BÜROGEMEINSCHAFT DER ARBEIT- GEBERVERBÄNDE Rechtsanwalt Dirk Seeliger
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- Ida Voss
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2 BÜROGEMEINSCHAFT DER ARBEIT- GEBERVERBÄNDE Rechtsanwalt Dirk Seeliger 2
3 Das Team der Rechtsabteilung Dirk Seeliger Leiter der Rechtsabteilung Katja Hüser stellvertr. Leiterin der Rechtsabteilung Anke Wegel Anja Vollbrecht Sophie Thoss Sebastian Sokolowski Kristina Freiberg Sarina Baum Rechtsanwalt Dirk Seeliger 3
4 FORUM ARBEITSRECHT Zeitarbeit im Fokus der aktuellen Rechtsprechung und der betrieblichen Praxis Rechtsanwalt Dirk Seeliger 4
5 INHALTE 1. Einführung und Branchenzuschläge (Referent Seeliger) 2. Wesentliche Änderungen im AÜG seit 2011 (Referentin Hüser) 3. Mitbestimmung des Betriebsrats gem. 99 BetrVG (Referentin Freiberg) 4. Tendenzen der Rechtsprechung zur Zeitarbeit (Referent Sokolowski) Rechtsanwalt Dirk Seeliger 5
6 ZAHLEN ZUR ZEITARBEIT Die Beschäftigung in der Zeitarbeit in Deutschland ist in den letzten Jahren in der Tendenz mit hoher Dynamik gewachsen (in 2012: ca ZeitAN). Seit Anfang/Mitte 2012 jedoch rückläufig, während die Beschäftigung insgesamt weiter steigt. Der Anteil der Beschäftigten in der Zeitarbeit an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt derzeit unter 2,6 % ( ZeitAN). Die Leiharbeitnehmerüberlassung ist von hoher Dynamik geprägt: Im 1. Halbjahr 2012 wurden beispielsweise Zeitarbeitsverhältnisse neu abgeschlossen und Beschäftigungsverhältnisse beendet. Knapp die Hälfte der Leiharbeitsverhältnisse endet nach weniger als drei Monaten Rechtsanwalt Dirk Seeliger 6
7 ZAHL DER VERLEIHBETRIEBE NACH ANZAHL DER MITARBEITER Rechtsanwalt Dirk Seeliger 7
8 ZEITARBEITSSTELLE ALS BESCHÄFTIGUNGSCHANCE Zeitarbeit stellt eine Beschäftigungsperspektive für Arbeitslose, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer, Berufseinsteiger oder Berufsrückkehrer dar. 64 % der neu abgeschlossenen Zeitarbeitsverhältnisse im Kalenderjahr 2012 wurden mit Personen geschlossen, die direkt zuvor keine Beschäftigung ausübten bzw. noch nie beschäftigt waren. Jedoch enden etwa die Hälfte der Beschäftigungsverhältnisse nach weniger als drei Monaten: 10 % der Beschäftigungsverhältnisse dauern weniger als 1 Woche 37 % dauern 1 Woche bis 3 Monate 54 % dauern 3 Monate und mehr Rechtsanwalt Dirk Seeliger 8
9 BRANCHENZUSCHLÄGE TV BZ ME TV BZ Chemie TV BZ Kunststoff TV BZ Kautschuk Einsatzdauer Zuschläge in % Zuschläge in % Zuschläge in % Zuschläge in % * E1-E9 E1- E2 E3- E4 E6- E9 E1- E2 E3- E4 E5 E6- E9 E1- E2 E3 E4- E6 Ab 7. Woche: 15 % 15 % 10 % 0 % 7% 4% 3% 0% 4% 3% 4% 0% E7- E9 Ab 4. Monat: 20 % 20% 14% 0% 10 % Ab 6. Monat: 30 % 30% 21% 0% 15 % Ab 8.Monat 45 % 45% 31% 0% 22 % Ab 10. Monat 50 % 50% 35% 0% 25 % 6% 4% 0% 7% 4% 7% 0% 9% 6% 0% 10 % 13 % 15 % 9% 0% 13 % 10 % 0% 16 % 6% 10 % 9% 13 % 10 % 16 % 0% 0% 0% Rechtsanwalt Dirk Seeliger 9
10 WEITERE TARIFVERTRÄGE BRANCHENZUSCHLAG FÜR DIE BEREICHE: Textil- und Bekleidungsindustrie Holz- und Kunststoff verarbeitende Industrie Schienenverkehr und Eisenbahn Druckindustrie und Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Industrie Rechtsanwalt Dirk Seeliger 10
11 WESENTLICHE ÄNDERUNGEN IM ARBEITNEHMERÜBERLASSUNGSGESETZ SEIT Rechtsanwältin Katja Hüser 11
12 ERSTES GESETZ ZUR ÄNDERUNG DES ARBEITNEHMERÜBERLASSUNGSGESETZES In Kraft getreten zum : Sog. Drehtürregelung Lohnuntergrenze Umsetzung der Zeitarbeitsrichtlinie 2008/104/EG zum : Ausdehnung/ Modifizierung des Anwendungsbereiches Erweiterte Informationspflichten Erweitere Zugangsrechte für Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb Wegfall der Ausnahmeregelung für ehemals arbeitslose Arbeitnehmer Rechtsanwältin Katja Hüser 12
13 GESETZ ZUR ÄNDERUNG DES ARBEITNEHMERÜBERLASSUNGSGESETZES UND DES SCHWARZARBEITSBEKÄMPFUNGS- GESETZES in Kraft getreten zum : Erweiterte Kontroll- und Sanktionsmechanismen, insbesondere Verpflichtung des Verleihers, die für die Kontrolle der Mindestlohnverordnung erforderlichen Unterlagen für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung des Zeitarbeitnehmers in deutscher Sprache für zwei Jahre bereit zu halten. Verpflichtung des Entleihers, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit des Zeitarbeitnehmers aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre lang aufzubewahren, wenn die Mindestlohnverordnung Anwendung findet Rechtsanwältin Katja Hüser 13
14 LOHNUNTERGRENZE UND DREHTÜRREGELUNG Abweichen vom Grundsatz des equal treatment / equal pay nur durch Tarifvertrag, wenn in diesem die in der Rechtsverordnung nach 3a Abs.2 festgesetzten Mindeststundenentgelte eingehalten werden. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber können tarifvertragliche Regelungen in Bezug nehmen. Aktuelles Mindeststundenentgelt seit dem bis : 8,19 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten Rechtsanwältin Katja Hüser 14
15 LOHNUNTERGRENZE UND DREHTÜRREGELUNG Kein Abweichen vom Grundsatz des equal treatment / equal pay durch Tarifvertrag, wenn ein Leiharbeitnehmer in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung an den Entleiher aus einem Arbeitsverhältnis bei diesem oder einem Arbeitgeber, der mit dem Entleiher einen Konzern im Sinne des 18 AktG bildet, ausgeschieden ist Rechtsanwältin Katja Hüser 15
16 MODIFIZIERUNG DES ANWENDUNGSBEREICHS Neuregelungen in 1 AÜG: Erlaubnispflicht bei jeglicher Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Arbeitgebers Die Überlassung von Arbeitnehmern an den Entleiher erfolgt vorübergehend. Was bedeutet vorübergehend und welche Folge hat ein nicht vorübergehender Einsatz? Rechtsanwältin Katja Hüser 16
17 MODIFIZIERUNG DES ANWENDUNGSBEREICHS Was bedeutet vorübergehend und welche Folge hat ein nicht vorübergehender Einsatz? LAG Berlin-Brandenburg v Sa 1182/12: offen gelassen, ob eine vierjährige Überlassung an einen Entleiher vorübergehend ist Folge: selbst bei nicht vorübergehendem Einsatz kein Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher LAG Berlin-Brandenburg v Sa 1635/12: Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen, für die keine Stammarbeitnehmer vorhanden sind, ist nicht vorübergehend. Folge: Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher Rechtsanwältin Katja Hüser 17
18 MODIFIZIERUNG DES ANWENDUNGSBEREICHS Wie geht es weiter? Beim Bundesarbeitsgericht wurde jeweils Revision eingelegt gegen die Entscheidung der 7. Kammer (10 AZR 111/13) als auch der 15. Kammer (9 AZR 268/13), so dass in absehbarer Zeit mit einer Klarstellung zu rechnen ist Rechtsanwältin Katja Hüser 18
19 MODIFIZIERUNG DES ANWENDUNGSBEREICHS Weitere Neuregelungen in 1 und 1a AÜG: Grds. keine Anwendung des AÜG bei Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen ( 18 AktG), wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird sowie zwischen Arbeitgebern, wenn die Überlassung nur gelegentlich erfolgt und der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Keiner Erlaubnis bedarf ein Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten, der zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen an einen Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, der nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird, bis zur Dauer von zwölf Monaten überlässt, wenn er die Überlassung vorher schriftlich der Bundesagentur für Arbeit angezeigt hat Rechtsanwältin Katja Hüser 19
20 ERWEITERTE INFORMATIONS- UND ZUGANGSRECHTE Leiharbeitnehmer sind über freie Stellen im Entleiherbetrieb zu informieren. Leiharbeitnehmern ist Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder diensten, wie Kinderbetreuungseinrichtungen, Gemeinschaftsverpflegung und Beförderungsmitteln, wie Stammarbeitnehmern zu gewähren, es sei denn, dass ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung vorliegt Rechtsanwältin Katja Hüser 20
21 MITBESTIMMUNGSRECHTE DES BETRIEBSRATES GEMÄß 99 BETRVG Rechtsanwältin Kristina Freiberg 21
22 INFORMATIONSVERLANGEN DES BR/ UNTERRICHTUNGSPFLICHTEN DES AG berechtigt nicht berechtigt teilweise berechtigt Information über die Person BAG ABR 137/09 auch wenn es dem AG nur auf die Qualifikation ankommt Name Alter Beruf Qualifikation Anschrift Rechtsanwältin Kristina Freiberg 22
23 INFORMATIONSVERLANGEN DES BR/ UNTERRICHTUNGSPFLICHTEN DES AG 2. Vorgesehener Arbeitsplatz im Betrieb BAG ABR 80/87; BAG ABR 137/09 3. Vorgesehener Arbeitsumfang, Lage der Arbeitszeit ergibt sich zumindest für Vollzeitbeschäftigte aus den vorhandenen Betriebsvereinbarungen (wenn abweichend mitteilen) möglicherweise Eingreifen von 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG echtes Mitbestimmungsrecht, nicht nur Zustimmungsverweigerungsrecht 4. Beabsichtigte Dauer des Einsatzes BAG ABR 18/10 Achtung: Begriff vorübergehend tangiert Begründung kann lauten: wegen erhöhten Arbeitskräftebedarfs in Abteilung xy, dessen Ende noch nicht absehbar ist Rechtsanwältin Kristina Freiberg 23
24 INFORMATIONSVERLANGEN DES BR/ UNTERRICHTUNGSPFLICHTEN DES AG 5. Vorlage der Arbeitnehmerüberlassungsverträge BAG ABR 66/75; BAG ABR 74/06 Höhe des Entgelts muss nicht zwangsweise mitgeteilt werden 6. Mitteilung, dass sich keine schwerbehinderten Bewerber gemeldet haben bzw. keine Nachricht über Bewerber durch die Agentur für Arbeit (oder keine gegenteilige Mitteilung, wenn unter den Bewerbern schwerbehinderte Menschen sind) 7. Detaillierte Darlegung nur beabsichtigte Dauer und unternehmerische Entscheidung des Einsatzes eines Leiharbeitnehmers Keine Erklärung, warum sich für die Beschäftigungsform der Leiharbeit entschieden wurde, schon gar nicht detailliert Rechtsanwältin Kristina Freiberg 24
25 INFORMATIONSVERLANGEN DES BR/ UNTERRICHTUNGSPFLICHTEN DES AG 8. Ausschreibung nur bei vorherigem Verlangen des BR, was dieser auch generell im Voraus tun kann. Wenn darüber hinaus eine BV existiert, muss das dort genannte Verfahren eingehalten werden, auch bei Leiharbeitnehmern, wenn sie auf Dauerarbeitsplätzen eingesetzt werden sollen. Streitig, ob das auch für vorübergehende Einsätze gilt. Vorlage aller Bewerbungen, auch ungeeignete Bewerbungen, auch abgelehnte Bewerber, Aushändigung für höchstens eine Woche 9. Vorlage des Arbeitsvertrages Leiharbeitnehmer Verleiher BAG ABR 18/10 kein Instrument der umfassenden Vertragskontrolle, schon für die eigenen Arbeitnehmer besteht der Anspruch nicht Rechtsanwältin Kristina Freiberg 25
26 INFORMATIONSVERLANGEN DES BR/ UNTERRICHTUNGSPFLICHTEN DES AG 10. Auswirkungen auf die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer Auswirkungen auf Beschäftigungsmöglichkeiten von schwerbehinderten AN, leistungsgeminderten AN: nur bei Bedarf, insbesondere wenn eine solche leidensgerechte Beschäftigung gesucht wird und der Arbeitsplatz des Leiharbeitnehmers dem entspricht Teilzeitbeschäftigte mit Erhöhungswünschen BAG ABR 117/ Nichtübernahme befristet Beschäftigter nur interessant, wenn die Verträge gleichzeitig auslaufen und eine Eignung besteht höchstens bei Bewerbungen des befristet Beschäftigten damit auseinandersetzen 12. Nichtübernahme Auszubildender automatisch keine Information nötig Rechtsanwältin Kristina Freiberg 26
27 ZUSTIMMUNGSVERWEIGERUNGSGRÜNDE NACH 99 ABS. 2 BETRVG Wortlaut des 99 Abs. 2 BetrVG in Auszügen: Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn 1. die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, ( ) eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung ( ) verstoßen würde, 3. die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies ( ) gerechtfertigt ist; ( ), 5. eine nach 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist Rechtsanwältin Kristina Freiberg 27
28 ZUSTIMMUNGSVERWEIGERUNGSGRÜNDE NACH 99 ABS. 2 ZIFFER 1 BETRVG Betriebsräte können sich u.a. auf folgende Gesetzesverstöße berufen (Ziffer 1): Fehlen der Überlassungserlaubnis beim Verleiher umstritten, bisher nicht vom BAG entschieden, Literatur bejaht Zustimmungsverweigerungsgrund nach Ziffer 1 Verstoß gegen das AÜG, insbesondere gegen das Merkmal vorübergehend oder Nichtinformation der beschäftigten Leiharbeitnehmer über freie Arbeitsplätze ( 13 a AÜG) Verstoß gegen 81 Abs. 1 S. 1 SGB IX sowie das AGG Rechtsanwältin Kristina Freiberg 28
29 ZUSTIMMUNGSVERWEIGERUNG WEGEN VERSTOßES GEGEN 81 ABS. 1 S. 1 SGB IX Eigentlich handelt es sich bei der Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers nicht um einen Arbeitsplatz nach 73 SGB IX. Ein Verstoß gegen 81 Abs. 1 S. 1 SGB IX liegt dennoch vor, wenn vor der beantragten Zustimmung zur Einstellung des nicht schwerbehinderten (Leih-) Arbeitnehmers die Agentur für Arbeit nicht eingeschaltet wurde. BAG ABR 3/09 Außerdem besteht bei fehlender Einschaltung der Agentur für Arbeit die Vermutung, dass der Arbeitgeber schwerbehinderte Beschäftigte wegen ihrer Behinderung benachteiligt (BAG , 9 AZR 807/05). In der Nichteinschaltung liegt daher der Gesetzesverstoß gegen das AGG Rechtsanwältin Kristina Freiberg 29
30 ZUSTIMMUNGSVERWEIGERUNGSGRÜNDE NACH 99 ABS. 2 ZIFFER 1 BETRVG Was bedeutet vorübergehend und welche Folge hat ein nicht vorübergehender Einsatz? LAG Niedersachsen v TaBV 124/11: Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen ist nicht vorübergehend. Folge: Zustimmungsverweigerungsrecht für BR bei Einstellung LAG Düsseldorf v TaBV 38/12 und 17 TaBV 48/12: Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen ist vorübergehend. Es verbleibt allenfalls Missbrauchskontrolle. Folge: kein Zustimmungsverweigerungsrecht für BR bei Einstellung Rechtsanwältin Kristina Freiberg 30
31 ZUSTIMMUNGSVERWEIGERUNGSGRÜNDE NACH 99 ABS. 2 ZIFFER 1 BETRVG Wie geht es weiter? Beim Bundesarbeitsgericht wurde Rechtsbeschwerde eingelegt gegen die Entscheidung des LAG Niedersachsen (7 ABR 79/12) sowie gegen die Entscheidungen des LAG Düsseldorf (7 ABR 83/12 und 7 ABR 84/12), so dass in absehbarer Zeit mit einer Klarstellung zu rechnen ist Rechtsanwältin Kristina Freiberg 31
32 ZUSTIMMUNGSVERWEIGERUNGSGRUND NACH 99 ABS. 2 ZIFFER 3 BETRVG Betriebsräte können nach 99 Abs. 2 Ziffer 3 BetrVG widersprechen, wenn die Besorgnis besteht, dass in Folge der personellen Maßnahme Nachteile für beschäftigte Arbeitnehmer eintreten, z.b.: durch Einarbeitung ständig wechselnder Leiharbeitnehmer enorme Mehrbelastung der Stammbelegschaft ( durch Einarbeitung, Einweisung und Kontrolle inakzeptable Leistungsverdichtung oder der Leistungs-/Prämienlohn wird durch diese Einarbeitungen gemindert ) diese Argumente gehen ins Leere, da sich keine andere Situation darstellt, als wenn Arbeitnehmer eingestellt werden (befristet und/oder unbefristet) Leistungslohn: möglicherweise kompensierende tarifvertragliche Regelungen Rechtsanwältin Kristina Freiberg 32
33 ZUSTIMMUNGSVERWEIGERUNGSGRUND NACH 99 ABS. 2 ZIFFER 3 BETRVG Weiterer behaupteter Grund für Benachteiligung der beschäftigten Arbeitnehmer: Die Belegschaft wird faktisch in drei Gruppen gespalten, nämlich in die Stammbelegschaft, die befristeten Arbeitnehmer/innen und die Leiharbeitnehmer. Dies erzeugt Spannungen in der Abteilung, die für alle Arbeitnehmer unzumutbar sind. Das Betriebsklima wird deutlich gestört. Dies wäre ein unsubstantiierter Widerspruch, 99 Abs. 2 Ziffer 3 BetrVG sieht als Voraussetzung die durch Tatsachen begründete Besorgnis vor, diese ist hier nicht angeführt Rechtsanwältin Kristina Freiberg 33
34 ZUSTIMMUNGSVERWEIGERUNGSGRUND NACH 99 ABS. 2 ZIFFER 5 BETRVG Fehlende interne Stellenausschreibung gemäß 93 BetrVG: grds. Verweigerungsrecht, wenn der Arbeitgeber nach vorherigem Verlangen des Betriebsrates eine innerbetriebliche Stellenausschreibung unterlassen hat BAG bejaht diesen Zustimmungsverweigerungsgrund bei der dauerhaften Besetzung eines Arbeitsplatzes mit einem Leiharbeitnehmer (BAG , 1 ABR 79/09) Bei der kurzzeitigen Besetzung von Arbeitsplätzen lässt das BAG die Frage offen, also rechtliche Situation unklar (Achtung: betriebliche Regelung in BV!) Rechtsanwältin Kristina Freiberg 34
35 FOLGE DER ZUSTIMMUNGSVERWEIGERUNG Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens durch den Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht gemäß 99 Abs. 4 BetrVG im Wege des Beschlussverfahrens Vorläufige personelle Maßnahme gemäß 100 BetrVG möglich: Darstellen der dringenden Erforderlichkeit der Maßnahme aus sachlichen Gründen bei unverzüglichem Bestreiten der dringenden Erforderlichkeit durch den BR: Einleiten eines Beschlussverfahrens beim Arbeitsgericht innerhalb von drei Tagen nach Reaktion des BR (Achtung: Frist TV LeiZ) auf Feststellung, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war während dieser Zeit darf die vorläufige personelle Maßnahme aufrechterhalten werden Rechtsanwältin Kristina Freiberg 35
36 ÜBERBLICK: TENDENZEN DER RECHTSPRECHUNG ZUR ZEITARBEIT Zeitarbeitnehmer sind beim Betriebsgrößenbegriff gem. KSchG zu berücksichtigen. Es entsteht Kündigungsschutz auch im Kleinbetrieb: BAG AZR 140/12 - Zeitarbeitnehmer sind beim Betriebsgrößenbegriff gem. BetrVG zu berücksichtigen. Die Anzahl der (freigestellten) BR-Mitglieder steigt: BAG ABR 69/11 Arbeitnehmer erlangen nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit die sog. passive Wählbarkeit zum Betriebsratsmitglied. Dabei können Beschäftigungszeiten als Zeitarbeitnehmer zu berücksichtigen sein: BAG ABR 53/11 Anfechtung einer BR-Wahl möglich, wenn Beschäftigte nach 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG unberücksichtigt geblieben sind (Beamte, Soldaten, AN des öff. Dienstes). Entscheidend soll Begriff des Tätigseins sein: BAG ABR 37/11 - Gefahr, dass demnächst Zeitarbeitnehmer und Werkvertragler einbezogen werden müssen? Rechtsanwalt Sebastian Sokolowski 36
37 BAG AZR 140/12 ANWENDUNGSBEREICH DES KSCHG 23 Abs. 1 S. 3 KSchG: Geltungsbereich In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts. bisher galt: nur eigene Arbeitnehmer sind einzubeziehen Nicht-Arbeitnehmer und nicht eigene Arbeitnehmer blieben bei der Größenbildung außen vor: Freie Mitarbeiter / freelancer Praktikanten Zeitarbeitnehmer Beschäftigte von Werkvertragspartnern 29. Mai 2013 Rechtsanwalt Sebastian Sokolowski 37
38 BAG AZR 140/12 ANWENDUNGSBEREICH DES KSCHG nun jedoch das BAG: Bei der Berechnung der Betriebsgröße sind auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem in der Regel vorhandenen Personalbedarf beruht. Dies gebietet eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung der gesetzlichen Bestimmung. 29. Mai 2013 Rechtsanwalt Sebastian Sokolowski 38
39 BAG AZR 140/12 ANWENDUNGSBEREICH DES KSCHG an Sinn und Zweck orientierte Auslegung von 23 Abs. 1 KSchG: Das Nichtvorhandensein eines Arbeitsverhältnis steht der Berücksichtigung bei der Betriebsgrößenberechnung nicht entgegen. Kleinbetriebe sollen aus dem Anwendungsbereich des KSchG herausgenommen werden, um der dort häufig engen persönlichen Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Aufwand wegen eines Kündigungsschutzprozesses Rechnung tragen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Betrieb durch den Einsatz eigener oder entliehener Arbeitnehmer bewältigt wird. Kritik: Interessenlage hinter dem Zeitarbeitnehmereinsatz bleibt unberücksichtigt. Das Näheverhältnis eines eigenen Arbeitsverhältnisses soll beim Zeitarbeitnehmereinsatz gerade vermieden werden. Außerdem erfolgt dieser oft wegen oder zur Vermeidung einer geringen Finanzausstattung. 29. Mai 2013 Rechtsanwalt Sebastian Sokolowski 39
40 BAG AZR 140/12 in der Regel vorhandener Personalbedarf? im allgemeinen den Betrieb kennzeichnende Zahl unter Berücksichtigung der zu erwartenden Entwicklung des Personalstands Merkmal vorübergehend gem. 1 Abs. 1 S. 2 AÜG? BAG hat keine abändernde Sachentscheidung getroffen, sondern wegen obiger Frage an das LAG zur weiteren Ermittlung zurückverwiesen: waren die zum Kündigungszeitpunkt beschäftigten Leiharbeitnehmer aufgrund eines regelmäßigen Bedarfs beschäftigt? LAG Nürnberg 4 Sa 713/10 wird im Lauf des Jahres 2013 neue Sachentscheidung unter Berücksichtigung der BAG-Auffassung treffen. 29. Mai 2013 Rechtsanwalt Sebastian Sokolowski 40
41 BAG ABR 69/11 ANZAHL DER BR-MITGLIEDER 9 BetrVG: Der Betriebsrat besteht in Betrieben mit in der Regel 5 bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus einer Person, 21 bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus 3 Mitgliedern, 51 wahlberechtigten Arbeitnehmern bis 100 Arbeitnehmern aus 5 Mitgliedern, 101 bis 200 Arbeitnehmern aus 7 Mitgliedern,, 701 bis 1000 Arbeitnehmern aus 13 Mitgliedern, 1001 bis 1500 Arbeitnehmern aus 15 Mitgliedern gemeint ist aktives Wahlrecht, also die Möglichkeit der Stimmabgabe Fall: 879 Stammarbeitnehmer, 292 Zeitarbeitnehmer. In den vorhergehenden acht Jahren wurden durchgehend mindestens 250 Zeitarbeiter beschäftigt. Es wurde ein BR mit 13 Mitgliedern gewählt. Die Wahl wurde von 14 Arbeitnehmern bis zum LAG erfolglos, beim BAG erfolgreich angefochten. 29. Mai 2013 Rechtsanwalt Sebastian Sokolowski 41
42 BAG ABR 69/11 ANZAHL DER BR-MITGLIEDER Argumente des BAG: Das Mitzählen bei den Schwellenwerten des i.s.d. 9 BetrVG im Entleiherbetrieb ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des BetrVG. Jedenfalls bei einer Betriebsgröße von mehr als 100 Arbeitnehmern kommt es nicht auf die Wahlberechtigung der Leiharbeitnehmer an. Ab der Stufe 51 wahlberechtigten Arbeitnehmern bis 100 Arbeitnehmern stellt das Gesetz nicht mehr darauf ab, ob die Arbeitnehmer wahlberechtigt sind oder nicht. 29. Mai 2013 Rechtsanwalt Sebastian Sokolowski 42
43 BAG ABR 69/11 ANZAHL DER BR-MITGLIEDER Kritik: Kehrtwende gegen jahrelang bewährte Rechtsprechung Abstellen nicht auf den Begriff der Arbeitnehmer, sondern auf die im Betrieb möglicherweise vorhandenen Arbeitsplätze ist systemwidrig und gegen Wortlaut des Gesetzes Entscheidung entgegen mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers, der ansonsten hätte eine Ausnahme normieren müssen wie bei aktivem Wahlrecht gem. 7 S. 2 BetrVG 29. Mai 2013 Rechtsanwalt Sebastian Sokolowski 43
44 KORRESPONDIEREND: BAG AZR 335/10 Zeitarbeitnehmer sind auch bei den Schwellenwerten gem. 111 BetrVG zu berücksichtigen, sofern sie länger als drei Monate im Betrieb des Entleihers eingesetzt werden. 29. Mai 2013 Rechtsanwalt Sebastian Sokolowski 44
45 BAG ABR 53/11 VORBESCHÄFTIGUNG ALS ZEITARBEITER Der Beschluss: Beschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb sind auf die in 8 Abs. 1 S. 1 BetrVG vorausgesetzte sechsmonatige Betriebszugehörigkeit anzurechnen, wenn der Arbeitnehmer im unmittelbaren Anschluss an die Überlassung ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet. Der Sachverhalt: : Leiharbeitnehmereinsatz : Übernahme in Arbeitsverhältnis : Vorschlagsliste mit sechs Kandidaten einschl. betr. Arbeitnehmer : Wahlvorstand weist Liste zurück; Widerspruch zurückgewiesen : Betriebsratswahl ohne betr. Kandidaten Anfechtung der BR-Wahl durch Listenvertreter in allen drei Instanzen erfolgreich! 29. Mai 2013 Rechtsanwalt Sebastian Sokolowski 45
46 BAG ABR 53/11 VORBESCHÄFTIGUNG ALS ZEITARBEITER Begründung des BAG: Beim Begriff der Betriebszugehörigkeit werden nach 8 Abs. 1 S. 2 BetrVG auch Zeiten in anderen Betrieben des Unternehmens/Konzerns angerechnet, wenn diese ohne zeitliche Unterbrechung erfolgten Dasselbe soll nun (entgegen bisheriger Rechtsprechung und Wortlaut des Gesetzes) auch für vorhergehende Einsatzzeiten als Leiharbeitnehmer gelten, wenn die Beschäftigung ohne zeitliche Unterbrechung fortgesetzt wurde Das Gesetz spreche von Wahlberechtigten und nicht etwa von wahlberechtigten Arbeitnehmern wie bei 9 BetrVG; Leiharbeitnehmer sind wahlberechtigt gem. 7 S. 2 BetrVG Gesetzeszweck: Einbeziehung, Angleichung der Leiharbeitnehmer 29. Mai 2013 Rechtsanwalt Sebastian Sokolowski 46
47 BAG ABR 37/11 TÄTIG SEIN BEGRÜNDET AN-EIGENSCHAFT 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG: Als Arbeitnehmer gelten ferner Beamte (Beamtinnen und Beamte), Soldaten (Soldatinnen und Soldaten) sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zur ihrer Berufsbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind. Die Entscheidung: die oben genannten Beschäftigten sind bei Schwellenwerten des BetrVG so auch bei 9 BetrVG (Zahl der Betriebsratsmitglieder abhängig von der Beschäftigtenzahl) zu berücksichtigen. Das Tatbestandsmerkmal Tätigsein isd 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG knüpft an einen tatsächlichen Umstand an. Entscheidend ist nur die Betriebsangehörigkeit. Betriebsangehörig sind alle Beschäftigte, die nach den allgemeinen in der Betriebsverfassung geltenden Grundsätzen in die Betriebsorganisation eingegliedert sind. 29. Mai 2013 Rechtsanwalt Sebastian Sokolowski 47
48 BETRIEBSRATSWAHL 2014 MÖGLICHE AUSWIRKUNGEN AG hat Wahlvorstand bei Erstellung des Wählerverzeichnisses zuzuarbeiten ( 2 WO) Wahlvorstand hat Sorge zu tragen, dass nicht wahlberechtigte Zeitarbeitnehmer in der Wählerliste als solche ausgewiesen werden ( 1 Abs. 3 S. 3 WO) Es wird erhöhte Anforderungen an die Erstellung der Wählerliste geben. Vorbeschäftigungszeiten neuer, eigener Mitarbeiter als Zeitarbeiter sind ggf. einzubeziehen. In Einzelfällen kann der Abbau von Zeitarbeitskräften rechtzeitig vor der Wahl ratsam sein (Schwellenwerte); Problem: in der Regel Es muss mit höherer Fehlerquote bei BR-Wahlen und kostenträchtiger Anfechtungsverfahren benachteiligter Bewerber gerechnet werden 29. Mai 2013 Rechtsanwalt Sebastian Sokolowski 48
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