Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. Juni 2004 (10 WF 90/04)
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1 Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. Juni 2004 (10 WF 90/04) 124, 175, 189, 237 ZPO Leitsätze 1. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde hat grundsätzlich das Beschwerdegericht und nicht das erstinstanzliche Gericht im Rahmen seiner Abhilfeentscheidung nach 572 Satz 1 ZPO zu entscheiden. 2. Eine wirksame Zustellung kann gemäß 175 ZPO durch Einschreiben mit Rückschein, nicht jedoch mit dem so genannten Einwurf-Einschreiben bewirkt werden. Zur Frage, in welchen Fällen die mangelhafte Zustellung mittels Einwurf-Einschreiben durch tatsächlichen Zugang des Schriftstücks gemäß 189 ZPO geheilt werden kann. 3. Ist die Bewilligung der Prozesskostenhilfe gemäß 124 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO aufgehoben worden, weil die Partei eine Erklärung nach 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat, so ist es der Partei nicht verwehrt, gegen die Aufhebung der Bewilligung sofortige Beschwerde einzulegen und dabei die geforderte Erklärung nachzuholen. 10 WF 90/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht 6 F 302/98 Amtsgericht Bernau Beschluss In der Familiensache des Herrn... Beklagten und Beschwerdeführers, - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte... g e g e n Herrn... Klägers und Beschwerdegegners, - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte... hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 27. April 2004 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bernau vom 8. April 2004 durch die Richterin am Oberlandesgericht Berger als Einzelrichterin
2 - 2 - am 8. Juni 2004 b e s c h l o s s e n: Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen. Kosten werden nicht erstattet. Gründe Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Beschluss vom ist schon deshalb aufzuheben, weil das Amtsgericht nicht befugt war, den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen. Der Beklagte hat gegen den die Bewilligung der Prozesskostenhilfe (PKH) aufhebenden Beschluss vom durch Schriftsatz vom sofortige Beschwerde eingelegt und zugleich gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Bei dem Rechtsmittel vom handelt es sich um eine sofortige Beschwerde gem. 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., 127, Rz. 10 a), weshalb der Rechtspfleger zunächst gem. 572 ZPO die Frage der Abhilfe zu prüfen hatte (vgl. dazu Zöller/Gummer, a.a.o., 572, Rz. 2). Daher hätte der Rechtspfleger über den Wiedereinsetzungsantrag nur entscheiden dürfen, wenn er ihn für begründet und die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom für zulässig und (zumindest teilweise) begründet erachtet hätte (vgl. Zöller/ Greger, a.a.o., 237, Rz. 1). Da der Rechtspfleger aber die sofortige Beschwerde vom für unzulässig und den Wiedereinsetzungsantrag für unbegründet gehalten hat, hätte er die Sache mit einer Nichtabhilfeentscheidung über die sofortige Beschwerde vom dem Senat vorlegen müssen. Denn gem. 237 ZPO ist für die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung das Gericht zuständig, das über die versäumte Prozesshandlung zu entscheiden hat (vgl. Zöller/Greger, a.a.o., 237, Rz. 1; MünchKomm/Feiber, ZPO, 2. Aufl., 237, Rz. 2) und das ist im Falle der sofortigen Beschwerde grundsätzlich das Beschwerdegericht (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., 237, Rz. 1). Ein anderes Gericht darf die Entscheidung nicht vorwegnehmen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., 237, Rz. 3).
3 - 3 - Daher ist der die Wiedereinsetzung versagende Beschluss vom aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Das Amtsgericht wird nun zunächst über die Frage der Abhilfe der sofortigen Beschwerde vom gegen den Beschluss vom befinden und, falls es nicht abhilft, was zu begründen ist (vgl. Zöller/Gummer, a.a.o., 572, Rz. 10), die Sache dem Senat zur Entscheidung vorlegen. Im Abhilfeverfahren ist insbesondere zu prüfen, ob die einmonatige Beschwerdefrist des 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO überhaupt versäumt worden ist, was erst eine Prüfung des Wiedereinsetzungsantrags eröffnen würde (vgl. dazu BGH, NJW 1998, 1155 f, 1156; Zöller/Greger, a.a.o., 233, Rz. 9). Insoweit wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass den Akten eine Zustellung oder sonstige Bekanntgabe des Beschlusses vom nicht zu entnehmen ist. Der Beschluss ist dem Beklagten vielmehr erstmals auf Grund der Verfügung vom am formlos übersandt worden. Die am verfügte Übermittlung des Beschlusses an den Beklagten durch Einwurfeinschreiben stellt keine wirksame Zustellung dar, sodass sie die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt hat (vgl. dazu Zöller/Gummer, a.a.o., 569, Rz. 4). Allerdings ist gem. 175 ZPO eine Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein zulässig, wobei die Zustellung mit Übergabe an den Adressaten ausgeführt wird und der Rückschein die Zustellung, nämlich den Zugang an den angegebenen Empfänger mit Datum, belegt (vgl. Thomas/ Putzo, a.a.o., 175, Rz. 4,6). Diesen Anforderungen genügt jedoch ein sog. Einwurfeinschreiben nicht. Denn bei diesem wird die Sendung nicht mit Übergabe an den Adressaten zugestellt, sondern es erfolgt nur ein Einwurf in den Wohnungsbriefkasten, der dokumentiert wird. Es handelt sich daher um keine zulässige Art der Zustellung (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.o., 175, Rz. 4; MünchKommZPO/Aktualisierungsband/Wenzel, 175, Rz. 1; Zöller/Stöber, a.a.o., 175, Rz. 1). Da die Übermittlung des Beschlusses vom an den Beklagten durch sog. Einwurfeinschreiben vorgenommen worden ist, dies aber keine zulässige Art der Zustellung darstellt, ist die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt worden.
4 - 4 - Es ist auch nicht erkennbar, dass dieser Zustellungsmangel gem. 189 ZPO geheilt worden wäre. Denn eine Heilung kommt nur in Betracht, wenn das Schriftstück tatsächlich zugegangen ist, was mit allen Beweismitteln dargetan werden kann (vgl. Zöller/Stöber, a.a.o., 189, Rz. 7). Solche sind hier aber nicht ersichtlich. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob ein zur Durchführung eines Einwurfeinschreibens erstellter Auslieferungsbeleg in Verbindung mit dem Einlieferungsbeleg im Wege des Indizienbeweises den Zugang nachweisen kann (vgl. dazu MünchKommZPO/Aktualisierungsband/Wenzel, 175, Rz. 1; Reichert, NJW 2001, 2523; Bauer/Diller, NJW 1998, 2795). Denn dies ist allenfalls denkbar, wenn die Einlieferung in den Briefkasten der Wohnung des Adressaten belegt ist. Dies ist vorliegend offenbar nicht der Fall. Denn der Beklagte hat, wie sich aus seiner eidesstattlichen Versicherung ergibt, im Zeitpunkt des Einwurfs des Beschlusses am bereits seit mehr als 1 ½ Jahren nicht mehr unter der angegebenen Anschrift gewohnt (vgl. zum Begriff der Wohnung Zöller/Stöber, a.a.o., 178, Rz. 4 ff.). Daher kann jedenfalls derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beklagten der Beschluss vom bereits bei Einwurf in den Briefkasten am tatsächlich zugegangen ist. Erweist sich die sofortige Beschwerde vom gegen den die PKH-Bewilligung aufhebenden Beschluss vom als zulässig, ist weiter zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligung von PKH vorliegen. In diesem Zusammenhang wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass nach 124 Nr. 2 Halbsatz 2 S ZPO die Bewilligung von PKH nur aufgehoben werden kann, wenn die Partei die ihr gem. 120 Abs. 2 Satz 2 ZPO obliegende Mitwirkungspflicht verletzt und nicht erklärt, ob sich ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verbessert haben. Da das Gesetz für die Erledigung der gerichtlichen Aufforderung keine Frist vorsieht, kann die Abgabe der geforderten Erklärung im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden (vgl. 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO; Zöller/Philippi, a.a.o., 124, Rz. 10 a). Die Erklärung ist unabhängig davon, dass die Abgabe einer neuen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht gefordert werden kann (vgl. Senat, FamRZ 1996, 806; Verfahrenshandbuch Familiensachen/Gutjahr, 1, Rz. 297; Zöller/ Philippi, a.a.o., 120, Rz. 28, jeweils m. w. N.), durch Abgabe einer PKH-Erklärung möglich. Eine solche hat der Beklagte der Beschwerde vom beigefügt. Die Kostenentscheidung beruht auf 127 Abs. 4 ZPO.
5 Berger - 5 -
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