Menschenbild und Neurowissenschaften
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- Florian Morgenstern
- vor 6 Jahren
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Transkript
1 Menschenbild und Neurowissenschaften Eine anthropologische Perspektive Thomas Fuchs
2
3 Das neue Bild des Menschen?
4 Der Ego-Tunnel Bewusstes Erleben gleicht einem Tunnel. Die moderne Neurowissenschaft hat gezeigt, dass der Inhalt unseres bewussten Erlebens nicht nur ein inneres Konstrukt, sondern auch eine höchst selektive Form der Darstellung von Information ist Unser Gehirn erzeugt eine Simulation der Welt, die so perfekt ist, dass wir sie nicht als ein Bild in unserem eigenen Geist erkennen können Wir leben unser bewusstes Leben im Ego-Tunnel. (Metzinger 2010)
5 Psychische Krankheiten sind Gehirnkrankheiten... so haben wir vor allem in den psychischen Krankheiten jedesmal Erkrankungen des Gehirns zu erkennen. Wilhelm Griesinger (1861)
6 Enzephaliatrie? Psychische Störungen werden damit zunehmend Gehirnfunktionsstörungen und unterscheiden sich nicht mehr grundsätzlich von anderen ZNS-Erkrankungen. (Maier 2002) Im Kern handelt es sich immer um ein Ungleichgewicht in der Biochemie der Zellen des Gehirns. ( ) Natürlich ist das individuelle Leid der Patienten eingebettet in die jeweiligen Lebensumstände ( ) Das eigentliche Problem aber wurzelt in Hirnprozessen, dort muss die Behandlung ansetzen. (Holsboer 2011)
7 Inflation psychiatrischer Diagnosen (DSM-5) z.b. Trauerreaktionen als Depressionen Disruptive Mood Dysregula-tion Disorder (DMDD) leichte neurokognitive Störungen somatische Symptomstörung
8 Im Spiegel des Gehirns Dieses Bild - das ist das genaueste Porträt, das du jemals haben kannst. Ein Bild davon, wer du wirklich bist. Innen drin. Ich sage den Leuten: Das ist mein Selbstporträt. Der Scan ist wichtig, weil er zeigt, was bei mir all die Jahre falsch lief Man braucht nicht Beschreibungen anzuhören oder sonst et-was, man kann es mit eigenen Augen sehen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie wichtig das für mich ist. All die Jahre, und nun können sie es endlich beweisen. Ich bin sicher, das macht einen riesigen Unterschied. Ich fühle mich schon anders. Fast wie neu. (Choudhouri u. Slaby 2012)
9 Die Welt ist nicht im Kopf. Das Subjekt ist nicht im Gehirn. Psychische Krankheiten sind mehr als Gehirnkrankheiten.
10 Der Mensch denkt, nicht das Gehirn. (Erwin Straus 1956)
11 Das Gehirn als Beziehungsorgan
12 Wo sitzt die Atmung?
13 Menschlicher Geist ist lebendiger, verkörperter Geist.
14 Verkörperte Neurowissenschaften ( Embodied Cognitive Neuroscience ) Bewusstsein ist verkörpert in der sensomotorischen Aktivität des Organismus in seiner Umwelt ( embodied und embedded ) Gehirn als Vermittlungsorgan für Interaktionen von Organismus und Umwelt Bewusstsein erstreckt sich über Leib und Umwelt
15 Einheit von Gehirn, Organismus und Umwelt (1) Interaktion von Gehirn und Körper (2) Interaktion von Gehirn, Körper und Umwelt
16 (1) Interaktion von Gehirn und Körper Körper Leibliches Hintergrunderleben (Kernbewusstsein, Lebensgefühl ) Stimmungen, Affekte
17 (2) Interaktion von Gehirn, Körper und Umwelt Umwelt Wahrnehmung Objekt Körper Bewegung Sensomotorischer Funktionskreis
18 Wo sitzt das Bewusstsein? Bewusstsein entsteht nur im übergreifenden System von Organismus und Umwelt. Organismus Bewusstsein Umwelt Bewusstsein als Integral
19 Konsequenzen für die Psychiatrie
20 Konsequenzen für die Psychiatrie Psychische Krankheiten sind mehr als Gehirnkrankheiten. Erleben, Selbstverhältnis und Beziehungen stellen zentrale Komponenten des Krankheitsgeschehens dar. Sie sind beschreibbar als kreisförmige oder rückgekoppelte Prozesse, die psychische und biologische Funktionen im Organismus einerseits, soziale Interaktionsprozesse andererseits umfassen.
21 Störungen der Respiration Dyspnoe: - O 2 - Verlegung der Atemwege - Hyperventilation - Anämie - Herzinsuffizienz - u.a. Alle Dyspnoen sind Lungenkrankheiten. (?)
22 Gehirn und psychische Krankheit Monokausalität des Gehirns nur bei läsionsbedingten Ausfällen Statt monokausaler Ätiologie psychische Krankheit als zirkuläres Geschehen Wechselbeziehung biologischer, psychologischer, familiärer bzw. sozialer Einflüsse Gehirn als Transformationsorgan
23 Psychische Krankheit als zirkuläres Geschehen: Beispiel Depression Auslösung: Subjektiv wahrgenommene Belastungssituation Physiologische Stressreaktion Eigenwahrnehmung negative Rückkoppelung Subjektive Wahrnehmung als zentrale Komponente Selbstverhältnis als zentrale Komponente
24 Zirkuläre Prozesse: Selbstverhältnis Physiologische Symptome Dysfunktionale Reaktion des Organismus Subjektives Erleben Subjektive Bewertung/ Deutung
25 Psychische Krankheit als zirkuläres Geschehen: Interpersonaler Aspekt Psychische Krankheiten sind immer Beziehungsstörungen. Rückwirkung des Krankheitsverhaltens auf das soziale System interaktive Rückkoppelungen
26 Zirkuläre Prozesse : Interpersonalität Depressive Reaktion des Organismus Subjektives Erleben Bewertung Verändertes Beziehungsverhalten Interpersonale Reaktionen
27 Zusammenfassung: Psychische Krankheit als zirkuläres Geschehen Gehirn als Organ der Verknüpfung und Umwandlung der kreisförmigen Beziehungen des Krankheitsgeschehens Die subjektiven und interpersonalen Anteile des Krankheitsgeschehens werden vom neuronalen Substrat aufgenommen bzw. realisiert, haben aber selbst einen strukturierenden Einfluss auf dieses Substrat. Polyperspektivität in der Therapie
28 Resümee
29 Museum Sammlung Prinzhorn
30 Georg Forster (1916)
31 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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