Wie berechnen sich die anwaltlichen Gebühren in Straf- und Bußgeldsachen?
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- Gerhard Becker
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1 Wie berechnen sich die anwaltlichen Gebühren in Straf- und Bußgeldsachen? Wie viele andere gesetzliche Regelwerke auch ist das anwaltliche Gebührenrecht (leider) eine recht komplexe Angelegenheit. Die nachstehenden Informationen sollen und können daher nur einen groben Überblick bieten. 1. Allgemeines 2. Die einzelnen Gebührentatbestände 3. Fallbeispiele 4. Vereinbarung von Gebühren Grundlage für die Berechnung von anwaltlichen Gebühren ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Dieses hat mit Wirkung ab dem 01. Juli 2004 die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) abgelöst. Mit Wirkung ab dem 01. August 2013 wurde das RVG teilweise geändert und die Gebühren angehoben. Gemäß 2 Abs. 2 Satz 1 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis (VV RVG), der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Für Strafsachen gelten die Nummern 4100 ff., für Bußgeldsachen die Nummern 5100 ff.. Die nachstehenden Anmerkungen gelten für den Wahlverteidiger (der Pflichtverteidiger erhält im Gesetz betragsmäßig vorgegebene feste Gebührensätze). 1. ALLGEMEINES Anders als in zivilrechtlichen Verfahren ist Ausgangspunkt der Berechnung nicht der Gegenstandswert bzw. Streitwert der Sache, sondern die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Gebührenrahmens unter Berücksichtigung der Kriterien des 14 RVG. Beispiel: Das RVG gibt für die sogenannte Grundgebühr (Nr VV RVG, dazu unten) einen Gebührenrahmen zwischen 40,00 (Mindestgebühr) und 360,00 (Höchstgebühr) vor. Um in diesem Rahmen die angemessene Gebühr zu bestimmen, muss der Rechtsanwalt 14 RVG heranziehen. Dieser lautet wie folgt:
2 Abs.1 Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen.... In Strafsachen ist etwa von Bedeutung, was dem Beschuldigten vorgeworfen wird, ob die Beweislage schwierig ist oder bedeutende Rechtsprobleme aufgeworfen sind. Möglicherweise droht dem Beschuldigten im Falle einer erneuten Verurteilung auch der Widerruf einer in einem früheren Strafverfahren gewährten Strafaussetzung zur Bewährung. Dann kann auch ein kleiner Diebstahl von großer Bedeutung sei. Allgemein lässt sich aber sagen, dass die Verteidigung beim Vorwurf von Straftaten aus dem Bereich der leichten oder mittleren Kriminalität eben nicht so kostenintensiv ist, wie etwa bei einem schweren Raub oder anderen Kapitaldelikten. Wenn keines der benannten Kriterien des 14 RVG erheblich zur Höchst- oder zur Mindestgebühr tendiert, wird regelmäßig die sogenannte Mittelgebühr (Mindestgebühr + Höchstgebühr : 2) als die angemessene Gebühr anzusehen sein. Die Bestimmung der Gebühr ist im Weiteren davon abhängig, vor welchem Gericht die Strafsache verhandelt wird. Auch hier kommt der Gesichtspunkt der Bedeutung der Sache zur Geltung. Kleinere Sachen werden vor dem Amtsgericht verhandelt, größere oder auch Berufungen gegen amtsgerichtliche Urteile vor dem Landgericht. Da in den letztgenannten Fällen die Bedeutung der Sache eben größer ist, hat der Gesetzgeber den Gebührenrahmen entsprechend angehoben. Entsprechendes gilt für Bußgeldsachen. Hier hat der Gesetzgeber für die Verfahrens- und die Terminsgebühr den Gesichtspunkt der Bedeutung der Sache gleich wie folgt berücksichtigt: Abhängig von der Höhe des angedrohten Bußgeldes hat er den Gebührenrahmen für das gerichtliche Verfahren in drei Stufen entsprechend bemessen.
3 2. DIE EINZELNEN GEBÜHRENTATBESTÄNDE Für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall, egal in welchem Verfahrensabschnitt sich die Sache befindet, fällt in jeder Strafsache eine Grundgebühr an. In den einzelnen Verfahrensabschnitten (Vorverfahren, gerichtliche Verfahren, Berufungsund Revisionsverfahren) entsteht jeweils eine Verfahrensgebühr. Für die Wahrnehmung außergerichtlicher (z. B. polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Vernehmungen) oder gerichtlicher Termine (Hauptverhandlungs- oder Fortsetzungstermine) erhält der Rechtsanwalt Terminsgebühren. In Strafsachen gibt es zudem noch einen der Höhe nach vorgegebenen Zuschlag, wenn sich der Beschuldigte in Haft befindet. Wird die Sache erledigt, so dass es eines Gerichtstermines nicht mehr bedarf, gibt es eine Erledigungsgebühr. Schließlich fallen noch eine allgemeine Unkostenpauschale in Höhe von maximal 20,00, sowie eine Dokumentenpauschale für z.b. aus der Ermittlungsakte gefertigte Fotokopien und die gesetzlich vorgegebene Umsatzsteuer in Höhe von derzeit 19% an. 3. FALLBEISPIELE Der Beschuldigte hat den Rechtsanwalt in einer Bußgeldsache zum Verteidiger bestellt. Dieser hat sich gegenüber der Behörde mit Vollmacht seines Mandanten als solcher angezeigt und Akteneinsicht beantragt und die Sache mit dem Mandanten besprochen. Gegen den dann erlassenen Bußgeldbescheid über 250,00 legt der Rechtsanwalt Einspruch ein. Es kommt zu einer Hauptverhandlung, in der der Beschuldigte freigesprochen wird. Aufgrund des Freispruches kann der Rechtsanwalt gegenüber der Landeskasse berechnen: Grundgebühr gemäß 2 Abs. 2, 14 RVG i.v.m. Nr VV RVG 100,00 Verfahrensgebühr gemäß 2 Abs. 2, 14 RVG i.v.m. Nr VV RVG 160,00 Verfahrensgebühr gemäß 2 Abs. 2, 14 RVG i.v.m. Nr VV RVG 160,00
4 Terminsgebühr gemäß 2 Abs. 2, 14 RVG i.v.m. Nr VV RVG 255,00 Auslagenpauschale gemäß Nr VV RVG 20,00 Dokumentenpauschale gemäß Nr VV RVG 10,00 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr VV RVG 133,95 838,95 Bei der Grundgebühr und den Verfahrensgebühren wurde im Fallbeispiel jeweils von der Mittelgebühr, bei der Dokumentenpauschale von 20 notwendigen (schwarz/weiß) Ablichtungen aus der Ermittlungsakte ausgegangen. Gegen den Mandanten ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer von ihm begangenen Straftat eingeleitet worden. Vertretungsanzeige gegenüber der Polizei unter Vorlage der Vollmacht, Akteneinsichtnahme und Besprechung der Sache mit dem Mandanten. Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage zum Amtsgericht. Den Hauptverhandlungstermin nimmt der Rechtsanwalt zusammen mit dem Mandanten wahr. Die Beweise sind unzureichend, der Angeklagte wird freigesprochen. Die Verteidigerkosten sind gegenüber der Landeskasse in diesem Strafverfahren wie folgt zu berechnen: Grundgebühr gemäß 2 Abs. 2, 14 RVG i.v.m. Nr VV RVG 200,00 Verfahrensgebühr gemäß 2 Abs. 2, 14 RVG i.v.m. Nr VV RVG 165,00 Verfahrensgebühr gemäß 2 Abs. 2, 14 RVG i.v.m. Nr VV RVG 165,00 Terminsgebühr gemäß 2 Abs. 2, 14 RVG i.v.m. Nr VV RVG 275,00 Auslagenpauschale gemäß Nr VV RVG 20,00 Dokumentenpauschale gemäß Nr VV RVG 10,00 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr VV RVG 158,65 993,65 Wiederum Mittelgebühr und 20 Seiten Fotokopien.
5 4. GEBÜHRENVEREINBARUNG Die Gebührenhöhe kann zwischen dem Verteidiger und dem Beschuldigten auch individuell ausgehandelt werden. So können etwa Stundensätze oder Pauschalvergütungen vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung unterliegt den Regelungen des Schuldrechts des BGB. Gemäß 4 RVG kann jedoch eine höhere als die gesetzliche Vergütung nur gefordert werden, wenn die Vereinbarung außerhalb der Vollmachtsurkunde schriftlich getroffen wurde. RA Bernd Michalski
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