C. AMORPHE UND ORGANISCHE HALBLEITER
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1 Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Institut für Werkstoffwissenschaften 6 / AlN Martensstr. 7, Erlangen Vorlesung Grundlagen der WET II Dr.-Ing. Matthias Bickermann Prof. Dr. A. Winnacker C. AMORPHE UND ORGANISCHE HALBLEITER Wir hatten gelernt, dass sich eine Bandstruktur E(k) und delokalisierte Elektronenzustände durch die Gitterperiodizität ausbilden (Bloch-Theorem). Prinzipiell reicht jedoch ein großräumiger Überlapp von Wellenfunktionen aus, um delokalisierte Zustände und damit Leitfähigkeit hervorzurufen. Prominente Beispiele sind Störstellenbänder in Halbleitern (z.b. sehr hohe n-dotierung in Ge, siehe Halbleiter, Bild 14), flüssige Metalle (z.b. Quecksilber, Silizium, Wasserstoff unter sehr hohem Druck), amorphe Halbleiter und organische Halbleiter. 1. Amorphe Halbleiter 0,25 T0 In amorphen Materialien ist die Nahordnung erhalten, aber Bindungslänge und -winkel variieren. Unordnung benötigt Platz, d.h. je lockerer die Struktur aufgebaut ist, desto größer sind die Abweichungen von der idealen Bindung. Amorphe Materialien haben deshalb viele "Leerstellen" ( cm 3 in a-si, das entspricht 0,05 0,5 Atomprozent) mit nicht abgesättigten Bindungen. [Bild 1] Die lokale Variation des Gitterabstandes führt zu einer lokalen Variation der Bandlücke (siehe Halbleiter, Bild 3). [Bild 2] Die Bandkanten sind nicht mehr scharf definiert; man findet Ausläufer dicht unter dem Leitungsband (Elektronenfallen), dicht über dem Valenzband (Lochfallen) und auch viele Zustände in der Bandmitte (z.b. Leerstellen-induziert). Es gibt dennoch scharfe "Mobilitätskanten", oberhalb derer die Elektronen und Löcher frei beweglich sind. Der sog. Mott-Übergang (analog zum Störstellenband) erfolgt, wenn der mittlere Elektronenabstand n 1/3 kleiner wird als etwa 4 Bohr-Radien. Der Abstand der Mobilitätskanten ("Bandlücke des amorphen Halbleiters") ist deutlich größer als die Bandlücke im kristallinen Halbleiter (a-si: E G = 1,55 ev). Elektronen und Löcher nahe der eigentlichen Bandkante sind lokalisiert. Die Leitfähigkeit wird bestimmt durch "variable range hopping", dem Tunneln zu Nachbarzu- T ständen, mit σ ( T ) = σ e (Arrheniusauftragung über T 0,25 ). [Bild 3] 0 Durch die Heisenberg'sche Unschärferelation haben lokalisierte Zustände einen unschaften Impuls und damit ein großes Δk: Der Unterschied zwischen direktem und indirektem Halbleiter verwischt. Amorphe Halbleiter verhalten sich wie direkte Halbleiter (strahlende Rekombination, hohe Absorption an der Bandkante) und eignen sich für die Optoelektronik, z.b. a-si für Solarzellen. Damit Dotieratome nicht vollständig kompensiert werden müssen die Defektzustände in der Bandmitte "passiviert" werden. Dies geschieht durch Absättigung der Bindungen mit Wasserstoff, z.b. bei der Herstellung von a-si aus Silan (SiH 4 ) in einem "plasma enhanced CVD"-Reaktor. Typischerweise enthält abgesättigtes a-si Atom-% Wasserstoff und kann dann mit P und B n- oder p-dotiert werden. [Bild 4] 1
2 Materialien: a-si, a-ge, Arsenchalkogenide (As 2 S 3, As 2 Se 3 ) Anwendungen: Fotodioden, TFT, Photovoltaik, Kopiergeräte 2. Organische Halbleiter In Systemen mit ausgedehnten konjugierten Doppelbindungen sind die π-elektronen delokalisiert. Auch aufgebrachte (injizierte) Ladungen können sich auf der Kette frei bewegen. In konjugierten Systemen ist das Molekülorbital genau halb besetzt, man beobachtet quasi-metallisches Verhalten. [Bild 5] Die Atomabstände in solchen Systemen sind jedoch unterhalb der sog. Peierls- Temperatur T P nicht mehr gleichverteilt. Es ist für das System energetisch günstiger, eine Überstruktur auszubilden (Peierls-Instabilität). Die Gitterverzerrung moduliert die Ladungsdichte (sog. Polariton), es bildet sich eine Bandlücke aus, und das System wird zum Halbleiter. [Bild 6] Die obere (leere) Hälfte entspricht dem Leitungsband des Halbleiters und heißt im Fall der Polymerketten lowest unuccopied molecular orbital (LUMO), die untere (vollbesetzte) Hälfte wird highest occupied molecular orbital (HOMO) genannt. Indem man an das Polymer ein Oxidationsmittel, z.b. Jod) anlagert, kann man ihm ein Elektron aus dem HOMO entziehen, es entsteht ein Lochleiter. Die zurückbleibende positive Ladung, verbunden mit einer lokalen Deformation der Kette, wird Polaron genannt. Entsprechend kann mittels eines Reduktionsmittels (z.b. Na) ein Elektron ins LUMO gebracht werden, es entsteht ein negatives Polaron. Die meisten halbleitenden Polymere sind jedoch Löcherleiter, da Elektronenleiter mit dem Sauerstoff der Luft reagieren. [Bild 7] Organische Leiter entstehen, wenn Dotierstoffe im Bereich von mehreren Atomprozenten eingebracht werden. Wichtig wird hier der Ladungsübertrag zwischen Molekülen. Man kann durch geeignete Stapelung der Moleküle Leitfähigkeiten wie bei Kupfer erreichen (bei T > T P ). Die höchsten Leitfähigkeiten werden zurzeit mit kleinen Molekülen wie TMTSF, TSF und TTF und Dotierstoffen wie TCNQ, aber auch AsF 5, FeCl 3 oder I 2 erbracht. Die Leitfähigkeit ist dabei stark anisotrop, d.h. entlang der Stapelung viel höher als quer zu den Schichten. [Bild 8] [Bild 9] Organische Halbleiter arbeiten dagegen mit Ladungsträgerinjektion. Die entstehenden Ströme sind raumladungsbegrenzt, da die injizierten Elektronen das E-Feld selbst abschirmen. Ein einfacher Aufbau ist die organische Leuchtdiode (OLED), in der der Elektronenleiter auch die Rekombinationszone beherbergt, da die Löcherleiter wie z.b. PEDOT meist eine viel höhere Mobilität besitzen. Die Emissionswellenlänge wird damit durch den verwendeten Elektronenleiter bestimmt. Das ist technisch günstiger als eine separate Rekombinationsschicht aufzubringen, da das Spincoating-Verfahren durch das Rücklösen auf zwei Schichten begrenzt ist. [Bild 10] [Bild 11] [Bild 12] Problematisch in OLED-Strukturen sind die Kontaktübergänge. Man benötigt eine hohe Austrittsarbeit an der Anode (Löcherinjektion) und eine sehr niedrige an der Kathode. Man verwendet eine transparente Anode mit Indium-Zinn-Oxid (ITO) als Kontaktmaterial und Ca oder Al an der Kathode. Die Probleme werden größer, wenn Polymere mit großer Bandlücke (z.b. für blaues Licht) eingesetzt werden sollen. Der gesamte Aufbau ist stark hygroskopisch und UV-empfindlich und muss speziell gekapselt sowie mit Feuchtigkeitsinhibitoren ausgerüstet werden. Dies ist besonders ein Problem für die Anwendung als druckbare und elastische low-cost-elektronik. [Bild 13] 2
3 Neben OLEDs werden auch organsiche Solarzellen und Feldeffekttransistoren (OFETs) untersucht, sind aber noch nicht marktreif. OFETs zeichnen sich dadurch aus, dass sie über das Substrat (meist ein Si-Wafer) gesteuert und in Anreicherung (normally-off) betrieben werden. Die geringe Ladungsträgermobilität begrenzt den Einsatz von OFETs auch theoretisch auf < 100 MHz. [Bild 14] 3. Bilder Bild 1: Leerstelle (mit drei Wasserstoffatomen abgesättigt) in amorphem Silizium Bild 2: Links: Lokale Variation der Bandlücke Rechts: Zustandsdichte in einem amorphen Halbleiter Bild 3: Temperaturabhängigkeit der Leitfähigkeit mittels variable range hopping Bild 4: PECVD-Reaktor (Gaseinlass oben, gelb: Plasma, rot: Substrat) 3
4 Bild 5: Grenzstrukturen für konjugierte Doppelbindungen Bild 6: Metall-Halbleiter-Übergang einer eindimensionalen Kette (Peierls-Instabilität). Unten ist der Verlauf der Ladungsdichte ρ aufgetragen. Bild 7: Bildung eines Polarons durch Löcherinjektion oder Dotierung mit I 3 Bild 8: Ladungsübertrag zwischen Tetracyanoquinodimethan (TCNQ)-Molekülen 4
5 Bild 9: Organische Leiter (sog. charge transfer molecules) Bild 10: Bandschema einer organischen Leuchtdiode (OLED) mit PEDOT als Lochund PPV als Elektronenleiter. Bild 11: Poly(3,4-ethylenedioxythiophen) PEDOT als Lochleiter, Polyphenylenpropylen (PPP) und vinylen (PPV) als Elektronenleiter mit Emission im blauen, grünen und roten Spektralbereich. 5
6 Bild 12: Emission von OLEDs mit verschiedenen Emittermaterialien aus Bild 11. Bild 13: Aufbau einer OLED aus PEDOT und PPV Bild 14: Schema eines Organischen Feldeffekttransistors (OFET) 6
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