamefällen statt. Prinzipiell werden alle gewinnorientierten Unternehmen als nachteilig für die Konsumenten empfunden, während unabhängige Akteure als gut eingeschätzt werden. Die Wahrnehmung der Befragten, was unabhängige Akteure sind, ist aber teilweise schwierig nachzuvollziehen, da häufig auch durch Nachfragen keine weiteren Ausführungen angestoßen werden konnten. Staatliche Institutionen sind für die Befragten ebenfalls Akteure, denen eine Orientierung am Allgemeinwohl attestiert wird und die daher vertrauenswürdig sind. Dass auch staatliche Institutionen partielle Interessen vertreten können, wird nur selten reflektiert. So gut wie alle Befragten äußerten sich aus diesen Gründen stark privatisierungskritisch gerade in Bezug auf die Verantwortlichkeiten wichtiger menschlicher Grundbedürfnisse. Falls die lebensnotwendige Infrastruktur Wasser privatisiert würde, befürchteten die Befragten starke Einbußen bei Qualität und Transparenz. Na gut, wenn man mit Wasser gut Geld verdienen kann, das find ich ne, find ich n, (2) find ich heikel. Also, ich finde, dann dass die Wasserversorgung (sie) müsste staatlich, müsste staatlich, äh, geregelt sein, eben ( mh3-f-sb-l3). Auch diese Antworten scheinen eher einen ideologischen Hintergrund, als tatsächliches Faktenwissen, zu entstehen denn die Tatsache, dass die Berliner Wasserbetriebe zum Zeitpunkt der Untersuchung zumindest teilprivatisiert waren, wurde kaum wahrgenommen. Da kann ich mir vorstellen, dass wenn das alles so, wenn die Wasserwerke generell privatisiert werden, dass die Leute sich kaum noch Wasser leisten können. Dass Wasser verkauft wird, wie Milch verkauft wird und wie, naja, wie andere Produkte verkauft werden. Das wäre ja ein fürchterlicher Rückschritt, denn das hat's ja alles schon mal gegeben ( wn4-f-th-l1). Medien werden bezüglich ihrer Vertrauenswürdigkeit ambivalent bewertet. Die meisten Befragten denken, dass die Medien eher zur Übertreibung neigen und daher nur bedingt vertrauenswürdig sind. Deutlich unterschieden wird in seriöse Medien, welche für die Befragten öffentliche, investigativ/informative Medien sind, und private Medien, etwa die sogenannten Boulevardmedien. Öffentlichrechtlichen Medien wird bei Wasserthemen im Allgemeinen großes Vertrauen geschenkt. Auf die durch solche Medien verbreiteten Informationen beziehen sich viele der befragten Konsumenten während des Interviews (ohne genauere Angaben darüber wann und wo genau diese Informationen aufgenommen wurden). Na althergebracht würde ich schon sagen, dass die öffentlichen Institutionen. also Medieninstitute zum Beispiel, die doch den Auftrag haben durch das Volk eben, dafür zu sorgen, dass 268

275 eine objektive Berichterstattung stattfinden kann. Ob es sich so halten lässt, weiß man nicht, aber so gehe ich erst einmal davon aus, dass ich doch bevorzugt öffentlichen Medien irgendwie glaube ( wm3-l-fh-l1). Nicht selten sagen die Befragten, dass sie bei konkreten besorgniserregenden Ereignissen mehrere Medien im Sinne einer Triangulation miteinander vergleichen, um die Vertrauenswürdigkeit der Informationen zu validieren. Eine Sonderstellung bezüglich des Vertrauens der Befragten nehmen die Berliner Wasserbetriebe (BWB) ein. Diese werden, wie bereits erwähnt, trotz vorangegangener Teilprivatisierung als Unternehmen in öffentlicher Hand wahrgenommen. Viele Befragte vertrauen den BWB gerade deshalb, weil sie mit staatlicher Seriosität assoziiert und ihnen keine privatwirtschaftlichen Gewinninteressen unterstellt werden. Dieses Vertrauen wird aber nur selten ohne Interviewerimpuls explizit begründet. Wie bereits angerissen, scheint das Vertrauen durch bisher sehr positive Erfahrungen und der offensichtlich unbeschränkten Verfügbarkeit gesundheitlich unbedenklichen Trinkwassers mit/durch den/die Berliner Wasserbetriebe/n. Also, ich hab mir bisher noch nichts gefangen. (1) Deshalb geh ich davon aus, dass mein Vertrauen berechtigt ist und behaupte mal, dass ich gut informiert bin. (1) Also, ich, ich fühl mich gut genug informiert. Bin jetzt kein Experte, aber ich glaube zum Trinken reicht s ( mh1-l-wd-l2) Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Praktiken der Wassernutzung der Konsumenten i.d.r. sehr stark habitualisiert sind und daher unbewusst im Sinne von unreflektiert stattfinden. Diese Praktiken scheinen nicht zuletzt deshalb so unbewusst ausgeführt zu werden, weil das Vertrauen in das Berliner Leitungswasser und in die Institutionen, die Einfluss auf Wasserqualität und Informationsverbreitung haben, relativ hoch ist. Wassernutzung ist darüber hinaus etwas sehr Alltägliches, eine explizite Auseinandersetzung mit dem Berliner Wasser findet nur in Ausnahmefällen statt meist, wenn durch mediale Berichterstattung oder technische Probleme die alltäglichen Praktiken irritiert werden. Dieser unbekümmerte, alltägliche Umgang mit Trinkwasser ist durch das hohe Vertrauen der Berliner Konsumenten in die bei der Wasserversorgung beteiligten Institutionen begründet. Die Produzenten und Kontrolleure des Trinkwassers genießen einen Vertrauensvorschuss, die Wasserqualität wird von den Befragten auch ohne detaillierte Informationen prinzipiell als gut bewertet. Dies gilt auch für die Informationsvermittlung rund um das Thema Waser. Die Verbraucher gehen davon aus, dass ihnen relevante Informationen (etwa zu möglichen Risiken) zeitnah und situationsangemessen von vertrauenswürdigen Akteuren zur Verfügung gestellt werden. Daher sehen sie wenig Anlass, sich selbst aktiv um Informationen zu bemühen. Generell besteht bei den Befragten kein ausgeprägtes Wissen über die Versorgung mit Trinkwasser und den konkreten Wasserkreislauf, zumindest nicht im Sinne eines naturwissenschaftlich abgesicherten Faktenwissens. Es handelt sich meist um Halbwissen, dessen Herkunft und Seriosität die Befragten nur selten reflektieren oder beurteilen können. Meist stammt das Wissen aus den Medien oder vom Hören-Sagen aus dem sozialen Umfeld. Dieses Halbwissen scheint einen gewissen Kanon an in der Berliner Bevölkerung verbreitetem Wissen zu umfassen, welches insgesamt sehr homogen ist. Einige 269

276 der Befragten verfügten allerdings auch über detailliertes Wissen, welches tatsächlich aus gegenwärtigen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen abgeleitet scheint. Dies stellt aber die Ausnahme dar und liegt entweder in persönlicher Betroffenheit (z.b. schlechte Haus-leitungen) oder außergewöhnlichem Interesse der Befragten an Allgemeinwissen und zum Thema Wasser begründet. Bei der Frage nach anthropogenen Spurenstoffen oder pathogenen Keimen im Berliner Wasser oder der potentiellen Gefahr durch eingetragene Stoffe, ist der Wissensstand der Befragten äußert gering. Zwar erscheinen ihnen mögliche Risiken als durchaus plausibel, wenn sie vom Interviewer näher aufgezeigt werden mit diesen beschäftigt haben sich aber so gut wie keine der befragten Konsumenten im Vorfeld. Daher spielen Spurenstoffe und Keime auch keine Rolle bei der alltäglichen Einschätzung von Wasserrisiken. Die Stoffe, welche für die naturwissenschaftliche Beschäftigung mit Wasserrisiken relevant sind (z.b. Medikamente) werden auf Nachfrage auch von den Konsumenten als potentiell riskant engeschätzt. Andere alltägliche Belastungen durch Einträge wie Kosmetika oder Reinigungsmitteln werden dagegen von den Befragten nur selten als mögliches Risiko für die Trink-wasserqualität gesehen. Bei den Krankheitserregern ist das Wissen noch wesentlich weniger umfangreich als bei den Spurenstoffen. Nur wenige Befragte waren ansatzweise über mögliche Risiken, wie Legionellen informiert. Einträge von pathogenen Keimen wurden insgesamt mehr mit außergewöhnlichen Störfällen assoziiert, welche aber für den Alltag keine Relevanz haben. Eine Überschätzung von Risiken in Bezug auf das Berliner Trinkwasser findet im Vergleich auf den derzeitigen Wissenstand naturwissenschaftlicher Disziplinen demnach nicht statt. Vielmehr sind sich die meisten Befragten keiner realen Risiken bewusst. Es lässt sich der allgemeine Wunsch feststellen, dass viele der Befragten gerne (passiv und aktiv) mehr über Wasserthematiken informiert wären. Allerdings ist fraglich, ob dieser Wunsch schon vor dem Interview bewusst bestand oder nicht erst durch das Interview hervorgerufen wurde. Auf Nachfrage wurde häufiger der Wunsch nach einer kontinuierlichen (beispielsweise jährlichen Information) direkt durch die Berliner Wasserbetriebe zur Wasserqualität (etwa per Post) geäußert Zusammenhang zwischen Risikowahrnehmung, -verhalten und Lebensstilen Wie in Kapitel 5.3 erläutert, vermuten wir, dass Risikobewusstsein und -verhalten sozialstrukturell und milieuabhängig variiert, wobei mit Letzterem gemeint ist, dass sich typische Merkmale der Lebensstile (wie Reflexivität, Hedonismus, Sicherheitsbedürfnis, aktives Handeln usw.) in typischen Risikoverhalten (wie Passivität, proaktives Handeln usw.) niederschlagen. Um die Fruchtbarkeit dieser Art von differenzierenden Analyse zu verdeutlichen, verwenden wir hier die Terminologie und Klassifikation nach Otte (2004, 2005) und stellen hier exemplarisch die drei im Datenkorpus am häufigsten vertretenen Milieus und deren Umgang mit Wasser Aufstiegsorientierte (34 %, n=19) Die Aufstiegsorientierten verfügen über ein mittleres Ausstattungsniveau sowie eine konsolidierte biographische Schließung und orientieren ihre Lebensführung am Mainstream. Sie sehen i.d.r. eine stabile, aufstrebende Berufskarriere als Ideal an, visieren gesellschaftlichen Aufstieg als Ziel an und richten ihre Lebensplanung entsprechend aus. Vorbilder und Ideale sind durch stereotypische Erfolgsnarrationen in den Massenmedien geprägt. Meist haben die Aufstiegsorientierten Familie und sind in der gesellschaftlich dominanten Freizeitkultur zu verorten, während sie sich gegen eher unkonventionelle, hedonistische Lebensführungen abgrenzen. Otte (2004, 2012) geht bei diesem Typ von einer 270

277 gewissen internen Inkonsistenz aus, da sich in ihm viele, teilweise heterogene, Lebensführungen aus der Mitte der Gesellschaft finden. Die von uns befragten Konsumenten, die sich den Aufstiegsorientierten zuordnen lassen, zeichnen sich durch die Bemühung aus, ein rationales, vernünftiges Verhältnis gegenüber Risiken zu entwickeln. Dabei möchten sie mehr auf rationale Argumente durch gesicherte Informationen von glaubwürdigen Institutionen, als auf emotionale Zustände zurückgreifen. Es besteht ein gewisses Pflichtgefühl, sich um Risiken zu kümmern, nicht nur auf sich selbst bezogen, sondern auch auf gesamtgesellschaftliche und in der Zukunft gelegene Risiken. Sie setzen auch ein gewisses Vertrauen in Institutionen, mit Risiken vernünftig umzugehen. Dies kann eine Tendenz zu Externalisierung der Verantwortung gegenüber Risiken bedeuten. Die Aufstiegsorientierten waren tendenziell gut über mögliche, in der gesellschaftlichen Wahrnehmung präsenten, Risiken informiert und versuchten rational auf diese zu reagieren. Allerdings zeigten sie eher ein reaktives Risikoverhalten sie werden erst aktiv, wenn Risiken konkret und akut auftreten. Langfristige Antizipationen von Risiken finden eher nicht statt. Anlässe, um präventiv auf Risiken zu reagieren, sind selten und meist nicht durch eigene Überlegungen, sondern durch gesellschaftliche Debatten initiiert. Risiken werden von der eigenen Person abstrahiert und in einen globalen Kontext eingeordnet, gleichzeitig besteht ein Anspruch, sich sozial verantwortlich zu verhalten und mit seinem eignen Handeln zu einer Risikoreduktion beizutragen. Zu vermuten ist, dass sehr oft sozial erwünscht geantwortet wurde. Das Antwortverhalten der Aufstiegsorientierten zeigte oft den Versuch ein vernünftiges, gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten gegenüber Risiken zu postulieren. So ist zum Beispiel das Verhalten gegenüber globalen, nicht konkret die eigene Person betreffenden Risiken, meist an einer allgemeinen Moral ausgerichtet und erscheint nicht intrinsisch motiviert. Auch das Vertrauen in Institutionen zeigt, dass eine Externalisierung von Risiken, bzw. dem Verhalten gegenüber Risiken, gerne und bereitwillig abgegeben wird. Eine selbständige Beschäftigung mit Risiken findet nur statt, wenn diese sozial erwünscht oder da konkret und akut unerlässlich scheint. Die Aussagen über ihr Risikoverhalten sind mit den Verhaltens- und Handlungsdispositionen der von Otte entwickelten Typologie gut erklärbar. Durch den soziokulturellen Hintergrund und der Orientierung an der gesellschaftlichen Mitte der Aufstiegsorientierten wird auch im Risikoverhalten versucht, sich am gesamtgesellschaftlichen Konsens auszurichten und ihn als Vorbild für das eigene Handeln zu verwenden. Der eigene Anspruch, einen sozialen Aufstieg zu erreichen, führt zu einer Ausrichtung des Risikoverhaltens am sozial erwünschten Konsens oder was dafür gehalten wird Hedonisten (27 %, n=15) Hedonisten und Unterhaltungssuchende zeichnen sich beide durch einen sehr modernen Lebensstil aus bei gleichzeitig hoher biographischer Offenheit. Ihre Prioritäten liegen auf Lebensgenuss und körperliche Stimulation, sie sind offen für neue Werte, Moden, Symbole und i.d.r. durch Familie oder Partnerschaft nicht dauerhaft gebunden und somit auch räumlich mobil. Hedonisten haben zusätzlich (anders als die Unterhaltungssuchenden) ein mittleres Ausstattungsniveau und sind spontan, konsumorientiert, extravertiert, modisch. Hedonisten sind Vorreiter und Katalysatoren neuer Trends. Häufig wird dies äußerlich durch körperzentriete Formen des Stilprotests (Tattoos, Piercings aber auch extravagante Mode) ersichtlich. Intensive Distinktion wird allem gegenüber 271

278 allem entwickelt, was im Verdacht steht spießig, langweilig und altmodisch zu sein. Während die Distinktion in Richtung gesellschaftlicher Mitte ausgeprägt ist, besteht eine große Anpassung und Orientierung an szenetypische, zeitgenössische Moden Otte spricht von einer Lebensmaxime der Coolnessmaximierung. Die Hedonisten sind genussorientiert, in urbanen Räumen auffindbar, sie gehen gerne aus und studieren typischerweise (Otte 2004, 2012). Bei der Auswertung des Risikoverhaltens der als Hedonisten typologisierten Befragten zeigen sich verbindende Eigenschaften wie ein insgesamt relativ hohes Niveau an Informiertheit zu Risiken, welche sicherlich auch auf ein gewisses Bildungsniveau zurückzuführen sind. Wenn die Hedonisten ein Risiko als akut wahrnehmen, setzen sie sich i.d.r. kritisch damit auseinander. Allerdings führt die Risikowahrnehmung nur in solchen Fällen zu Verhaltensänderungen, in denen ein Risiko konkret wird und ausdrückliche Verhaltensempfehlungen an die Hedonisten gerichtet werden. Eine Bewertung von Risiken findet meist nicht durch abstrakte Informationen, sondern durch direkten Bezug zu eigenen Lebenswirklichkeit und Erfahrung statt. Dadurch ergibt sich auch eine begrenzte Risikowahrnehmung, welche sich nicht auf zukünftige, globale Risiken bezieht. Wichtig ist der erkennbare Bezug eines Risikos auf das eigene, im Jetzt stattfindende Leben, ohne den das Risiko nicht relevant scheint. Risiken und Risikoverhalten werden nach Konsequenzen auf die eigene Lebensführung hin geprüft. Es wird eine Kosten-Nutzen-Bilanz gezogen, nach der beurteilt wird, ob sich ein geändertes Verhalten subjektiv lohnt. Insgesamt gesehen, ist dieser Typ in seiner Risikowahrnehmung und seinem Risikoverhalten schwer irritierbar. Wenn, dann spielt das direkte soziale Umfeld in Bezug auf Risikoverhalten eine wichtige Rolle: Die Meinungen von Familie und Freundeskreis werden in die eigenen Überlegungen und Strategien mit einbezogen. Das Vertrauen in staatliche Institutionen ist hoch. Erst wenn ein ganz konkreter Anlass mit möglicherweise dramatischen Folgen für die eigene Person vorliegt, werden Hedonisten (pro)aktiv und suchen eigenständig Informationen zu Risiken und Lösungsansätzen. Mit der Otte-Typologie korrespondiert das gezeigte Risikoverhalten der Befragten insoweit, als dass Risiken auf ihre Bedeutung für das eigene Leben und die Auswirkungen auf eigene Interessen und Vorlieben hin wahrgenommen werden. Auch die relativ schwere Irritierbarkeit und der Bezug auf das direkte soziale Umfeld beim Risikoverhalten lassen sich in die von Otte festgestellten Dispositionen integrieren. Allerdings widerspricht das Vertrauen in etablierte, gesellschaftliche Institutionen unter Ausschluss privater Unternehmen, der allgemein gegenüber der Mehrheits-gesellschaft gezeigten Distinktion Unterhaltungssuchende (13 %, n=7) Ähnlich wie die Hedonisten sind auch die Unterhaltungssuchenden biographisch offen und modern, verfügen aber über ein deutlich niedriges Ausstattungsniveau an Konsumgütern und Kulturpraktiken. Ihr Einkommen ist relativ niedrig, sie wollen konsumieren und leben im Hier-und-Jetzt. Die oft prekäre sozioökonomische Lage dieses Typen zeigt sich in einer demonstrativen Zuschaustellung von materiellen Statussymbolen (z.b. Markenprodukte), welche allerdings von anderen soziale Lebensstil-typen eher abwertend beurteilt als anerkannt werden. Die Imitation der als Vorbild fungierenden Symbolik der Hedonisten und Aufstiegsorientierten misslingt meist. Wie die Aufstiegsorientierten streben sie nach sozialem Aufstieg, welchen sie mehr durch Glück und weniger durch harte Arbeit verursacht sehen. Im Gegensatz zu den Aufstiegsorientierten haben sie weniger auf Aufstieg Alltags-routinen gekennzeichnet. Die Unterhaltungssuchenden sind zwar kognitiv-beweglich und offen so ist ihre Freizeitorientierung außerhäuslich, ihre Prioritäten sind aber i.d.r. schon gefestigt und v.a. ausgerichtet 272

279 auf eine solide berufliche Karriere, Familie und Kinder. Sie sind zudem weitestgehend depolitisiert (Otte 2004, 2012). Die den Unterhaltungssuchenden unter unseren Befragten verhalten sich Risiken gegenüber prinzipiell unsicher. Ihre Risikowahrnehmung und ihr Verhalten in Bezug auf Risiken sind von Kontingenz und Komplexitätsüberfrachtung gekennzeichnet. Durch das Gefühl der latenten Überforderung, der Ausgeliefertseins und der gefühlten Ohnmacht gegenüber Risiken wird Entlastung durch die Externalisierung der Verantwortung gesucht. Dabei wird aber staatlichen Institutionen nicht prinzipiell vertraut. Die Befragten äußerten mehrmals die gefühlte Sinnlosigkeit, sich Risiken gegenüber konkret zu verhalten, welche sie nicht einschätzen können. Zur gezielten Suche nach Informationen zu bestimmten möglichen Risiken fehlt scheinbar meist die hinlängliche Qualifikation, aber durchaus auch die ausreichende Motivation. Dieses Verhalten wird mit der eigenen Machtlosigkeit gegenüber den meisten ihnen bekannten Risiken begründet. Daher wird in der eigenen Person auch keine Verantwortlichkeit zu einem gewissen Risikoverhalten gesehen. Da schon die aktuell über die Medien kommunizierten, alltäglichen und konkreten Risiken die Befragten in ihrer Bewertung überfordern, wird an eine Antizipation und ein proaktives Verhalten gegenüber zukünftigen, potentiellen Risiken erst überhaupt nicht gedacht. Die Befragten ordnen Risiken nicht in einen größeren Kontext ein und nehmen sie insgesamt nur wahr, wenn sie akut und konkret die eigene Person zu betreffen drohen. Ihre Rolle als Akteur und der gesamtgesellschaftliche Kontext der Risiken reflektieren sie nicht, und sie versuchen, das Risikoverhalten aus eigenem, praktischen Erfahrungswissen oder dem Wissen von Personen aus dem direkten sozialen Umfeld abzuleiten. Die Befragten reagieren eher emotional als rational, auch sind ihre Aussagen zu ihrem Risikoverhalten oft inkonsistent bzw. situativ. Ihr Risikoverhalten ist eher als träge zu bezeichnen: Gehandelt wird, wie gesagt, nur bei direktem persönlichem Bezug. Oftmals spielen Faktoren wie der Anspruch und das Recht auf Genuss so wie finanzielle Ressourcen eine handlungsleitende Rolle, auf Basis derer Entscheidungen getroffen werden. Die Inhalte der Otte-Typologie und die vorliegende Datenerhebung und Typenzuordnung decken sich in großen Teilen: Die Befragten, die den Unterhaltungssuchenden zugeordnet wurden, zeigen sich, wie auch von Otte konstatiert, wenig an Ereignissen interessiert, welche ihren persönlichen Horizont übersteigen. Durch die gefühlte Überforderung durch Risiken zeigt sich ein Eskapismus in den privaten Raum, in welchem mit den verfügbaren individuellen Mittel versucht wird, der Risiken Herr zu werden. Die von Otte beschriebene Depolitisierung zeigt sich in der mangelnden Fähigkeit, Risiken in einen größeren globalen Kontext einzuordnen und auf die Ebene der eigenen Person hin zu transferieren. In der vorliegenden Datenerhebung sowie bei Otte spielen ideelle Werte selten eine Rolle beim Risikoverhalten stattdessen findet eine Abwägung im Hinblick auf die eigenen, verfügbaren Ressourcen statt, die in vergleichsweise geringem Ausmaß vorhanden sind und die bevorzugt möglichst erlebnisorientiert einsetzen werden wollen. Wie die Darstellung dieser drei Lebensstiltypen vergleichend zeigt, lohnt es sich durchaus, verschiedene Bevölkerungsgruppen differenziert zu betrachten, da sie Risiken nicht sehr unterschiedlich wahrnehmen und auf diese reagieren, sondern da das, was sie ermutigen könnte, ihr Risikoverhalten zu ändern, sehr unterschiedlich ist. 5.5 Dominante Diskurse und Homogenität/Heterogenität der Diskursfelder Ursprünglich waren wir von vier großen Diskursfeldern ausgegangen (Abbildung 157): den Produzenten (Diskursfeld 1); der Fachöffentlichkeit (Diskursfeld 2); die mediale Öffentlichkeit (Diskursfeld 3); 273

280 und den Konsumenten (Diskursfeld 4), und wir haben bislang mit Hilfe unserer empirischen Studie den Diskurs in jedem Diskursfeld separat rekonstruiert. Vergleicht man nun diese Diskursfelder miteinander, so muss dieses Bild von vier Subdiskursen revidiert werden, weil sich ein völlig anderes Bild ergibt. Empirisch zeigt sich, dass nicht vier, sondern zwei große Subdiskursfeldern existieren (Abbildung 170): Abbildung 170: Empirisch vorgefundene Diskursfelder und Diskurse über Gefahren und Risiken anthropogener Spurenstoffe und Krankheitserreger im Berliner Wasser. 1. Im öffentlichen Subdiskurs sind der Medien-Diskurs und der Konsumenten-Diskurs inhaltlich sehr eng miteinander verbunden sind. Die Diskurse um Risiken von Spurenstoffen und Krankheitserregern im Wasser unter den Konsumenten und in den Medien überschneiden sich im Allgemeinen stark und sind vergleichsweise homogen. Daraus ergibt sich für das Risikomanage-ment die Konsequenz, dass möchte man das Risikoverhalten in der Bevölkerung verändern, vermutlich sehr konkrete und gleichzeitig praktikable Vorschläge von Risikoverhaltensweisen erfolgversprechend sind, die über die Medien kommuniziert werden, wobei es sich lohnt, solche Medien zu wählen, die von einem bestimmten sozialen Milieu auch genutzt werden. 2. Der Expertendiskurs verbindet den Subdiskurs der Produzenten und deren Lobby auf der einen Seite mit dem Subdiskurs der unabhängigen Fachöffentlichkeit und Wissenschaft auf der anderen Seite. Gleichzeitig ist dieser aber sehr heterogen ist und differenziert sich wiederum in vielzählige Sub-Subdiskurse aus. Trotz dieser Differenziertheit lassen sich doch einige diskursübergreifende Thematiken identifizieren: Stoffgemische, Metabolite und Transformationsprodukte v.a. von Pharmaka werden als besonders risikoreich diskutiert vornehmlich was deren Langzeitwirkung im Wasserkreislauf für Mensch und Umwelt betrifft. Auch wenn man sich über die Hauptverantwortlichen nicht einig ist, findet sich dennoch regelmäßig der Hinweis auf die Notwendigkeit von präventiven Maßnahmen, um eventuelle Risiken in Zukunft nicht noch zu vergrößern. Gleichzeitig lassen sich innerhalb des Expertendiskurses trotz aller Heterogenität sehr viele Querschnittsthemen finden. Dies betrifft Themen wie Arzneimittel, Verbundwerkstoffe, Metabolite und Transformationsprodukte, die einen dauerhaften Einfluss auf die Trinkwasserqualität haben könnten. Es finden sich Diskurse über Antibiotika, Hormone und einen grundlegenden Trend zum Diskurs wie 274

281 man die Bevölkerung richtig bildet. Zudem werden die Zulassungsprozesse von Substanzen thematisiert und wie man diese ändern kann. Abbildung 171: Industriediskurse über Wasserverschmutzung. Das wirklich Interessante ist, dass dieses Diskursfeld sehr heterogen ist und dass sich Sub-Diskurse finden lassen entlang der einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen. Betrachtet man diese Sub-diskurse innerhalb des Expertendiskurses, so zeigt sich, dass die verbindende Linie zwischen den Akteuren nicht die Zugehörigkeit zu einer Akteursgruppe ist, sondern die disziplinäre Herkunft der Akteure. Wenn man sich das Feld der Produzenten und Lobbyorganisationen ansieht, lassen die ähnliche Auffälligkeiten finden. Auch hier finden sich Sub-Diskurse, die sich entlang der Disziplinen ausprägen, wobei jede Disziplin für einen speziellen Schritt im Produktionsprozess verantwortlich ist (Abbildung 171). Was wir weiterhin nicht erwarteten, ist die ausgeprägte Kommunikation zwischen der Industrie und den Experten, zwischen Regierungsvertretern und auch NGOs (also zwischen Kontrollierten und Kontrolleuren), was zwar Missverständnisse verringert und Fehlerbearbeitung beschleunigt, aber im Sinne der demokratischen Kontrolle nicht unproblematisch ist. Es lässt sich deshalb keine Trennung zwischen den Disziplinen, sondern über die Disziplinen finden: Wir haben einen Diskurs mit Wasserunternehmen, in welchem es darum geht, wie das Wasser aufbereitet wird. Diese Akteure denken nicht darüber nach, wie das Wasser verschmutzt wird, sondern wie die ungewollten Stoffe entfernt werden können. Es geht hierbei nicht um Prävention dieser Verschmutzung. Weitere Diskurse sind die Pharmaindustrie, Landwirtschaft und Produktionsgewerbe. 275

282 5.6 Fazit Betrachtet man den Risikodiskurs als Ganzes, so lässt sich folgender ASKURIS-Leitfaden zur strategischen Risikokommunikation ableiten. Verbraucherwissen und Medienwissen sind fast immer deckungsgleich, weil die meisten Verbraucher ihr Wissen um Wasser aus den Medien entnehmen. Dabei ist zu beachten, dass verschiedene Medien unterschiedliche Zielgruppen adressieren sichtet man diese, erhält man ungefähr ein Bild über den Wissenstand bei spezifischen Verbrauchergruppen. Insgesamt wissen die Verbraucher sehr wenig über Wasser. Die Verbraucher haben in Bezug auf Wasser ein großes Vertrauen in die Institutionen (Politik und Wasserversorger) und gehen typischerweise davon aus, dass Vorschläge und Empfehlungen fundiert sind und erwarten auch, dass diese Institutionen entweder wasserbezogene Probleme lösen oder aktiv von sich aus solche Vorschläge und Empfehlungen machen. Alltagstaugliche Vorschläge machen: Verbraucher sind im Alltag nicht nur mit wasserbezogenen Risiken, sondern auch mit anderen Risiken (Gesundheit, Arbeitslosigkeit, Finanzkrise usw.) konfrontiert, die sie gegeneinander abwägen. In dieser Risikohierarchie wird Wasser eine relativ geringe Priorität eingeräumt, weil es als sehr sicher gilt. Zudem stehen die Verbraucher unter enormen Zeitdruck. Risikokommunikation gegenüber dem Verbraucher hat nur dann Aussicht auf Erfolg (im Sinne einer Verhaltensänderung), wenn sehr konkrete (und praktikable) Vorschläge gemacht werden, die sich leicht in den Alltag einbauen lassen. Verbraucher ist nicht gleich Verbraucher. Vielmehr müssen Verbraucher je nach Lebensstil über unterschiedliche Kommunikationswege gewählt, Argumente angeführt und Maßnahmen ergriffen werden. Beispielsweise suchen höher gebildete Milieus aktiv Informationen (etwa im Internet), d.h. hier reichen reine Informationen aus, Institutionen könnten aber das tatsächliche Tun durch konkrete Vorschläge erleichtern. Dagegen sollten etwa bei jungen, modernen Personen mit niedrigem Bildungsniveau Informationen anschaulich und emotional aufbereitet, Möglichkeiten und Ausmaß des eigenen Einflusses aufgezeigt und Bezüge zwischen Risiken und persönlicher Lebenswelt expliziert werden. Weiterhin ist unbedingt die ausdrückliche Kommunikation konkreter Verhaltens-anweisungen erforderlich. Nicht immer ist der Verbraucher der richtige Adressat der Risikokommunikation. In Expertendiskursen wird oft Risikokommunikation mit dem Verbraucher assoziiert, obwohl dieser oft keinen Einfluss auf die Veränderung der Wasserqualität hat. Vielmehr müsste entweder die Eintragung verringert werden oder der Prozess verändert werden. Es gilt also immer zu Beginn der Risikokommunikation zu prüfen, wer der richtige Adressat der Risikokommunikation ist. Kommunikationsblockaden im Expertendiskurs öffnen. Veränderungen im institutionellen Feld scheitern oft daran, dass der Expertendiskurs in vielzählige Subdiskurse zerfällt. Es werden vornehmlich Probleme bearbeitet, die eine bestimmte Phase im Produktionsprozess betreffen. Herausforderungen, die die gesamte Produktionskette einschließen würden, bleiben tendenziell unbearbeitet. Für das Wasser heißt das konkret, dass man etwa beim Wasser über Reinigung des Abwassers und Veränderung des Verbraucherverhaltens nachdenkt, nicht aber darüber, ob vielleicht Eintragungen durch Pharmaindustrie oder Landwirtschaft verhindert werden könnten genau bei diesen besteht aber das größte Veränderungspotenzial. 276

283 6 Risikomanagement Ziel dieses Arbeitspaketes war es, die Kernerkenntnisse des Verbundforschungsprojekts, insbesondere die Ergebnisse des Spurenstoffmonitorings, der Verfahrens- und Risikobewertung zusammengefasst in das Risikomanagement der Berliner Wasserbetriebe zu integrieren. Darüber hinaus sollte das betriebliche Risikomanagement erweitert werden und exemplarisch ein Water Safety Plan nach WHO und DVGW W 1001 umgesetzt werden. Anschließend sollte diese Methodik mit den existierenden Instrumenten des Risikomanagements bei den Berliner Wasserbetrieben verknüpft und in den Risikomanagementprozess implementiert werden. 6.1 Überprüfung der existierenden Systeme zum Risikomanagement Zunächst wurde durch eine interne Arbeitsgruppe überprüft, inwieweit das Risiko anthropogener Stoffe und Krankheitserreger in den existierenden Systemen zum Risikomanagement und zur betrieblichen Qualitätssicherung bereits abgebildet und bewertet ist. Auf Unternehmensebene haben die Berliner Wasserbetriebe seit ca. zehn Jahren ein betriebliches Risiko- und Issue-Management, durch das unternehmerische Risiken identifiziert, analysiert und bewertet werden. Auf der Grundlage einer systematischen Risikosteuerung und -überwachung in Bezug auf technische, wirtschaftliche und rechtliche Risiken bezieht das Risiko- und Issue-Management der BWB gezielt mögliche Störfälle in den Managementprozess mit ein und findet Berücksichtigung bei der Formulierung und Überprüfung der Unternehmensstrategie. In diesem Prozess werden Risiken für das Unternehmen monetär bewertet, während gleichzeitig so genannte Issues, d.h. (schwache) Signale aus dem Umfeld des Unternehmens und dem Unternehmen selbst erfasst werden, die eine Gefährdung für Reputation und Strategie, aber auch Chancen darstellen. Zu Beginn des Forschungsprojekts (2011) waren in den unternehmensinternen Berichten (Risikobericht, Geschäftsbericht) keine Risiken bzgl. anthropogener Spurenstoffe enthalten (Ausnahme: Altlasten). Spurenstoffe und Keime wurden jedoch als sogenanntes TOP-Issue im Issuebericht aufgeführt, d.h. dass eventuelle Risiken auf Unternehmensebene wahrgenommen wurden, jedoch nicht vollständig bewertbar waren. Auf betrieblicher Ebene wurden Risiken bzgl. anthropogener Spurenstoffe in vielfältiger Art beschrieben. Die betriebliche Qualitätssicherung erfolgt durch die gesetzlich vorgeschriebene Endproduktkontrolle des Trinkwassers und durch die Einhaltung der technischen Regelwerke. Das Wasserversorgungskonzept 2040 (Moeller and Burgschweiger 2008) enthält das Szenario Anthropogene Belastungen, in dem insbesondere eine Überschreitung des gesundheitlichen Orientierungswertes (GOW) für Carbamazepin prognostiziert wird. Insgesamt kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Sicherheit der Trinkwasserversorgung nicht gefährdet ist. Darüber hinaus werden für den sicheren Betrieb der Wasserwerke dennoch zahlreiche Daten in einem umfangreichen Monitoring erhoben, das ständig weiterentwickelt wird. Treten dabei Befunde auf, werden diese mit Hilfe des GOW-Konzeptes durch das Umweltbundesamt bewertet. Als Fazit ist festzuhalten, dass das Auftreten von anthropogenen Spurenstoffen und Keimen als Thema/Risiko wahrgenommen, aber noch nicht umfassend bewertet wurde. 277

284 Abbildung 172: Interner Risikomanagementprozess bei den Berliner Wasserbetrieben. 6.2 Exemplarische Durchführung eines prozessorientierten Risikomanagements Für diese erstmalige, exemplarische Umsetzung eines risikobasierten und prozessorientierten Risikomanagements im Betrieb wurde die Vorgehensweise nach den WHO-Leitlinien für Trinkwasserqualität zur Umsetzung eines Water Safety Plan und dem DVGW-Hinweis W 1001 zur Sicherheit in der Trinkwasserversorgung Risikomanagement im Normalbetrieb gewählt (DVGW 2008, Schmoll et al. 2014). Diese sind in Abbildung 173 dargestellt. Abbildung 173: Methode des risikobasierten und prozessorientierten Managements. 278

285 Als erster Schritt wurde ein WSP-Team aus Fachexperten gebildet, die gemeinsam die Beschreibung und Bewertung des Versorgungssystems vornahmen. Das Team setzte sich aus den Verantwortlichen für die Qualitätssicherung in der Wasserversorgung, das Risikomanagement, Betrieb, Ressourcen-management, Schutzzonen und Verfahrenstechnik im Schwerpunktwasserwerk Tegel sowie der Forschung zusammen. Zunächst wurden die initiale systematische Beschreibung eines ausgewählten Versorgungssystems und die dazugehörige Risikobewertung durch das gebildete WSP-Team abgeschlossen. Insgesamt wurden ca. 80 potentielle Gefährdungen für Einzugsgebiet, Gewinnung, Aufbereitung, Speicherung und Verteilung des Trinkwassers beschrieben. Schadensausmaß GERING MITTEL HOCH Eintrittswahrscheinlichkeit SELTEN GELEGEN TLICH HÄUFIG Niedriges Risiko Niedriges Risiko Mittleres Risiko Niedriges Risiko Mittleres Risiko Hohes Risiko Mittleres Risiko Hohes Risiko Hohes Risiko Abbildung 174: 3x3-Matrix zur Risikobewertung. Die Risikobewertung erfolgte durch das WSP-Team mit Hilfe einer Risikomatrix, bei der ausgehend von der Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit (selten, gelegentlich, häufig) und des Schadensausmaßes (gering, mittel, hoch) das resultierende Risiko klassifiziert wurde (Abbildung 174). Die große Mehrzahl der identifizierten potentiellen Gefährdungen wurde als geringes Risiko bewertet. Dabei wurden auch existierende Maßnahmen zur Risikobeherrschung miterfasst. Der Eintrag von persistenten, polaren wasserwerksgängigen Spurenstoffen in den Tegeler See (Trinkwasserressource) wurde als hohes Risiko bewertet und anschließend Maßnahmen und Untersuchungsbedarfe abgeleitet. Dabei flossen die Ergebnisse der anderen Arbeitspakete (Analytik, toxikologische Bewertung, Bewertung der Eignung von Maßnahmen) mit ein, die aus dem Bereich Forschung und Entwicklung in einem Memo zusammengefasst wurden. 6.3 Integration existierender Ansätze Die Methode des risikobasierten und prozessorientierten Managements im Betrieb (WSP-Methodik) wurde exemplarisch auf das Wasserwerk Tegel angewendet und dabei insbesondere mögliche Risiken durch anthropogene Spurenstoffe und Krankheitserreger betrachtet. Kernelement ist dabei eine durch die interne WSP-Arbeitsgruppe vorgenommene Risikobewertung, die sich auf die Erkenntnisse des 279

286 Verbundprojekts stützt (Vorkommen, Toxizität, Entfernung von Spurenstoffen). So finden Forschungsergebnisse direkt Berücksichtigung im betrieblichen Handeln. Zukünftig wird das betriebliche Risikomanagement nach WSP-Methodik Schritt für Schritt in allen Berliner Wasserwerken eingeführt. Zur Integration der WSP-Methodik über seine Funktion als betriebliches Werkzeug hinaus in das Risikomanagementsystem der Berliner Wasserbetriebe wurde die Erweiterung der strategischen Bewertung von Unternehmensrisiken konzipiert. Dazu ist der kontinuierliche Abgleich strategischer Themen mittels WSP-Methodik bewerteter betrieblicher Risiken und auch Forschungsthemen notwendig (Abbildung 175). Abbildung 175: WSP-Methodik zum Risikomanagement auf betrieblicher Ebene und mögliche Integration mit strategischer Risikobewertung. Im Folgenden sind wichtige Erfahrungen bei der Umsetzung der WSP-Methodik bei einem großen Wasserversorger zusammengefasst: Bei der Beschreibung des Versorgungssystems und der Dokumentation kann im Allgemeinen auf eine Vielzahl vorhandener Dokumente zurückgegriffen werden, die z. B. für Genehmigungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfungen bereits vorliegen. Eine Vielzahl von Dokumenten ist in bereits vorhandenen Systemen archiviert, wie z. B. im Altlastenkataster, dem internen Content-Manage-mentsystem (CMS), Forschungsberichten, Geoinformationssystemen. Deshalb ist im Rahmen des WSP eine Verlinkung der vorhandenen Dokumente im WSP-Dokument sinnvoll. Die Gefährdungsanalyse ist ein Brainstorming von Experten und muss spezifisch nicht pauschal sein, da sonst keine Risikobewertung möglich ist. Das erfordert bei der Gefährdungsanalyse Detailgenauigkeit und Präzision (und entsprechende Kenntnisse im WSP-Team). Für die Verknüpfung mit dem strategischen Risikomanagement ist dann aber eine Aggregation nötig. Das Vorgehen zur Bewertung existierender Maßnahmen sollte gleich zu Anfang der Gefährdungsanalyse z. B. durch die explizite Unterscheidung von Ausgangs- und Restrisiko (beinhaltet wirksame Maßnahmen) klar definiert werden. Es ist der Regelfall, da die meisten Risiken bereits bekannt sind und Maßnahmen bereits getroffen wurden und wirken. Die Akzeptanz der Methode stieg im Laufe der Erstellung der Gefährdungsanalyse. Wurde die Methode zunächst nur als zusätzliches Dokumentationssystem wahrgenommen, war sie am Ende des Prozesses aber immer mehr als Arbeitshilfe akzeptiert. Die Ergebnisse des AP Risikomanagement wurden der Fachöffentlichkeit im Rahmen von Vorträgen vorgestellt und diskutiert (Vortrag von Hr. Dr. Petersohn am beim DVGW-Forum 10 Jahre Water Safety Plan, Bonn; Vortrag von Hr. Dr. Sperlich am bei den 23. Wasserhygienetagen, 280

287 Bad Elster). Die Ergebnisse des Arbeitspaketes fließen darüber hinaus in den im Rahmen des RiSKWa- Querschnittsthemas Risikomanagement und Handlungsempfehlungen erarbeiteten Leitfaden mit ein. 6.4 Entwicklung einer neuen Kommunikationsstrategie Angesichts der Diskrepanz zwischen der steigenden Zahl positiver Befunde, noch nicht abschließend geklärter toxikologischer Bewertung und Wahrnehmung/Kommunikation in der Öffentlichkeit, sollten in ASKURIS auch Ansätze für eine Risikokommunikation entwickelt werden. Insbesondere sollten die Ergebnisse des Monitorings (AP 1), aber vor allem die Arbeiten zur Risikowahrnehmung (AP 4) für die Kommunikation der Berliner Wasserbetriebe genutzt werden. Dazu wurden Output-Workshops durchgeführt, bei denen sowohl die Projektpartner, als auch RiSKWa- Verbundpartner (Querschnittsthema Risikokommunikation) eingebunden wurden. So fand im Dezember 2013 ein Output-Workshop bei den Berliner Wasserbetrieben statt, bei dem die Ergebnisse einer Medienanalyse und zahlreicher Konsumenteninterviews von Prof. Dr. Baur (TU Berlin) vorgestellt und diskutiert wurden. Um die in RiSKWa erarbeiteten Ergebnisse in die Praxis zu führen, fand am 28. April 2015 der Output-Workshop Risikowahrnehmung und -kommunikation in der Trinkwasserversorgung bei den Berliner Wasserbetrieben statt. Neben den eigenen Mitarbeiten aus dem direkten Kundenkontakt und der Unternehmenskommunikation waren das Landesamt für Gesundheit und Soziales, das Umweltbundesamt und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt als Teilnehmer vor Ort. Die Referenten kamen aus verschiedenen Teilen des RiSKWa-Verbunds: Prof. Dr. Britta Renner (Universität Konstanz), Nikolaus Geiler (regiowasser e.v, Freiburg), Prof. Dr. Nina Baur (TU Berlin), Regina Gnirß (BWB) und Dr. Alexander Sperlich (BWB). Nach den Vorträgen folgte eine angeregte Diskussion unter der Moderation des Pressesprechers der Berliner Wasserbetriebe. Das Ziel, die Forschungsergebnisse zur Risikokommunikation in die Praxis zu führen und den Dialog mit dem Kunden zur Thematik Spurenstoffe vorzubereiten und zu schärfen, wurde mit dem Workshop erreicht. Abbildung 176: Veröffentlichung von FAQs zum Thema Spurenstoffe auf Eine wichtige Empfehlung aus der sozialwissenschaftlichen Forschung (AP 4) war, präventive Kommunikation zu führen und transparent und offen mit der Thematik umzugehen. Diese Ansätze für eine 281

288 neue Risikokommunikation wurden bereits bei den Berliner Wasserbetrieben umgesetzt. So wurden in Zusammenarbeit mit mehreren Abteilungen des Unternehmens FAQs (Frequently Asked Questions) zum Thema Spurenstoffe erarbeitet (Abbildung 176). Diese wurden auf der Unter-nehmenswebsite gepostet und in internen Schulungsveranstaltungen des Personals (z.b. Call-Center, WASSER MOBIL) genutzt. So wurde sichergestellt, dass die Wissensvermittlung einheitlich und auf das Bedürfnis sowie Verständnis des Empfängers zugeschnitten ist. Darüber hinaus wurden Monitoringergebnisse zu anthropogenen Spurenstoffen (Befunde) auf der Unternehmenswebsite veröffentlicht, so dass alle Daten für jeden Verbraucher zugänglich sind. Auch im Sinne einer präventiven Risikokommunikation wurde aktiv über das Forschungsprojekt ASKU- RIS und seine Inhalte kommuniziert. Am fand in der Oberflächenwasserauf-bereitungsanlage Tegel eine Pressekonferenz zum Thema Spurenstoffe statt (Ruhl 2014). Anschließend folgte in ungewöhnlicher Atmosphäre mit rund 130 Gästen ein Informationstag zum Thema Spurenstoffentfernung und zum Forschungsprojekt ASKURIS nahe der Versuchsanlage (Abbildung 177). Wegen der erhöhten Geräuschkulisse durch die technischen Anlagen verfolgten die Teilnehmer über Kopfhörer die Vorträge der Referenten, darunter Regina Gnirß (BWB, Leiterin Forschung und Entwicklung) und Dr. Helmut Löwe (Bundesministerium für Bildung und Forschung), der der die Notwendigkeit eines nachhaltigen Wassermanagements darlegte und die Fördermaßnahme NaWaM des BMBF vorstellte. Neben der Vorstellung des Projekts wurden in Fachbeiträgen von Projektbeteiligten mögliche Verfahren zur Spurenstoffentfernung präsentiert und verglichen. Jörg Simon (BWB, Vorstandsvorsitzender) beschrieb an praktischen Beispielen die Herausforderung, die sich anhand des Wasserkreislaufs der Hauptstadt aus der Thematik ergibt. Er sprach sich in diesem Zusammenhang für eine gesellschaftliche Debatte über mögliche Risiken aus und betonte, dass Spurenstoffe und deren Reduzierung im Wasserkreislauf nicht nur ein Problem der Wasserwirtschaft sind. In Folge des Tages erschienen mehrere Artikel in der Presse (u.a. Berliner Morgenpost Mit Kohle gegen Kontrastmittel am ). Zusätzlich war ein Kamerateam vor Ort, das verschiedene Fachleute zum Thema Spurenstoffe und Forschung interviewte. Die Interviews wurden auf veröffentlicht. Abbildung 177: ASKURIS-Informationstag zur Spurenstoffentfernung in der OWA Tegel Berlin am Um das Thema Spurenstoffe und deren Entfernung plastisch und publikumstauglich darzustellen, wurde innerhalb des Projekts ein bespielbares Modell entwickelt. Den ersten Messeauftritt hatte es 282

289 beim BMBF-Stand auf der WASSER BERLIN INTERNATIONAL, die vom 24. bis 27. März 2015 in Berlin stattfand. Bundesministerin für Bildung und Forschung Prof. Dr. Johanna Wanka besuchte den Stand und ließ sich das Modell und Projekt erklären wie viele andere Messebesucher auch (Abbildung 178). Abbildung 178: Prof. Dr. Johanna Wanka (Bundesministerin für Bildung und Forschung, rechts) auf der WASSER BERLIN am ASKURIS-Modell mit Mitarbeiterinnen der TU Berlin, Regina Gnirß (BWB), Prof. Dr. Martin Jekel (Projektleiter, TU Berlin) (v.l.n.r., Foto von Feldwisch-Drentrup (KIT)). Das gleiche Modell lockte ebenfalls viele Interessierte auf der jährlichen Langen Nacht der Wissenschaften am 13. Juni 2015 an. Von 17 bis 24 Uhr informierten sich die Besucher über das Forschungsprojekt, während Kinder sich spielerisch Erkenntnisse zum Thema Spurenstoffentfernung aneigneten und den Erklärungen der Standbetreuung lauschten (Abbildung 179). Abbildung 179: ASKURIS-Stand bei der Langen Nacht der Wissenschaften 2015 an der TU Berlin. 283

290 6.5 Fazit Das Water-Safety-Plan-Konzept wird in Berlin zum betrieblichen Risikomanagement eingesetzt. Schritt für Schritt wird eine Gefährdungsanalyse nach WSP in allen Wasserwerken erfolgen. Es wurde ein Konzept zur Verknüpfung des betrieblichen Risikomanagements (WSP) mit dem unternehmens-weiten, strategischen Risikomanagement entwickelt, das in die Prozesse der Berliner Wasserbetriebe übernommen werden kann. Die Forschungsergebnisse des ASKURIS-Projekts sind eine wichtige Grundlage, um die Sicherheit der Trinkwasserversorgung Berlins mittel- und langfristig zu gewährleisten. Ausgehend von den Ergebnissen der sozialwissenschaftlichen Forschung wurden Ansätze für die Risikokommunikation erarbeitet. Es wird eine präventive und transparente Kommunikation über das Thema anthropogene Spurenstoffe im Wasserkreislauf empfohlen. Als erste Elemente einer transparenten Risikokommunikation wurde ein FAQ-Dokument zu anthropogenen Spurenstoffen erarbeitet, das allen Mitarbeitern der Berliner Wasserbetriebe zur Verfügung steht und zur Kundenkommunikation genutzt werden kann. Die Laboranalysen zu anthropogenen Spurenstoffen im Trinkwasser werden vollständig auf der Webseite der Berliner Wasser-betriebe veröffentlicht. Die Ergebnisse des Verbundforschungsprojekts ASKURIS wurden aktiv öffentlich kommuniziert. Im Sinne einer präventiven Risikokommunikation wurde neben der Fachöffentlichkeit (wissenschaftliche Artikel) besonders auch die breite Öffentlichkeit angesprochen (Informationstage, Pressekonferenzen, Messebeteiligungen, Internet, etc.). 284

291 7 Gesamtfazit Die Weiterentwicklung der hochauflösenden Non-target-Methodik ergab neue Befunde relevanter Spurenstoffe wie beispielsweise Gabapentin oder die Gruppe der Sartane. Diese Substanzen wurden erfolgreich in leistungsstarke Multimethoden integriert, so dass sie mit reduziertem Aufwand messbar geworden sind. Auch zukünftig sind weitere Befunde organischer Spurenstoffe nicht auszuschließen. Beide der im Pilot- und Labormaßstab untersuchten Verfahren Ozonung und Aktivkohleadsorption können für die Entfernung organischer Spurenstoffe erfolgreich eingesetzt werden. Obwohl bestimmte Substanzen wie zum Beispiel Carbamazepin sowohl mit Aktivkohle als auch mit Ozon sehr effizient entfernt werden können, zeigen beide Verfahren spezifische Vor- oder Nachteile bei der Entfernung anderer Substanzen. Für die Entfernung von Benzotriazol weist beispielsweise Aktivkohle spezifische Vorteile auf, während Sulfamethoxazol bereits mit vergleichsweise geringen Ozondosen entfernt werden kann. Die Entfernungen der einzelnen Stoffe sind abhängig von der Konzentration des im Wasser vorliegenden gelösten organischen Kohlenstoffs (DOC) und der Dosis von Aktivkohle bzw. Ozon, aber unabhängig von der Startkonzentration der Spurenstoffe. In Abbildung 180 sind die untersuchten Verfahrensalternativen und Dosis-Wirkungsbeziehungen für die Entfernungen von Indikatorsubstanzen zusammen mit spezifischen Jahreskosten und Treibhauspotential dargestellt. Bei der Ozonung genügt eine vergleichsweise geringe Ozonzehrung (0,7 g O 3 je g DOC) für eine mittlere bis hohe Entfernung der Mehrzahl der untersuchten Zielsubstanzen. Einige Stoffe wie Röntgenkontrastmittel sind allerdings schwer entfernbar. Die Bildung von Bromat kann nicht verhindert werden, jedoch lagen bei geringen Ozonzehrungen die Ablaufkonzentrationen unterhalb des Trinkwassergrenzwertes für Bromat (10 µg/l). Es wird ebenfalls das bedenkliche N-Nitroso-dimethylamin (NDMA) gebildet, das zum Teil durch die anschließende Flockungsfiltration reduziert wird, so dass die Ablaufkonzentrationen unter 10 ng/l liegen. Bei höheren spezifischen Ozon-zehrungen (größer als 0,7 g O 3 je g DOC) sind höhere Entfernungen einzelner schwer entfernbarer Substanzen zu erzielen, verbunden mit deutlich höheren Konzentrationen an gebildetem Bromat (abhängig von der Bromidkonzentration). Die desinfizierende Wirkung der Ozonung könnte ein Argument für die Ozonung darstellen. Bei den ermittelten Kosten und Umweltauswirkungen ergeben sich Vorteile bei der Ozonung, obgleich die Bewertung von Oxidationsprodukten noch weiter zu untersuchen ist. Aktivkohle lässt sich in sehr unterschiedlichen Varianten anwenden und in bestehende Anlagen integrieren. Die benötigten Dosierungen haben dabei einen entscheidenden Einfluss auf die Kosten und die Umweltauswirkungen (Abbildung 180). Bei bestimmten organischen Spurenstoffen, wie beispielsweise Amidotrizoesäure (ATS), können alle Verfahrensoptionen als nicht effizient eingestuft werden. Insgesamt ist für die Realisierung einer Aktivkohlestufe mit längeren Umsetzungszeiträumen zu rechnen und die betrieblichen Auswirkungen sind größer als im Vergleich zur Ozonung. Der Energieverbrauch der Kläranlage erhöht sich bei Erweiterung um eine Ozonung deutlich, während Aktivkohle keinen wesentlich höheren Energiebedarf aber höhere Betriebskosten verursacht, da die Herstellung sehr energieintensiv ist. Die Investitionskosten für die Integration einer Spurenstoff-entfernung in bestehende Anlagen sind wesentlich davon abhängig, ob zusätzliche Filter gebaut werden müssen. Die Entscheidung für eine bestimmte Verfahrensoption wird allerdings auch maßgeblich über die Zielwerte im gereinigten Abwasser und in den Oberflächengewässern beeinflusst werden. Die in Berlin neben der Ozonung ebenfalls mit vergleichsweise geringem Investitionsaufwand zu realisierenden Varianten 1) der PAK-Dosierung in der OWA Tegel und 2) der Austausch der oberen Filterschicht in der OWA Tegel durch GAK werden aktuell durch die Berliner Wasserbetriebe großtechnisch erprobt. 285

292 Abbildung 180: Untersuchte Verfahrensalternativen und Entfernung von Indikatorsubstanzen, spezifische Jahreskosten und Treibhauspotential (Legende Indikatorsubstanzen: ATS: Amidotrizoesäure, GAB: Gabapentin, IOP: Iopromid, ACE: Acesulfam, PRI: Primidon, BEZ: Bezafibrat; BTA: Benzotriazol, MET: Metoprolol, SMX: Sulfamethoxazol, FAA: Formylaminoantipyrin, DCF: Diclofenac, CBZ: Carbamazepin) Umgerechnet auf spezifische Jahreskosten ergäben sich zusätzliche Kosten für die Aufrüstung der Barrieren für Spurenstoffe in der Größenordnung von 2 bis 12 Cent pro Kubikmeter. Die ökotoxikologischen Tests zeigten, dass alle bisher untersuchten Proben unauffällig sind. Die wenigen positiven Proben (insgesamt 8 % bei Mutachromo und umuc Test; 5 % bei qpcr mit beiden Organismen) konnten in den angesetzten Wiederholungen nicht verifiziert werden. Zur Untersuchung von Wasserproben auf gentoxische Gefährdungspotenziale wurden Tests mit humanen Leberkrebszellen durchgeführt. In den Standardverfahren (Ames- und Mikrokerntest) kamen humanifizierte Zellsysteme zum Einsatz, mit denen eine Abklärung der Humanrelevanz erfolgte. Im bakteriellen Testverfahren (Ames-Test) war in keiner der Untersuchungsproben gentoxisches Potenzial nachzuweisen. Wegen ihrer sehr niedrigen Konzentrationen im Wasserkreislauf ließen sich hier mögliche gentoxische Gefährdungspotenziale im Ames-Test nur nach einer Aufkonzentrierung der Proben nachweisen. Im zweiten In-vitro-Test (Mikrokerntest) erwiesen sich wenige Proben als positiv. Der Einsatz der stoffwechselkompetenten Zelllinie HepaRG reduzierte die Anzahl der positiven Befunde deutlich gegenüber der Standardzelllinie HepG2. Die positiven Befunde in der HepaRG -Zelllinie müssten weiter abgeklärt werden. Die Mehrheit positiver Befunde wurde am Anfang der Aufbereitungskette aufgefunden, während an deren Ende die positiven Befunde nicht mehr nachzuweisen waren. Damit können im Sinne eines Screenings durch den Einsatz von Kurzzeittests prozessbezogen Gefährdungspotenziale aufgezeigt werden. Insgesamt können anhand der vorliegenden Daten akut toxische Wirkungen des ozonierten Klarwassers ausgeschlossen werden. Insgesamt erlauben die an den Berliner Standorten durchgeführten 286

293 Messprogramme jedoch keine vollständige ökotoxikologische Bewertung, da die Methoden zur integralen (öko-)toxikologischen Beurteilung der Qualität des behandelten Abwassers noch weiter entwickelt werden müssen. Im Gegensatz zur Adsorption an Pulveraktivkohle entsteht durch Ozonung eine bedeutende Anzahl an Transformationsprodukten. Insgesamt zeigen die bisherigen Studien, dass bei der Bildung von Transformationsprodukten die spezifische biologische Wirkung der meisten untersuchten Ausgangsstoffe verloren geht. Die Mehrzahl bislang mittels ökotoxikologischer Tests gemessener Effekte können durch Ozonung verringert werden. Bei manchen Stoffen hingegen führt die Ozonung zu stärker wirksamen Stoffen, wie z.b. zur Bildung des karzinogenen NDMA. Im Human-Biomonitoring konnte eine Aufnahme relevanter organischer Spurenstoffe über das Trinkwasser nicht nachgewiesen werden. In menschlichem Urin konnten nur vereinzelt Substanzen nachgewiesen werden. In der Bevölkerung gibt es hinsichtlich organischer Spurenstoffe keinen Hinweis auf Besorgnis. Es gibt allerdings den Wunsch nach mehr Informationen. Im Rahmen von ASKURIS konnten bei der Kommunikation der Thematik um Spurenstoffe erhebliche Fortschritte erzielt werden: Die sozialwissenschaftlichen Ergebnisse werden in der Risikokommunikation der Berliner Wasserbetriebe genutzt, um mit der Öffentlichkeit das Thema Spurenstoffe und Krankheitserreger kompetent und adäquat zu diskutieren und Handlungsempfehlungen zu geben. 287

294 8 Literatur Abegglen, C., Escher, B., Hollender, J., Koepke, S., Ort, C., Peter, A., Siegrist, H. and Zimmermann, S. (2009) Ozonung von gereinigtem Abwasser, Dübendorf. Altmann, J., Bruebach, H., Sperlich, A. and Jekel, M. (2014a) Removal of micropollutants from treated domestic wastewater by addition of powdered activated carbon to rapid filtration. Water Practice & Technology 9(3), Altmann, J., Ruhl, A.S., Zietzschmann, F. and Jekel, M. (2014b) Direct comparison of ozonation and adsorption onto powdered activated carbon for micropollutant removal in advanced wastewater treatment. Water Research 55, Alvarez-Sanchez, B., Priego-Capote, F. and Luque de Castro, M.D. (2009) Ultrasound-enhanced enzymatic hydrolysis of conjugated female steroids as pretreatment for their analysis by LC-MS/MS in urine. Analyst 134(7), Asimakopoulos, A.G., Bletsou, A.A., Wu, Q., Thomaidis, N.S. and Kannan, K. (2013a) Determination of benzotriazoles and benzothiazoles in human urine by liquid chromatography-tandem mass spectrometry. Analytical Chemistry 85(1), Asimakopoulos, A.G., Thomaidis, N.S. and Kannan, K. (2014) Widespread occurrence of bisphenol A diglycidyl ethers, p-hydroxybenzoic acid esters (parabens), benzophenone type-uv filters, triclosan, and triclocarban in human urine from Athens, Greece. Science of the Total Environment (0), Asimakopoulos, A.G., Wang, L., Thomaidis, N.S. and Kannan, K. (2013b) A multi-class bioanalytical methodology for the determination of bisphenol A diglycidyl ethers, p-hydroxybenzoic acid esters, benzophenone-type ultraviolet filters, triclosan, and triclocarban in human urine by liquid chromatography tandem mass spectrometry. Journal of Chromatography A (0). Asmuß, L. (2014) Pulveraktivkohledosierung zur Weitergehenden Abwasserreinigung Untersuchung verschiedener Betriebszustände an einer Pilotanlage (Masterarbeit), TU Darmstadt. Atienza, J.M., Yu, N.C., Kirstein, S.L., Xi, B., Wang, X.B., Xu, X. and Abassi, Y.A. (2006) Dynamic and labelfree cell-based assays using the real-time cell electronic sensing system. Assay and Drug Development Technologies 4(5), BAFU (2012) Mikroverunreinigungen aus kommunalem Abwasser, Verfahren zur weitergehenden Elimination auf Kläranlagen. Bundesamt für Umwelt (BAFU) Bahlmann, A. (2012) Entwicklung und Validierung eines Enzym-linked Immunosorbent Assays (ELISA) für die Quantifizierung von Carbamazepin in Abwasser, Oberflächenwasser und Trinkwasser, Humbolt- Universität, Berlin. Bahr, C., Ernst, M. and Jekel, M. (2007) Pilotuntersuchungen zur kombinierten oxidativ-biologischen Behandlung von Klärwerksabläufen für die Entfernung von organischen Spuren- und Wirkstoffen und zur Desinfektion, p. 78. Barjenbruch, M. (2007) Verfahren zur Abwasserfiltration Grundlagen, Auslegung und Betriebserfahrungen. Chemie Ing. Tech. 79, Baur, N. (2013a) Der Verbraucher und die Rolle des Konsums auf modernen Massenmärkten, DGS, Baur, N. (2013b) Die angebliche Ohnmacht der Politik. Über die Politische Regulierung von Märkten, DGS, 288

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