Vorkurs Mathematik. Übungen Teil IV
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- Bernhard Kaufman
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1 Vorkurs Mathematik Herbst 009 M. Carl E. Bönecke Skript und Übungen Teil IV. Folgen und die Konstruktion von R Im vorherigen Kapitel haben wir Z und Q über (formale) Lösungsmengen von Gleichungen der Form x y = c für zwei ganze Zahlen x, y Z eingeführt. Neue Probleme treten auf, wenn man Gleichungen der Form x x = c lösen möchte: Lemma. Sei c N. Hat die Gleichung x = c keine ganzzahlige Lösung, so hat sie auch keine rationale Lösung. Beweis: Angenommen, es gäbe eine Lösung x = a Q \ Z. Dann b können wir annehmen, dass b > und a vollständig gekürzt ist, d.h. die b Primfaktorzerlegungen von a, b disjunkt sind. Dann sind aber auch die Primfaktorzerlegung von a und b disjunkt, also ist ( a b ) = a Z. b Wir können uns aber einer Lösung beliebig dicht annähern, d.h. eine Folge von rationalen Zahlen (x 0, x, x, x 3,...) konstruieren, so dass der Fehler x n c mit steigendem n beliebig klein wird. Dazu brauchen wir neue Definitionen: Definition. Eine Folge rationaler (bzw. reller) Zahlen ist eine Abbildung x : N Q (bzw. R). Man notiert die Werte x(n) meist kürzer als x n. Um eine Folge zu beschreiben, muss man also unendlich viele Werte x n, n N angeben das ist im Allgemeinen nur induktiv möglich. Zum Beispiel wird die durch (,,,,,...) angedeute Folge für alle n N durch x 0 = und x n+ = x n beschrieben. Das definiert gerade die Folge n ( )n. Aufgabe. Finde eine induktive Definition für die Folge der Fibonacci-Zahlen (,,, 3, 5, 8, 3,...), die Fibonacci als Modell für eine Hasenpopulation als Funktion der Generation verwendete. Bemerke, dass sich die Folge n ( )n mit wachsendem n beliebig dicht der 0 annähert, d.h. gegen Null konvergiert in folgendem Sinne: Definition. Eine Folge n x n konvergiert gegen einen Grenzwert x Q (bzw. x R), falls es für jeden (beliebig kleinen, aber
2 positiven) Abstand ɛ > 0 eine Zahl N(ɛ) gibt, ab der alle Folgenwerte noch kleineren Abstand zu x haben, in Formeln: ɛ > 0 N(ɛ) N : x n x < ɛ n > N(ɛ). Eine Nullfolge ist eine Folge, die gegen Null konvergiert. Aufgabe. Welche der folgenden Eigenschaften einer Folge n x n sind äquivalent zur Konvergenz? Begründe! a) Für alle ɛ > 0 gibt es nur endlich viele n, so dass x n x > ɛ. b) Für alle ɛ > 0 gibt es unendlich viele n, so dass x n x < ɛ. Aufgabe 3. Zeige anhand der Definition, dass: a) n x n := n+ gegen konvergiert 3n+6 3 b) n x n + y n gegen x + y konvergiert, falls n x n gegen x und n y n gegen y konvergiert. Wir wollen nun unsere Folge rationaler Zahlen x n konstruieren, die sich einer Lösung x = c beliebig dicht annähert. Dazu schreiben wir die zu lösende Gleichung (x n ɛ n ) = c in der Form ɛ n = x n+ɛ c und vernachlässigen den in ɛ n quadratischen (also potentiell kleinsten) Summanden ɛ in der Folge x n+ = x n ɛ n, d.h. definieren die Wurzelfolge über () x 0 = c und x n+ := x n x n c = x n + c. Nach Lemma hat diese Folge keinen Grenzwert in Q. Dennoch ist die Folge konvergent in dem Sinne, dass alle Abstände x n x m < ɛ beliebig klein werden, sobald n, m > N(ɛ) entsprechend groß genug sind. Solche Folgen heißen Cauchy-Folgen. Jede konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge, und wir können nun umgekehrt Cauchy-Folgen ohne rationalen Grenzwert konvergent machen, indem wir die Menge Q um die Grenzwerte solcher Folgen bereichern. Formal geschieht das wie folgt: Definition 3. R ensteht aus der Menge der Cauchy-Folgen in Q durch Identifikation von Cauchy-Folgen, deren Differenz eine Nullfolge ist. Unser so konstruiertes R hat nun folgende Eigenschaften, die Q fehlen: () Per Konstruktion ist in R eine Folge genau dann konvergent, wenn sie Cauchy ist. Insbesondere hat damit die Gleichung x = c in R stets eine Lösung, notiert als c, nämlich den Grenzwert der Cauchyfolge ().
3 Randbemerkung: Allgemeiner werden wir in Teil VI sehen, dass jede Gleichung f(x) = c für eine stetige Funktion f : R R, die Werte ober- und unterhalb von c annimmt, auch den Wert c selbst annimmt, und die Wurzelfolge wird Spezialfall des Newtonverfahrens für differenzierbare f. () R ist überabzählbar (im Gegensatz zu Q), d.h. es gibt keine surjektive Abbildung N R. (3) Zwar hat das offene Intervall, d.h. die Menge (a, b) := {x R a < x < b} kein Minimum m (a, b) : m x x (a, b), doch gibt es stets eine größte untere Schranke max {m R m x x (a, b)}, nämlich a (im Gegensatz zur Situation in Q, denn z.b. hat (, ) Q nach Lemma ja gerade keine rationale größte untere Schranke). Damit läßt sich R auch direkt axiomatisch definieren. Aufgabe 4. a) Konstruiere eine Bijektion N Z. b) Konstruiere eine surjektive Abbildung N Q. (Wie folgt daraus die Existenz einer Bijektion N Q?) Eine Folge n x n (oder allgemeier, jede Abbildung x : X R) heißt beschränkt, falls ihr Bild in einem abgeschlossenen Intervall [a, b] := {x R a x b} enthalten ist, also a eine untere und b eine obere Schranke für alle Funktionswerte ist. Nach Eigenschaft (3) von R gibt es dann auch ein kleinstes solches Intervall. Insbesondere ist jede konvergente Folge beschränkt, denn nur endlich viele Folgenwerte liegen außerhalb eines Intervalls (x ɛ, x + ɛ) um den Grenzwert x. Die Umkehrung gilt nicht, wie z.b. die Folge n ( ) n zeigt. Aus der Eigenschaft (3) von R folgt aber: Lemma. Ist eine Folge N R : n x n nicht nur beschränkt, sondern auch monoton fallend, d.h. x n x n+ n N, so muss sie gegen die größte untere Schranke konvergieren. Aufgabe 5. Zeige mit Hilfe des Lemmas und vollständiger Induktion, dass die Wurzelfolge () konvergiert. 3
4 4. Reihen Addiert man die ersten n+ Werte (x 0, x, x,..., x n ) einer Folge k x k auf, erhält man eine neue Folge n n y n := x i := x 0 + x x n Solche Folgen heißen Reihen. Interpretiert man zum Beispiel die Werte der Folge x k = ( )k aus Beispiel 3 als Flächeninhalt geeigneter Rechtecke, so können wir die zugehörige Reihe wie folgt veranschaulichen: Wir sehen, dass die Reihe gegen den Fächeninhalt des einhüllenden Quadrats konvergiert, d.h. ( )k =. Das ist gerade der Spezialfall q = der folgenden Aufgabe 6. (Geometrische Reihe) Beweise (z.b. durch vollständige Induktion) die Formel n q i = qn+ q. Folgere, dass q i =, falls q <. q Bemerke, dass die Folge der Flächeninhalte der einzelnen Rechtecke gegen Null konvergiert. Allgemein gilt: Satz. Damit eine Reihe n n x i konvergiert, muss die zugrundeliegende Folge i x i eine Nullfolge sein. Beweis: Aus der Cauchy-Konvergenz m i=n x i < ɛ für alle ɛ > 0; m, n > N(ɛ) folgt x n < ɛ für alle ɛ > 0; m = n > N(ɛ). Jedoch erzeugt nicht jede Nullfolge eine konvergente Reihe, das Standard-Gegenbeispiel ist die harmonische Reihe, die aus der Nullfolge x n :=, n N \ {0} entsteht. Diese beschreibt gerade das Stapeln n von identischen Quadern mit maximalen Überhang x i, so dass die Gesamtkonstruktion gerade noch stabil ist:
5 5 x x x 0 Dass y n := n i= nicht konvergiert, sieht man durch Zerlegung der n Summe in Teilsummen, deren kleinster Summand einzige -Potenz ist: , und besagt, dass der Überhang x 0 + x + x +... von endlich vielen gestapelten Quadern beliebig groß werden kann, ohne dass die Konstruktion instabil wird. 3. Vorgriff: Einige Potenzreihen Eine Anwendung der geometrischen Reihe ist das folgende Konvergenzkriterium für Reihen: Satz. (Quotientenkriterium) Eine Reihe n n x i konvergiert, falls es ein N N gibt, ab der alle Quotienten x n+, x n n N mit xn 0 kleinergleich einer reellen Zahl q < sind. Beweis: Wir können N = 0 annehmen (denn endlich viele Ausnahmen stören die Konvergenz nicht) und x n 0 für alle n. Aus x n+ x n q folgt dann induktiv q n, also x n+ x 0 x i x 0 q i = x 0 q. Mithin ist n n x i beschränkt und monoton wachsend, also konvergent nach Lemma. Dann konvergiert aber erst recht n n x i, denn n i=m x i n i=m x i < ɛ für alle n, m > N(ɛ). Damit verifiziert man sofort die Konvergenz der Exponential-, Sinus- und Kosinusreihe exp(x) := x n n!, sin(x) := ( ) n x n+, cos(x) := ( ) n x n, (n + )! (n)! deren Zusammenhang und Eigenschaften wir später untersuchen.
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