Der Zollbeauftragte und seine Haftung für Pflichtverletzungen
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- Werner Esser
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1 Der Zollbeauftragte und seine Haftung für Pflichtverletzungen Diplom-Finanzwirtin (FH) Irmtraud Bohn Mendel Verlag
2 Verlag: Mendel Verlag GmbH & Co. KG Gerichtsstr. 42, Witten, Deutschland Tel.: Fax: Internet: Satz & Layout: Mendel Verlag, Witten ISBN: Alle Angaben ohne Gewähr. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigungen jeglicher Art sind nur nach Genehmigung durch den Verlag erlaubt. Mendel Verlag GmbH & Co. KG, 2011
3 Vorwort Vorwort Die Beschäftigten eines Unternehmens, die mit zollrelevanten Tätigkeiten betraut sind, haben mannigfaltige Pflichten zu erledigen. Die Häufigkeit der Änderungen in den Verfahrensabläufen und die anspruchsvolle Umsetzung der rechtlichen und technischen Vorgaben erfordern allerhöchste Aufmerksamkeit bei dieser Erledigung der Pflichten, um Arbeitsfehler zu vermeiden. Immer häufiger müssen der Zollverwaltung gegenüber Ansprechpartner benannt werden, die für einzelne Bewilligungen oder Zertifizierungen Kontaktpersonen darstellen. Schon bereits bei der Beantragung der EORI-Nummer (EORI = Economic Operators Registration and Identification System), ohne die keine Einfuhr- oder Ausfuhrabfertigungen mehr abgewickelt und keine Bewilligungen mehr erteilt werden können, ist die Benennung eines Ansprechpartners vorgesehen. Jeder Zollbeteiligte, gleich welcher Stellung innerhalb oder außerhalb des steuerpflichtigen Unternehmens, hat ein berechtigtes Interesse, zu erfahren, welche Konsequenzen die Benennung als Ansprechpartner gegenüber der Zollverwaltung hat. Ebenso wird der Ansprechpartner Überlegungen anstellen, welche Folgen Unregelmäßigkeiten bei der Erledigung seiner Arbeit oder der Arbeit seiner Mitarbeiter für ihn selbst und für das Unternehmen haben. Über die Verantwortlichkeiten innerhalb des Unternehmens soll in diesem Buch mit zahlreichen Hinweisen auf die jeweilige Rechtsprechung und Kommentare anschaulich aufgeklärt werden. Zu diesem Zweck werden zunächst die verschiedenen Personen des Zollrechts vorgestellt, deren Funktionen zollrechtlich geregelt sind. Die Wirtschaft und Industrie haben noch weitere Begriffe für Mitarbeiter in den Tätigkeitsfeldern geprägt, die in Kontakt mit der Zollverwaltung stehen. Dabei ist interessant zu wissen, welche Folgen eine Beauftragung der Mitarbeiter oder nicht zum Unternehmen gehörender Dritter (z.b. Speditionen) für das Unternehmen hat und welche Pflichten nicht übertragen werden können. Pflichtverletzungen im Zollrecht münden in zollschuldrechtliche Konsequenzen und in bußgeldrechtliche oder strafrechtliche Folgen. Einzelne, häufig vorkommende Pflichtverletzungen (mit Ausnahme der verbrauchsteuerrechtlichen Pflichtverletzungen) einschließlich der Aufsichtspflichtverletzung der Unternehmensleitung werden angesprochen, um dem Leser eine Orientierung im Zollrecht jenseits des Verfahrensrechts zu geben. Der Schwerpunkt der Aufklärung über die gesetzlichen Tatbestände, die in der Praxis oft unbewusst erfüllt werden, liegt dabei eindeutig auf den Zollordnungswidrigkeiten. Das Thema Steuerstrafrecht wird nur kurz angesprochen, da i.d.r. nur vor- 5
4 Vorwort sätzliches Handeln strafbar ist und der vorsätzlich Handelnde den Straftatbestand kennt und auch will, dass dieser verwirklicht wird. In der Literatur ist es für den Sachbearbeiter und die verantwortliche Person oft schwierig, an die einschlägigen Vorschriften zu gelangen, die verständlich machen, welche Handlungen bereits den Tatbestand einer Zollordnungswidrigkeit erfüllen und wer im Unternehmen oder außerhalb dafür die Verantwortung trägt. Bisher fehlt eine verständliche Quelle, um sich die erforderlichen Kenntnisse gebündelt zu beschaffen. Dieses Buch soll daher eine Lücke schließen. Diesen Umstand vor Augen, halte ich regelmäßig durch direkte Hinweise in hervorgehobenen Textstellen Kontakt zum Leser, um Sinn und Zweck der jeweiligen Kapitel im Zusammenhang mit der vorrangigen Thematik Verantwortung für Pflichtverletzungen zu erläutern. Dadurch wird nicht zuletzt eine wertvolle Wegleitung durch die Inhalte entwickelt. An dieser Stelle bedanke mich bei allen, die mir durch vertrauensvolle Darstellung ihrer innerbetrieblichen Situation nicht zuletzt im Rahmen der diesem Buch zugrunde liegenden IHK-Seminare viele Anregungen und Ideen gegeben haben, die zu dem Aufbau und dem Inhalt dieses Buchs geführt haben. Über Hinweise oder Beiträge zu diesem Buch oder diesem Thema würde ich mich freuen. Nutzen Sie bitte hierzu meine -Adresse Irmtraud Bohn Heidelberg, März
5 Angaben zur Autorin Angaben zur Autorin Diplom-Finanzwirtin (FH) Irmtraud Bohn ist seit 1986 bei der Bundesfinanzverwaltung tätig. Nach einer mehrjährigen Dozententätigkeit beim Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung in Karlsruhe hat sie im Prüfungsdienst wertvolle Kenntnisse über die betrieblichen Prozesse hinsichtlich des Daten-, Waren- und Belegflusses, der internen Kontrollen und Maßnahmen zur Fehlervermeidung, -aufdeckung und -behebung sammeln können. Vorübergehend war Irmtraud Bohn bei der Straf- und Bußgeldstelle des HZA Karlsruhe tätig. Sie unterrichtet bei zahlreichen Industrie- und Handelskammern zu den Themen Warenursprung und Präferenzen sowie Ordnungswidrigkeiten im Rahmen von zollrelevanten Tätigkeiten. 7
6 Inhalt Inhalt Vorwort Angaben zur Autorin Inhalt Literaturhinweise Teil A: Personen des Steuer-/Zollrechts I. Der Steuerpflichtige II. Der Zollbeauftragte III. Der Gesamtverantwortliche IV. Der Ausfuhrverantwortliche Allgemeines Sanktionen bei Verstößen gegen die Terrorismuslisten Durchführung der Kontrollen V. Der vertrauenswürdige Ausführer gemäß 13 AWV VI. Der zugelassene Wirtschaftsbeteiligte Allgemeines Die unterschiedlichen Ausgestaltungen des AEO Bewilligungsvoraussetzungen Vorteile des AEO Der AEO und das Interne Kontrollsystem (IKS) Der AEO S und C auf einen Blick VII. Der Hauptverpflichtete VIII. Die Steuerhilfsperson Einsatzbereiche Der Antrag Die Bestellung IX. Der steuerliche Beauftragte gemäß 214 AO
7 Inhalt Teil B: Zollschuldrecht I. Allgemeine Grundsätze des Zollschuldrechts II. Zollschuldentstehung gemäß Art. 201 ZK Entstehungstatbestand Entstehungszeitpunkt Zollschuldner III. Vorschriftswidriges Verbringen gemäß Art. 202 ZK Entstehungsgrund Entstehungszeitpunkte Zollschuldner gemäß Art. 202 Abs. 3 ZK IV. Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung gemäß Art. 203 ZK Entstehungsgrund gemäß Art. 203 Abs. 1 ZK Zeitpunkt der Zollschuldentstehung gemäß Art. 203 Abs. 2 ZK Zollschuldner gemäß Art. 203 Abs. 3 ZK V. Pflichtverletzungen gemäß Art. 204 ZK Entstehungsgrund Heilungsmöglichkeit im Rahmen des Art. 204 ZK Zeitpunkt der Zollschuldentstehung gemäß Art. 204 Abs. 2 ZK Zollschuldner gemäß Art. 204 Abs. 3 ZK VI. Nichtentstehen der Einfuhrzollschuld gemäß Art. 206 ZK VII. Ausfuhrzollschuld gemäß Art. 209 ZK und vorschriftswidriges Verbringen aus dem Zollgebiet gemäß Art. 210 ZK VIII. Abgabenbefreiung trotz Unregelmäßigkeiten gemäß Art. 212a ZK IX. Einfuhrzollschuld gemäß Art. 216 ZK Zollschuldentstehung Zeitpunkte der Zollschuldentstehung Zollschuldner gemäß Art. 216 Abs. 3 ZK Bemessungsgrundlagen gemäß Art. 216 Abs. 4 ZK Teil C: Das Ordnungswidrigkeitenrecht (Haftung gegenüber der Zollverwaltung) I. Wer erfüllt die steuerlichen Pflichten? Steuerliche Pflichten anhand der betrieblichen Gegebenheiten Die Beauftragung anderer mit steuerlichen Pflichten und 9 OWiG..... und 14 StGB
8 Inhalt II. Verletzung der Aufsichtspflicht in Unternehmen und Betrieben ( 130 OWiG) Zweck und Anwendungsbereich der Vorschrift Betriebe und Unternehmen Aufsichtspflichtige Personen Tathandlung des Aufsichtspflichtigen Konkrete Aufsichtsmaßnahmen Ausschluss der Haftung aus 130 OWiG bei Systemgefahren, atypischen Zuwiderhandlungen und Exzesshandlungen Entlastung des Aufsichtspflichtigen durch Beschränkung auf einen engen Überwachungskreis Betriebsbezogene Zuwiderhandlung eines anderen Vermeidbarkeit der Pflichtverletzung durch gehörige Aufsicht Vorsatz und Fahrlässigkeit des Inhabers Kenntnis oder Mitwirkung an bestimmten Ordnungswidrigkeiten III. Geldbuße und Verfall gegen juristische Personen und Personenvereinigungen Geldbuße gegen juristische Personen und Personengesellschaften Verfall gegen juristische Personen und Personengesellschaften Daueraufsichtspflichtverletzung IV. Das Ordnungswidrigkeitenverfahren Grundsätze Ablauf des Ordnungswidrigkeiten-/Bußgeldverfahrens Teil D: Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrecht I. Aufdeckung von Zollstraftaten und Zollordnungswidrigkeiten Anzeige an die Zollbehörde Außenprüfungen Zollanmeldung Kontrollmitteilungen II. Steuerstrafrecht Steuerhinterziehung Strafbefreiende Selbstanzeige Bannbruch Allgemeine Straftaten im Zusammenhang mit zollrelevanten Tätigkeiten Das Strafverfahren
9 Inhalt III. Steuerordnungswidrigkeitenrecht Leichtfertige Steuerverkürzung Steuergefährdung Gefährdung der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben Ordnungswidrigkeiten im Außenwirtschaftsrecht Anhang I. Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) II. Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften Zollkodex (ZK) III. Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften Zollkodex- Durchführungsverordnung (ZK-DVO) IV. Außenwirtschaftsgesetz (AWG) V. Außenwirtschaftsverordnung (AWV) VI. Abgabenordnung (AO) VII. Zollverordnung (ZollV) Stichwortverzeichnis
10 Teil A: Personen des Steuer-/Zollrechts Teil A Personen des Steuer-/Zollrechts Der Begriff Zoll geht auf das griechische Wort telos (Ziel, Ende, endgültige Zahlung) und das lateinische Wort teloneum (Abgabe) zurück. Zoll ist eine Abgabe, die bei bestimmten Warenbewegungen über die Staatsgrenze (Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr) erhoben wird, ohne dass es sich um ein Entgelt für die Leistung der Verwaltung handelt und ist damit von einer Gebühr zu unterscheiden. Inländische Waren werden nicht mit einer solchen Abgabe belastet, wie das beispielsweise bei Verbrauchsteuern der Fall ist. Das in Deutschland geltende und anzuwendende Zollrecht beruht bereits seit Langem nicht mehr (allein) auf nationalen Rechtsnormen, sondern ist maßgeblich vom Recht der Europäischen Gemeinschaften im Rahmen der Europäischen Union und vom Völkerrecht geprägt. Der Zollkodex (ZK) ist die zentrale Rechtsnorm des europäischen Zollrechts, das in bestimmten Fällen durch nationale Regelungen und Definitionen ergänzt wird. Innerhalb des Allgemeinen Teils (Art. 5-10) definiert er Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts für gemeinschaftsweite Geltung. Einzelheiten finden sich dann in den Artikeln und Anhängen der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO). Allerdings belässt der Zollkodex die Regelung von Einzelheiten ausdrücklich den Mitgliedstaaten (siehe auch Synopse ZK/AO) 1). Definitionen, wie beispielsweise der Begriff der Steuern, sind in der Abgabenordnung (AO) zu finden. So besagt 3 Abs. 3 AO, dass Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodex Steuern im Sinne der AO sind. Weiterhin regelt die AO auch die Ordnungswidrigkeiten im Zollrecht, da der Gemeinschaftsgesetzgeber keine Kompetenz zum Erlass von Sanktionen besitzt. Die Synopse ZK/AO gibt Aufschluss über diese verworrene Rechtslage, wann der ZK und wann die AO jeweils gilt. Zunächst werden die verschiedenen Personen vorgestellt, die das Zollrecht bzw. das Steuerrecht und in diesem Fall die Abgabenordnung kennt, um deren Aufgaben in dem jeweiligen Wirkungskreis näher zu beleuchten. Daraus erschließen sich dann im weiteren Verlauf des Buchs die Pflichtverletzungen der jeweiligen Pflichteninhaber. I. Der Steuerpflichtige Ein Steuerpflichtiger nach 33 Abgabenordnung (AO) ist eine Person, die eine Steuer schuldet, für eine Steuer haftet, eine Steuer für Rechnung eines Dritten einzubehalten und abzuführen hat, eine Steuererklärung abzugeben, Sicherheit zu leisten, Bücher und Aufzeichnungen zu führen oder andere ihm durch die Steuergesetze auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen hat. 1) Synopse ZK/AO in Witte, Zollkodex, Kommentar, 5. Auflage,
11 Teil A: Personen des Steuer-/Zollrechts Im Gegensatz dazu ist nicht Steuerpflichtiger, wer in einer fremden Steuersache Auskunft zu erteilen, Urkunden vorzulegen, ein Sachverständigengutachten zu erstatten oder das Betreten von Grundstücken, Geschäfts- und Betriebsräumen zu gestatten hat. Anders sieht es allerdings bei nicht handlungsfähigen Steuerpflichtigen aus: H 34 AO (Pflichten der gesetzlichen Vertreter und der Vermögensverwalter) (1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten. ( ) Folgende Personen fallen unter 34 AO und haben steuerliche Pflichten gemäß 35 AO zu erfüllen: Gesetzliche Vertreter natürlicher und juristischer Personen Geschäftsführer nicht rechtsfähiger Personenvereinigungen und Vermögensmassen Mitglieder oder Gesellschafter nicht rechtsfähiger Personenvereinigungen, soweit kein Geschäftsführer vorhanden ist Personen, denen das Vermögen nicht rechtsfähiger Vermögensmassen zusteht, soweit kein Geschäftsführer vorhanden ist Vermögensverwalter Verfügungsberechtigte 34 AO begründet eigene steuerrechtliche Pflichten von Personen, die für steuerrechtsfähige, aber als solche nicht handlungsfähige Steuerrechtssubjekte (z.b. juristische Personen) handeln. Die Vertreter i.w.s. sind Steuerpflichtige kraft eigener steuerrechtlicher Pflichten, nicht kraft abgeleiteter Pflichten. Die Vertreter i.w.s. sind verpflichtet, so zu handeln, wie das handlungsunfähige Steuerrechtssubjekt handeln müsste, wenn es handlungsfähig wäre. 2) Gemäß 34 AO haben die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen (beispielsweise Geschäftsführer einer GmbH) und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten. 2) Hessisches FG, EFG 93, 2. 16
12 Teil B: Zollschuldrecht Teil B Zollschuldrecht! Hinweis Sinn und Zweck dieses Kapitels über das Zollschuldrecht liegt darin, dass es für jeden, der mit zollrelevanten Tätigkeiten zu tun hat, erforderlich ist, Kenntnisse darüber zu erlangen, wie die Zollschuld normalerweise entsteht und wann sie durch pflichtwidriges Verhalten entsteht. An den Zollschuldentstehungstatbeständen sind die Pflichtverletzungen und Unregelmäßigkeiten abzulesen, die im täglichen Umgang mit dem Zollrecht vorkommen können. Ein und dieselbe Pflichtverletzung hat zum einen zollschuldrechtliche und auch mögliche ordnungswidrigkeitenrechtliche oder strafrechtliche Konsequenzen. Wesentlich ist es für den Leser daher, ein Gespür für die ordnungsgemäße Zollschuldentstehung und gleichzeitig für die Unregelmäßigkeit zu bekommen, um sich durch eine mögliche Selbstanzeige vor ungewollten Sanktionen zu schützen. I. Allgemeine Grundsätze des Zollschuldrechts Nur diejenigen ausländischen Waren, die in die einheimische Wirtschaft eingehen und insbesondere am Prozess der Preisbildung auf dem Inlandsmarkt teilnehmen, sollten durch Einfuhrabgaben 20) belastet werden. 21) Dieser Wirtschaftszollgedanke drückt sich auch im ZK noch aus. Des Weiteren hat die Abgabe Zoll noch wirtschaftliche Lenkungsfunktion und die Funktion, Einnahmen zu erzielen, die an die Europäische Kommission abgeführt werden. 22) Den Mitgliedstaaten verbleibt davon momentan ein 25%iger Verwaltungsanteil. Daneben wird die Zollerhebung gleichsam als Sanktion bei Unregelmäßigkeiten wahrgenommen. Auf EU-Ebene gibt es allerdings kein gemeinsames System der Sanktionierung von Verhalten, mit dem gegen die Zollvorschriften verstoßen wird. 23) Neben den vom ZK gemäß Art. 4 Nr. 10 erfassten Einfuhrabgaben sind die nationalen, in Deutschland in 1 ZollVG ebenfalls als Einfuhrabgaben bezeichneten natio- 20) Unter Einfuhrabgaben fasst Art. 4 Nr. 10 ZK die Zölle und Abgaben gleicher Wirkung zusammen sowie die Agrarabgaben bei der Einfuhr von Waren. Die Verpflichtung zur Entrichtung von Einfuhrabgaben für eine Ware wird nach Art. 4 Nr. 9 ZK als Zollschuld (Einfuhrzollschuld) bezeichnet. Nach 1 Abs. 1 Satz 3 ZollVG fallen hierunter auch die Einfuhrumsatzsteuer und andere für eingeführte Waren zu entrichtende Verbrauchsteuern. 21) Michaelis, Die besonderen Zollverfahren und ihre wirtschaftlichen Grundlagen, ZfZ 1981, 354ff. 22) Art. 2 Abs. 1 Buchstabe a) des Beschluss Nr. 2007/436/EG, Euratom über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften vom (ABl. (EU) L 163, S. 17 vom ). 23) Witte, Zollkodex, Kommentar, 5. Auflage, vor Art. 201, Rz
13 Teil B: Zollschuldrecht nalen Steuern zu beachten. Nach 13 Abs. 2 und 21 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) entsteht die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Bindungen in sinngemäßer Anwendung der Zollschuldentstehungsvorschriften der Art. 201ff. ZK. Abgabenpflichtig ist eine Ware immer dann, wenn tariflich Zölle oder Agrarabgaben vorgesehen sind und im konkreten Einzelfall keinerlei außertarifliche Abgabenbefreiungen vorliegen. Die Einfuhrzollschuld entsteht für einfuhrabgabenpflichtige Waren (Nichtgemeinschaftswaren). Mit dem Statuswechsel von Nichtgemeinschaftsware zu Gemeinschaftsware ist das Ende der Zollschuldentstehungsmöglichkeiten erreicht. Um diesen Status zu erreichen, bedarf es entweder der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr gemäß Art. 79 ZK oder der Entrichtung der Zollschuld gemäß Art. 866 ZK-DVO. Die Zollschuld darf immer nur einmal entstehen 24) (Ausnahmen gelten bei besonderer Verwendung und vorübergehender Verwendung). Sobald einmal die Zollschuld entstanden ist, sind nachfolgende Handlungen oder Unterlassungen in Bezug auf die Ware zollschuldrechtlich unerheblich. Wenn also bei einem Einfuhrvorgang nacheinander verschiedene Einfuhrzollschuld-Entstehungstatbestände verwirklicht werden, die eine Einfuhrzollschuld in voller Höhe entstehen lassen, verdrängt der erste die nachfolgenden Tatbestände. Mithin kommt es auf den ersten zollschuldrechtlich relevanten Vorgang an. Wenn die Zollschuld gemäß Art ZK entsteht, ist grundsätzlich ein Sachverhalt in der zeitlichen Reihenfolge der jeweiligen Handlungen oder Unterlassungen zu prüfen. Der Ort, an dem die Zollschuld entsteht, ist gemäß Art. 215 ZK jener, an dem der Tatbestand eintritt, der die Zollschuld entstehen lässt, oder der, an dem die Zollbehörden feststellen, dass die Ware sich in einer Lage befindet, die eine Zollschuld entstehen lassen. Kann dieser nicht ermittelt werden, muss der Ort ermittelt werden, an dem die Ware in das betreffende Verfahren übergeführt oder im Rahmen dieses Verfahrens in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden ist (z.b. gemeinsames Versandverfahren). Die Höhe der Zollschuld wird gemäß Art. 214 ZK anhand der Bemessungsgrundlagen bestimmt, die für diese Ware zum Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld gelten. Ist der Entstehungszeitpunkt nicht genau ermittelbar, ist für die Bemessungsgrundlage der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Zollbehörden feststellen, dass diese Ware sich in einer Lage befindet, die eine Zollschuld hat entstehen lassen. Stellen die Zollbehörden allerdings fest, dass die Zollschuld bereits vorher entstanden 24) EuGH vom , Rs. 252/87 Kiwall Slg. 1988, 4753 vom (C-371/99). 40
14 Teil B: Zollschuldrecht ist, wird die Einfuhr-/Ausfuhrzollschuld anhand der Bemessungsgrundlagen bestimmt, die für die Waren in dem am weitesten zurückliegenden Zeitpunkt galten. Die Erhebung von Ausgleichszinsen hat zum Zweck, dass es aufgrund der Verschiebung des Zeitpunkts der Entstehung oder der buchmäßigen Erfassung der Zollschuld zu einem finanziellen Vorteil kommt (Art. 214 Abs. 3 ZK). Der Aufbau der Zollschuldentstehungstatbestände in den Art ZK ist einheitlich: Abs. 1: Entstehungsgrund Abs. 2: Entstehungszeitpunkt Abs. 3: Zollschuldner! Hinweis Im Folgenden werden nacheinander die einzelnen Zollschuldentstehungstatbestände angesprochen. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf den jeweiligen Zollschuldnern liegen. Die Zollschuldentstehung gemäß Art. 201 ZK ist also der Normalfall. Art ZK sind Zollschuldentstehungstatbestände durch Unregelmäßigkeiten. Ein Exot, aber immer noch ein Normalfall, ist Art. 216 ZK. II. Zollschuldentstehung gemäß Art. 201 ZK H Art. 201 ZK (1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht, a) wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wird oder b) wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware in das Verfahren der vorübergehenden Verwendung unter teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben übergeführt wird. (2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird. (3) Zollschuldner ist der Anmelder. Im Falle der indirekten Vertretung ist auch die Person Zollschuldner, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird. Liegen einer Zollanmeldung für ein Verfahren im Sinne des Abs. 1 Angaben zugrunde, die dazu führen, dass die gesetzlich geschuldeten Abgaben ganz oder teilweise nicht erhoben werden, so können nach den geltenden innerstaatlichen Vorschriften auch die Personen als Zollschuldner angesehen werden, die die für die Abgabe der Zollanmeldung erforderlichen Angaben geliefert haben, obwohl sie wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass sie unrichtig waren. 41
15 Teil C: Das Ordnungswidrigkeitenrecht 1.4 Verpflichtung zur Steuerentrichtung Die Verpflichtung zur Sorge für die Steuerentrichtung bezieht sich nur auf die tatsächlich vorhandenen Mittel. Eine steuerliche Pflicht, weitere Mittel zu beschaffen, Kredit aufzunehmen oder gar eigene Vermögenswerte einzusetzen, besteht nicht. 54) Der Vertreter ist steuerrechtlich nicht verpflichtet, Ansprüche des Steuerrechtssubjekts gegen sich geltend zu machen, um damit dessen Steuerverpflichtungen zu erfüllen. 55) 1.5 Zu erfüllende steuerliche Pflicht der Berichtigung von Erklärungen gemäß 153 Abs. 1 AO anhand eines Beispielfalls der Praxis H 153 AO (Berichtigung von Erklärungen) (1) Erkennt ein Steuerpflichtiger (Anmerkung des Autors: Gemeint ist der gesetzliche Vertreter der juristischen Person gemäß 34 AO, beispielsweise der Geschäftsführer einer GmbH) nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, 1. dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist oder 2. dass eine durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu entrichtende Steuer nicht in der richtigen Höhe entrichtet worden ist, so ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen. Die Verpflichtung trifft auch den Gesamtrechtsnachfolger eines Steuerpflichtigen und die nach den 34 und 35 für den Gesamtrechtsnachfolger oder den Steuerpflichtigen handelnden Personen. (2) Die Anzeigepflicht besteht ferner, wenn die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung, Steuerermäßigung oder sonstige Steuervergünstigung nachträglich ganz oder teilweise wegfallen. ( ) Zunächst ist für die Anwendung des 153 Abs. 1 AO festzustellen, dass dieser durch die Regelungen des Zollkodex nicht überlagert wird. 56) Im tatsächlichen Fall hat der Geschäftsführer einer GmbH gemäß 153 Abs. 1 AO die Verpflichtung, unverzüglich anzuzeigen, wenn eine für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist. 54) BFH, BStBS. 84, ) FG Saarland, EFG 90, ) Siehe Witte, Zollkodex, Kommentar, 4. Auflage, Synopse ZK/AO. 77
16 Teil C: Das Ordnungswidrigkeitenrecht In der Praxis ist es besonders in größeren Unternehmen, aber auch bereits in einigen kleinen und mittleren Unternehmen dem Geschäftsführer nicht möglich, alle für ihn abgegebenen Erklärungen (in diesem Fall: Zollanmeldung) erstens abzugeben, zu kontrollieren und zweitens aus zeitlichen und ggf. auch aus fachlichen Gründen mögliche Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten festzustellen und daraufhin die nach 153 Abs. 1 AO nötige Anzeige bei der Zollbehörde abzusetzen. Folglich wird der originär nach den 34 und 35 AO Steuerpflichtige die ihm obliegenden steuerrechtlichen Pflichten auf Mitarbeiter übertragen. Wichtig ist dabei, gleich festzuhalten, dass er dennoch verpflichtet bleibt, die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten zu überwachen. 57) Als Problem in den Betrieben stellt sich oftmals dar, dass es für den Beschäftigten im Unternehmen oftmals nicht ersichtlich ist, welche Verantwortung er durch die Abgabe von Steuererklärungen, also Zollanmeldungen, die Erfüllung der verschiedenen Verfahrensverpflichtungen, die Benennung in verschiedenen Bewilligungen, die Wahrnehmung von Auskunftspflichten, die Begleitung von Betriebsprüfungen und Auditierungen, die Begleitung der Zertifizierung zum AEO und viele weitere Pflichten übernommen hat. Beispielsweise werden (meist zum Jahreswechsel) Lieferantenerklärungen ausgestellt, die grundsätzlich handschriftlich unterschrieben werden müssen. Welche Konsequenzen hat die Unterschrift und wer leistet diese im Betrieb? Auch bei der Zollanmeldung in elektronischer Form ist unklar, wer für falsche Angaben gegenüber der Zollbehörde gerade stehen muss. Aus der täglichen Arbeit mit zollrechtlichen Angelegenheiten, die höchste Aufmerksamkeit, ein hohes Maß an Rechtsverständnis, Flexibilität und Einsatz verlangen, ergeben sich folgende Fragen, die geklärt sein sollten, bevor Fehler passieren: Welche Sanktionen drohen bei Arbeitsfehlern, unrichtigen Angaben oder wenn gravierende Pflichtverletzungen vorgekommen sind? Kann sich der Beschäftigte vor einer eventuellen Sanktion schützen? Wie kann der Einzelne feststellen, ob er die Verantwortung bei Unregelmäßigkeiten im Betrieb trägt, wenn es keine eindeutige, sondern eher eine konkludente Beauftragung ( hat sich so ergeben ) mit allen zollrechtlichen Belangen gegeben hat? 57) Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, zu 34 AO, Rz
17 Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis A AEO (Authorized Economic Operator)... 19, 27ff., 78f., 134 AEO C... 28, 31f. AEO S... 29ff. AEO F AEO-Zertifikat... 29ff. Aktiengesellschaft Anhörung... 96, 109f. Ansprechpartner... 5, 20, 22f., 30, 37 Arbeits- und Organisationsanweisung (AuO)... 20ff. Audit... 18, 20, 25, 29f., 78, 94, 134 Aufsichtsmaßnahmen... 37, 85ff., 89ff., 93, 101, 104 Aufsichtspflicht, Aufsichtspflichtiger, Aufsichtspflichtverletzung... 19, 82, 85ff., 107f., 111f., 131 Ausfuhranmeldung... 26, 59, 70f., 145, 154, 165ff. Ausfuhrbegleitdokument ff. Ausfuhrverantwortlicher... 19, 23ff., 30f., 153 Ausfuhrzollstelle... 26, 136, 154, 165, 168, 170 Ausgangszollstelle... 26, 136, 168f. Aussageverweigerungsrecht Außenprüfung... 18, 32, 116f., 122 Außenwirtschaftsgesetz (AWG)... 23, 155, 165, 177ff. Außenwirtschaftsrecht... 24, 30, 100, 153 Außenwirtschaftsverordnung (AWV).. 23, 179 Auswahlverschulden...101, 108 B BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle)... 23, 153, 155ff. Bannbruch , 122, 185f. Beauftragung, ausdrückliche... 80ff., 122 Belehrung... 67, 86, 91, 97f., 110f., 127 Bemessungsgrundlagen... 35, 40f., 72, 128, 166 Betriebsinhaber... 82, 87, 89, 93ff., 98, 100f., 107f. Betriebsorganisation... 90, 98f. Bußgeldverfahren... 67, 99, 104f., 108ff., 115, 121f., 153, 173, 186 D Delegation E Eingangsbescheinigung... 33f. Erklärungen, Berichtigung... 77ff., 84 Eingangsanmeldung, summarische... 32, 45f., 48ff., 54ff., 62, 64 Einfuhrzollschuld, siehe Zollschuld Ermächtigter Ausführer... 20f. G Geldbuße, Verfall ff. Genehmigung... 23, 26, 103ff., 155ff. Gesamtverantwortlicher... 20ff., 31 Geschäftsführer... 16f., 73ff., 82ff., 86, 93, 98f., 100ff., 106 Geschäftsverteilung, intern... 17, 76, 83 Gesellschaft mit beschränkter Haftung.. 16f., 73ff., 86, 103, 106 H Haftung... 24, 73ff., 94f., 104 Hauptverpflichteter... 33f., 60, 67, 140, 148f. 197
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