Universität Heidelberg Besprechungsfall 2 Wintersemester 2014/15. Lösungsskizze
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- Fritzi Kranz
- vor 6 Jahren
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1 Lösungsskizze A. Strafbarkeit des A gem. 216 I StGB I. Tatbestand 1. Erfolg, Kausalität und objektive Zurechnung (+) Tatherrschaft hatte bis zuletzt A, nicht der gefesselte M kein Fall freiverantwortlicher Selbstgefährdung, sondern einverständliche Fremdgefährdung Erfolg zurechenbar 2. Ausdrückliches und ernstliches Tötungsverlangen des M (+) Dogmatisch: qualifizierter Fall der Einwilligung Verlangen = eigener Todeswunsch im Sinne eines eigenen und tiefen Begehrens Ausdrücklich = eindeutig und unmissverständlich Ernstlich = frei von Willensmängeln, keine unüberlegten Spontanäußerungen Motiv irrelevant: Nachvollziehbarkeit eines ungewöhnlichen sexuellen Verlangens für Dritte ist für Ernstlichkeit nicht entscheidend 3. Bestimmen zur Tötung durch das Verlangen des M (P): Hervorrufen eines Tötungsentschlusses Tötungsverlangen des M war für A nur kausal für Durchführung der Körperverletzung Tötungsvorsatz des A (-) II. Ergebnis: Strafbarkeit des A gem. 216 I StGB (-)
2 B. Strafbarkeit des A gem. 224 I Nr. 2 und 5 StGB I. Tatbestand 1. Körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung (+) 2. Gefährliches Werkzeug isd 224 I Nr. 2 StGB (+) 3. Lebensgefährdende Behandlung isd 224 I Nr. 5 StGB (+) (P): Abstrakte oder konkrete Lebensgefahr 4. Vorsatz (+) II. Rechtswidrigkeit hm: ausreichend, wenn allgemeine Gefährlichkeit der konkreten Behandlung geeignet ist, Lebensgefahr zu begründen aa: Eintritt einer konkreten Lebensgefährdung erforderlich A wollte die Körperverletzung und billigte sogar die konkrete Lebensgefahr 1. Objektive Voraussetzungen der Einwilligung (-) a) Dispositionsbefugnis des M (+) (P): lebensgefährliche Behandlungen Grundsatz aus 228 StGB: Rechtsgutsinhaber darf über eigene körperliche Unversehrtheit verfügen hm: auch bei Lebensgefahren Arg.: allgemeine Handlungsfreiheit und grundgesetzliches Bild des selbstbestimmten Menschen Begrenzung durch Sittenwidrigkeit gem. 228 StGB b) Einwilligungsfähigkeit und Einwilligungserklärung (+)
3 c) Keine Sittenwidrigkeit nach 228 StGB (-) III. Schuld (+) (P): konkrete Lebensgefahr als Maßstab hm: kein Abstellen auf moralische Wertvorstellungen sadomasochistische Praktiken nicht per se sittenwidrig rechtsgutbezogene Erwägungen im Einzelfall: z.b. Fehlen einer medizinischen Indikation, Irreparabilität des Eingriffs, Schwere der Körperverletzung, Nähe zum Tod BGH: Sittenwidrigkeit (+), wenn bei vorausschauender objektiver Betrachtung aller maßgeblichen Tatumstände der Einwilligende in konkrete Todesgefahr gebracht wird Arg.: Normzweck und Wertung der 228, 216 StGB konkrete Lebensgefahr war M und A durch früheren Vorfall bewusst IV. Ergebnis: Strafbarkeit des A gem. 224 I Nrn. 2 und 5 StGB (+) (P): Wertungswiderspruch, Verhältnis zu 216 StGB A droht mit 224 I StGB höhere Strafe als wenn ihm im Rahmen des 216 StGB Tötungsvorsatz nachgewiesen worden wäre Verwirklichter 216 StGB hätte Körperverletzungsdelikte verdrängt (Subsidiarität) und Sperrwirkung entfaltet 52 II 2 StGB schreibt Verbindlichkeit des an sich minder schweren Gesetzes für (echtes) Konkurrenzverhältnis der Tateinheit vor
4 st. Rspr.: gilt auch für Gesetzeskonkurrenz, bei der minder schweres Delikt aus Schuldspruch verdrängt wird C. Strafbarkeit des A gem. 227 I StGB I. Tatbestand (+) spezifischer Gefahrenzusammenhang zwischen Körperverletzungserfolg und Tod (+) (s. Letalitätsthese vs. qualifizierender Erfolg (hm)) II. Rechtswidrigkeit und Schuld (+) III. Zwischenergebnis: Strafbarkeit des A gem. 227 I StGB (+) IV. Strafzumessung (P): Wertungswiderspruch und Sperrwirkung (vgl. B) A darf letztlich ohne Tötungsvorsatz nicht schlechter stehen als mit (niedriger Unrechtsgehalt) ea: Strafrahmenverschiebung des 216 I StGB auf 224 ff. bzw. konkret 227 I StGB durch Analogie zulässig gem. Art. 103 II GG planwidrige Regelungslücke (+) A erfüllt 227 I bzw. 224 I, ist aber nach 216 I zu bestrafen aa: absolute tatbestandsbezogene Sperrwirkung von 216 I gegenüber 224 ff. StGB wird jedenfalls bei Täter mit Tötungsvorsatz angenommen konsequenterweise anwendbar bei fehlendem Tötungsvorsatz Bestrafung des A erfolgt nur aus 223 I
5 aa: Minder schwerer Fall Auflösung im Verhältnis zu 224 ff. durch zwingende Annahme eines minder schweren Falles Strafrahmen nicht höher als 5 Jahre Gefolgt wird hier Meinung 1 (andere Ansicht mit entsprechender Begründung vertretbar) Angleichung des Strafrahmens und Aufheben des Verbrechenscharakters des 227 I Im Urteil (Verurteilung analog 216 I, 227 I) kann Unrechtsgehalt der Körperverletzung wegen ausdrücklichen und ernstlichen Sterbeverlangens differenziert Rechnung getragen werden D. Gesamtergebnis I Nr. 2 zu 227 I StGB in Tateinheit - Strafrahmen ist 216 I StGB zu entnehmen - Fehlender Tötungsvorsatz nach 46 StGB bei Strafzumessung zu berücksichtigen Strafbarkeit des A wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge analog 216 I, 224 I Nrn. 2 und 5, 227 I StGB
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